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Wutflügel

Aus der profil-Beilage Medien Spezial 2017

Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz gründet eine neue Medienplattform: „Quo Vadis Veritas“. Welche Wahrheiten dabei ans Licht gebracht werden sollen, ist kurz vor dem offiziellen Start unter dem Namen „Addendum“ noch völlig unklar.


Von
Joseph Gepp

Wenn heutzutage Medien gegründet werden, kann man sicher sein, dass ihre Finanzierung von der Norm abweicht. Die bestand jahrzehntelang darin, dass Inseratenkunden für Werbung zahlen und Leser für das Produkt. Doch in Zeiten von Digitalisierung und verschenkten Medieninhalten ist dieses Modell ins Wanken geraten. Neue Projekte müssen anders zu Geld kommen – häufig und meist ziemlich prekär über Crowdfunding und Spenden. Oder aber: Ein reicher Gönner lässt etwas springen.

Letzteres steckt hinter der größten Medienneugründung der vergangenen Jahre in Österreich. Red-Bull-Magnat Dietrich Mateschitz plant ein Medienprojekt im Internet. Es soll „eine unabhängige, multimediale Rechercheplattform“ werden und noch vor der Nationalratswahl am 15. Oktober den Betrieb aufnehmen. Der bis zum Rollout geltende Arbeitstitel „Quo Vadis Veritas (QVV) – „Wohin gehst du Wahrheit“ – wird dann durch den kaum weniger sperrigen Markennamen „Addendum“ („Hinzuzufügendes“) ersetzt.

Man wolle „ein vollständigeres Bild der Wirklichkeit schaffen“ und „dem Vertrauensverlust in Institutionen, Politik und Medien entgegenwirken“, so Mateschitz per Presseaussendung. Nicht Meinungen sollen „ausgebreitet“, sondern Informationen geliefert werden, um „näher an die Wahrheit heranzukommen“.

Große Worte. Was weiß man bisher über QVV? Kann der Plattform ein langes Leben beschieden sein? Bisher wurden erfahrene und teils bekannte Journalisten und Experten angeworben. Als Chef amtiert Michael Fleischhacker, zuvor Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse und später des Österreich-Ablegers der Schweizer Neuen Zürcher Zeitung im Internet, NZZ.at. QVV-Geschäftsführer ist Niko Alm, Werbeunternehmer und bis vor Kurzem Neos-Parlamentsabgeordneter. Darüber hinaus gab es bis dato 27 Neueinstellungen. In der Belegschaft findet sich auch eine Riege von Experten, die zuvor bei Rechnungshof, Statistik Austria und Wiener Wirtschaftsuniversität arbeiteten. QVV, dessen Redaktion ein Erdgeschoßlokal im siebten Wiener Gemeindebezirk beziehen wird, soll letztlich 40 Mitarbeiter beschäftigen.

QVV bekommt zunächst eine Million Euro zur Verfügung gestellt. Dahinter steht eine gemeinnützige Stiftung, laut Stiftungsurkunde fungieren Mateschitz sowie die Servus Medien GmbH als Stifter. Den Vorstand bilden Mateschitz sowie zwei Red-Bull-Manager. Der größte Teil des Geldes, 990.000 Euro, stammt von Mateschitz selbst. Stiftungszweck: „die Förderung eines faktenbasierten und wahrheitsorientierten öffentlichen Diskurses“.

Ist das Motiv wirklich derart hehr? Dies bezweifelten Kritiker gleich nach Ankündigung des Projekts im vergangenen März. Mateschitz wolle ein ultrarechtes Alternativmedium gründen – ein „Breitbart à l’autrichienne“, titelte etwa die französische Zeitung Libération, also eine österreichische Version der rechts-demagogischen US-Plattform Breitbart. Man werde „Wutbürgern Flügel verleihen“, schrieb die deutsche Huffington Post.

Dass sich Mateschitz später in einem Interview mit der Kleinen Zeitung manchen Thesen anschloss, die in rechten Medien verbreitet werden, zeigt, dass selbst Überprivilegierte vor kruden Angstvorstellungen nicht gefeit sind. Entscheidend ist die Frage: Kann man daraus auf die künftige Ausrichtung von QVV schließen? Tatsache ist: Das angeworbene Personal stammt von etablierten Medien und Forschungsstätten. Für ein österreichisches Breitbart hätte sich ein geeigneteres Team finden lassen – zum Beispiel im Umfeld FPÖ-naher Blogs und von Boulevardzeitungen. Selbstverständlich stellt sich bei QVV – wie bei jedem Medium – die Frage, ob eine (Selbst-)Zensur im Sinne der Geldgeber stattfindet. Bevor man der Plattform unterstellt, ein Austro-Breitbart zu werden, sollte man abwarten, was sie tatsächlich hervorbringt.

Bei der Arbeitsweise ist bereits klarer abzusehen, wohin sich QVV entwickeln wird. Für das Projekt wurden viele TV-Journalisten rekrutiert, zuletzt ATV-Moderator Martin Thür. Wird Quo Vadis Veritas also am Ende eine Art Info-Fernsehkanal im Internet? Oder wird der Schwerpunkt doch beim geschriebenen Text liegen, während Bewegtbilder eher als illustratives Beiwerk dienen?

Auf eine profil.bestseller-Anfrage antwortet Sprecherin Judith Denkmayr: „Wir sind mitten in der Projektentwicklung und werden nicht darüber reden.“ Was die Informationspolitik betrifft, hat die Plattform offenbar schon von der Konzernmutter Red Bull gelernt, die für die Nichtbeantwortung jeglicher Presseanfragen berüchtigt ist.

Update (11.10.): Inzwischen ist Addendum online gegangen und wird mit Inhalten bespielt.

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Missionare gegen Gott

Aus dem FALTER 15/2013

Mit Eifer und einem Volksbegehren kämpfen sie gegen kirchliche Privilegien: was treibt Atheisten an?

Reportage:
Joseph Gepp
Benedikt Narodoslawsky

Irgendwann im Jahr 2008 kramt Herr Alm, römisch-katholisch getauft auf den Namen Nikolaus, in der Küche seiner Firma ein weißes Nudelsieb aus Plastik hervor, er setzt es sich auf wie einen Hut und lässt sich fotografieren. Niko Alm, heute 37 Jahre alt, Ex-Ministrant und als Jugendlicher ausgetreten aus der Kirche, sagt, sein Gott sei nun das Spaghettimonster. Aber das ist eine Farce, denn Alm glaubt an keinen Gott, nicht einmal an Engel. Alm ist Atheist. Er sagt, er fordere die gleichen Rechte wie Gläubige. In Österreich habe die Kirche Privilegien; das wolle er jetzt ändern. Kommende Woche beginnt sein Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien.

Im großen Besprechungszimmer seiner PR-Firma im vierten Wiener Gemeindebezirk zieht Alm seinen Scheckkarten-Führerschein aus der Hosentasche. Er legt ihn auf den Tisch, man kann darauf sein Foto mit dem Nudelsieb auf dem Kopf sehen, am Ende haben selbst BBC und CNN darüber berichtet. Mit dem Führerscheinfoto gelang Alm ein Mediencoup. Im Jahr 2008 hatte ihn eine Broschüre des Verkehrsministeriums verärgert, darin stand, Kopfbedeckungen auf Führerscheinfotos seien nur aus religiösen Gründen erlaubt.

Alm, der Spaghettimonster-Anhänger, erstritt sich das Recht auf ein amtliches Bild mit Nudelsieb auf dem Kopf, 2011 hielt er seinen neuen Führerschein in der Hand, und die Medien hatten ihr Fressen. Erst später wurde bekannt, dass die Broschüren falsch waren, gesetzlich ist nirgendwo von einer religiösen Kopfbedeckung die Rede; aber das war egal. Niko Alm, Vorsitzender des Zentralrats der Konfessionsfreien, Erfinder der Laizitätsinitiative, Sprecher des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien, hatte einen Nerv getroffen.

Der Glaube steckt in der Krise, Religionskritik liegt im Trend. Vor allem die katholische Kirche, mit 5,4 Millionen Mitgliedern noch immer vorherrschende Glaubensgemeinschaft in Österreich, verliert an Boden. Missbrauchsskandale, Reformunwilligkeit, das zweifelhafte Renommee, als sinistre Macht im Hintergrund zu fungieren – all das setzt der Kirche zu. Auch wenn der neue Papst umjubelt wird: Das stete Schwinden des Katholizismus in Österreich wird er schwer aufhalten können.

Seit dem Jahr 1991 verlor die katholische Kirche rund 680.000 Mitglieder – also etwa ganz Tirol. Im Gegensatz dazu schnellt die Zahl der Konfessionsfreien in die Höhe, in der Religionsstatistik belegt die Gruppe in Österreich Platz zwei: Alleine zwischen 1991 und 2001 legte die Gruppe um rund 300.000 auf eine knappe Million zu. Mehr als doppelt so viele seien es heute, schätzt der Zentralrat der Konfessionsfreien, die selbsterklärte Lobby der Ungläubigen.

Sie richtet sich nicht nur gegen christliche Glaubensrichtungen. Das zeigte etwa die Beschneidungsdebatte, die vor wenigen Monaten hochkochte. Man müsse Juden und Muslimen „unmissverständlich klarmachen“, verlautbarte etwa ein deutscher Atheisten-Bund im Kasernenton, „dass das Einfordern von Toleranz gegenüber irrational-grundrechtswidrigen Traditionen und Bräuchen nicht geduldet wird“. In Österreich wähnt die Initiative „Religion ist Privatsache“ heimische Atheisten als „diskriminiert“. Die Gründe seien etwa „die Zwangskonfrontationen mit dem Kreuz in der Schule, (…) ein reichhaltiges religiös konnotiertes ORF-Programm bis hin zur Selbstverständlichkeit des Glockengebimmels um sechs Uhr früh“. Das sind schrille, polemische Töne. Woher kommt diese Haltung? Wird Österreich atheistisch? Oder suchen Menschen zwar wie eh und je ihr Seelenheil, lehnen aber kirchliche Institutionen ab?

Auch wenn die Zahl der Konfessionslosen steigt:
Die Europäische Wertestudie aus dem Jahr 2008 zeigt, dass noch immer vergleichsweise viele Österreicher aller Religionen an Gott glauben, nämlich 72 Prozent. Damit liegt das Land europaweit auf Platz sechs hinter Polen, Rumänien, Kroatien, Griechenland und Italien.

Niko Alm gehört zu den anderen 28 Prozent. Er habe nie an Gott geglaubt, sagt er, Religion habe ihn eher belustigt. Erst mit der Missbrauchsaffäre um den Wiener Erzbischof Hans Hermann Groër Mitte der 90er-Jahre habe ihn das Verhältnis zwischen Staat und Kirche zu interessieren begonnen. 2009 gründete er die sogenannte Laizitätsinitiative, die sich für eine strikte Trennung von Kirche und Staat einsetzt. Im selben Jahr warb er mit dem Spruch „Es gibt keinen Gott“. Seither macht Alm mit immer neuen Aktionen auf sich aufmerksam. Mal kreiert er ein Warnschild, das einen Priester zeigt, der Kindern hinterherjagt. Mal sorgt er dafür, dass man auf die Website der katholischen Kirche kommt, wenn man „satan.at“ in den Internetbrowser tippt.

Fuehrerschein_©NikoAlm

Aber eigentlich gehe es ihm um mehr Demokratie, sagt Alm, „in zahlreichen Angelegenheiten genießt die Kirche Sonderbehandlungen“. Als Beispiele nennt er die Befreiung von der Grundsteuer und die steuerliche Absetzbarkeit von Kirchenbeiträgen. Warum aber stören ihn ausgerechnet die angeblichen Privilegien der Kirche so sehr und nicht jene anderer Gesellschaftsgruppen, etwa die der Beamten, Pensionisten oder Bauern? „Ausgangspunkt des Volksbegehrens war die Sonderbehandlung der Religionsgemeinschaften, nicht die Überlegung, wer privilegiert ist.“, sagt Alm.

Sein Ziel: Kirchen sollen private Vereine werden, nicht anders als die Ortsbildverschönerung und der Turnverein. Geht dann nicht eine Unterscheidbarkeit zu Sekten verloren, die man zur spirituellen Orientierung braucht? „Ich mache zwischen übernatürlichen Phänomenen keinen Unterschied“, sagt Alm. Das erregt Widerstand, selbst bei liberalen Christen wie Hans Peter Hurka von der reformorientierten Plattform „Wir sind Kirche“. 1995 initiierte er selbst ein Volksbegehren, um die katholische Kirche zu modernisieren. Das aktuelle Volksbegehren geht ihm viel zu weit. „Es ist unvertretbar, würde den Menschen schaden und die Religionsfreiheit beschneiden“, sagt Hurka und verweist auf das Menschenrecht, seinen Glauben öffentlich ausüben zu dürfen. Auch Regina Polak, Theologin an der Uni Wien, warnt: „Religionen, die allein im Privaten praktiziert werden, führen schnell zu Überlegenheitsgefühlen und Abschottungstendenzen.“ Religion brauche die Reibung mit der säkularen Welt, sonst koche sie in der eigenen Suppe.

Schon jetzt suchen viele Menschen ihr Seelenheil in Alternativen. Laut einer Studie der Uni Graz hängen 35 Prozent der Österreicher esoterischen Richtungen an, die ein universelles, höheres Selbst erreichen wollen. Dabei handelt es sich zum Beispiel um Schamanismus, Channeling oder Neo-Hinduismus. Überdurchschnittlich oft handelt es sich bei den Anhängern um gut gebildete, aufgeklärte Grünwähler – also gerade jene, die institutionalisierte Kirchen oft vehement ablehnen. Wie kommt es zu dieser Entwicklung ins Exotische?

Polak beantwortet die Frage mit historischen Traumata: „Die Unterdrückung durch Kirche und Staat, die es lange Zeit gab, wirkt bis heute nach. Und weil viele Menschen ja keinen Bezug mehr zur Kirche haben, sondern sie nur von negativen Zeitungsschlagzeilen kennen, meinen sie eben, das sei heute immer noch so.“

Dazu kommen seit den 90er-Jahren andere Phänomene, die eine neue globale Kirchenkritik und Atheismus befördern: Auf den neu entstandenen christlichen Fundamentalismus in den USA und Lateinamerika antworteten Kritiker wie der britische Biologe Richard Dawkins mit atheistischen Bestsellern, die sich auf Darwins Evolutionstheorie berufen. Und schließlich führte der islamistische Terror von 9/11 vielen vor Augen, wozu religiöse Fundamentalisten imstande sind.

Für Cahit Kaya, Grafikdesigner, 33, Gründer der Initiative Ex-Muslime, sind Religionen grundsätzlich potenziell gefährlich. „Als liberal geben sie sich nur, wenn sie gerade nicht die Macht haben, ihre Anliegen mit Gewalt durchzusetzen“, sagt Kaya im Café Starbucks auf der Mariahilfer Straße. Wenige Schritte von hier hat er im Vorjahr einen Dildo gekauft. Er warf sich in eine Burka, schnallte sich den Dildo um und spazierte so auf der Mariahilfer Straße umher. Er wollte damit auf die „Unterdrückung der weiblichen Sexualität im Islam“ hinweisen, sagt er.

Islam-Kritiker Cahit Kaya

Islam-Kritiker Cahit Kaya

Kaya meint, der Staat protegiere den Islam. Zum Beispiel die Beschneidung, die sei in Österreich noch immer erlaubt. Bekennende Beschneider habe er höchstpersönlich wegen Körperverletzung angezeigt, erzählt er, aber die Anzeige blieb erfolglos. Und auch die Zertifizierung nach dem islamischen Reinheitsgebot Halal ärgert den ehemaligen Muslim. Der Staat erlaube diese Zertifizierung und dulde damit, dass jene Moslems ausgegrenzt werden, die sich dem Halal-Regime nicht beugen. Das sei mit einer „Kauf nicht bei Juden“-Mentalität vergleichbar, sagt Kaya.

Mit dem Islam hat der Sohn türkischer Einwanderer schon als Jugendlicher gebrochen. Wie Niko Alm stammt Kaya aus keiner streng religiösen Familie. Unterdrückung hat der gebürtige Vorarlberger nicht mitbekommen, nur Engstirnigkeit in der muslimischen Community und Kuschen gegenüber religiösen Vorurteilen. Als Teenager wurde Kaya Atheist. Heute denkt er über ein eigenes Volksbegehren nach – gegen den Islam. Der sei schlicht nicht reformierbar, sagt Kaya und fordert wie Alm die radikale Abdrängung der Religion ins Private.

Aus rund 20 Menschen bestehe die Kerngruppe der neuen atheistischen Bewegung, sagt Heinz Oberhummer, emeritierter Atomphysik-Professor, Mitglied der Wissenschaftskabarettgruppe Science Busters und einer der prominentesten Atheisten Österreichs. Alle verfolgten unterschiedliche Ziele, der gemeinsame Nenner sei die Abschaffung dessen, was die Atheisten als Zwei-Klassen-Gesellschaft betrachten: die privilegierten Gläubigen hier, die unprivilegierten Ungläubigen da.

Etwa eine Million Broschüren ließ die katholische Kirche drucken, um vor dem Volksbegehren Gegenaufklärung zu betreiben. Ihre gottlosen Gegner haben viel Staub aufgewirbelt. Es ist wohl das auffälligste Merkmal des neuen Atheismus in Österreich: Er ist laut, schrill und provokant. „Jahrelang hat uns die Kirche ignoriert. Das war das Geschickteste, was sie machen konnte. Jetzt aber muss sie auf das Volksbegehren reagieren“, sagt Oberhummer stolz. Die Österreicher wüssten nun endlich von den Privilegien der Kirchen. Noch bevor die erste Person das Volksbegehren unterschrieben hat, sprechen die Atheisten also schon von einem Erfolg.

Dass sie die nötigen 100.000 Unterschriften bekommen werden, glauben sie allerdings selbst nicht einmal.

Wo der Staat für die Kirche zahlt

Kirche und Denkmal
Atheisten: Der Großteil der Denkmalausgaben fließt in die Erhaltung kirchlicher Bauten.
Kirchen: Der Großteil der Denkmäler gehöre eben der Kirche. Denkmäler nützen dem Tourismus

Kirche und Steuern
Atheisten: Viele Besitztümer der Kirche sind von der Grundsteuer befreit.
Kirchen: Stimmt nicht. Nur Gebäude für „gemeinnützige Tätigkeiten“ (zB Spitäler) sind grundsteuerbefreit

Kirche und Soziales
Atheisten: Die Kirche rühmt sich für ihr soziales Engagement, aber der Staat bezahlt sie dafür.
Kirchen: Aufgrund vieler ehrenamtlicher Helfer sind Kirchen kosteneffizienter als der Staat

Was im Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien steckt
Obwohl das Volksbegehren formell alle Religionsgemeinschaften betrifft, kommt das Wort „katholisch“ allein im Begründungstext fünfmal vor, während andere Glaubensgemeinschaften unerwähnt bleiben.

Im Text wird zwar die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche kritisiert, der Fokus liegt aber auf staatlichen Zuschüssen an Glaubensgemeinschaften und deren Rechte. Ihren Berechnungen zufolge subventioniert sie der Staat jährlich mit 3,8 Milliarden Euro. Die Summe ist heftig umstritten.

Am besten lässt sich der Streit an den konfessionellen Privatschulen festmachen: Der Staat bezahlt deren Lehrer, die Kirchen kommen für die Schulerhaltung auf. Die Verantwortlichen des Volksbegehrens sehen hierin eine Subvention. Der evangelische Bischof Michael Bünker jedoch hält dagegen: „Die kirchlichen Schulen kosten dem Staat kein Geld, sondern sie bringen ihm welches. Denn der Staat spart sich die Errichtung und Instandhaltung der Schulgebäude.“

Der wichtigste Punkt des Volksbegehrens ist laut Niko Alm die klare Trennung von Kirche und Staat. In Österreich jedoch gebe es die institutionelle Trennung bereits, erklärt Religionsrecht-Professor Richard Potz: „Ein wesentliches Kriterium dieses Systems ist, dass aufgrund dieser Entflechtung die Kirche vor der Einmischung des Staates ebenso sicher ist wie der Staat vor religiöser Bevormundung.“

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Eingeordnet unter Religion, Reportagen

Ist satan.at nicht ein bisschen kindisch, Herr Alm?

Aus dem FALTER 6/13

Am Apparat Telefonkolumne

Wenn man im Internet „satan.at“ eintippt, dann kommt man auf die Webseite der katholischen Kirche. Dafür sorgt Niko Alm, 37, Internetunternehmer und landesweit bekannter Aktivist gegen Kirchenprivilegien. Warum tun Sie das, Herr Alm?

Herr Alm, war Ihre satan.at-Aktion nicht ein bisschen kindisch?

Nein, es gab ja eine lustige Vorgeschichte, sodass man durchaus eines draufsetzen konnte. Die katholische Kirche hat sich zuvor die Domain kirchenprivilegien.at gesichert und passenderweise auf ihre Webseite weitergeleitet. Da dachte ich: Satan ist eine Kreatur, die der Kirche zuordenbar ist – ich leite das auch weiter.

Wie kommt ein junger Unternehmer wie Sie dazu, sein halbes Berufsleben dem Kampf gegen die Kirche zu widmen?

Das ist bei weitem nicht mein halbes Berufsleben, auch wenn es vielleicht so ausschaut. Ich habe einen Vollzeitjob in meiner Firma und erübrige dafür nur einen Teil meiner Freizeit. Die Sache mit der Domain dauerte gerade eine Minute.

Laut Umfragen betrachten immer mehr Leute die Kirche als Relikt alter Zeiten. Haben Sie sich da nicht einen Feind ausgesucht, dessen Bedeutung und Macht sowieso schwindet?

Für manche Bereiche stimmt das, aber es gibt auch Dinge, die keinen Aufschub dulden. Denken Sie nur an die Misshandlungsopfer oder eben die massiven staatlichen Privilegien der Kirche.

Stammen Sie eigentlich aus einem gläubigen Elternhaus?

Ich bin getauft und gefirmt, aber wir haben nie gebetet. Klassischer Taufscheinkatholizismus.

Mit wie vielen Stimmen rechnen Sie bei dem Volksbegehren im April?

Die 100.000 werden wir schon schaffen. Die Sache kommt in Social Media langsam in Fahrt. Da draußen gibt es sicher viel mehr als 100.000, die unsere Anliegen unterschreiben würden – sie müssen nur davon erfahren.

Interview: Joseph Gepp

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