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Reiche Holzernte

Aus profil 29/2018 vom 16.07.2018

Viktor Sivets war ein ukrainischer Spitzenbeamter und Günstling desgestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Er soll von ausländischen Forstkonzernen Schmiergeld erpresst undihnen im Gegenzug billiges Holz aus ukrainischen Wäldern zugeschanzt haben. Unter anderem einer Tochter derösterreichischen Schweighofer-Gruppe.

Von Joseph Gepp

Kaum etwas verrät so viel über ein Regime wie die privaten Villen der Herrschenden. So wie die Meschyhirja, einst Luxusvilla des gestürzten ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch nahe der Hauptstadt Kiew. Gleich nachdem der Volkszorn Janukowitsch im Jahr 2014 aus dem Amt gejagt hatte, wurde der holzverkleidete Prachtbau zum Denkmal. Die Meschyhirja dient heute als „Volksmuseum der Korruption“. Im Inneren kann man sich im Marmorfußboden spiegeln; im Garten die zahmen Strauße streicheln, die der Präsident einst in seinem Privatzoo hielt. Im künstlichen See daneben ließ Janukowitsch‘ in aller Eile heikle Dokumente versenken, ehe er nach Russland floh.

Viele der -später geborgenen – Papiere betreffen einen der engsten Vertrauten von Janukowitsch: Viktor Sivets, zwischen 2011 und 2014 Chef der „Staatlichen Agentur für Waldressourcen der Ukraine“ (ukrainisch abgekürzt „SAFR“). Die SAFR ist quasi das ukrainische Pendant zu den Österreichischen Bundesforsten. Sivets spielte häufig Tennis mit Janukowitsch und war auch Mitglied in dessen hochexklusivem Jagdklub „Kedr“. Dieser Verein mit nur 28 Mitgliedern umfasste „die reichsten und mächtigsten Individuen in der Ukraine der Ära Janukowitsch“, schreibt das osteuropäische Anti-Korruptions-Internetportal OCCRP.

Heute besteht der Verdacht, dass Sivets zusammen mit seiner Ehefrau, der Russin Marina Zhuravlyova, seine gute Position weidlich ausgenutzt hat.

Inzwischen wird das Paar polizeilich gesucht. Sogar die Polizeeinheit Interpol führte den einst obersten staatlichen Förster der Ukraine bis Ende 2017 auf ihrer Fahndungsliste. Sivets soll sich in Moskau versteckt halten, vermuten Ermittler. Wie der Ex-Präsident selbst genießt auch er seit dem „Euromaidan“ – dem Sturz des Janukowitsch-Regimes durch ukrainisch-nationalistische und proeuropäische Kräfte Anfang 2014 – Asyl in Russland.

In der Ukraine indes wird Sivets vorgeworfen, dass er sich zwischen 2011 und 2014 mit korrupten Holzhandelsgeschäften massiv bereicherte. Unter anderem soll er illegale Zahlungen von ausländischen Holzkonzernen gefordert haben, um ihnen im Gegenzug billiges Holz aus ukrainischen Wäldern zuzuschanzen. profil liegen exklusiv Akten einer vorgerichtlichen Untersuchung gegen Sivets vom August 2016 vor. Die Dokumente des Distriktgerichts Kiew-Pechersk mit der Fallnummer 757/34550/16K weisen auch Verbindungen nach Österreich auf.

GEFLOHENER PRÄSIDENT Ex-Staatschef Viktor Janukowitsch, 2014 gestürzt, hat sich nach Russland abgesetzt.

In den Ausführungen der Staatsanwaltschaft finden sich nämlich jene Konzerne aufgezählt, die Sivets‘ Forderungen mutmaßlich nachgaben. Es sind vier ausländische Holzunternehmen: ein türkisches („Agac-Gruppe“), ein polnisches („Baltic Wood“), ein rumänisches („Confana Industries“) und ein slowakisches: die Firma Uniles s. r. o. mit Sitz in der Hauptstadt Bratislava. Diese Uniles ist ein Tochterunternehmen der Schweighofer-Gruppe mit Sitz in Wien, einem der größten Holzkonzerne Österreichs.

An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass nicht die Unternehmen als Verdächtige geführt werden, sondern lediglich Sivets und Familienmitglieder.

Der Schweighofer-Gruppe wird also in der Ukraine keine strafbare Handlung zum Vorwurf gemacht. Das Unternehmen Uniles taucht nur im Zusammenhang mit Vorwürfen gegen Sivets in den Gerichtsakten auf, dem Erpressung und Korruption vorgeworfen werden. Nichtsdestoweniger wirft dies Fragen auf.

Die Schweighofer-Gruppe – rund 3100 Mitarbeiter und 760 Millionen Euro Jahresumsatz – zählt zu Österreichs wichtigsten Playern im Osten. Alleineigentümer ist die Stiftung des gebürtigen Waldviertlers Gerald Schweighofer, der laut Magazin „trend“ derzeit auf Platz 36 der reichsten Österreicher rangiert. Die administrative Zentrale von Schweighofers Imperium liegt in der Wiener Favoritenstraße 7, doch tätig ist man vornehmlich in Rumänien. Dort befinden sich die drei großen Sägewerke der Holzindustrie Schweighofer S. R. L. Die Firma ist überlegener Marktführer bei der Nadelholzverarbeitung im Land. Auch in Rumänien muss sich Schweighofer übrigens mit Anschuldigungen herumschlagen:

Vor einigen Jahren warfen Umweltschützer und Politiker dem Unternehmen vor, sich im großen Stil illegal geschlägertes Holz in seine Werke liefern zu lassen (profil berichtete). Schweighofer hat die Vorwürfe stets bestritten und seine Bemühungen für mehr Transparenz betont.

Doch zurück in die Ukraine. Aus diesem Land stammt vieles von jenem Holz, das Schweighofer danach in Rumänien verarbeitet. Die tiefen Wälder der ukrainischen Karpaten liegen nicht weit von der rumänischen Grenze. Nicht zufällig steht das große Schweighofer-Sägewerk in der nordrumänischen Stadt Rădăuți, gerade einmal eine Autostunde von ukrainischem Territorium entfernt, und es verfügt sogar über einen Gleisanschluss in breiter Spurweite, sodass Güterzüge aus dem Nachbarland direkt einrollen können. Laut Eigenangaben von Schweighofer wurden seit 2012 rund 3,5 Millionen Kubikmeter Nadelholz aus dem Nachbarland nach Rumänien importiert. Zwar haben sich diese Importe seit 2015 stark reduziert, weil die neue ukrainische Regierung ein Holzexportverbot verhängte. Aber trotzdem: Ukrainisches Holz war für Schweighofer in Rumänien stets hochbedeutend.

Hat die Konzerntochter Uniles – um an eben dieses zu kommen – bis 2014 einer Erpressung von Ex-Forstchef Sivets nachgegeben und Zahlungen an den mutmaßlich korrupten Beamten geleistet? Das könnte laut den profil vorliegenden Gerichtsunterlagen der Fall sein. Der Staatsanwalt wirft Sivets vor, „durch Erpressung und mit Beihilfe seiner Frau von den ausländischen Unternehmen einen ungerechtfertigten Vorteil in verschleierter Form erhalten zu haben“. Die „ungesetzliche Leistung“ sei zwischen Jänner 2011 und Februar 2014 geflossen. In Summe sollen Uniles und die drei anderen ausländischen Unternehmen 3.695.201,56 Dollar und nochmals 10.829.159 Euro bezahlt haben -ergibt in Summe rund 13,6 Millionen Euro im Lauf von vier Jahren. Für Viktor Sivets gilt die Unschuldsvermutung. Die Ermittlungen, die im Jahr 2014 aufgenommen wurden, sind bis heute nicht abgeschlossen. Zuletzt wurden in Zusammenhang mit der Causa im vergangenen Februar Gelder auf Schweizer Bankkonten eingefroren, die mutmaßlich mit den Korruptionsgeschäften in Zusammenhang stehen.

Gerald Schweighofer (Gepp)

Wie genau floss das Geld? Konkret zählt der Gerichtsakt mehrere Briefkastenfirmen aus Großbritannien sowie den mittelamerikanischen Ländern Panama und Belize auf. Sie tragen Namen wie „Mega-Commerce Limited“ oder „Faraday &Co, SA“. Einige dieser Firmen unterhielten Bankkonten in Lettland, auf welche die Summen eingezahlt wurden. Solcherart seien die mutmaßlich illegalen Gelder von Sivets und seiner Frau „gewaschen“ worden, so die Gerichtsunterlagen. Am Ende landeten sie in zwei panamaischen Briefkastenfirmen. Deren wirtschaftliche Eigentümerin sei Sivets‘ Frau Marina Zhuravlyova, vermuten die Ermittler.

Und die Gegenleistung für all das? Die übliche Vorgangsweise laut ukrainischem Gesetz wäre, dass das Holz, das in staatlichen Walddistrikten geschlägert wird, im Rahmen einer Art Versteigerung an den Bestbietenden geht. „Laut den Erkenntnissen der ukrainischen Ermittler in der vorgerichtlichen Untersuchung ist eben dieses Procedere durch Korruption ausgehebelt worden“, sagt Sam Lawson, Direktor der britischen Umweltschutzorganisation „Earthsight“ in London, der sich mit dem Fall befasst hat. In einem aktuellen Bericht setzen sich Lawson und seine Mitstreiter mit Ungereimtheiten im ukrainischen Forstsektor auseinander. „Sivets ordnete also an, dass die Versteigerungen auszusetzen sind – und das Holz an von ihm benannte Unternehmen gehen soll“, sagt der Umweltschutzaktivist. „Und zwar unter dem Marktpreis.“

Unter Ex-Chef Sivets habe die Staatliche Agentur für Waldressourcen SAFR „systematische, zentralisierte Korruption“ betrieben, heißt es auch in einem Bericht des ukrainischen Waldexperten Mychailo Popkov aus dem Jahr 2016. Popkov berät die Weltbank in Washington D. C. zu Fragen effizienten Managements staatlicher Forste. In seinem russischsprachigen Report für das Waldprogramm der Weltbank schildert Popkov, wie die mutmaßlichen korrupten Holzgeschäfte in der Ära Janukowitsch abliefen. Konkret: Die SAFR gründete ein Tochterunternehmen namens Ukrliskonsulting, offiziell eine Marketing-Agentur. Diese Ukrliskonsulting verhandelte mit ausländischen Partnerunternehmen. Bei jedem Holzkauf wurde ein jeweils fixer Anteil am Preis für angebliche „Marketing-Leistungen“ auf Bankkonten von Briefkastenfirmen eingezahlt. Es gab sogar festgelegte Tarife: Erwarb ein ausländisches Unternehmen von der SAFR beispielsweise Nadelholz in ganzen Stämmen, betrug die „Zahlung für Marketing-Leistungen“, wie Popkov schreibt, rund 7,50 Euro pro Kubikmeter.

Waldarbeiter in den Karpaten (Gepp)

Wann ist nun mit einer Anklage gegen Sivets zu rechnen? Drohen auch jenen ausländischen Unternehmen Konsequenzen, die möglicherweise Sivets‘ Forderungen nachgegeben haben? Und: Was unternimmt die ukrainische Regierung heute, um die ukrainischen Wälder zu schützen und mutmaßliche Missstände wie unter Sivets zu verhindern? All das hätte profil gern vom ukrainischen Justizministerium erfahren, das dem Distriktsgericht von Pechersk vorsteht. Doch Antworten blieben aus.

Und was sagen die Schweighofer-Verantwortlichen in Wien zu all dem? Das Unternehmen weise sämtliche „Unterstellungen zum Thema Schmiergeld aufs Schärfste zurück“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme von Schweighofer-Sprecher Thomas Huemer an profil. „Für vermeintlich kriminelle Handlungen in einem Staat verantwortlich gemacht zu werden, deren Opfer man mutmaßlicherweise sein könnte, ist zurückzuweisen.“ Der Schweighofer-Sprecher betont weiters, dass man sich „in allen Engagements an die geltenden Gesetze und Regeln“ halte.

„Es entspricht selbstverständlich unseren Prinzipien, mit den Behörden im Falle von Untersuchungen zu kooperieren“, heißt es außerdem in der Stellungnahme. Auf die Frage, ob die Schweighofer-Tochter Uniles zwischen 2011 und 2014 Geschäftskontakte zu Briefkastenfirmen gehabt habe – und wenn ja, zu welchem Zweck – antwortet der Sprecher: „Aus Wettbewerbsgründen kommentieren wir einzelne Vertragspartner nicht.“

GEFLOHENER PRÄSIDENT Ex-Staatschef Viktor Janukowitsch, 2014 gestürzt, hat sich nach Russland abgesetzt.

GEFLOHENER GEFOLGSMANN Auch Viktor Sivets (oben) soll sich in Moskau verstecken. In Ermittlungsakten liest man von Korruption im großen Stil.

GERALD SCHWEIGHOFER Die Stiftung des Waldviertlers ist Alleineigentümer des Konzerns.

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Die Stadt für alle Fälle

Aus dem FALTER 5/2014

Für den Fall eines Umsturzes hat der innerste ukrainische Machtzirkel vorgesorgt -in Wien

Ein Stück des Kiewer Maidan-Platzes reichte vergangenen Donnerstag bis nach Wien. Vor der Korruptionsstaatsanwaltschaft am Donaukanal versammelten sich Ukrainer. „Vermögen einfrieren!“, skandierten sie und schwangen blaugelbe Fahnen. Österreich, so der Vorwurf, helfe ukrainischen Oligarchen, indem es als Basis für allerlei Geschäfte fungiere.

Tatsächlich besitzt der innerste Machtzirkel der Ukraine, der in Kiew auf Protestierende losgeht, Vermögen und Firmen in Österreich. Einmal mehr spielt Wien eine zentrale Rolle bei dubiosen Ost-Deals.

Es geht vor allem um ein Brüderpaar aus dem ostukrainischen Donezk, Andrij und Serhij Kljujew. Die Kljujews zählen zu den reichsten Ukrainern; sie sind Parlamentsabgeordnete und Vertraute von Präsident Viktor Janukowytsch. Seit sie in den 90ern im Zug der Privatisierungswelle reich wurden, richten sie ihr Imperium auf Russland aus – entsprechend gelten sie als Hardliner ohne viel Interesse an einer EU-Annäherung.

Andrij Kljujew war als Chef des Sicherheitsrats federführend für den Umgang mit Demonstranten zuständig, vergangene Woche stieg er zu Janukowytschs Präsidialamtschef auf. Serhij leitet die Geschicke des Familienunternehmens, der Slav AG. Ihr Sitz: Wien.

Laut Online-Firmenregistern gehört die Slav je zur Hälfte Andrij und Serhij. In Österreich selbst tätige der Konzern „praktisch kein Geschäft“, hieß es 2006 in der Wiener Zeitung. Stattdessen fungiert Slav als Dach für ukrainische Kljujew-Firmen, etwa in der Metall-, Finanz-und Immobilienbranche.

Die Firmenzentrale nahe der Ringstraße erkennt man nur an der Türklingel, eine Homepage gibt es nicht. Zu welchem Zweck braucht man so eine unorthodoxe Firmenkonstruktion? Slav antwortet nur mit einem dünnen Statement: Man führe Geschäfte rechtskonform und „nach „üblichen Corporate-Governance-Standards“.

Konkreter wird die Ukrainska Prawda, ein gutinformiertes Onlineblatt aus Kiew. Demnach entscheide Andrij Kljujew als Politiker über Auftragsvergaben, etwa Kraftwerksbauten. Den Zuschlag würden dann unverdächtige Firmen aus Wien erhalten, zum Beispiel ein Solarunternehmen namens Activ Solar – in Wahrheit eine Tochter von Kljujews Slav. Die Kljujews, so der Vorwurf, schanzen ihrem Konzern Aufträge zu. Ein Sprecher von Activ Solar nennt dies „haltlos und unwahr“:“Die Firma gehört Investoren aus der EU und dem Management, die Slav AG hält keine Anteile.“

In Kiew jedenfalls sind die Slav und ihre Töchter Gegenstand intensiver Recherchen. So wurde selbige Activ Solar 2009 von Slav an einen Trust in Liechtenstein verkauft. Diesen leitet ein österreichischer Anwalt namens Reinhard Proksch. Proksch, der für den Falter nicht zu sprechen war, kommt in vielen ukrainischen Medien vor. Er scheint ein Vertrauensmann der Oligarchen zu sein. Über den Umweg einer britischen Firma hält Prokschs Trust etwa auch Anteile an Immobilien der Präsidentenfamilie Janukowytsch – etwa der „Meschigorja“, Janukowytschs Luxusvilla nahe Kiew. Im Sommer 2012 wurde über verschlungene Wege sogar ein Österreicher zum Kurzzeiteigentümer dieser Villa: der Wiener Aktienbroker Johann Wanovits. Hierzulande kennt man ihn vor allem vom Telekom-Skandal, er soll die Kurse des Konzerns manipuliert haben. Der Zweck solch verschachtelter Konstrukte ist unklar, ukrainische Medien vermuten Geldwäsche. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Ukrainische Aktivisten demonstrierten am Donnerstag vor der Staatsanwaltschaft gegen die Österreich-Verwicklungen ukrainischer Oligarchen

Ukrainische Aktivisten demonstrierten am Donnerstag vor der Staatsanwaltschaft gegen die Österreich-Verwicklungen ukrainischer Oligarchen

Doch zurück zu den Kljujew-Brüdern und ihrer Slav: In der österreichischen Öffentlichkeit tauchte die Firma nur einmal auf. Das war bei der Privatisierung der landeseigenen Bank Burgenland 2006. Slav bot mit, unterlag aber gegenüber dem steirischen Versicherungskonzern GraWe. Später beschwerten sich die Ukrainer bei der EU-Kommission, weil sie sich für den Meistbietenden hielten – erfolgreich. Nun muss die GraWe 50 Millionen Euro nachzahlen, derzeit wird über eine Lösung verhandelt.

Der misslungene Kauf der Bank Burgenland fiel in eine Zeit, in der die Kljujews ihr Geschäftsfeld erweitern wollten. Zum Kerngeschäft der Schwerindustrie sollten sich „Immobilien und Finanz“ gesellen, hieß es 2006. Damals verlagerte sich der Schwerpunkt vieler Geschäfte nach Wien. In der Ukraine wurden die Brüder indes immer mehr zum Symbol für einen russlandfreundlichen Filz, der den Staat angeblich zur Bereicherung nutzt. Aufsehen erregten etwa kürzlich Dokumente, die ebenfalls die Ukrainska Prawda veröffentlichte. Es sind Formulare der Landes-Hypo Vorarlberg von 2010, ausgefüllt von Andrij und Serhij Kljujew.

Die Bank legte sie den Brüdern vor, nachdem sie zu Kunden bei ihr geworden waren, wie die Vorarlberger Hypo auf Falter-Nachfrage bekannt gab. Slav hatte gerade ein Immobilienunternehmen erworben, das seine Konten bei der Landes-Hypo hat. Auf den Formularen beantworten die Kljujews die Frage, ob es sich bei ihnen um sogenannte „politisch exponierte Personen“ handelt: Gehen Bankkunden nämlich politischen Tätigkeiten nach, müssen Banken strenger auf Geldwäsche achten. Die Kljujews jedoch setzten ihr Kreuz bei „Nein“ – trotz hoher Posten in der Politik.

Strafrechtlich ist die Falschangabe nicht relevant – die Bank ist für die Angaben verantwortlich, nicht der Kunde. Es wirkt aber, als wollten die Brüder Kontrollen umgehen. Die Vorarlberger Hypo sagt, man habe die Kljujews unabhängig von deren eigenen Angaben als politisch exponiert eingestuft. Denn durch „Medienberichte in Österreich“ habe man die Brüder bereits gekannt.

Fazit: Die ukrainische Machtelite verfügt über ein dichtes Netz an Firmen, Konten und Kontaktleuten in Österreich. Es geht vor allem um die Kljujews, teils auch um die Präsidentenfamilie selbst. Sie alle haben sich hier einen Hafen geschaffen, sicher vor revolutionären Umbrüchen. Ausheben könnte man solche Netze nur mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, etwa bei möglichem Geldwäscheverdacht. Oder mit dem Einfrieren von internationalen Konten der ukrainischen Elite, wie es der schwedische Außenminister Carl Bildt fordert.

Sollten sich die Machtverhältnisse in der Ukraine ändern, dann könnten die Kljujew-Brüder jedenfalls bald persönlich nach Österreich kommen. Einen exklusiven Wohnort hätten sie schon: Serhij Kljujews Ehefrau Iryna ist hier hauptgemeldet – in einer Villa am Tulbingerkogel nahe Wien.

Randinfo:
„Das Ausmaß von Diebstahl und Unterdrückung übersteigt alle Vorstellungen von menschlicher Gier“, schreibt der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch über die Zustände seines Landes. „Glauben Sie bitte nicht, dass Sie ‚Extremisten‘ oder ‚Rechtsradikale‘ vor sich haben. (…) Die Ukrainer verteidigen heute die europäischen Werte einer freien und gerechten Gesellschaft“

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