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Kassa-Umsturz

Aus dem profil 24/2019 vom 7.6.2019

Es ist völlig undurchsichtig. Es wird kaum kontrolliert. Und bei Verstößen drohen lächerliche Strafen. Seit dem Ibiza-Skandal ist endgültig klar: Österreichs System der Parteienfinanzierung liegt im Argen. Mit gefinkelten Tricks stehlen sich Parteien aus ihrer Rechenschaftspflicht – oder umgehen Verbote. Nun besteht erstmals eine Chance auf eine echte Reform.

Von Joseph Gepp, Rosemarie Schwaiger und Jakob Winter

Wenn es um ihren finanziellen Vorteil geht, blüht in den Parteizentralen die Kreativität. Da gibt es geheime Vereine im Umfeld der FPÖ, an die mehrere 100.000 Euro an Spenden flossen -der Zweck dafür bleibt schleierhaft. Da gibt es parteinahe Werbeagenturen, die gut dotierte Aufträge von öffentlichen Stellen an Land ziehen -und sich dafür mit Rabatten bei ihren Parteifreunden bedanken, wenn es um die nächste Wahlkampagne geht. Und da gibt es Vereine, die Parteizeitungen herausgeben und Inseratengelder einsammeln -und damit das Spendenverbot von öffentlichen Unternehmen an Parteien aushebeln. Die Liste an Methoden zur Umgehung der laschen Transparenzgesetze ist lang.

Die parteipolitische Schattenwirtschaft hat einen Grund: Ob in Wahlkämpfen, in der tagespolitischen Auseinandersetzung oder im Netz -das nötige Kleingeld ist für politischen Erfolg spielentscheidend. Die besten Botschaften helfen nichts, wenn sie niemand hört. Wer neben der hohen Parteienförderung von jährlich 43 Millionen Euro (Bund und Länder) noch üppig Spendengelder einsammeln kann, hat im Buhlen um Aufmerksamkeit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Und wer es mit dem Parteiengesetz nicht so genau nimmt, tut sich beim Geldeintreiben naturgemäß leichter.

Die Dreistigkeit, mit der Ex-FPÖ-Chef Heinz- Christian Strache im Ibiza-Video illegale Parteispenden an die FPÖ andeutet, ist beispiellos. Und doch sind dubiose Umgehungskonstruktionen kein genuin freiheitliches Metier. In der einen oder anderen Form sind sie bei allen größeren Parteien schon vorgekommen -also bei ÖVP, SPÖ und FPÖ. Beweisen lassen sich derlei Fälle nur schwer. Es sei denn, jemand packt aus -so wie Strache. Der Ex-Vizekanzler könnte Österreichs demokratischer Kultur mit seinen vielsagenden Offenbarungen einen unfreiwilligen Dienst erwiesen haben: Seither ist das Thema Parteienfinanzierung in aller Munde. Alles neu macht Ibiza.

„Der Verein ist gemeinnützig, der hat nichts mit der Partei zu tun“, führt der Redbull-Wodka-selige Strache im Video gegenüber der vermeintlichen russischen Oligarchennichte aus. „Dadurch hast du keine Meldungen an den Rechnungshof.“ Strache beschreibt, wie die FPÖ angeblich dubiose Vereinskonstrukte zur verbotenen Parteienfinanzierung nutzt. Bald nach Bekanntwerden der Aussagen enthüllte profil eine Reihe geheimer Vereine im FPÖ-Umfeld. Sie tragen Namen wie „Austria in Motion“ und „Wirtschaft für Österreich“. Und: profil stieß auch auf Wirtschaftstreibende, die an die Vereine gespendet haben wollen (siehe profil 22/19). Angesichts all dessen ermittelt inzwischen die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Strache jedoch dementiert: Seine Worte seien „schlichte Prahlerei“ gewesen; es habe „keinerlei solcher Zuwendungen, weder an die FPÖ noch an solche der FPÖ nahstehende Vereine“, gegeben.

Die Affäre blieb nicht folgenlos. Bald gerieten auch Vereine anderer Parteien in die Kritik, vor allem bei der ÖVP (siehe Seite 18).

Margit Kraker, Präsidentin des Rechnungshofs, hat nach Ibiza eine Liste von fünf Änderungsvorschlägen präsentiert. „Wenn jetzt nicht eine grundlegende Reform der Parteienfinanzen kommt, kommt sie gar nicht mehr“, sagt sie. Im Parlament übertreffen sich indes die Parteien mit Reformideen. Dabei herrscht das Prinzip: Alle wollen, was ihnen selbst am meisten nützt. So fordert die SPÖ mehr Restriktionen bei Parteispenden durch Privatpersonen, während die ÖVP für eine Kürzung der staatlichen Parteienförderung plädiert. Dennoch: Es scheint derzeit ein Zeitfenster offen, in dem eine echte Reform der Parteifinanzierung denkbar ist.

Hochnotwendig, findet Mathias Huter, Transparenz-Aktivist vom „Forum Informationsfreiheit“ in Wien. „Österreichs System der Parteienfinanzierung ist im internationalen Vergleich extrem intransparent und missbrauchsanfällig. Das ist weit entfernt, was in einer modernen Demokratie guter Standard ist.“ Die Schlupflöcher sind immens; die Kontrollmöglichkeiten quasi inexistent.

Was konkret reformiert werden soll, ist das Parteiengesetz aus dem Jahr 2012. Dieses Werk, das sich die Parteien damals gewissermaßen selbst geschrieben haben, ist durchaus streng – zumindest vom Buchstaben des Gesetzes her. Derzeit muss jede Parteispende über 3500 Euro pro Jahr öffentlich gemacht werden. Kommt das Geld aus dem Ausland, sind überhaupt nur 2641 Euro erlaubt. Österreich ist damit im internationalen Vergleich rigide -in Deutschland etwa gilt die Veröffentlichungspflicht erst ab einer Summe von 10.000 Euro im Jahr. Informationen über Spenden und andere Geldflüsse müssen die Parteien in sogenannten Rechenschaftsberichten offenlegen, die an den Rechnungshof übermittelt und Jahr für Jahr veröffentlicht werden.

Die entscheidende Frage ist aber: Was genau zählt zur Partei, die von der Offenlegungspflicht erfasst ist? Das Gesetz definiert dies nicht genau. Hier klaffen Lücken groß wie Scheunentore.

Parlamentsklubs, Parteienakademien, Vorfeldorganisationen und etwa Personenkomitees sind zwar wichtige Bestandteile jeder modernen Partei -doch in den Augen des Parteiengesetzes existieren sie nicht. Heißt: Für sie gibt es keinerlei Offenlegungspflichten und Kontrollen.

„Drastisch gesagt könnte man etwa aus einem Parlamentsklub eine Spendenwaschanlage machen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen“, sagt Hubert Sickinger, Parteienfinanzierungsexperte und Politologe von der Universität Wien. Dass wichtige Teile von Parteien nicht unter die Transparenzregeln fallen, hat bizarre Folgen. Von der ÖVP beispielsweise ist nicht einmal bekannt, inwieweit die mächtigen Bünde und andere vorgelagerte Organisationen – also mitunter integrale Bestandteile wie der Arbeitnehmerinnen-und Arbeitnehmerbund (ÖAAB) – von den Rechenschaftsberichten erfasst sind oder eben nicht. „Die ÖVP gibt solche Informationen nicht dezidiert in ihren Berichten preis“, so Experte Huter. „Demnach wissen wir es nicht genau.“ Auch die SPÖ nimmt es mit der Transparenz nicht übergenau: Sie sorgt beispielsweise mit gefinkelten Tricks dafür, dass die „Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen“ (FSG) formell nicht als Teil der SPÖ gilt – und somit außerhalb der Rechenschaftspflicht bleibt (siehe Kasten auf Seiten 20/21).

Die Parteien schummeln sich also selbst scheibchenweise aus der Transparenzpflicht hinaus. Das funktioniert nur, weil die Kontrollrechte extrem lax sind. So bekommt der Rechnungshof bei seinen Überprüfungen gar nicht die tatsächlichen Buchhaltungen der Parteien zu Gesicht, sondern nur besagte Rechenschaftsberichte, also Auszüge und Gesamtsummen, die zuvor von einem externen Wirtschaftsprüfer abgesegnet wurden. Die dürfen die Prüfer dann nachrechnen, so sieht es das Gesetz vor. Die Spenden an alle Landesparteien und die Bundespartei werden zusammengerechnet, ebenso wie die Zuwendungen an alle Vorfeldorganisationen -das macht es nahezu unmöglich, die Angaben nachzuvollziehen. Dabei wäre es relevant zu erfahren, welcher Großkonzern etwa welche Landespartei sponsert.

Damit nicht genug der Absurditäten. Lässt sich eine Partei tatsächlich beim Tricksen erwischen – was unter diesen Umständen erst einmal gelingen muss -, drohen allenfalls minimale Strafen. Würde sich beispielsweise eine Partei schlicht weigern, einen Rechenschaftsbericht zu veröffentlichen: Es gäbe keine Sanktionen. Das ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Zwar kam es noch nie zu einer derartigen Weigerung, wohl aber stellte der Rechnungshof immer wieder Ungereimtheiten in den Berichten und verbotene Parteispenden fest. In diesem Fall wandert die Causa zum sogenannten „Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat“, eine Riege dreier Richter im Bundeskanzleramt, die Geldbußen verhängen kann – und sich nicht gerade mit Schlagkraft hervortut.

Nicht nur sind die Strafen dieses Senats äußerst niedrig. Im vergangenen September etwa musste die ÖVP gerade einmal 4000 Euro berappen, weil sie eine unerlaubte Sachspende kassiert hatte. Auch sind dem Senat durch die gesetzlichen Schlupflöcher die Hände gebunden. Ein besonders kurioser Fall aus dem Jahr 2013: Damals hatten SPÖ und FPÖ ihre Wahlwerbung mit Geldern aus den Parlamentsklubs finanziert, ohne dies in den Rechenschaftsberichten anzugeben. Gesetzlich gilt dies als unerlaubte Sachspende der Klubs an die Parteien – denn Klubgelder sind ausschließlich für die parlamentarische Arbeit gedacht, nicht für Wahlkämpfe. Dennoch sprach der Transparenz-Senat keine Strafen aus. Warum nicht? Normalerweise beträgt das Strafmaß maximal die dreifache Summe der unerlaubten Spende. In diesem Fall jedoch ließ sich der Geldwert der Spende nicht beziffern -denn SPÖ und FPÖ hatten die Spende samt Höhe verschwiegen. Heißt: Die beiden Parteien sparten sich die Strafe, gerade weil sie ihre Spende nicht offengelegt hatten. Am Ende zahlte die SPÖ-Bundespartei die Sachspende immerhin an den Parlamentsklub retour. Die FPÖ hingegen beharrte auf ihrem Standpunkt und kam ohne jede Konsequenz davon.

Statt eines zahnlosen Senats brauche es bei Fällen fragwürdiger Parteienfinanzierung die Staatsanwälte, fordern Experten wie Hubert Sickinger. Sie können beispielsweise Kontenöffnungen und Hausdurchsuchungen anordnen – Schritte, zu denen weder Rechnungshof noch Transparenz-Senat ermächtigt sind. Damit dies möglich wird, braucht es einen Tatbestand „Illegale Parteienfinanzierung“ im Strafrecht.

Das ist nur eine der Forderungen, die nun auf den Tisch kommen. Zweifellos ebenso notwendig: ein direkter Einblick in die Buchhaltung der Parteien, wie ihn Rechnungshof-Präsidentin Kraker sich wünscht. Wahlkampfkosten sollen zudem extra ausgewiesen werden, ebenso wie Schulden und Vermögen von Parteien. Und, betreffend parteinahe Vereine: Ausnahmslos jeder Verein, der Spenden an eine Partei tätigt oder Kosten für sie übernimmt, soll dies dem Rechnungshof melden. profil hat alle Parteien im Parlament um ihre Positionen zu solchen Forderungen gebeten (siehe Fragenkatalog Seite 14/15). Insgesamt jedoch konzentriert sich die politische Debatte vor allem auf eine Frage: die Zulässigkeit von Parteispenden. Einige Parteien wollen sie stark beschränken; einer Mehrheit von SPÖ und FPÖ im Nationalrat könnte dies sogar gelingen. Die strikteste Variante vertritt ausgerechnet die FPÖ: Pro Person, Verein oder Firma sollen maximal 3570 Euro pro Jahr an Parteien oder deren Vorfeldorganisationen gespendet werden. Die SPÖ plädiert für eine Obergrenze von 10.000 Euro, würde sich aber runterhandeln lassen. Ganz anders sehen das die NEOS und die Liste Jetzt -sie sprechen sich für gar keine (beziehungsweise eine ziemlich hohe) Obergrenze aus. Kein Wunder, sind doch gerade Kleinparteien häufig existenziell von Spenden abhängig. „Die Neugründung von Parteien wäre ohne Spenden nicht möglich“, sagt Niki Scherak, stellvertretender NEOS-Klubobmann. Wichtig wären seiner Meinung nach umfassende Prüfrechte für den Rechnungshof. Eine Obergrenze bei Spenden hingegen würde nur zu noch mehr Umgehungen und illegalen Tricks führen, so Scherak.

Die ÖVP will nicht bekanntgeben, wie sie zu Parteienspenden steht. Man darf aber davon ausgehen, dass die Volkspartei mit massiven Einschränkungen keine Freude hätte. Freut sich doch die ÖVP immer wieder über Zuwendungen von Großspendern. Dass etwa Stefan Pierer, Chef des Motorradherstellers KTM, der ÖVP im Nationalratswahlkampf 2017 die stolze Summe von 436.563 Euro überwies, findet die politische Konkurrenz bis heute anrüchig. Und führt manche Maßnahmen der türkis-blauen Regierung -etwa den Zwölf-Stunden-Tag und die Senkung der Steuern auf Unternehmensgewinne -gern auf den Einfluss mächtiger Spender wie Pierer zurück.

In Relation zu anderen Gönnern wirkt der KTM-Chef trotzdem wie ein Geizhals: Der Milliardär Frank Stronach ließ sich die Gründung einer eigenen Partei innert fünf Jahren 23 Millionen Euro kosten. Auch der Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner schaut nicht auf den Cent, wenn es um sein politisches Lieblingsprojekt, die NEOS, geht. Laut Rechnungshof investierte Haselsteiner von 2012 bis 2017 nicht weniger als 1,7 Millionen Euro. Auch ein paar Kategorien tiefer können private Spender ganz wesentlich über den Erfolg oder Misserfolg einer Partei mitentscheiden. Die Liste Jetzt (vormals Liste Pilz) hätte es ohne die 98.000-Euro-Mitgift des Wiener Anwalts Alfred Noll möglicherweise nicht in den Nationalrat geschafft. Dass Noll dann auch selbst ein Parlamentsmandat übernahm, verdient eher keinen Schönheitspreis. Man kann sich lebhaft vorstellen, welche Brandrede Peter Pilz halten würde, wenn dergleichen in einer anderen Partei geschähe. Was sagen die Parteispender selbst zu all dem? Der pensionierte Rechtsanwalt Rudolf Gürtler ist ÖVP-Wähler und -Spender aus tiefster Überzeugung. „Wenn ich nicht mehr so viel spenden darf, wie ich will, werde ich die Summe einfach auf alle Familienmitglieder aufteilen“, kündigt er an. Gürtler gehört zur Eigentümerfamilie des Hotels Sacher. Seit 25 Jahren unterstütze er verschiedene ÖVP-Kandidaten mit privatem Geld, erzählt er. Aktuell habe er vor, 50.000 Euro in den Wahlkampf von Sebastian Kurz zu investieren. „Ich bin Pensionist und erwarte keine Gegenleistung. Mir geht es um meine Verantwortung als Staatsbürger, und ich halte das für mein gutes Recht.“ Solange alles offengelegt wird.

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