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Weitertraben

Aus dem profil 22/2019 vom 26.05.2019

Es ist eine mysteriöse Geschichte. Wie profil vergangenen Sommer berichtete, hat die Gemeinde Wien die traditionsreiche Trabrennbahn Krieau im Prater – stillschweigend – an ein Privatunternehmen verkauft. Der Käufer ist die Viertel Zwei GmbH, hinter welcher der Wiener Immobilienentwickler Michael Griesmayr steht. Wie profil ebenfalls berichtete, trug sich das Unternehmen mit Plänen, die Rennbahn zu verbauen. Der Wiener Trabrennverein, der derzeit als unbefristeter Pächter die Sportstätte betreibt, müsste dafür an einen anderen Ort übersiedeln. Der heutige SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig wurde bereits als Wohnbaustadtrat im Jahr 2016 in die umstrittenen Absichten der Viertel Zwei eingeweiht. Heißt: Ein großes Stück des Grünen Praters würde mit Wohnungen und Büros verbaut.

Nun jedoch hat das Rathaus offenbar einen anderen Weg eingeschlagen. „Die Trabrennbahn bleibt erhalten -und zwar an diesem Ort“, sagt Wiens SPÖ-Sportstadtrat Peter Hacker, der für die Rennbahn zuständig ist, gegenüber profil. Heißt: Eine etwaige Übersiedlung der Rennbahn an einen anderen Ort – und darauffolgend eine Bebauung des Geländes – dürfte vorerst vom Tisch sein.

Nicht rückgängig machen lässt sich allerdings die Privatisierung des Areals. Eigentümer der Rennbahn bleibt die private Viertel Zwei. Sie dürfte allerdings mit ihrem Besitz nicht viel anfangen können, bleibt er doch langfristig an den Trabrennverein verpachtet. Auf absehbare Zeit dürfte es im Prater weiterhin heißen: hü, hott!

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Geheimplan Rennbahn

Aus dem profil 32/2018 vom vom 06.08.2018

Die Gemeinde Wien hat vor Kurzem die Trabrennbahn Krieau im Prater an ein privates Immobilienunternehmen verkauft. Wurde der kostbare Grund zu billig verscherbelt? Und warum behauptet die rot-grüne Stadtregierung, die Bahn bliebe erhalten, während es in Wahrheit offenkundig Gespräche über ihren Verbau gibt? Ein Immo-Deal, der Fragen aufwirft.

Von Joseph Gepp

An einem lauen Sommerabend kommt die halbe Stadt in den Wiener Prater zum Sporteln. Radfahrer und Jogger tummeln sich auf der Hauptallee. Kaum einen Steinwurf entfernt hat eine weniger bekannte Sportart ihre Heimstatt. Auf der Trabrennbahn Krieau ziehen die Traber mit ihren Pferden ihre Runden. Vor 140 Jahren, anno 1878, wurde die Rennbahn im 2. Bezirk eröffnet. Mit ihren denkmalgeschützten Tribünen und einem filigranen Schiedsrichterturm gilt sie als architekturhistorisch wertvoll. Sie ist eine Wiener Sehenswürdigkeit.

Doch ob hier auch in Zukunft noch Pferde traben, scheint fraglich. Anfang Juli berichtete profil, dass die Gemeinde Wien die Rennbahn an einen privaten Immobilienentwickler verkauft hat. Der Deal ging still und leise vonstatten. Keine Presseaussendung wies darauf hin; keine Debatte im Gemeinderat fand statt. Der Käufer heißt Viertel Zwei Entwicklungs GmbH & Co Krieau KG. Dieses Unternehmen mit Sitz in Wien hat bereits in den vergangenen Jahren große Flächen neben der Rennbahn erworben. Nun kam die Bahn selbst an die Reihe.

Droht jetzt ein Verbau mit Luxuswohnungen und teuren Büros? Wird somit das bebaute Areal der Stadt tief in jene Praterflächen hineinrücken, die heute noch frei stehen? Müssen die Pferde weichen? Garantiert nicht, beteuerten in den vergangenen Wochen Vertreter der privaten Viertel Zwei genauso wie der Stadt Wien. Die Rennbahn bleibe erhalten, wenn auch unter neuem Besitzer.

Nun jedoch wecken interne Unterlagen, die profil zugespielt wurden, Zweifel an dieser Darstellung. Das Konvolut, das von der Viertel Zwei stammt und teilweise mit dem Vermerk „streng vertraulich“ versehen ist, enthält detaillierte Informationen zu Verkauf und Zukunft der Rennbahn. Eine Bebauung ist durchaus in Überlegung, entgegen aller Beteuerungen. Die Pläne wirken sogar ziemlich konkret. Die rot-grüne Wiener Stadtregierung – konkret Michael Ludwig, bis vor Kurzem SPÖ-Wohnbaustadtrat und heute Bürgermeister – ist offenkundig seit Jahren in das Ansinnen eingeweiht. Noch als Stadtrat fand ein Treffen zwischen Ludwig und Viertel-Zwei-Managern statt, in dem Ludwig umfassend über deren Pläne aufgeklärt wurde, dies zeigen die Dokumente.

Bereits seit Jahren tönt Kritik an den Grundstücksgeschäften der Stadt Wien in der Krieau und Umgebung.
Extrem diskret und ohne Ausschreibung wurden hier im Lauf von bald eineinhalb Jahrzehnten Liegenschaften verkauft. Jetzt hat mit der Trabrennbahn erneut eine wertvolle und große Fläche den Eigentümer gewechselt. Oppositionspolitiker, Rechnungshofprüfer und gar manch Stadt-Wien-Beamter kritisierten im Lauf der vergangenen Jahre, dass das Rathaus die Liegenschaften nicht nur heimlich, sondern auch zu billig verkauft habe. Politisch verantwortlich sind die ehemaligen SPÖ-Wohnbaustadträte Werner Faymann und Michael Ludwig. Sie müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, die Öffentlichkeit nicht genug informiert zu haben, dass hier im großen Stil Privatisierungen stattfinden – und was der Zweck dahinter sein soll.

Traber auf der Rennbahn: Links im Hintergrund das neue Viertel Zwei (Foto: Joseph Gepp)

Die Krieau-Causa reiht sich in eine Serie von Immobiliengeschäften der Stadt Wien, die derzeit für Schlagzeilen sorgen. Zum Beispiel rund um das Semmelweis-Areal im 18. Bezirk, wo das Rathaus Liegenschaften zum Spottpreis an einen Privatschulbetreiber und ein SPÖ-nahes Wohnbauunternehmen verkauft haben soll. Im zweiten Fall ermittelt die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Das Rathaus stoße Flächen viel zu billig ab, kritisiert regelmäßig die Stadt-Wien-Opposition aus FPÖ, ÖVP und NEOS. Der Gemeinde – und damit dem Steuerzahler -würden Millionen entgehen.

Was den Krieau-Verkauf betrifft, beginnt dessen Vorgeschichte im Jahr 2004. Damals beschließt die Stadt, große Grundstücke am Rand des Praters einem Tochterunternehmen der stadteigenen Wien Holding zu übertragen. Dieses reicht die Flächen an einige handverlesene Privatunternehmen weiter. Hintergedanke: Die Privaten sollen attraktive Bürobauten und Einkaufszentren errichten. Immerhin naht die Verlängerung der U-Bahn-Linie 2 heran ebenso wie die Fußball-EM 2008 im Praterstadion -da soll der 2. Bezirk etwas hermachen.

Bei den Deals kommt unter anderem die Viertel Zwei zum Zug.
Sie erhält Vorkaufsrechte rund um die Krieau. Auf dieser Basis erwirbt sie nach und nach Flächen. Hinter der Viertel Zwei steht Michael Griesmayr, 57 Jahre alt. Der gebürtige Steirer, der in den 1990er-Jahren als Immobilienfinanzierer bei der Raiffeisen-Zentralbank begann, ist heute ein großer Player in der Wiener Immobilienszene. Im Jahr 2010 feiert Griesmayrs erstes großes Projekt im Prater Fertigstellung: das „Viertel Zwei“, ein Bürogrätzel, architektonisch durchaus gelobt, gelegen unmittelbar neben der Trabrennbahn. Im Jahr 2012 folgt der nächste Streich: Die Viertel Zwei kauft das Areal der Stallungen, ebenfalls neben der Bahn. Die Bebauung dieses Geländes („Viertel Zwei Plus“) läuft derzeit an. Im Frühjahr 2017 schließlich krönt das Unternehmen seine Einkaufstour mit dem Erwerb der Rennbahn selbst. Sie ist nahezu 13 Hektar groß; die Lage zwischen U-Bahn und Grünem Prater könnte nicht besser sein. Zugleich jedoch gestalten sich hier die Umstände schwieriger als bei den früheren Käufen: Die Bahn ist seit dem Jahr 1945 unbefristet an den Wiener Trabrennverein verpachtet, der die Rennen betreibt. Überdies darf das Gelände derzeit nicht bebaut werden, weil es als „Sportstätte“ gewidmet ist. Sollte die Rennbahn irgendwann aufgelassen werden, muss laut Gesetz anderswo eine Ersatzsportstätte geschaffen werden.

Aus den geheimen Unterlagen: So soll die Rennbahn dereinst aussehen

Aufseiten der Stadt gibt es von Anfang an Kritik an den Deals. Im Jahr 2004 wettern Oppositionelle im Gemeinderat gegen die „freihändigen, handstreichartigen Vergaben“. Zwei Jahre später kritisiert der Stadtrechnungshof, dass es keine Ausschreibungen gegeben habe, bei denen der Bestbieter zum Zug hätte kommen können. Stattdessen basierten die Kaufpreise auf Sachverständigengutachten, welche die Stadt Wien in Auftrag gab. „Bei ordnungsgemäßer Ausschreibung hätte ein weit höherer Kaufpreis erzielt werden können“, so der Stadtrechnungshof. Die Deals „entbehren den üblichen Gepflogenheiten im Immobilienwesen“. Und: „Es stellt sich die Frage, warum gerade diese Investoren für das Megaprojekt ausgewählt wurden.“ Im Jahr 2014 taucht noch dazu ein interner Aktenvermerk aus der Wien Holding auf. Wie die Wochenzeitung „Falter“ damals berichtete, hatte ein Wien- Holding-Mitarbeiter im Jahr 2007 seine Vorgesetzten gewarnt: Die Kaufpreise für die Krieau-Gründe seien derart niedrig, dass der Deal „einer Korrektur bzw. Auflösung“ bedürfe.

Wie viel zahlt die Viertel Zwei heute für die Rennbahn? Den endgültigen Kaufpreis wisse man noch nicht, sagt Unternehmenssprecherin Judith Erlfelder. „Er kann erst festgelegt werden, wenn gewisse Parameter feststehen, darunter die Art der Nutzung sowie die erzielbare Bruttogeschossfläche auf Basis der Widmung.“ Je nach errichteter Fläche komme es zu „Nachbesserungen“, erklärt Erlfelder. In Immobiliendingen sei dies „ein normaler und üblicher Vorgang“.

Wurde über den gewünschten Verbau der Krieau informiert, als er noch Wohnbaustadtrat war: SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig (Wikipedia)

Laut einer internen Präsentation der Viertel Zwei, die profil vorliegt, beträgt der Kaufpreis inklusive Nebenkosten 16,5 Millionen Euro. Das entspricht einem ungefähren Quadratmeterpreis von 130 Euro. Es sei ein „Mindestkaufpreis“ exklusive Nachbesserungen, heißt es auch hier.

Ist die Summe angemessen? Und wie viel könnte durch die Nachzahlungen noch dazukommen? Aufschluss darüber würde jenes Gutachten der Stadt liefern, mit dessen Hilfe der Kaufpreis bestimmt wurde. Doch dies sei unter Verschluss, erklärt Daniel Benyes, Sprecher von SPÖ-Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál, der Nachfolgerin Faymanns und Ludwigs. „Aus rechtlichen Gründen darf es nicht herausgegeben werden.“

Benyes weist scharf zurück, dass der Kaufpreis
im Fall Krieau zu niedrig ausgefallen sein könnte. Er verweist vor allem auf besagte Nachbesserungen. Sollte die Krieau dereinst wirklich bebaut werden, würde -je nach Umfang der Gebäude – ein durchaus marktüblicher Kaufpreis an die Stadt Wien fließen. Allerdings: Dies setzt ja genau jenes Szenario voraus, das offiziell alle Seiten bestreiten -einen Verbau. Was der Sinn hinter dem ganzen Konstrukt sein soll, bleibt letztlich rätselhaft.

Doch zurück zu den internen Dokumenten. Sie enthalten neben Details zum Kauf auch Pläne, was wirklich mit der Trabrennbahn geschehen soll. Und siehe da -im Gegensatz zu allen Beteuerungen von Gemeinde Wien und Viertel Zwei ist es keine ausgemachte Sache, dass die Bahn erhalten bleibt. Dabei hat Viertel- Zwei-Sprecherin Erlfelder noch im Juli betont, man habe „keine“ Pläne mit der Rennbahn. Angeblich einziges Motiv für den Kauf: „Wir wollen nicht, dass uns irgendjemand wo etwas hinbaut – auch in Zukunft nicht“, so Erlfelder gegenüber ORF Wien. Auch das Büro von Gaál beschwichtigte: „Der Weiterbestand der Trabrennbahn ist abgesichert.“

In Wahrheit laufen bereits seit Jahren Gespräche mit Vertretern der Gemeinde über eine Bebauung des Geländes -so geht das zumindest aus den internen Unterlagen der Viertel Zwei hervor. „Gespräche bzgl. dem Absiedlungsprozedere finden mit Stadt Wien statt“, heißt es beispielsweise in einer Präsentation vom Vorjahr. Die Absiedlung bezieht sich auf den Wiener Trabrennverein (WTV) – er muss verschwinden, ehe eine Bebauung beginnen kann. Dementsprechend heißt es in einem internen Protokoll zu einer Viertel-Zwei-Sitzung, in der sich die Manager untereinander über ihre Ziele austauschen: „Der WTV muss weg!“

Sogar der heutige SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig wurde über die Pläne informiert -und zwar ziemlich ausführlich. Am 30. März 2016 fand laut den Dokumenten ein Termin von Viertel-Zwei-Vertretern mit dem damaligen SPÖ-Wohnbaustadtrat statt. Der Verkauf der Rennbahn war damals noch nicht unter Dach und Fach. Es galt für die Manager, Ludwig von ihren Krieau-Plänen zu überzeugen. profil liegt das Protokoll einer internen Sitzung von Anfang März 2016 vor, kurz vor dem Termin bei Michael Ludwig. Darin entwerfen die Manager des Immobilienunternehmens eine Strategie für das bevorstehende Gespräch mit dem Stadtrat.

Was den Plan einer „Bebauung des Infields“ (also der Rennbahn) betrifft, müsse man „Überzeugungsarbeit“ bei Ludwig leisten, heißt es. Man werde ihm „Varianten“ vorlegen, „wie eine grundlegende Bebauung aussehen kann“. Als mögliches Argument für den Verbau könne man beim Ludwig-Termin anführen, dass rund um die Rennbahn ja bereits in den vergangenen Jahren zahlreiche Neubauten entstanden seien. „Somit kann eine Bebauung des Planungsgebiets 3 (die interne Viertel-Zwei-Bezeichung für die Trabrennbahn, Anm.) als logische Konsequenz dargestellt werden.“

Wie lautet also das Fazit im Fall Krieau? Was die Informationspolitik gegenüber der Öffentlichkeit betrifft: Die Stadtregierung verliert kein Wort darüber, dass offenkundig durchaus intensiv debattiert wird, eine Großfläche zu verbauen, die immerhin einen wichtigen Teil des Wiener Praters darstellt. Und in Sachen Kaufpreis? Hier bedient sich die Gemeinde eines Systems geheimer Gutachten und Nachzahlungen, dessen Details niemand kennt und das für jede Menge Kritik sorgt.

Die Viertel Zwei meint gegenüber profil, man mache „keine Angaben zum Inhalt einzelner Gespräche“. Grundsätzlicher: „Wenn der Trabrennverein die gepachtete Fläche aufgeben und/oder seinen Standort verändern will, werden wir ihn bei diesem Vorhaben unterstützen“. Man bereite sich jedoch „als professioneller Stadtteilentwickler auf verschiedene Szenarien vor.“

Und die Gemeinde? In einer Stellungnahme der MA 69 für Immobilienmanagement, die Gaál untersteht, bleibt die Stadt bei ihrer bisherigen Darstellung: Es gäbe „keine Gespräche über eine Gesamtabsiedlung des Trabrennvereines“. Dies wäre nämlich beim Wiener Sportamt zu beantragen -und genau das sei nicht geschehen. Und das Gespräch mit Ludwig? Darauf geht die MA 69 in ihrer Stellungnahme nicht ein. Hinter vorgehaltener Hand meinen Rathausvertreter, das seien lediglich „total unverbindliche Vorab-Gespräche“ gewesen.

Wie ernst über die Zukunft der Krieau diskutiert wird, das muss offen bleiben. Genauso wie viele andere Fragen in der mysteriösen Causa. Immerhin auf einige könnte es bald Antworten geben. Die Oppositionspolitikerin Bettina Emmerling, Vize-Klubchefin der Wiener NEOS, will SPÖ-Stadträtin Gaál mittels einer umfangreichen Anfrage zu Auskünften zwingen. Emmerling fragt beispielsweise, warum es keine Ausschreibung gab und worin überhaupt der Zweck lag, die Rennbahn zu verkaufen. Mit einer Antwort ist Mitte September zu rechnen.

Die Viertel Zwei jedenfalls hofft laut den profil zugespielten Unterlagen, im Jahr 2021 mit einer Bebauung beginnen zu können. Man rechnet mit einer Bruttogeschossfläche von „ca. 90.000-110.000 Quadratmetern (Minimalvariante)“. Die denkmalgeschützten Tribünen und der Schiedsrichterturm sollen in das neue Stadtviertel integriert werden. Angedacht ist ein künstlicher See auf der ehemaligen Rennbahn, um den sich Gebäude mit den Zwecken „Wohnen, Gewerbe und Bildungsstätten“ gruppieren.

Und all das mitten im Grünen.

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Der Deal auf der Trabrennbahn

Aus dem FALTER 16/2014

Hat die Gemeinde Wien wertvolle Gründe in der Krieau zum Spottpreis an einen Privaten verscherbelt? Chronologie eines dubiosen Millionengeschäfts

BERICHT: JOSEPH GEPP
FOTO: HERIBERT CORN

Seit die Sportwetten-Fans lieber ins Wettcafé oder ins Internet gehen, ist es still geworden auf der Trabrennbahn Krieau. An guten Tagen kommen gerade einmal 3000 Besucher, nicht mehr 50.000 wie einst. Die denkmalgeschützten Stallungen bröckeln. Von drei historischen Tribünen sind zwei wegen Baufälligkeit gesperrt.

Die altehrwürdige Trabrennbahn im zweiten Bezirk, eröffnet 1878, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Rundherum blüht das Viertel nördlich des Praters, seit im Jahr 2008 die U2 hierher verlängert wurde. Gleich neben der Rennbahn entstanden etwa in den vergangenen Jahren die neue Wirtschaftsuni, das Büroquartier Viertel Zwei und das Einkaufszentrum Stadion Center. Und mittendrin liegt die Krieau, verwaist und von Subventionen ihres Eigentümers abhängig, der Gemeinde Wien.

Nun wird ein Teil der Rennbahn verbaut. Ab kommendem Jahr sollen auf dem Areal Büros und freifinanzierte Wohnungen für 5000 Menschen entstehen, verkündete Wiens rot-grüne Stadtregierung Anfang März. Fertig werden soll das Projekt 2021. Die Rennbahn selbst bleibt erhalten, versichert das Rathaus. Die Neubauten sind am Rand der Anlage geplant, wo heute noch Stallungen und Freiflächen liegen.

Bauherr in der Krieau ist nicht die Stadt Wien, sondern ein privates Immobilienunternehmen namens IC Projektentwicklung. Vor zwei Jahren hat die Gemeinde die zu verbauenden Teile der Krieau an diese Firma verkauft. Die IC Projektentwicklung ist in der Gegend nicht unbekannt; sie hat bereits im Jahr 2010 das danebenliegende Büro-und Wohnungsareal Viertel Zwei errichtet. Dieses wird nun in Richtung Trabrennbahn erweitert.

Wer sich den Verkauf der Krieau-Gründe genauer anschaut,
stößt auf einen Deal, der über viele Jahre läuft und dessen Umstände völlig unklar sind. Offenbar hat die Gemeinde die hochlukrativen Gründe viel zu billig verkauft, nicht zuletzt aufgrund gefinkelter Klauseln im Kaufvertrag von 2011, der dem Falter vorliegt. Laut diesem zahlt die IC Projektentwicklung für die Krieau-Gründe 300 Euro pro Quadratmeter bebauter Fläche. Das Geld fließt erst nach Fertigstellung des Projekts. Der gesamte Kaufpreis beträgt ungefähr 60 Millionen Euro. Das allein wäre laut Kritikern schon weit unter dem Marktwert für die begehrten Gründe, deren Größe circa einem Drittel des Wurstelpraters entspricht. Doch von den 60 Millionen werden noch hohe Summen abgezogen, etwa weil die Gemeinde Sanierungskosten für den privaten Partner übernimmt. Möglicherweise handelt es sich dabei um Dutzende Millionen Euro, die der Gemeinde – und damit dem Steuerzahler – entgehen. Oder gar um noch mehr. Darauf lässt zumindest ein Rathaus-internes Schreiben schließen, das dem Falter vorliegt.

Der Aktenvermerk stammt aus dem Jahr 2007. Im Vorfeld des Krieau-Verkaufs warnen darin Rathausbeamte die damaligen Chefs der Wien-Holding, Brigitte Jilka und Peter Hanke. Der Deal bedürfe sofort „einer Korrektur bzw. Auflösung“, steht in dem Schreiben. Grund: Weil sich der Käufer so viel vom Kaufpreis abziehen darf, stehe am Ende möglicherweise gar ein „deutlich negativer Kaufpreis“. Das heißt: Die Gemeinde zahlt schlimmstenfalls dafür, dass ihr eine Privatfirma lukrative Gründe abnimmt. Weil das nur ein „Irrtum“ sein könne, empfehlen die Beamten, „das Vertragsverhältnis wegen Irrtums anzufechten“. Die Warnung bleibt ungehört – der Deal wird einige Jahre später wie vorgesehen abgeschlossen.

In einem internen Aktenvermerk warnen Rathausbeamte die Wien-Holding-Chefs vor einem „negativen Kaufpreis“, raten zur „Korrektur bzw. Auflösung“ des Deals und empfehlen eine „Anfechtung wegen Irrtums“

Die Geschichte der Krieau zeigt, wie im Rathaus undurchsichtige Immobiliengeschäfte gemacht werden, bei denen die private Seite bemerkenswert gut aussteigt. Die Verträge sind hochkomplex. Die politischen Verantwortlichkeiten sind unklar, auch deshalb, weil die Vorgänge über viele Jahre laufen. Ausschreibungen gibt es nicht. Der Wiener Gemeinderat nickt die schwierigen Deals ab, durchschaut die Konstrukte aber nicht. Das Kontrollamt, Wiens Pendant zum Rechnungshof, kritisiert die Zustände, aber seine Empfehlungen verhallen ungehört. Aber der Reihe nach.

Traber auf der Rennbahn: Heute kommen gerade 3000 Besucher hierher. Links im Hintergrund das neue Viertel Zwei (Foto: Joseph Gepp)

Traber auf der Rennbahn: Heute kommen gerade 3000 Besucher hierher. Links im Hintergrund das neue Viertel Zwei (Foto: Joseph Gepp)

Die Geschichte des Krieau-Verkaufs beginnt im Jahr 2004 – und hat vorerst mit der Krieau wenig zu tun. Damals stehen die Vorbereitung für die Fußball-EM in Wien 2008 an. Wiens allein regierende SPÖ ruft deshalb unter viel Jubel eine große Public-private-Partnership ins Leben. Bis zur EM sollen rund um das Stadion im Prater viele Neubauten entstehen, etwa Viertel Zwei und Stadion Center. Dafür vorgesehene Gründe werden an private Investoren verkauft, die dort Gebäude errichten.

Hier kommt Michael Griesmayr ins Spiel, Gründer der IC Projektentwicklung („Integrated Communication“). Der Unternehmer, der in den 1990er-Jahren bei Raiffeisen Immobilienfinanzierungen managte, wird nun ein wichtiger Partner der Stadt. Griesmayrs Firma errichtet das 2010 fertiggestellte Viertel Zwei, das heute etwa die OMV-Zentrale beherbergt.

Später veröffentlicht das Kontrollamt einen vernichtenden Bericht über die Geschäfte der Gemeinde mit Griesmayr und anderen Privaten. Es sei schleierhaft, „warum gerade diese Investoren für das Projekt ausgewählt wurden“, heißt es darin. Weiters hätte ein „weit höherer Kaufpreis“ erzielt werden können als jene 32,1 Millionen Euro, um welche die Investoren die Grundstücke kauften. Statt einer öffentlichen Ausschreibung diente zur Preisermittlung lediglich ein „äußerst knapp ausgefallenes“ Gutachten der MA 69 für Immobilienmanagement, schreibt das Kontrollamt. Und überhaupt „entbehrt“ das Geschäft „in vielerlei Hinsicht kaufmännischer und juristischer Sorgfalt bzw. den üblichen Gepflogenheiten im Immobilienwesen“. Fazit: schlecht für die Stadt, gut für die Privaten.

Doch zurück zur Krieau – auch
sie ist ein wichtiger Teil des Geschäfts von 2004. Griesmayrs IC Projektentwicklung bekommt nämlich ein kostenloses Vorkaufsrecht auf die Trabrennbahn, die praktischerweise gleich neben seinem geplanten Viertel Zwei liegt. Bis Ende 2012 darf sich der Geschäftsmann die Rennbahn kaufen, wenn er will. In der Öffentlichkeit verlieren die SPÖ-Stadtpolitiker über dieses vertragliche Vorkaufsrecht kein Wort. Während andere Projekte wie Viertel Zwei oder Stadion Center bejubelt werden, verrät keine Presseaussendung oder Werbebroschüre, dass auch die traditionsreiche Trabrennbahn einem Privaten überantwortet wurde. Und nicht nur die Öffentlichkeit bekommt den Krieau-Deal nicht mit, auch die Opposition im Rathaus durchschaut ihn nicht.

Zwar stimmt 2004 der Gemeinderat über das Geschäft ab. Doch das Vorkaufsrecht auf die Rennbahn bekommt pro forma nicht Griesmayrs Privatfirma, sondern eine andere, die zur Gänze der Gemeinde gehört: die Firma LSE („Liegenschaftsstrukturentwicklung“). Diese LSE ist jedoch nur ein Vehikel – sie reicht die Immobilie nach dem Kauf sofort an Griesmayr weiter. Warum diese Konstruktion? Wenn die LSE Geschäfte macht, bedarf dies im Gegensatz zu direkten Geschäften des Rathauses „nicht einer Genehmigung durch den Gemeinderat“, schreibt das Kontrollamt. Das bedeutet: Die Abgeordneten bekommen lediglich ein harmloses Geschäft zwischen Rathaus und Rathausfirma zu sehen – und merken nichts vom darauffolgenden, heiklen Deal zwischen Rathausfirma und Privatfirma.

Stallungen neben der Trabrennbahn: Unter anderem hier sollen ab 2015 Büros und Wohnungen entstehen (Foto: Heribert Corn)

Stallungen neben der Trabrennbahn: Unter anderem hier sollen ab 2015 Büros und Wohnungen entstehen (Foto: Heribert Corn)

Im Dezember 2011 jedenfalls macht Griesmayr von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch und kauft die Krieau – wenn auch nicht zur Gänze. Er erwirbt ein großes Areal am Rand der Bahn rund um Westkurve, zwei Tribünen und Stallungen. Insgesamt ist es ungefähr die Hälfte der Anlage. Der Kaufpreis von 300 Euro pro gebautem Quadratmeter wird – bis auf einen Vorschuss von sieben Millionen – erst in vielen Jahren überwiesen, wenn die Neubauten stehen. Immobilienexperten bezeichnen den Preis als viel zu niedrig. „Man hätte das Vielfache dafür bekommen können“, sagt etwa Alexander Neuhuber, Gemeinderat der oppositionellen Wiener ÖVP und selbst Chef einer Immobilienfirma. Gerüchten zufolge haben sich in den vergangenen Jahren auch andere Firmen für das Areal interessiert – und das Doppelte geboten.

Plan des Areals: Links oben das "Viertel Zwei" im Besitz der IC Projektentwicklung, das 2010 fertiggestellt wurde. Die roten Bereiche sind jene, die die IC Projektentwicklung 2011 dazugekauft hat. Die Bahn selbst und eine von drei Tribünen verbleiben bei der Stadt. (Der Bereich rechts von der Bahn gehört nicht zur Anlage). Plan: IC Projektentwicklung

Plan des Areals: Links oben das „Viertel Zwei“ im Besitz der IC Projektentwicklung, das 2010 fertiggestellt wurde. Die roten Bereiche sind jene, die die IC Projektentwicklung 2011 dazugekauft hat. Die Bahn selbst und eine von drei Tribünen verbleiben bei der Stadt. (Der Bereich rechts von der Bahn gehört nicht zur Anlage). Plan: IC Projektentwicklung

Doch auch der ohnehin günstige Kaufpreis von insgesamt rund 60 Millionen Euro wird nie im Rathaus ankommen. Denn laut Kaufvertrag darf sich die IC Projektentwicklung bedeutende Summen abziehen. So übernimmt die Gemeinde alle „Abbruchskosten samt Entsorgungskosten“, die beim Umbau anfallen. Und noch wichtiger: Die Stadt zahlt auch für Sanierungen der denkmalgeschützten Gebäude auf den verkauften Krieau-Gründen. „Die hierfür anfallenden Kosten“, heißt es im Kaufvertrag, sind vom Kaufpreis „in Abzug zu bringen“.

Vor allem diese Klausel könnte dem Rathaus teuer zu stehen kommen. Denn sowohl die Krieau-Stallungen als auch zwei von drei historischen Tribünen stehen auf dem nunmehrigen Grund der IC Projektentwicklung – und sind denkmalgeschützt. Die Sanierungskosten dieser baufälligen Gebäude werden wohl in die Dutzenden Millionen Euro gehen. Vor allem die Wiederherstellung der historischen Tribünen von 1912 gilt unter Architekten als Herausforderung. Eine der drei Tribünen – jene, die der Stadt geblieben ist – wurde bereits in den 1990erJahren saniert: Das kostete damals knapp 15 Millionen Euro. Diesmal wären aber gleich zwei Tribünen zu sanieren, plus weitere Bauwerke – wohlgemerkt allesamt in Privatbesitz. Auch wenn die Gemeinde in den kommenden Jahren für die Sanierung berappt, kann der private Eigentümer danach mit den Immobilien verfahren, wie er will. Angeblich möchte die IC Projektentwicklung die Tribünen zu Luxus-Penthäusern umbauen, nachdem sie mit Steuergeld renoviert worden sind.

Dazu kommen weitere Kosten, die das Rathaus trägt – etwa für neue Stallungen, weil auf dem Areal der alten Büros und Wohnungen geplant sind. Es sind all diese Kosten, die Rathausbeamte 2007 vor einem „negativen Kaufpreis“ warnen ließen. Ob die Stadt am Ende wirklich draufzahlt, lässt sich jedoch erst in vielen Jahren sagen. Fest steht: Viel Gewinn aus dem Verkauf der lukrativen Krieau-Gründe wird dem Steuerzahler sicher nicht bleiben.

Angeblich möchte die IC Projektentwicklung die Tribünen zu Luxus-Penthäusern umbauen, nachdem sie mit Steuergeld renoviert worden sind.

Offen bleiben schwerwiegende Fragen: Wer setzt einen Vertrag auf, der offenbar überaus vorteilhaft für die private Seite ausfällt? Warum hat die SPÖ-Stadtregierung keinen angemessenen Preis verlangt? Warum trägt der private Käufer nicht selbst die Sanierungskosten? Warum hat das Rathaus niemals kommuniziert, dass man die Trabrennbahn in private Hände zu geben gedenkt? Und: Wer ist politisch verantwortlich?

 Als Wiens SPÖ-Wohnbaustadtrat 2004 für den Deal verantwortlich: Werner Faymann (Wikipedia)


Als Wiens SPÖ-Wohnbaustadtrat 2004 für den Deal verantwortlich: Werner Faymann (Wikipedia)

Zuständig für den Deal war die MA 69 für Immobilienmanagement. Diese unterstand 2004, als die Public-private-Partnership samt Krieau-Verkauf fixiert wurde, dem damaligen SPÖ-Wohnbaustadtrat Werner Faymann. Gerüchteweise waren auch andere SPÖ-Stadträte involviert, etwa Wiens mächtige Ex-SPÖ-Vizebürgermeisterin Grete Laska. Der Falter bat im Büro von Bundeskanzler Faymann um Auskünfte – doch sein Büro verwies an die Gemeinde Wien. Deswegen hat der Falter bei Faymanns Nachfolger als SPÖ-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig nachgefragt.

Faymanns Nachfolger Michael Ludwig sieht heute keine Unregelmäßigkeiten (Foto: mein Bezirk)

Faymanns Nachfolger Michael Ludwig sieht heute keine Unregelmäßigkeiten (Foto: mein Bezirk)

Dieser bezeichnet in einer schriftlichen Stellungnahme den Kaufpreis für die Krieau-Gründe als angemessen, weil er „umliegenden Vergleichswerten“ entspreche. Zudem habe „ein erfahrener, externer und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger“ den Preis ermittelt. Wie hoch werden die Sanierungskosten sein, die sich die IC Projektentwicklung am Ende vom Kaufpreis abziehen darf? Zwar liege „die genaue Höhe derzeit noch nicht vor“, antwortet Ludwig – aber prinzipiell seien die Abzüge durchaus gerechtfertigt, weil sich der Kaufpreis von 300 Euro pro Quadratmeter auf „frei verfügbare Grundflächen“ beziehe. Ludwig betont weiters, dass das Geschäft ordnungsgemäß im Gemeinderat beschlossen worden sei. Warum der Krieau-Deal nicht der Öffentlichkeit kommuniziert wurde, dazu sei heute „keine Stellungnahme“ mehr möglich.

Der Falter hat auch Griesmayrs IC Projektentwicklung per E-Mail befragt -etwa nach der Angemessenheit des Kaufpreises und der Abzüge. Doch von der Firma war, trotz mehrmaliger Nachfrage, keine Stellungnahme zu bekommen.

Bisher zur Krieau:
Sommer 2013: Die Krieau wird verbaut
Sommer 2013: Immobiliengeschäfte der Gemeinde Wien – unter anderem am Beispiel Krieau

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Eingeordnet unter Das Rote Wien, Prater, Stadtplanung, Wien

Krieau Verbau

Aus dem FALTER 25/2013

Die traditionsreiche Trabrennbahn im Prater soll zumindest teilweise verbaut werden -für den Anfang

BERICHT: JOSEPH GEPP

Es ist ein anachronistisches Vergnügen, das hier am Nordrand des Grünen Praters ungefähr zweimal pro Monat stattfindet. Elegante Gäste taxieren in Katalogen ihre Wettchancen, während die Jockeys an ihnen vorbeiflitzen. Einige Gäste tragen Kleidung wie im 19. Jahrhundert; Frauen haben Hüte mit breiten Krempen auf. Die Wettbewerbe auf der Trabrennbahn Krieau, eröffnet 1878, entführen in eine andere Welt, irgendwo zwischen Kaiser Franz Joseph und Queen Elizabeth. Nur leider interessieren sich immer weniger Leute dafür.

Von den drei denkmalgeschützten Tribünen ist nur eine saniert und zugänglich, die anderen beiden verfallen hinter Bauzäunen. Von den 50.000 Besuchern, die einst zu Rennen kamen, sind heute an guten Tagen gerade einmal 3000 übrig geblieben.

Der Betreiberverein – der altehrwürdige Wiener Trabrennverein unter der Leitung des ehemaligen SPÖ-Nationalratsabgeordneten Anton Gaál -gerät dadurch zusehends unter Druck. Denn die Fläche der Rennbahn, die der Verein von der Gemeinde auf Dauer gepachtet hat, wird laufend wertvoller.

Seit im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft 2008 die U2 durch den zweiten Bezirk gezogen wurde, findet nördlich des Grünen Praters ein Immobilienrausch statt. Gleich neben der Trabrennbahn ist das sogenannte „Viertel zwei“ aus dem Boden gewachsen, ein Geschäftsviertel rund um das neue Hauptquartier der OMV. Unweit davon eröffnete 2007 das Einkaufszentrum „Stadion-Center“. Einen halben Kilometer weiter harrt die neue Wirtschaftsuniversität ihrer Fertigstellung, samt Restaurants und Studentenherbergen. Und mittendrin: die unrentable Trabrennbahn Krieau, die nur dank Rathaussubventionen überlebt.

Schon im Jahr 2008 wurde die Bahn von 1110 auf 1000 Meter verkürzt – auf der freigewordenen Fläche könnte nun bald ein Studentenwohnheim entstehen. 2,5 Millionen Euro bekam der Trabrennverein damals laut Gemeinderatsbeschluss vom Rathaus als Entschädigung. Jetzt könnte der nächste große Schritt in der lukrativen Immobilienverwertung folgen.

Es geht vorerst, wie Vereinspräsident Gaál erklärt, um eine der zwei baufälligen Tribünen sowie -vor allem -um die Verwaltungsgebäude und Stallungen neben der Bahn. Bei letzterem Gelände handelt es sich um ein großes denkmalgeschütztes Areal aus der Gründerzeit. Die private IC Projektentwicklung („Integrated Communication“) des ehemaligen Raiffeisen-Managers und Immobilienentwicklers Michael Griesmayr hat die Fläche von der Gemeinde erworben.

Jetzt verhandelt Griesmayrs Firma mit dem Rathaus, dem Bundesamt für Denkmalschutz und dem Trabrennverein über ihre künftige Nutzung. „Es gibt Überlegungen, hier ein Viertel aus Büros und Wohnungen zu entwickeln“, sagt Gaál. Seit Jänner würde darüber verhandelt, noch heuer sollen wesentliche Entscheidungen fallen. Für 2015 sei der Baubeginn avisiert. Laut Sabine Ullrich, Geschäftsführerin der IC Projektentwicklung, könnten die Gespräche im Oktober abgeschlossen werden. „Dann wird auch die Öffentlichkeit über die Sache informiert.“

Trabrennbahn Krieau: Die Neubauten (im Hintergrund) sind schon nahe an sie herangerückt (Foto: Gepp)

Trabrennbahn Krieau: Die Neubauten (im Hintergrund) sind schon nahe an sie herangerückt (Foto: Gepp)

Wie kommt ein privater Immobilienentwickler wie die IC Projektentwicklung überhaupt zu derart lukrativen Stadtflächen? Wer das wissen will, muss zurück ins Jahr 2004. Damals machte sich die absolut regierende SPÖ Wien anlässlich der herannahenden Fußball-EM und der U2-Verlängerung Gedanken über die Zukunft des Grätzels. Jene Flächen, die zur Entwicklung vorgesehen waren -das spätere Viertel zwei, das Stadion-Center und andere -übertrug sie einem Public-Private-Partnership-Projekt. Es bestand neben der städtischen Wien Holding und anderen Privaten auch aus jener Firma, aus der später die IC Projektentwicklung hervorging.

32,1 Millionen Euro zahlte das öffentlich-private Konstrukt laut einem Kontrollamtsbericht von 2006 für die Grundstücke. Die Begleitumstände des Deals wurden von den Prüfern damals massiv kritisiert: Er „entbehrt in vielerlei Hinsicht kaufmännischer und juristischer Sorgfalt bzw. den üblichen Gepflogenheiten im Immobilienwesen“, heißt es in dem Prüfbericht. Auch hätte möglicherweise ein „weit höherer Kaufpreis“ erzielt werden können. Schlecht für die Stadt, gut für die privaten Partner, so lautete damals der Tenor von Kontrollamt und Rathausoppositionellen.

Inkludiert in den damaligen Verträgen waren auch weitreichende Vorkaufsrechte für die spätere IC Projektentwicklung und andere Private bei umliegenden Grundstücken -so auch für jene Teile der Trabrennbahn, deren Verbauung nun im Raum steht.

Der Trabrennverein jedenfalls hofft, mit Preisgabe der Stallungen und der Tribüne die wirtschaftliche Weiterexistenz der Rennbahn sichern zu können. Wobei Vereinspräsident Gaál zugleich betont: „Die anderen Tribünen und die Rennbahn selbst bleiben unangetastet. Hier besteht keinesfalls eine Chance auf Verzicht von unserer Seite.“

Andere sehen diese Frage weniger in Beton gegossen. So spricht ein mit Bauagenden befasster Wiener Stadtpolitiker, der seinen Namen im Zusammenhang mit der Trabrennbahn nicht in der Zeitung lesen möchte, von einem „Riesenproblem in der Krieau“ – und ortet „einen gewissen Druck auf den Trabrennverein“:“Mittelfristig wird es wohl so weit kommen, dass auch die Rennbahn selbst verbaut wird.“ Nachsatz: „Immerhin braucht man sich dort nicht um den Grünraum zu sorgen, wo der riesige Prater gleich daneben liegt.“

Wer die übrige Krieau in diesem Fall verbauen könnte, ist jedenfalls sicher: die IC Projektentwicklung. Laut der Leopoldstädter Bezirksvorstehung steht der Firma – sofern der Trabrennverein auf sein Pachtrecht verzichtet – auch ein Vorkaufsrecht auf den Rest der Trabrennbahn zu.

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