Aus dem FALTER 17/2014
Von der Hauskapelle bis in den Eiskeller – ein Rundgang durch das Palais Schwarzenberg, das bald zum Casino werden soll
ERKUNDUNG: JOSEPH GEPP
FOTOS: HERIBERT CORN
Es gibt Sehenswürdigkeiten in Wien, die es nicht schaffen, sich im Bewusstsein der Stadtmenschen festzusetzen. Man kennt sie zwar vom Sehen und geht auch oft an ihnen vorbei. Aber man schaut nie richtig hin. Auf diffuse Weise fallen sie nicht weiter auf, bis man das erste Mal genauer hinsieht – und staunt. So eine Sehenswürdigkeit ist das Palais Schwarzenberg.
Erbaut wurde es um das Jahr 1700 von Lukas von Hildebrandt, einem der bedeutendsten Barockarchitekten Österreichs, der etwa auch das Belvedere oder das Schloß Hof im Marchfeld errichtete. Residiert hat hier über Jahrhunderte die Familie Schwarzenberg, eine der wichtigsten Dynastien im Staat gleich nach den Habsburgern. Doch aus irgendeinem Grund schafft es der barocke Prunkbau heute nicht heraus aus dem Hinterstübchen im städtischen Bewusstsein. Vielleicht liegt es daran, dass das Palais vom Hochstrahlbrunnen und vom Russendenkmal verdeckt wird, wenn man über den Schwarzenbergplatz zu ihm blickt. Oder daran, dass der einst prächtige Vorhof in einen Parkplatz verwandelt wurde, weshalb sich die Fassade des Schwarzenberg hinter Autos erhebt.

Steht leer, seit ein Hotelprojekt hier scheiterte: das Hotel Schwarzenberg vom Park aus gesehen (Foto: Corn)
Eigentümer ist jedenfalls bis heute die Familie Schwarzenberg. Deren Oberhaupt, Karl Schwarzenberg, zugleich tschechischer Außenminister, bewohnt nach wie vor eine Wohnung in einem Seitentrakt, wenn er sich in Wien aufhält. Beim Rest des Palasts stellt sich immer dringender die Frage: Was tun damit?
Bis 2006 war das Palais ein Luxushotel, was allerdings scheiterte. Und auch die Vermietung für Edelevents – beispielsweise für Präsentationen des Lederwarenunternehmens Louis Vuitton oder für die Hochzeit der Tochter des Wiener Milliardärs Martin Schlaff vergangenen Sommer – sorgt kaum für Auslastung. Deshalb gibt es nun eine neue, umstrittene Idee: Mit dem Sanctus der Familie wollen das Schweizer Stadtcasino Baden und die deutsche Gauselmann-Gruppe in den geschichtsträchtigen Sälen ein Luxuscasino eröffnen. Derzeit bemüht man sich um eine Konzession. Die Kommunikationsagentur Trummer, die für das Casinoprojekt wirbt, hat dem Falter eine exklusive Führung durch das verwaiste und etwas heruntergekommene Palais Schwarzenberg gewährt. Von abgenutzten barocken Festsälen bis zum verlassenen Hoteltrakt, von einer einst schicken 1980er-Jahre-Bar bis zu Kellergewölben tief unter der Erde – das Gebäude erzählt auch viel über die Geschichte der Stadt und ihre Veränderungen.
Die Kapelle zum Beispiel. Hier feierten die Schwarzenbergs einst ihre Hausmessen, umgeben von Marmor und Blattgold. Nein, hier seien keine Roulettetische geplant, wird heute versichert, höchstens eine kleine Sektbar.

Ein Sicherheitsmann zeigt den originalen Intarsienboden, der unter dem neuen Parkett liegt (Foto: Corn)
Oder die Festsäle nebenan. An manchen Stellen kann man die Bretter des Holzbodens anheben, darunter kommt das originale Parkett aus der Barockzeit zum Vorschein, voller prächtiger Intarsien, die aussehen wie Kaleidoskope aus Experimentalfilmen der 1960er-Jahre. Die Stofftapeten daneben hängen teils in Fetzen von den Wänden.
Ein Stockwerk tiefer wird es modernistischer. Hier hat der Architekt Hermann Czech 1984 ein Restaurant samt Bar eingerichtet. Deren nischenreiche, ausladende Gestaltung zählte damals zum Feinsten, was Wiens Gastronomie in puncto Innenausstattung hergab. Heute riecht es an der Holztheke nach Schimmel. Einige Räume weiter zeugen rostige Umrisse an der Wand von etlichen Geräten einer Großküche, in der einst für Gäste gekocht wurde. Wer von hier eine enge, bröckelnde Treppe nach unten klettert, erreicht einen jahrhundertealten Eiskeller. Es ist ein hoher, kuppelförmiger Raum, ausgekleidet mit Ziegeln. Dienstboten füllten ihn früher mit Eis, um Lebensmittel im Sommer einzukühlen. Weil der Keller so tief unter der Erde liegt, schmolz es monatelang nicht ab.
Jener Flügel des Palais Schwarzenbergs, der als Hotel fungierte, schaut hin zur Prinz-Eugen-Straße. Hier finden sich niedrige, meist leergeräumte Hotelzimmer. Im grünen Teppichboden erkennt man noch die Umrisse von Doppelbetten. Zimmernummern hängen noch an Türen. Eine Preisliste für Kleiderreinigung liegt noch neben einer Badewanne, verziert mit einem kleinen Krönchen, dem Hotellogo. Sollte das Schwarzenberg übrigens tatsächlich ein Casino werden, dann werden die Hotelzimmer zu Verwaltungsräumen umfunktioniert, erklärt der Herr von der PR-Agentur. In die barocken Prunkräume kommen die Spieltische.
Für den Fall, dass die Betreiber die Konzession bekommen, haben sie der Republik Österreich jedenfalls ein Angebot gemacht: Große Teile des barocken Parks hinter dem Palais Schwarzenberg sollen in diesem Fall für die Öffentlichkeit zugänglich werden. Derzeit liegt die verwilderte Grünfläche – sie ist eine der größten im Stadtinneren und reicht fast bis zum Gürtel – im Dornröschenschlaf. Nur ein paar Anrainer dürfen sie bislang betreten. Dies soll sich nun unter Umständen ändern.
Vielleicht wird das prächtige Palais Schwarzenberg auf diese Weise ja doch noch im Bewusstsein der Wiener ankommen.