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Ein Paket voller Versprechungen

Aus dem FALTER 50/2011
Nachschau: Joseph Gepp

Strenge Transparenzregeln sollen Korruption verhindern, versprachen SPÖ und ÖVP. Was ist aus ihnen geworden?

Die Telekom Austria kauft sich passende Verordnungen, mutmaßt man. Bundeskanzler Werner Faymann lässt Politinserate in geneigten Medien schalten. BZÖ-Mandatar Herbert Scheibner berät Firmen, mit denen er als Verteidigungsminister Geschäfte gemacht hat. ÖVP-Europaparlamentarier Ernst Strasser steht neben seiner politischen Tätigkeit als Lobbyist zur Verfügung.

Den Skandalen des Jahres 2011 will die Koalition das „größte Transparenzpaket der Zweiten Republik“ entgegensetzen. Medienkooperationen, Parteispenden und Nebenbeschäftigungen sollen künftig offener ablaufen, so die Ankündigung im Juni. Im Herbst hätte das Gesetzespaket bereits fertig sein sollen. Was wurde aus ihm? Eine Nachschau.

Ein Paket gegen Korruption versprachen SPÖ und ÖVP. Bis jetzt ist nicht viel drin.

Inserate

Als bislang einziger Bestandteil des Transparenzpakets wurde vergangenen Mittwoch das Medientransparenzgesetz beschlossen – von allen Parlamentsparteien außer der FPÖ, die laut Verfassungssprecher Harald Stefan ihre Zustimmung verweigerte, weil bei den anderen Punkten im Paket nichts weitergehe.

Das Gesetz gilt als Reaktion auf immer mehr Regierungsinserate in Boulevardmedien. Ihre Anzahl vergrößerte sich von 2009 auf 2010 um 44 Prozent, von 29 auf 42 Millionen Euro Auftragswert, wie eine Anfrage der Grünen vergangene Woche zeigte.

Das Gesetz sieht nun vor, dass öffentliche Stellen vierteljährlich bekanntgeben müssen, wie viel sie für Inserate ausgeben. Zudem gilt für Regierungsmitglieder ein „Kopfverbot“, ihre Konterfeis dürfen nicht gezeigt werden. Die Inserate müssen einem „konkreten Informationsbedürfnis der Allgemeinheit“ dienen statt ministerieller Propaganda.Nebenbei beschloss das Parlament auch, dass Eigentumsverhältnisse von Medien offenzulegen sind, auch bei Treuhand- und Stiftungskonstruktionen. Das könnte die Hintermänner der Gratiszeitung Heute enthüllen.

Das Gesetz wurde durchwegs begrüßt, auch Kritiker wie Kommunikationsprofessor Wolfgang Langenbucher und die Grünen sehen in ihm mehr als ein Alibi. Letztere befürchten jedoch, dass optisch unschöne Rabatte bei Politinseraten künftig nicht mehr über öffentliche Stellen laufen, sondern über Parteien. Die unterliegen nämlich keiner Deklarationspflicht.

Lobbyisten

Nach der Affäre Strasser präsentierte die Koalition einen Gesetzesentwurf, dem zufolge heimische Lobbyisten besser kontrolliert werden sollen. Künftig müssen sie sich registrieren. Im Oktober einigten sich ÖVP und SPÖ nach zähen Verhandlungen darauf, dass dies auch für Kammern und Interessenverbände gelten soll – wenn auch deren Informationen nicht ganz so konkret sein müssen wie jene normaler Lobbyisten.

Experten kritisieren den Entwurf trotzdem. Denn der Auftraggeber wie der Gegenstand des Lobbyings sollen sich nicht im öffentlichen Teil der Liste finden, sondern in einem geheimen Zusatzregister. Das dürfen nur betroffene Amtsträger einsehen – also jene, die vom Lobbyisten direkt kontaktiert werden. Selbst für Oppositionspolitiker soll die Geheimliste tabu sein.

Die Trennung zwischen öffentlich und geheim sei „inkonsequent und nicht sinnvoll“, sagt der Korruptionsexperte Hubert Sickinger. Laut Beobachtern könnte die umstrittene Regel möglicherweise noch fallen. Laut ÖVP-Justizsprecher Heribert Donnerbauer soll das Gesetz im März 2012 fertig sein. Weil es im Verfassungsrang steht, muss mindestens eine Oppositionspartei zustimmen.

Immunität

Vom Inseratengesetz abgesehen ist kein Teil des Transparenzpakets so weit gediehen wie die Reform der Abgeordnetenimmunität. Bereits im September legten SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne einen Vierparteienentwurf vor. Der Gedanke: Die Arbeit der Abgeordneten, die oft Aufdeckercharakter hat, soll rechtlich geschützt sein. Oft versuchen mächtige Konzerne oder Privatpersonen, die Parlamentarier mit Klagen einzuschüchtern.

Der Entwurf sieht vor, dass Abgeordnete Straffreiheit genießen, wenn die Angelegenheit ihre parlamentarische Arbeit betrifft. Allerdings können sich die Parteien bislang auf einen strittigen Punkt nicht einigen: die sogenannte sachliche Immunität.

Ursprünglich sollte die Straffreiheit auch dann gelten, wenn Abgeordnete außerhalb des Parlaments – etwa in Pressekonferenzen – aus Plenarreden zitieren. Dem Justizministerium und Rechtsexperten geht das zu weit. Politiker könnten „missliebige Personen ohne jede Verantwortlichkeit (…) nachhaltig schädigen“, so das Ministerium. Seit mittlerweile drei Monaten verhandeln die Parteien über eine Änderung des Passus.

Dem Grünen Dieter Brosz zufolge werden derzeit Kompromisse diskutiert – etwa dass die Straffreiheit fällt, wenn eine Aussage im Plenarsaal mit einem Ordnungsruf bedacht wurde. Brosz glaubt trotz allem, dass das Gesetz im Jänner beschlossen wird.

Nebeneinkünfte

Was Parlamentarier neben ihrer Abgeordnetentätigkeit treiben, kann ihre politische Arbeit beeinflussen. Deshalb soll die Öffentlichkeit darüber Bescheid wissen. Das ist der Gedanke hinter der geplanten Offenlegung von Nebeneinkünften. Bisher müssen sich Parlamentarier lediglich auf der Parlaments-Homepage eintragen, wenn sie mehr als 1142,40 Euro jährlich dazuverdienen – ohne Angaben zur Bezugshöhe und vor allem: ohne Folgen bei Nichteintragung.

Im August hat die Koalition einen Reformvorschlag gemacht, der sich an die Offenlegungspflicht in Deutschland anlehnt. Je nach Höhe des Nebenverdiensts müssen Abgeordnete in vier Stufen Nebenjobs melden.

Allerdings: Sanktionen sind auch hier nicht vorgesehen, kritisiert Experte Sickinger. Darin weiche der Vorschlag vom Vorbild Deutschland ab, wo die Nichtmeldung hohe Geldstrafen nach sich ziehe. Sickinger fordert außerdem, dass Parlamentarier sowohl Dienstgeber ihrer Nebenjobs als auch Vermögenseinkünfte wie Mieteinnahmen bekanntgeben – beides ist derzeit nicht vorgesehen.

Im Vergleich zu anderen Teilen des Transparenzpakets steckt die Reform der Offenlegung noch in den Kinderschuhen. Das dürfte eine Zeitlang auch so bleiben. Laut Beobachtern aus dem Parlament geht „seit Herbst überhaupt nichts weiter“. Im Herbst einigte man sich darauf, einen Experten aus dem deutschen Bundestag einzuladen, der das dortige Modell genauer erläutern sollte. „Zu dieser Einladung ist es nie gekommen“, sagt der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser. „Ich rechne damit, dass SPÖ und ÖVP das Thema sanft entschlummern lassen möchten.“

Parteispenden

Wie notwendig eine Reform der Parteienfinanzierung ist, hat spätestens der Telekom-Skandal bewiesen, bei dem zahlreiche Geldflüsse von Parteien und Vorfeldorganisationen an den Lobbyisten Peter Hochegger ans Licht kamen. Dennoch geht gerade in diesem wohl heikelsten und wichtigsten Punkt des Transparenzpakets praktisch gar nichts weiter. Weder gibt es einen Gesetzesentwurf noch Vorschläge der Regierungsparteien. Oppositionelle jeder Couleur orten eine „Verschleppung“.

Ein ÖVP-Funktionär spricht von einer „Schützengraben-Situation“ zwischen Rot und Schwarz. Andere Beobachter konstatieren, dass die SPÖ ebenso um die Unabhängigkeit ihrer einflussreichen Vorfeldorganisationen fürchte wie die ÖVP um die ihrer einflussreichen Länder. Aus dem SPÖ-Parlamentsklub war dazu niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.

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Auf dem Weg zum gläsernen Abgeordneten

Aus dem FALTER 39/2011

Immunität und Offenlegung: was sich an Rechten und Pflichten für heimische Parlamentarier ändern könnte

Bericht:
Joseph Gepp

Darf ein Parlamentsabgeordneter und Ex-Verteidigungsminister Beratungshonorar von einem Rüstungskonzern kassieren? Rechtlich gesehen schon. Herbert Scheibner (BZÖ) hat seit dem Jahr 2010 insgesamt 60.000 Euro von der Eurofighter GmbH erhalten. Strafbar wäre dies jedoch nur, wenn es sich um spätes Schmiergeld für den Kauf der Jagdflugzeuge 2002 handelt – es gilt die Unschuldsvermutung. Davon abgesehen darf der Abgeordnete Scheibner jedem Geschäft nachgehen, dem er nachgehen will.

Scheibners Deals, Ernst Strassers Lobbyisten-Tätigkeit in Brüssel oder etwa Peter Westenthalers möglicher Nebenjob als Makler (siehe Falter 38/11) – immer vehementer fordern Kritiker Gesetze für mehr Transparenz bei der Tätigkeit von Parlamentariern.

Scheibners Geschäfte kamen nur ans Licht, weil der Raiffeisen-Bank bei Zahlungseingängen auf sein Konto „außergewöhnliche Transaktionsmuster“ seltsam vorkamen. Der Öffentlichkeit hingegen müssen Abgeordnete nicht einmal ihre Kunden verraten, wenn sie nebenher als Selbstständige arbeiten. Welchen Nebenbeschäftigungen sie nachgehen, muss zwar – ohne Angabe ihres Einkommens – auf einer Liste auf der Homepage des Parlaments vermerkt werden. Aber wenn dies nicht passiert, sind „keine Konsequenzen vorgesehen“, erklärt der Sprecher von SPÖ-Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Prammer regt nun immerhin an, dass die Parlamentarier ihre Kunden künftig vertraulich dem Rechnungshof melden sollen.

Die Bestimmung könnte Teil des „Transparenzpakets“ werden, das derzeit im Parlament verhandelt wird. Neben neuen Lobbying- und Inseratenregelungen soll es auch eine Offenlegung von Nebeneinkünften und Parteispenden beinhalten. Weit ist die Debatte jedoch noch nicht gediehen.

Konkretere Überlegungen gibt es dafür in einem anderem Punkt, der die Arbeit von Abgeordneten reglementieren und schwarze Schafen überführen helfen könnte: bei der Reform der Immunität.

Der Grundgedanke: Bei der parlamentarischen Arbeit, die oft Aufdeckercharakter hat, sollen Abgeordnete umfassenden Schutz genießen – auch wenn sie außerhalb des Parlaments aus ihren Reden zitieren, zum Beispiel in Interviews oder auf Internetseiten. Weil die Reform als Verfassungsgesetz eine Zweidrittelmehrheit braucht, legten SPÖ, ÖVP, Grüne und FPÖ im September einen 4-Parteien-Entwurf vor – der jedoch, kaum an die Öffentlichkeit gekommen, bereits Kritik erfuhr.

Er sei ein „Freibrief für strafrechtlich relevante Handlungen“, meinen etwa das Justizministerium und Verfassungsrechtler Bernd Christian Funk. Extrembeispiel: Bezeichnet ein Parlamentarier bei einer Debatte seinen Nachbarn als Kinderschänder, kann er diese Aussage wiederholen, ohne dass der Nachbar mittels zivilrechtlicher Klage gegen ihn vorgehen könnte.

SPÖ und ÖVP wollen den umstrittenen Punkt nun überdenken. Die Grünen und Prammer hingegen beharren auf dem Entwurf. „Absurd“ ist für den Grünen Dieter Brosz das Beispiel mit dem Kinderschänder. In Wahrheit würden nicht beleidigte Nachbarn, sondern mächtige Konzerne und öffentlich relevante Personen wie Ex-Finanzminister Grasser oft gegen Parlamentarier klagen. Zu manchen Ermittlungen – etwa gegen Grasser oder die Rumpolds – wäre es ohne Recherchen von Parlamentariern gar nicht gekommen, sagt Brosz.

Was wäre nun anders, wenn im Fall von Scheibners Eurofighter-Deals schon die neuen Immunitätsregeln gelten würden? Gar nichts.

Scheibner könnte zwar durch die Behauptung, die Geschäfte stünden im Zusammenhang mit seiner parlamentarischen Tätigkeit, Straffreiheit für sich einfordern. Allein es würde ihm nicht helfen. Denn bei Vorwürfen der Bestechlichkeit macht der Entwurf dezidiert eine Ausnahme. Hier darf in jedem Fall ermittelt werden.

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