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Zurück in die Zukunft

Aus dem profil 28/2019 vom 21.07.2019

Wie soll es in der Causa WBV GFW weitergehen? Darüber sind sich Gemeinde Wien und Verwaltungsgericht Wien uneinig.

Joseph Gepp

Es war eine umstrittene Entscheidung: Im Herbst letzten Jahres beschloss die Stadt Wien, konkret das Ressort der SPÖ-Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál, dass einige Eigentümerwechsel in den vergangenen Jahren bei der gemeinnützigen Wohnbauvereinigung WBV GFW rückgängig zu machen seien. Diese WBV GFW (ehemals WBV GÖD) war im Jahr 2003 von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst verkauft worden und ging danach durch mehrere Hände. Mehrere (Teil-)Eigentümer dieser Zeit waren enge Geschäftspartner des Wiener Heumarkt-Investors Michael Tojner. Dieser weist zurück, irgendetwas mit der WBV GFW zu tun zu haben. Die umstrittenen Eigentümerwechsel seien jedenfalls niemals von der Aufsichtsbehörde bewilligt worden, argumentierte die Stadt Wien letztes Jahr. Deshalb eben seien sie rückabzuwickeln. Konkret müsse im Firmenbuch der Stand vom 31. Dezember 2008 wiederhergestellt werden.

Vor zwei Wochen zeigte sich, dass auch das Verwaltungsgericht Wien der Ansicht der Stadt Wien weitgehend folgt (profil 28/19). Die Richter bestätigten Gaáls Bescheid. Allerdings mit einer bedeutenden Einschränkung: Die Eigentümerverhältnisse müssten nicht bis 2008 rückabgewickelt werden, so der zweite Spruchpunkt des Erkenntnisses -stattdessen seien lediglich die letzten beiden Transaktionen nichtig. Konkret ging die WBF GFW seit dem Jahr 2015 zunächst an eine Firma Keystone SA und danach an eine Christian Hosp GmbH. Eben diese Schritte müsse man rückgängig machen, so das Gericht. Nun hat die WBV GFW einen Brief bekommen. Absender: die Wiener MA50, Aufsichtsbehörde über die Gemeinnützigen , ebenfalls Gaál unterstehend. Das Schreiben liegt profil exklusiv vor. In ihm wird das Unternehmen aufgefordert, das Gerichtsurteil umzusetzen – ein Formalakt, eigentlich. Wer genau liest, stellt allerdings fest: Die MA 50 verlangt nicht nur Annullierung der letzten beiden Transaktionen, wie das Gericht es beschlossen hat – sondern die Rückabwicklung bis 2008, so wie ursprünglich im Bescheid gefordert.

Warum diese Vorgehensweise? Läuft sie nicht dem Willen des Gerichts zuwider? Nein, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme der MA 50. Die richtige Anwendung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes sehe nämlich vor, dass „sämtliche Eintragungen im Firmenbuch, die auf nicht-genehmigte Anteilsübertragungen gründen, unrichtig sind“. Und damit lande man eben in besagtem Jahr 2008.

Ob das Gericht das auch so sieht, bleibt nun abzuwarten. Fest steht: Die verwirrende Causa WBV GFW scheint noch längst nicht an ihr Ende gekommen zu sein.

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Ärger für Tojner-Vertraute

Aus profil 28/2019 vom 9 vom 7.7.2019

In der Causa WBV-GFW bestätigt das Verwaltungsgericht den Bescheid der Stadt Wien, wonach Verkäufe der letzten Jahre rückabzuwickeln seien.

Von
Joseph Gepp
Christina Hiptmayr

Im September des vergangenen Jahres stellte die Stadt Wien, konkret SPÖ-Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál, einen heiß debattierten Bescheid aus. Die Eigentumsverhältnisse bei der gemeinnützigen Wohnbauvereinigung GFW, ehemals WBV-GÖD, müssen rückabgewickelt werden. Konkret sei im Firmenbuch wieder „der Stand vor dem 31.12.2008 auszuweisen“. Denn seit diesem Zeitpunkt, so der Vorwurf, sei bei sämtlichen Anteilsübertragungen nicht um Genehmigung angesucht worden, wie dies das Gesetz eigentlich vorschreibt.

Doch bis dato hatte der Bescheid keine Rechtskraft. Denn die Eigentümer des Unternehmens – es handelt sich unter anderem um den Tiroler Christian Hosp, einen Vertrauten des Immobilienunternehmers Michael Tojner – haben eine Beschwerde gegen den Bescheid eingebracht. Seither lag der Fall beim Verwaltungsgericht Wien. Dieses hat nun eine Entscheidung getroffen. Das Erkenntnis vom 25. Juni liegt profil exklusiv vor. Diesem zufolge gibt die zuständige Richterin der Stadt Wien in wesentlichen Punkten recht: entscheidende Anteilsübertragungen der vergangenen Jahre müssten rückgängig gemacht werden. Dazu die Vorgeschichte: Die ehemalige WBV-GÖD war 2003 von der ÖVP-nahen Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD) an ein Konsortium um Michael Baumgartner und Stefan Gregorich verkauft worden. Im Jahr 2010 hatte Michael Tojner um 800.000 Euro eine Option erworben, die ihm direkt ein Vorkaufsrecht einräumte, ebenso wie das Recht, einen Käufer für die Anteile der Muttergesellschaft der GFW namhaft zu machen. Tojner schlug seinen engen Geschäftspartner Christian Hosp als Käufer vor. Dieser erwarb die Anteile im Jahr 2015 von Baumgartner und Gregorich. Die Muttergesellschaft der WBV-GFW wanderte zunächst an die Keystone Holding SA, danach an die Christian Hosp GmbH.

Letztere beiden Transaktionen müssten nun rückgängig gemacht werden.

Die Beschwerde gegen den Bescheid der Stadt Wien werde diesbezüglich „als unbegründet abgewiesen“.

Gregorich hatte Hosp als „Strohmann“ Tojners bezeichnet -was Hosp und Tojner stets entschieden zurückwiesen. Gregorich selbst widerrief später seine Behauptung. Franz Guggenberger, Rechtsanwalt und Vertrauter Tojners, sitzt darüber hinaus im Aufsichtsrat der GFW.

Die Causa WBV-GFW und ihre Verwicklungen waren auch immer wieder Gegenstand heißer Debatten in der Wiener Stadtpolitik. So forderte FPÖ-Wien-Chef Dominik Nepp erst am Freitag ein Aufrollen des Falls. Gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts jedenfalls kann vor dem Verwaltungsgerichtshof eine ordentliche Revision eingebracht werden. Die Betroffenen waren bis profil-Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

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Der Unartige

Aus dem profil 06/2019 vom 3.2.2019

Der Unartige

Was andere wollen, hat der Unternehmer Michael Tojner im Überfluss: Geld, Einfluss – und gute Rechtsanwälte. Als Student verkaufte er Eis, handelte mit Möbeln und Mixern. Heute kauft er Immobilien und Firmen und sorgt immer wieder für Kontroversen. Porträt eines Grenzgängers.

Der 2. April 2016 war für Michael Tojner ein erkenntnisreicher Tag. Ihm widerfuhr etwas, wofür er kein besonderes Talent hat: verlieren -noch dazu vor Publikum. Der Unternehmer hatte 300 enge Freunde zu einer Party ins Wiener Kasino am Schwarzenbergplatz geladen, um seinen Fünfziger zu begehen. Er ahnte nicht, dass seine Ehefrau Renate für den Höhepunkt des Abends sorgen würde. Sie hatte in aller Heimlichkeit die Comedy-Truppe um Robert Palfrader für einen Auftritt gebucht, der verdutzte Gatte bekam eine Privataudienz beim Kaiser. Nachdem dieser sich durch Tojners Vita geblödelt hatte, bat er den Jubilar zur Nagelprobe. Doch der Kaiser spielte falsch. Er ließ sich zu einem kleinen Nagel einen sehr großen Hammer bringen, Tojner hingegen bekam zu einem großen Nagel einen winzig kleinen Hammer. Der Ausgang war absehbar. Der Betrogene soll die Niederlage nonchalant erduldet haben, wie Anwesende amüsiert berichten.

Nein, Michael Tojner verliert nicht gern – nicht einmal zum Spaß.

Dies ist die Geschichte eines Mannes, der es nicht ohne Grund auf die Titelseite von profil geschafft hat. Tojner darf für sich in Anspruch nehmen, eine bemerkenswerte Karriere hingelegt zu haben. Er ist einer der erfolgreichsten Unternehmer des Landes. Er hat aus dem Nichts eine ansehnliche Industrieund Immobiliengruppe emporgezogen und damit ein Vermögen begründet, das zumindest rechnerisch einige Generationen nach ihm versorgen könnte. Ein Selfmade-Typ par excellence. „Michael hat die Gabe, Chancen in ihrer wahrer Dimension zu erkennen. Er hat den Zug zum Tor“, schwärmt Tojners Rechtsberater Wolfgang Brandstetter, Verfassungsrichter, ehemaliger Justizminister und ÖVP-Vizekanzler. Brandstetter ist Tojner seit langer Zeit verbunden, schon seine Eltern waren mit jenen von Tojner befreundet.

Dies ist auch die Geschichte eines Mannes, der riskiert, provoziert und polarisiert. Im Geschäftsleben gilt er als obsessiv, unberechenbar, unbequem, zuweilen unartig; als einer, der Grenzen austestet und Gesetze grundsätzlich nicht als Hürde begreift, eher als Herausforderung. Manche nennen ihn schlicht skrupellos.

„Auf zwei Freunde kommen acht Feinde“, hat Tojner einmal über Tojner gesagt und wertete das durchaus als Leistungsausweis.

Der Rechtsanwalt Wolfgang Hofer, Gründer und Partner der angesehenen Wiener Kanzlei Grohs Hofer, hatte mit Tojner geschäftlich zu tun. Hofer sitzt unter anderem im Vorstand der Industriestiftung B & C, wo Tojner zuletzt den Fuß in die Türe bekommen wollte. Der Anwalt hat den Kontrahenten nicht in allerbester Erinnerung: „Zu Tojners Fehlern zählt sicher nicht, dass er zu viel Wort hält“, feixt Hofer.

Michael Tojner hat jedenfalls ein Händchen fürs Geld. Als Student verkaufte er Eis im Park des Schlosses Schönbrunn, als Mittfünfziger gehört er zu den Bestsituierten des Landes. Laut dem Wirtschaftsmagazin „trend“ liegt Tojners Vermögen mittlerweile jenseits der Milliardengrenze. Er ist am Wiener Auktionshaus Dorotheum beteiligt und Gründer der Montana Tech Components, einer Schweizer Unternehmensgruppe, an der mehrere Firmen mit Standorten in 20 Ländern und insgesamt 7000 Arbeitsplätze hängen: Aluminiumverarbeitung, Maschinenbau, Verpackungsmaterial, Energiespeicher. Stolz der Gruppe ist der Batterienhersteller Varta, den Tojner der deutschen Industriellenfamilie Quandt (BMW, Altana) und der Deutschen Bank 2007 abkaufte.

In seiner Wertinvest hat er zudem ein ansehnliches Immobilienportfolio angehäuft, zu welchem unter anderem Liegenschaften in Manhattan, Zinshäuser in Wien und Deutschland, ein ehemaliges Kloster in Niederösterreich und das Wiener Hotel Intercontinental gehören. Das Intercontinental war es auch, das Tojner einer breiteren Öffentlichkeit bekannt machte. Seit Jahren sorgt sein Wiener „Heumarkt-Projekt“ für Kontroversen und böse Gerüchte. Tojner will den alten Intercont-Kasten abreißen und auf einem Areal, das den traditionsreichen Wiener Eislaufverein umfasst, zwei neue Kästen errichten: ein Hotel und einen 66 Meter hohen Wohn-und Geschäftsturm. Tojner hat es -wie auch immer – geschafft, die rot-grüne Stadtregierung im Allgemeinen und die scheidende grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou im Besonderen für das Hochhaus-Projekt einzunehmen – ungeachtet der Tatsache, dass Wiens Weltkulturerbe-Status damit gefährlich ins Wanken gerät. Auch das ist Michael Tojner. Wo der Unternehmer auftaucht, bleibt Ärger selten aus. Man kann es auch flapsiger ausdrücken: Tojner ist jemand, der sich wenig scheißt. Das war zumindest bisher so.

Wien, 23. Jänner 2019. Tojner empfängt profil zu einem Interview im Dachgeschoss des „Varta“-Hauses am Wiener Getreidemarkt. Von hier aus dirigiert er seine weitläufigen Unternehmungen und Besitzungen. Der stilsicher eingerichtete Konferenzraum mit seinen wuchtigen dunklen Vintage-Armchairs könnte als Kulisse für einen frühen James-Bond-Streifen gedient haben – nur dass in diesem Fall nicht ganz klar ist, wer am ausladenden Konferenztisch Platz zu nehmen pflegt. Ist es 007, der smarte Typ mit der „License to kill“? Oder doch Auric Goldfinger, der exzentrische Milliardär, von Beruf Bösewicht?

An diesem Nachmittag ist Tojner keiner von beiden. Die Anspannung der vergangenen Tage ist ihm anzusehen, die ihm eigene Robustheit im Auftreten kaum zu spüren. Tojner hat Probleme mit dem Land Burgenland. SPÖ-Finanzlandesrat Hans Peter Doskozil, designierter Nachfolger von Landeshauptmann Hans Niessl, hat ihn und vier andere Personen angezeigt – Verdacht des Betruges und Untreue. Tojner soll das Land 2015 um einen Betrag in einer Größenordnung von 40 Millionen Euro geprellt haben. Es geht um vermutete Unregelmäßigkeiten rund um die Aberkennung der Gemeinnützigkeit zweier Wohnbaugenossenschaften und die Rolle mehrerer Treuhänder, die für Tojner tätig gewesen sein sollen (profil berichtete ausführlich). Der Angezeigte bestreitet die Vorwürfe -im Verlauf des Gesprächs wird er immer wieder darauf hinweisen, dass er nicht nur die Verantwortung für sechs Kinder trage, sondern auch für Tausende Mitarbeiter.

In Deutschland steht für ihn mittlerweile einiges auf dem Spiel. Die Varta-Gruppe will expandieren, sie drängt ins Geschäft mit Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos. Erst vor wenigen Wochen verkündete der Varta-Vorstandschef gemeinsam mit der baden-württembergischen Wirtschaftsministerin den Start eines Forschungsprojekts am Standort Ellwangen. Das Land Baden-Württemberg und das Bundesforschungsministerium haben bis zu 35 Millionen Euro an Förderungen zugesagt.

Wenn der Varta-Hauptaktionär und Aufsichtsratsvorsitzende Tojner eines im Moment überhaupt nicht brauchen kann, dann den öffentlichkeitswirksamen Vorwurf, ein österreichisches Bundesland um Steuergeld betrogen zu haben. „Diese medial vorgetragene Rufschädigung ist nicht akzeptabel“, sagt Tojner, hörbar entrüstet: „Es ist doch höchst befremdlich, dass man hier an die Öffentlichkeit gegangen ist, ohne dem Betroffenen die Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben.“(Das Interview erschien in der profil-Ausgabe der Vorwoche.)

Tojner wird außerdem ein flammendes Interesse an der Funktion des Präsidenten des SK Rapid Wien nachgesagt. Er ist ein bekennender Fan, hat im Allianz-Stadion eine „Varta“-Loge, sponsert den Nachwuchs und sitzt im Beirat der SK Rapid Wien GmbH – gemeinsam mit Hans Peter Doskozil. Beide haben ihr Mandat im Beirat mittlerweile ruhend gestellt. So wird man schwerlich Präsident. Michael Tojner, der Unverwundbare, ist verwundbar geworden.

1) Wer ist Michael Tojner?

Heuschrecke. Tojner mag dieses Wort nicht. „Das ist eine Frechheit für das, was ich mache“, sagte er in der Wiener Wochenzeitung „Falter“ im Jahr 2013. „Ich war immer ein Unternehmens-und Projektentwickler.“

Grenzgänger. Auch dieses Wort mag Tojner nicht. „Ich bin Entrepreneur, kein Grenzgänger. Ich weiß, was ich tue, auch in meiner finstersten Stunde“, sagte er in der Tageszeitung „Der Standard“ 2017. Das Wirtschaftsmagazin „trend“ bezeichnete ihn

als „Geldnase“. Das komme einer „Verhöhnung“ gleich, wie er der Redaktion in einem Leserbrief ausrichtete. Das ist 20 Jahre her; Tojner war damals 32. Zocker. Auch die Zuschreibung auf der Titelseite dieses Magazins wird er nicht mögen. Wenn Michael Tojner in den Spiegel blickt, dann sieht er einen gänzlich anderen: den doppelten Doktor der Rechtswissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre; den Titularprofessor der Wiener Wirtschaftsuniversität; das Vorstandsmitglied der Wiener Industriellenvereinigung; den Herausgeber und Autor wirtschaftswissenschaftlicher Abhandlungen; den Veranstalter politischer Diskussionsreihen; den Freund und Förderer von Kunst, Architektur und Sport; den Ästheten; den Familienmenschen.

Fremdbild-Selbstbild. Das ewige Dilemma. Tojner wurde 1966 im oberösterreichischen Steyr geboren, Kindheit und Jugend verbrachte er im niederösterreichischen Haag. Jüngster von drei Brüdern, einer wurde später Lehrer, wie die Mutter, ein anderer Installateur, wie der Vater. Tojner zog es nach der Matura 1984 am Bundesrealgymnasium Amstetten zum Studium nach Wien. Später erzählte er, dass der Vater ihm den Traum, Architekt zu werden, nicht vergönnte. „Willst du später einmal in Wien Taxi fahren? Studier was Gscheits.“ Tojner inskribierte an der WU, später auch am Juridicum. Mitte 20 war er DDr. – und obendrein Millionär, wenn auch nur in Schilling. Vorerst.

Die Geschichte vom Eisverkauf in Schönbrunn darf in keinem Tojner-Porträt fehlen. Sie ist fester Teil eines sorgsam gepflegten Gründermythos und geht so: Noch als Student hatte Tojner der Schlosshauptmannschaft die Erlaubnis für den Betrieb mobiler Eisstände abgerungen. Mit geborgtem Geld schaffte er eine kleine Eiswagenflotte an, die er im Schlosspark auffahren ließ; später kamen Souvenirs hinzu. „Die erste Million kam en passant. Als ich sie bei einem Blick auf meinen Kontostand registrierte, war das ein starkes Gefühl“, verriet Tojner dem Wirtschaftsmagazin „Format“ 2005. Es blieb nicht bei einer Million Schilling. Tojner verbreiterte sein Geschäftsmodell als Lokal-Betreiber („Mekka“, „Bar Italia“), Möbelhändler („Loft“) und Elektrogeräteexporteur („Trend AG“). Ende der 1990er-Jahre fing er mithilfe der Meinl Bank an, Geld bei Investoren einzusammeln, um in aufstrebende Unternehmen zu investieren, woraus sich sein Investmenthaus Global Equity Partners entwickelte.

Diese Phase in seinem Leben war es auch, die ihm den hartnäckigen Ruf des Glücksritters, der Heuschrecke eintrug. Mehr als 50 Unternehmen will Tojner im Lauf der Jahre gegründet und/oder geund verkauft haben; der Wettanbieter bwin war eines davon. Und nicht immer ging Tojners Wirken gut für alle Beteiligten aus. Er habe damals „sehr viele unzufriedene Anleger zurückgelassen“, sagte der Anlegerschützer Wilhelm Rasinger kürzlich in einem „Standard“-Interview. Tojner selbst sei bei diesen Konstruktionen hingegen „immer auf der Butterseite gelandet“.

Da passt es gut ins Bild, dass er ein Detail in seiner Vita nicht allzu offensiv kommuniziert. Schon die Geschichte mit dem Eisverkauf in Schönbrunn, sein erstes geschäftliches Abenteuer überhaupt, hatte im Unfrieden geendet.

2) Das Leben, ein Grenzgang

Stein des Anstoßes war das Preis-Leistungs-Verhältnis. Drei Kugeln Eis um 35 Schilling, das wollte Schönbrunn irgendwann nicht mehr tolerieren. Überdies wurden aus den zunächst mobilen Eiswagen feste Kioske. „Die Standln sind alle illegal errichtet“, polterte 2000 Wolfgang Kippes, damals Schönbrunn-Geschäftsführer. Die Causa landete vor Gericht; 2001 war Tojner aus dem Geschäft raus.

Der Rechtsweg ist dem Juristen wohlvertraut. „Michael war ein exzellenter Jus-Student, er hätte auch eine akademische Karriere einschlagen können“, erzählt Wolfgang Brandstetter. Bei Tojner selbst hört sich das so an: „Als ich Wirtschaft studiert habe, hat Professor Doralt, einer der ganz großen Rechtsexperten, zu mir gesagt: Tojner, Sie sind zu schade für die Wirtschaftsuniversität, studieren Sie Jus.“ Er habe dann am Juridicum alle Prüfungen des ersten Studienabschnitts innerhalb eines Monats abgelegt und Römisches Recht mit „Sehr gut“ bestanden. Herbert Hausmaninger, langjähriger Ordinarius der Universität Wien, wollte ihn daraufhin als Universitätsassistenten engagieren. Tojner: „Ich kann ohne Anwalt eine Varta AG kaufen. Ja, ich habe ein juristisches Feingefühl.“

Und er weiß es zu nutzen. Tojner hat ein Geschäftsmodell daraus gemacht, gesetzliche und vertragliche Grauzonen und Lücken auszureizen. Dieses Muster zieht sich seit dem ersten Schönbrunner Eiswagen durch seine professionelle Vita. Schon in den 1990er-Jahren sah er sich mit Beschwerden erboster Anleger konfrontiert, die ihm anlasteten, als Fondsmanager unanständig hohe Gebühren verlangt zu haben. 2012 brachten sich Investoren seiner Schweizer Montana Tech in Stellung. Tojner wurde mangelnde Transparenz und die Ungleichbehandlung von Aktionären vorgeworfen.

Oder die Causa Gemeinnützige. Tojner steht im Verdacht, mit Steuergeld geförderte Sozialwohnungen günstig in seinen Besitz gebracht und versilbert zu haben – wobei er Schwächen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes ausgenutzt haben soll (was Tojner allerdings vehement bestreitet).

Schließlich die Causa B &C Privatstiftung. Dabei handelt es sich um ein einst mit der Bank Austria verbundenes Industriekonglomerat, das unter anderem Beteiligungen an Amag, Lenzing und Semperit umfasst. Tojner wollte eine Unschärfe im Stiftungsrecht dazu nutzen, Zugriff auf die Stiftung und deren Vermögen zu bekommen. Daraus wird nun zwar nichts, doch es deutet einiges darauf hin, dass Tojner selbst an dem Versuch verdienen wird. Tatsächlich hat Tojner sich bei der italienischen Bank- Austria-Mutter UniCredit vertragliche Rechte gesichert, die ihm der Vorstand der B & C Stiftung jetzt teuer abkaufen will -oder muss.

Die Unternehmerin Eva Dichand, Herausgeberin der Gratiszeitung „Heute“ und wie Tojner am Dorotheum beteiligt, sagte einmal über ihn: „Er ist ein unglaublich geschickter Verhandler. Er schlichtet einen Konflikt, alle sind zufrieden, und 24 Stunden später kommt man drauf: Hoppla, das war ja ganz zu seinem Vorteil.“

3) Wer bremst, verliert

Fleißig, ehrgeizig, höchst kompetitiv. Erkundigt man sich nach den auffälligsten Charaktereigenschaften des Michael Tojner, werden zuverlässig diese Attribute genannt. Beim alljährlichen Firmenwochenende am Traunsee, zu dem Führungskräfte von Montana und Wertinvest aus aller Welt zusammenkommen, steht auch ein Fußballmatch gegen die örtliche (ziemlich fitte) Seniorenmannschaft fix auf dem Programm. „Wenn Michael ein Tor schießt, atmen alle auf. Dann ist das Wochenende gerettet“, sagt ein Mitarbeiter. Überhaupt der Sport. Kicken, Boxen, Biken, Heli-Skiing, Kitesurfen, Wasserski, Mucki-Bude -Tojner ist ein Fitness-Junkie und legt es gern auf Wettbewerb an.

19. Jänner 2019, der Nobelskiort Lech am Arlberg. Ein Event ganz nach Tojners Gusto: „Der Weiße Ring“, ein Skirennen für Hobbysportler. 22 Kilometer Abfahrten, 5500 Höhenmeter, rund 1000 Teilnehmer. Tojner tritt im Viererteam an. Am Ende schaffen es Tojner und Sportsfreunde (die Unternehmer Martin Ohneberg und Friedrich Niederndorfer sowie die Ex-Rennläuferin Katrin Gutensohn) auf Rang 23 von 68 Klassierten -aber das wirklich Entscheidende: In seinem Team war Tojner der Schnellste.

Tojner ist eine Kämpfernatur, die über einen langen Atem verfügt. Das zeigt auch die Geschichte rund um sein umstrittenes Hochhaus-Projekt am Wiener Heumarkt, welches er trotz vieler Widerstände und Ungereimtheiten durchziehen will. Auf dem Areal mit dem in die Jahre gekommenen Hotel Intercontinental und dem Wiener Eislaufverein möchte er sich offenbar ein Denkmal setzen -entworfen vom brasilianischen Stararchitekten Isay Weinfeld. Ein Freund von Tojner erzählt: „Ich habe ihm einmal gesagt, nimm halt zwei Stockwerke weg von dem Turm, dann sparst du dir den Ärger. So schön ist die Hüttn jetzt auch nicht.“ Tojner konnte darüber gar nicht lachen.

4) Wen kennt Tojner – und wer kennt ihn?

Die Wiener Straßenzeitung „Augustin“ hat Tojner jüngst porträtiert und dem Artikel ein Organigramm beigestellt, das sein „Netzwerk“ zeigt. Da finden sich Namen wie Hanno und Erwin Soravia, Andritz-Chef Wolfgang Leitner, KTM-Chef Stefan Pierer, „Krone“-Chef Christoph Dichand, Martin Ohneberg, Claus Raidl – und Sebastian Kurz. Tojner, wird kolportiert, sei neben Pierer einer von Kurz‘ wichtigsten Financiers sein, was Tojner hartnäckig bestreitet.

Wahr ist, dass Tojner mit vielen gut kann. Wahr ist aber auch, dass derlei Bündnisse nicht überbewertet werden sollten, da stets geschäftlicher Opportunismus mit im Spiel ist. Tojner gehört jedenfalls nicht zum Typus Netzwerker, der auf Festen systematisch wichtige Leute abgrast und mit Politikern und Künstlern für Bussi-Bussi-Fotos posiert.

Nur einmal im Jahr besucht er eine publikumswirksam-glamouröse Veranstaltung: den Philharmonikerball im Wiener Musikvereinsgebäude.

Im Umfeld des Geschäftsmanns findet sich vielmehr eine Riege immergleicher Mitstreiter und Gefolgsleute, mitunter seit Jahrzehnten. In Tojners Firmenimperium bekleiden sie zahlreiche Positionen, etwa in Aufsichtsräten.

Da wäre beispielsweise Friedrich Niederndorfer, Gründer des oberösterreichischen Sensoren-Unternehmens Abatec, das von Tojner gemeinsam mit dem KTM-Gründer Stefan Pierer übernommen wurde. Niederndorfer war anfangs auch maßgeblich an den gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften beteiligt, die nun im Burgenland für Auseinandersetzungen sorgen.

Da wäre auch Martin Ohneberg, Chef der Vorarlberger Industriellenvereinigung und der Henn GmbH, eines Herstellers von Schnellkupplungen. Nicht nur Ohneberg und Niederndorfer tauchen in Tojner-Unternehmen oftmals auf. Da wäre noch Franz Guggenberger, Rechtsanwalt der Wiener Kanzlei Hasch &Partner. Guggenberger ist unter anderem Beirat der Tojner-Holding Montana und Aufsichtsrat bei Varta.

Viele Bekanntschaften reichen weit zurück. Mit seinem langjährigem Freund Manfred Bodner, Gründer des Glücksspielkonzerns bwin, zog Tojner schon Anfang der 1990er-Jahre einen Versandhandel für Küchengeräte in Ungarn hoch. Der Wiener Rechtsanwalt Karl Liebenwein, der Tojner aktuell in seinem Streit mit dem Land Burgenland vertritt, stand bereits vor zwei Jahrzehnten juristisch an dessen Seite, als das Schloss Schönbrunn gegen Tojners Eisstände zu Felde zog. Und eben Wolfgang Brandstetter, Freund der Familie.

5) Wie man eine Chance nützt

Am Beispiel Varta, einst ein Batterie-Gigant in der baden-württembergischen Stadt Ellwangen, Deutschland. Die Varta AG stand früher geradezu stellvertretend für Batterien überhaupt. Varta-Batterien waren bei aufsehenerregenden Arktis-Expeditionen ebenso unerlässlich wie bei der Mondlandung 1969. In den 1990er-Jahren jedoch ging es mit Varta bergab, 2005 wurde das Unternehmen filetiert. Die Haushaltsbatteriensparte ging 2005 an einen US-Konzern, ebenso wie die Autobatterien. Als letzter Unternehmensteil blieben die sogenannten Mikrobatterien, die man in Uhren und Hörgeräte steckt. In dieser Sparte kriselte es besonders, kaufen wollte zunächst niemand. 2007 bekam Tojners Holding Global Equity Partners die Varta-Reste für 30 Millionen Euro.

Wie die Geschichte weitergeht? Varta expandierte in neue Geschäftsfelder wie Solarstromspeichersysteme und E-Auto-Batterien, der Mitarbeiterstand wurde annähernd verdoppelt. Seit Oktober 2017 wird die Varta-Aktie an der Börse Frankfurt gehandelt, der Börsenwert liegt aktuell bei 1,2 Milliarden Euro, Tojners Schweizer Montana Tech (er ist dort Hauptaktionär) hält noch 64 Prozent. Das entspricht einem Wert von rund 770 Millionen Euro – durchaus beachtlich für einen Betrieb, den Tojner ein Jahrzehnt zuvor um gerade einmal 30 Millionen erwarb.

6) Das Unmögliche möglich machen

Eines muss man Michael Tojner anstandslos zugestehen: Er schafft Dinge, die eigentlich nicht zu schaffen sind. Er besitzt zum Beispiel ein Haus am Wörther See und eines am Traunsee, Heimat seiner Frau. Ebenda steht ein Holzbau, inspiriert vom Salzkammergutstil. Unten gemauerte Einfahrten für Wasserfahrzeuge, darüber zwei Etagen mit Balkonen, Terrassen und großzügigen Fensterflächen; offener Kamin, die Küche mit einer Arbeitsplatte aus rotem Marmor, mehrere Schlafzimmer, gemütliche Leseecken, edle Holzböden. Interior Designer Hubert Bodner hat sich richtig ins Zeug gelegt. Der gegenüberliegende Traunstein zeigt sich in monumentaler Pracht.

In gewisser Weise ist dieses Haus jedoch ein Trugbild. Formell handelt es sich um ein Boots-und Clubhaus, Sitz des Traunkirchner Wasserskivereins – Obmann: Michael Tojner, Schriftführerin: Renate Tojner, Kassier: Friedrich Niederndorfer. Es ist nicht ganz einfach, Mitglied in diesem Verein zu werden. Er hat keine Website und keine Telefonnummer.

Frei verfügbare Liegenschaften an Salzkammergutseen sind bekanntlich gleichermaßen begehrt wie selten. Das gilt auch für den Traunsee. Man muss schon einigen Ideenreichtum aufbringen, um ein solches Refugium schaffen zu können.

Im Herbst 2005 hatte die Gemeinde das damals noch unbebaute Grundstück an eine Traunkirchen Tourismusentwicklungs GmbH verkauft. Gesellschafter waren Herr und Frau Tojner sowie deren Bruder Wolfgang Gröller, Hotelier im Ort. Ein Jahr später wurde die Baubewilligung „zur Errichtung eines Bootshauses mit Clubräumen für die Wasserskischule Traunkirchen“ erteilt.

Da steht es nun, das Clubhaus, auf das von außen nicht viel mehr hinweist als ein schlichtes Schild auf einem schmiedeeisernen Tor: „Wasserskiclub“.

Wie hält es der Club-Obmann mit dem Wasserskifahren am Traunsee, fragte profil anlässlich des Interviews vergangene Woche. Michael Tojners Antwort: „Ich gehe sehr viel Wasserski fahren, aber nicht am Traunsee, sondern am Wörther See. Am Traunsee gehe ich kitesurfen.“

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Glücksspiel: Kampf um Millionen – und die Stadt Wien hält sich raus

Aus dem FALTER 25/2014

Joseph Gepp

Die Argusaugen mehrerer Konzerne und ihrer Lobbyisten richten sich zurzeit auf das Wiener Finanzministerium. Dort soll bis Ende Juni eine Entscheidung fallen, bei der es um Millionenprofite geht: Wer bekommt Lizenzen zur Eröffnung von Casinos in Wien und Niederösterreich?

Zur Auswahl stehen – in Wien – vier Bewerber: Der Ex-Monopolist Casinos Austria will im 19. Bezirk eine neue Spielbank eröffnen, die Novomatic ihr Casino im Böhmischen Prater ausbauen. Dazu gesellen sich zwei Luxusoptionen: Der Investor Michael Tojner und ein US-Konzern wollen ein Casino im Hotel Intercontinental aufmachen; die deutsche Gauselmann-Gruppe und die Schweizer Stadtcasinos Baden eines im derzeit leerstehenden Palais Schwarzenberg.

In Niederösterreich rittern die Casinos Austria und Novomatic um Lizenzen, mit Wunschstandorten in Krems und Bruck an der Leitha.

Im Finanzministerium hat sich laut Presse inzwischen ein dafür zuständiger Beirat in allen Fragen für die Casinos Austria entschieden – doch die Letztentscheidung steht noch aus.

Interessant ist dabei auch die Rolle der Länder. Die dürfen laut Glücksspielgesetz eine Stellungnahme mit ihrer Lieblingsvariante abgeben. Niederösterreich hat dies laut Presse schon getan: Das Gumpoldskirchner Unternehmen Novomatic und sein geplanter Standort in Bruck an der Leitha seien „klar zu präferieren“. Und Wien?

Laut dem Büro von SPÖ-Vizebürgermeisterin und Finanzstadträtin Renate Brauner macht die Gemeinde von ihrem Recht zur Stellungnahme keinen Gebrauch. Weder betreffend Standortfrage noch etwa in Sachen Spielerschutz oder Arbeitsplätze scheint das Rathaus eine bevorzugte Option zu haben. Die Sache sei „bundesweit geregelt“, es bestehe zur Stellungnahme „kein Anlass“, so Brauner-Sprecher Klaus Kienesberger.

Dabei müsste das Rathaus noch nicht einmal den Gemeinderat für die Stellungnahme bemühen. In dem festgelegten Prozedere würde ein Brief des Magistrats ausreichen.

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