Schlagwort-Archive: Martin Schlaff

Der übersehene Palast

Aus dem FALTER 17/2014

Von der Hauskapelle bis in den Eiskeller – ein Rundgang durch das Palais Schwarzenberg, das bald zum Casino werden soll

ERKUNDUNG: JOSEPH GEPP
FOTOS: HERIBERT CORN

Es gibt Sehenswürdigkeiten in Wien, die es nicht schaffen, sich im Bewusstsein der Stadtmenschen festzusetzen. Man kennt sie zwar vom Sehen und geht auch oft an ihnen vorbei. Aber man schaut nie richtig hin. Auf diffuse Weise fallen sie nicht weiter auf, bis man das erste Mal genauer hinsieht – und staunt. So eine Sehenswürdigkeit ist das Palais Schwarzenberg.

Erbaut wurde es um das Jahr 1700 von Lukas von Hildebrandt, einem der bedeutendsten Barockarchitekten Österreichs, der etwa auch das Belvedere oder das Schloß Hof im Marchfeld errichtete. Residiert hat hier über Jahrhunderte die Familie Schwarzenberg, eine der wichtigsten Dynastien im Staat gleich nach den Habsburgern. Doch aus irgendeinem Grund schafft es der barocke Prunkbau heute nicht heraus aus dem Hinterstübchen im städtischen Bewusstsein. Vielleicht liegt es daran, dass das Palais vom Hochstrahlbrunnen und vom Russendenkmal verdeckt wird, wenn man über den Schwarzenbergplatz zu ihm blickt. Oder daran, dass der einst prächtige Vorhof in einen Parkplatz verwandelt wurde, weshalb sich die Fassade des Schwarzenberg hinter Autos erhebt.

Steht leer, seit ein Hotelprojekt hier scheiterte: das Hotel Schwarzenberg vom Park aus gesehen (Foto: Corn)

Steht leer, seit ein Hotelprojekt hier scheiterte: das Hotel Schwarzenberg vom Park aus gesehen (Foto: Corn)

Eigentümer ist jedenfalls bis heute die Familie Schwarzenberg. Deren Oberhaupt, Karl Schwarzenberg, zugleich tschechischer Außenminister, bewohnt nach wie vor eine Wohnung in einem Seitentrakt, wenn er sich in Wien aufhält. Beim Rest des Palasts stellt sich immer dringender die Frage: Was tun damit?

Tapeten hängen in Fetzen von der Wand (Foto: Corn)

Tapeten hängen in Fetzen von der Wand (Foto: Corn)

Bis 2006 war das Palais ein Luxushotel, was allerdings scheiterte. Und auch die Vermietung für Edelevents – beispielsweise für Präsentationen des Lederwarenunternehmens Louis Vuitton oder für die Hochzeit der Tochter des Wiener Milliardärs Martin Schlaff vergangenen Sommer – sorgt kaum für Auslastung. Deshalb gibt es nun eine neue, umstrittene Idee: Mit dem Sanctus der Familie wollen das Schweizer Stadtcasino Baden und die deutsche Gauselmann-Gruppe in den geschichtsträchtigen Sälen ein Luxuscasino eröffnen. Derzeit bemüht man sich um eine Konzession. Die Kommunikationsagentur Trummer, die für das Casinoprojekt wirbt, hat dem Falter eine exklusive Führung durch das verwaiste und etwas heruntergekommene Palais Schwarzenberg gewährt. Von abgenutzten barocken Festsälen bis zum verlassenen Hoteltrakt, von einer einst schicken 1980er-Jahre-Bar bis zu Kellergewölben tief unter der Erde – das Gebäude erzählt auch viel über die Geschichte der Stadt und ihre Veränderungen.

Blick auf den Altar in der Hauskapelle (Foto: Corn)

Blick auf den Altar in der Hauskapelle (Foto: Corn)

Die Kapelle zum Beispiel. Hier feierten die Schwarzenbergs einst ihre Hausmessen, umgeben von Marmor und Blattgold. Nein, hier seien keine Roulettetische geplant, wird heute versichert, höchstens eine kleine Sektbar.

Ein Sicherheitsmann zeigt den originalen Intarsienboden, der unter dem neuen Parkett liegt (Foto: Corn)

Ein Sicherheitsmann zeigt den originalen Intarsienboden, der unter dem neuen Parkett liegt (Foto: Corn)

Oder die Festsäle nebenan. An manchen Stellen kann man die Bretter des Holzbodens anheben, darunter kommt das originale Parkett aus der Barockzeit zum Vorschein, voller prächtiger Intarsien, die aussehen wie Kaleidoskope aus Experimentalfilmen der 1960er-Jahre. Die Stofftapeten daneben hängen teils in Fetzen von den Wänden.

Festsaal im Palais Schwarzenberg (Foto: Corn)

Festsaal im Palais Schwarzenberg (Foto: Corn)

Ein Stockwerk tiefer wird es modernistischer. Hier hat der Architekt Hermann Czech 1984 ein Restaurant samt Bar eingerichtet. Deren nischenreiche, ausladende Gestaltung zählte damals zum Feinsten, was Wiens Gastronomie in puncto Innenausstattung hergab. Heute riecht es an der Holztheke nach Schimmel. Einige Räume weiter zeugen rostige Umrisse an der Wand von etlichen Geräten einer Großküche, in der einst für Gäste gekocht wurde. Wer von hier eine enge, bröckelnde Treppe nach unten klettert, erreicht einen jahrhundertealten Eiskeller. Es ist ein hoher, kuppelförmiger Raum, ausgekleidet mit Ziegeln. Dienstboten füllten ihn früher mit Eis, um Lebensmittel im Sommer einzukühlen. Weil der Keller so tief unter der Erde liegt, schmolz es monatelang nicht ab.

Der Eiskeller tief unter der Erde: Durch die Rundung floss das Schmelzwasser ab (Foto: Corn)

Der Eiskeller tief unter der Erde: Durch die Rundung floss das Schmelzwasser ab (Foto: Corn)

Jener Flügel des Palais Schwarzenbergs, der als Hotel fungierte, schaut hin zur Prinz-Eugen-Straße. Hier finden sich niedrige, meist leergeräumte Hotelzimmer. Im grünen Teppichboden erkennt man noch die Umrisse von Doppelbetten. Zimmernummern hängen noch an Türen. Eine Preisliste für Kleiderreinigung liegt noch neben einer Badewanne, verziert mit einem kleinen Krönchen, dem Hotellogo. Sollte das Schwarzenberg übrigens tatsächlich ein Casino werden, dann werden die Hotelzimmer zu Verwaltungsräumen umfunktioniert, erklärt der Herr von der PR-Agentur. In die barocken Prunkräume kommen die Spieltische.

Nochmals die Kapelle, betrachtet vom ersten Stock (Foto: Corn)

Nochmals die Kapelle, betrachtet vom ersten Stock (Foto: Corn)

Für den Fall, dass die Betreiber die Konzession bekommen, haben sie der Republik Österreich jedenfalls ein Angebot gemacht: Große Teile des barocken Parks hinter dem Palais Schwarzenberg sollen in diesem Fall für die Öffentlichkeit zugänglich werden. Derzeit liegt die verwilderte Grünfläche – sie ist eine der größten im Stadtinneren und reicht fast bis zum Gürtel – im Dornröschenschlaf. Nur ein paar Anrainer dürfen sie bislang betreten. Dies soll sich nun unter Umständen ändern.

Vielleicht wird das prächtige Palais Schwarzenberg auf diese Weise ja doch noch im Bewusstsein der Wiener ankommen.

Der Park hinter dem Palais Schwarzenberg könnte der Öffentlich zugänglich gemacht werden, so den Betreibern erlaubt wird, im Palais ein Casino zu eröffnen (Foto: Corn)

Der Park hinter dem Palais Schwarzenberg könnte der Öffentlich zugänglich gemacht werden, so den Betreibern erlaubt wird, im Palais ein Casino zu eröffnen (Foto: Corn)

Werbung

2 Kommentare

Eingeordnet unter Stadtgeschichte, Wien

Der Milliardär und die Jungfrau

Aus dem FALTER 42 / 2012
Ressort: Politik

Martin Schlaff säuberte osteuropäische Firmen vor der Übernahme durch die heimische Telekom. Hat er sich dabei selbst schmutzig gemacht?

Bericht: Joseph Gepp

Martin Schlaff, stellt Gegenfragen. Er bittet um Präzisierungen, während er mit demonstrativer Langsamkeit die Brille auf seiner Nase zurechtrückt. Er scheint sich ernsthaft für die Frage zu interessieren, die ihm der Abgeordnete gestellt hat. Aber dann, als er sich der Aufmerksamkeit des ganzen Saals sicher ist, sagt er, was er an diesem Tag noch 72-mal sagen wird: „Ich entschlage mich.“

Wer vergangene Woche der Befragung des Wiener Milliardärs im parlamentarischen Korruptionsuntersuchungsausschuss beiwohnte, erlebte ein spöttisches Spiel. Garniert mit Einlagen wie der obigen entschlug sich Schlaff ausnahmslos. Er darf das, um sich nicht selbst zu beschuldigen, solange die Staatsanwaltschaft Wien gegen ihn ermittelt. Die stundenlange Befragung brachte derart wenig Erkenntnisgewinn, dass mittendrin sogar Schlaff selbst des Spiels überdrüssig wurde. Man möge das Verhör beenden, forderte der 59-Jährige. „Es geht ja hier auch um das Geld der Steuerzahler, die mitzahlen müssen für Protokollierung und weiß der Teufel was.“

Um den Verbleib von noch viel mehr Steuergeld allerdings geht es bei jenen Deals, deretwegen Schlaff heute hier sitzt. Es sind die Ostgeschäfte der teilstaatlichen Telekom Austria in Bulgarien, Serbien und Weißrussland zwischen 2002 und 2007. Alle kamen sie auf Vermittlung Martin Schlaffs zustande. Die heimische Telekom – sie gehört zu 28 Prozent der Republik – zahlte mehrere Milliarden Euro für die Akquisitionen im Osten. Schlaff stieg möglicherweise mit einem Gewinn im dreistelligen Millionenbereich aus.

Die bulgarische Mobiltel wurde im Jahr 2002 von einem Konsortium um Martin Schlaff um geschätzte 800 Millionen Euro gekauft und drei Jahre danach um 1,6 Milliarden an die Telekom weiterverkauft. Ein zweites Projekt nach demselben Muster um die serbische Mobtel scheiterte 2005, weil Serbiens Regierung der Firma die Lizenz entzog. Ein drittes Geschäft 2007 schließlich betrifft die weißrussische Velcom, an ihm soll Schlaff rund 300 Millionen Euro verdient haben.

Wie kam es zu den immensen Wertzuwächsen bei den Mobilfunkunternehmen? Hätte die Telekom sie nicht billiger haben können? Blieb der exorbitante Gewinn tatsächlich bei Martin Schlaff, oder wurden Teile als Schmiergelder abgezweigt, für korrupte Politiker im Osten oder in Österreich? Hat die teilstaatliche Telekom damit gar indirekte Korruption im Osten betrieben? Diese Fragen beschäftigten nach dem Bankenausschuss im Jahr 2006 bereits den zweiten U-Ausschuss im Parlament. Sie beschäftigen seit zwei Wochen auch die Wiener Staatsanwaltschaft.

Konkret geht es den Ermittlern um die Firma Velcom, die Weißrussland-Tochter der Telekom Austria. Schlaff wird Untreue und Bilanzfälschung vorgeworfen. Ihm nahestehende Firmen, so der Verdacht, hätten unerklärliche Provisionen in der Höhe von rund 1,5 Millionen Euro kassiert. Zudem soll Schlaff beim Kauf der Velcom eine fragwürdige Doppelrolle gespielt haben: „Es wurde festgestellt, dass Martin Schlaff nahestehende Unternehmen gegenüber der Mobilkom Austria (der damaligen Telekom-Mobilfunktochter, Anm.) sowohl als Berater wie auch ab einem späteren Zeitpunkt der Transaktion als Verkäufer aufgetreten sind“, heißt es im Bericht der Beratungsfirma BDO, die für die Telekom Ungereimtheiten im Konzern unter die Lupe genommen hat.

Schlaff ist einer, vor dessen Namen oft das Attribut „schillernd“ steht. Seine Kontakte zu Entscheidungsträgern im In- und Ausland sind legendär. Exkanzler Wolfgang Schüssel gehört ebenso zu seinen Vertrauten wie Exkanzler Alfred Gusenbauer. Die Exchefs von Bawag, Casinos Austria und Telekom, Helmut Elsner, Leo Wallner und Boris Nemšic, sind allesamt langjährige Geschäftspartner. Daneben verfügt Schlaff laut der israelischen Zeitung Haaretz über enge Kontakte mit den Regimes in Syrien, Ägypten und Jordanien. Er kannte die Gaddafi-Familie und Palästinenserpräsident Arafat persönlich. Er ist in Israel in einen Parteispendenskandal um Expremier Ariel Sharon verwickelt. Er unterhält nicht zuletzt enge Beziehungen mit Osteuropa, wo er zur kommunistischen Zeit seine ersten Millionen im Holz- und Zellstoffhandel verdient hat. Jahrelang wollten deutsche Behörden nachweisen, dass er unter dem Decknamen „Landgraf“ Stasi-Informant gewesen sei – ein Vorwurf, der trotz offener Fragen vor Gericht widerlegt wurde.

Es war um die Jahrtausendwende, da kam Schlaffs exzellentes Netzwerk der österreichischen Telekom gerade recht. Denn der Einstieg in den Hoffnungsmarkt Osteuropa gestaltete sich schwierig. Die Verhältnisse vieler Ostfirmen stammten noch aus der chaotischen Wendezeit. Mit zwielichtigen Bossen und rätselhaften Eigentumsstrukturen assoziiert zu werden, konnte sich die teilstaatliche Telekom schwer leisten – Geschäfte mit ihnen machen wollte sie aber durchaus. Also wurde Schlaff zum Türöffner, zum Mittler zwischen den Oligarchen des Ostens und dem heimischen Konzern. Die Firmen im Osten sollten sauber sein. Man wollte „eine Jungfrau“ kaufen, sagte Ex-Telekom-Finanzchef Stefano Colombo in Bezug auf die bulgarische Mobiltel vergangenen Herbst zum Falter – „eine Firma ohne Vergangenheit“.

Unter Schlaffs Ostgeschäften mit der Telekom ist jenes in Bulgarien das größte, lukrativste und bestdokumentierte. Das Unternehmen hatte zuvor unter der Kontrolle des usbekischen Oligarchen Michail Chorny gestanden. Nach Chorny fahndet Interpol wegen des Verdachts auf Geldwäsche und organisierte Kriminalität. Martin Schlaff witterte seine Chance und verhandelte mit Chorny über den Kauf der Mobiltel. Laut einem polizeilichen Einvernahmeprotokoll von 2006, das der Grüne Peter Pilz im U-Ausschuss verlas, räumt Schlaff dies auch selbst ein: „Ich habe mit Michail Chorny, von mir genannt ‚Mischa‘, den Kauf der Mobiltel verhandelt.“ In der Folge ging die Mobiltel an ein Konsortium, in dem neben Schlaff Ex-ÖVP-Obmann Josef Taus und Herbert Cordt, der Exsekretär Hannes Androschs, saßen. Finanziert wurde der Deal mit einem Kredit der damaligen österreichischen Gewerkschaftsbank Bawag.

Wird gern „schillernd“ genannt: Martin Schlaff, neuntreichster Österreicher mit legendären Ost-Kontakten (AP)

Als die Mobiltel 2005 schließlich von der heimischen Telekom erworben wurde, feierte dies die schwarz-blaue Koalition als größtes Investment der heimischen Firmengeschichte. Die Firma war zur „Jungfrau“ geworden – zumindest äußerlich: Denn Todor Batkov, der engste Vertrauter des gesuchten Oligarchen Michail Chorny, saß noch bis vor zwei Jahren im Aufsichtsrat der nunmehr österreichischen Konzerntochter.

Kaum weniger undurchsichtig gestaltete sich der Telekom-Deal in Weißrussland, der derzeit die Staatsanwälte beschäftigt. Dort ging die Firma Velcom aus staatlichen Händen zuerst an die zypriotische SB Holding des syrischen Geschäftsmanns Id Samawi. An ihr wiederum hielt eine von Martin Schlaffs Firmen Anteile. Die heimische Telekom schließlich verhandelte mit Schlaff und Samawi über den Kauf – statt mit dem weißrussischen Regime, das wegen Menschenrechtsverletzungen übel beleumundet ist. 2007 schließlich kaufte die Telekom Austria die Velcom um rund 1,4 Milliarden Euro. In der Hauptstadt Minsk habe „über die Begleitumstände dieses Deals monatelang völlige Verwirrung geherrscht“, erzählt ein Wirtschaftsjournalist aus Weißrussland. Im Gegensatz zum bulgarischen Zukauf, der als hochprofitabel gilt, dürfte die Telekom ihre Akquisition in Weißrussland allerdings inzwischen eher bereuen: Bald nach dem Kauf brachen aufgrund von Währungsturbulenzen und Instabilität in Weißrussland die Gewinne ein. Vergangenes Jahr schrieb die Telekom-Tochter Velcom Verluste von 279 Millionen Euro.

Michael Fink, Pressesprecher von Martin Schlaff, will zu sämtlichen Ungereimtheiten keine Stellung nehmen. Und auch Schlaff selbst schweigt im U-Ausschuss beharrlich. Ein Abgeordneter fragt ihn, ob die Unterschrift unter einem Dokument die seinige sei. Schlaff lässt sich das Papier vorlegen. Er setzt zum x-ten Mal gemächlich die Brille auf, hält den Zettel prüfend gegen das Licht, studiert in aller Ruhe die Schriftzüge. Dann sagt er: „Ich entschlage mich.“

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Die vielschichtigen Verbindungen zwischen Osteuropa und Wien

Operation Jungfrau

Aus dem FALTER 37/2011

Der Kauf der bulgarischen Mobiltel durch die Telekom Austria war ein 1,6 Milliarden Euro großes Geschäft. Wie Politiker, Manager und Oligarchen daran scheiterten, einen zwielichtigen Konzern zu säubern

Bericht:
Stefan Apfl
Joseph Gepp, Sofia

Er wollte „eine Jungfrau“, sagt Stefano Colombo, „eine saubere Firma ohne Vergangenheit“. Das sei im Kaufpreis von 1,6 Milliarden Euro für die bulgarische Mobiltel inbegriffen gewesen. Was er nicht gewusst habe, sagt der ehemalige Telekom-Finanzchef, das habe ihn auch nicht interessiert.

Zwei Wochen sind vergangen, seit der Falter das letzte Mal mit Stefano Colombo telefonierte. Die Gespräche mit dem Ex-Manager, der seither nicht mehr zu erreichen ist, hatten sich nicht nur um die Vorwürfe der Kursmanipulation und Korruption gedreht, die Colombo von sich wies (siehe Falter 35/2011). Aber auch ein anderes, ebenso brisantes Thema sprach er an: die Ostgeschäfte der Telekom, vor allem den Kauf der bulgarischen Mobiltel um 1,6 Milliarden Euro durch den Wiener Investor Martin Schlaff im Jahr 2005.

Bislang spielte der Telekom-Skandal nur auf der österreichischen Bühne. Kursmanipulation, Bestechung, Beraterhonorare für unerklärliche Leistungen – um 18 Millionen Euro soll der teilstaatliche Konzern während der ÖVP-FPÖ-BZÖ-Regierungszeit betrogen worden sein.

Nun könnten diese vergleichsweise kleinen Affären von einer Geschichte überschattet werden, die weit über Österreich hinausreicht und in der es um Hunderte Millionen Euro gehen könnte. Es gebe „Indizien“ für Korruption bei den Ostgeschäften der Telekom, meinte Konzernchef Hannes Ametsreiter jüngst noch in der Krone. Obwohl eine Telekom-Sprecherin diese Aussage auf Falter-Nachfrage bestreitet, soll nun eine firmeninterne Task Force die Übernahmen in Serbien, Weißrussland und – als teuerste Beteiligung – in Bulgarien durchleuchten.

Beim Kauf der Mobiltel spielen nicht nur Politiker, Milliardäre und Banker die Hauptrollen. Auch mutmaßliche Mafiosi und zwielichtige Oligarchen treten auf.

Das Geschäft erfolgte in zwei Akten: Im Jahr 2002 erwarb ein Konsortium um Investor Martin Schlaff, Ex-ÖVP-Obmann Josef Taus und Ex-Androsch-Sekretär Herbert Cordt die bulgarische Mobiltel – mit einem Kredit der roten Gewerkschaftsbank Bawag – um geschätzte 800 Millionen Euro. Im Jahr 2005 kaufte die Telekom das Unternehmen vom Konsortium um 1,6 Milliarden. Der Grund für diese fantastische Wertsteigerung ist seither Gegenstand von Spekulationen. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Finanziell hat sich die Investition jedenfalls gelohnt. Seit 2005 hat die Mobiltel, deren Marketingchef von 2005 bis 2006 der heutige Telekom-Boss Hannes Ametsreiter war, Milliardengewinne gemacht. „Der bulgarische Mobilfunkmarkt war und ist extrem vielversprechend“, sagt der Technikjournalist Hristo Laskov von der in Sofia erscheinenden Tageszeitung Dnevnik. Recherchen in Sofia und Wien, Gespräche mit ehemaligen Spitzenmanagern und Korruptionsexperten sowie ein Blick in die Archive werfen jedoch brisante Fragen auf: War die bulgarische Mobiltel jemals so „sauber“, wie man in Österreich behauptet hat? War die Telekom lange vor der Übernahme in die „Reinigungsarbeiten“ in Bulgarien involviert? Und hat womöglich auch ein geheimes Erfolgshonorar für Telekom-Vorstände den Kaufpreis in schwindelerregende Höhen getrieben?

Mobiltel-Schriftzug in Sofia (Foto: Gepp)

Jene Vergangenheit, die die Telekom laut Colombo ausgelöscht haben wollte, beginnt 1994. Während in Wien gerade der Mobilfunkmarkt liberalisiert wird, gründet der Geschäftsmann Krassimir Stoichew in Sofia die Mobiltel. Stoichew wird einer Gruppe zugerechnet, die Insider in Bulgarien die „technischen Geheimdienstler“ nennen.

Vor der Wende galt Bulgarien als jenes Land, das seine sozialistischen Brüderstaaten mit Hightech-Produkten zu versorgen hatte. Dafür schmuggelte man westliche Technik durch den Eisernen Vorhang. „Wien war als nahegelegene, neutrale Hauptstadt das ausländische Zentrum dieser bulgarischen Aktivitäten“, erklärt der Korruptionsexperte Tihomir Bezlov vom Sofioter „Zentrum für demokratische Studien“. Auch Mobiltel-Gründer Stoichew lebte zeitweise in Wien.

Die Hightech-Spione bildeten eine eigene technische Abteilung in der bulgarischen Stasi. Es war eine Riege systemtreuer Kommunisten, die Westkontakte und technisches Know-how mit der Fähigkeit verbanden, Geld- und Warenströme diskret zu dirigieren. Nach der Wende wurden viele dieser technischen Geheimdienstler zu ebenso erfolgreichen wie umstrittenen Geschäftsmännern.

Erstmals verkauft wurde die Mobiltel 1996, und zwar an den Russen Grigori Lutschanski und seine in Österreich registrierte Firma Nordex. Damit begann eine Serie undurchsichtiger Übernahmen, die nicht einmal die profundesten Branchenkenner in Sofia entwirren können. Im Jahr darauf wurde das Geschäft laut dem bulgarischen Wirtschaftsmagazin Capital vom Staat annulliert. Vorbesitzer Stoichew übernahm erneut – mit einem Kredit eines russischen Oligarchen, der in der Mobiltel-Geschichte noch eine wichtige Rolle spielen wird: Michail Cherney.

Der israelische Staatsbürger Cherney erlangte die Kontrolle über die Firma, als Stoichew den Kredit nicht zurückzahlen konnte. Geboren im einst sowjetischen Usbekistan und reich geworden mit Aluminium, gilt er, gelinde gesagt, als umstritten. In die USA hat er laut russischen Medien ebenso Einreiseverbot wie in viele Länder Europas. Sogar Bulgarien, wo Cherney neben Mobiltel auch den Fußballklub Levski Sofia besaß, verhängte im Sommer 2000 ein Einreiseverbot über ihn, weil er „die nationale Sicherheit“ gefährde. Selbst Interpol sucht nach dem Mann. Der Verdacht: Geldwäsche und organisierte Kriminalität.

Österreichische Polizisten stießen im März 2000 auf Cherney. Damals wurde in Perchtoldsdorf bei Wien ein 77-jähriger Mann namens Stoitcho Stoichew erschossen. Er hatte Unbekannte dabei ertappt, wie sie eine Bombe am Haus seines Sohnes anbrachten: Mobiltel-Gründer Krassimir Stoichew.

Als Opfer des Attentats sei nicht Vater Stoitcho, sondern Sohn Krassimir vorgesehen gewesen, mutmaßte das Bundeskriminalamt damals in einem höchst vertraulichen Bericht, der im Jahr 2007 im Banken-Untersuchungsausschuss verlesen wurde. Außerdem ist in dem Dokument von einer möglichen Verbindung zwischen dem Mord und Cherney die Rede – freilich: Es handelt sich um eine Vermutung, formuliert in einem internen Papier. Der Sprengstoff stammte aus Ostdeutschland, die Täter sind bis heute unbekannt. Nachdem die bulgarische Regierung im Jahr 2000 ein Aufenthaltsverbot über Cherney verhängt hatte, suchte der Russe dringend nach einem Käufer für die Mobiltel.

„Die Telekom hätte so eine Firma nicht von Cherney kaufen können, um Gottes willen“, sagt der damalige TA-Finanzchef Stefano Colombo heute. „Ich konnte sie meinen Investoren nicht präsentieren.“

Also witterten zwei enge Freunde aus Wien ihre Chance: Helmut Elsner und Martin Schlaff. Elsner galt zu jener Zeit als Generaldirektor der roten Bawag als Erfolgsmanager. Von den Karibik-Geschäften, bei denen die Gewerkschaftsbank Milliarden in den Sand setzen wird, ist damals noch nichts öffentlich. Der Investor Schlaff, „Österreichs einziger Oligarch“ (Profil), war in den 80ern und 90ern mit Ostgeschäften reich geworden. Deutsche Staatsanwälte warfen ihm eine Tätigkeit vor, wie man sie auch dem Mobiltel-Gründer Krassimir Stoichew nachsagt: den Schmuggel von Westtechnologie in den Osten. Sämtliche Ermittlungen und Anschuldigungen fielen jedoch in sich zusammen. Nur in Israel wird derzeit wegen mutmaßlicher Politiker-Bestechung gegen Schlaff ermittelt.

Schlaff galt in seiner Hausbank Bawag als „Generaldirektorskunde“. Zudem verband Schlaff und Elsner eine Freundschaft. Die wollten sie mit dem Kauf der Mobiltel vergolden. Die Aufgabenverteilung war simpel: Schlaff kümmerte sich um den Ankauf, Elsners Bawag finanzierte den Deal.

Ehe das Geschäft über die Bühne gehen konnte, galt es, noch zwei Probleme zu lösen: Schlaffs Konsortium musste die bulgarische Regierung von der Rechtmäßigkeit der Übernahme überzeugen – und Elsner seinen Aufsichtsrat von einem 800-Millionen-Euro-Kredit, mit dessen Hilfe dem umstrittenen Oligarchen Cherney die Mobiltel abgekauft werden sollte.

Bald gesellte sich auch Josef Taus an die Seite des „ganz hochbegabten Schlaff“ (Taus), der sich ersterem Problem widmete. Der ehemalige ÖVP-Obmann hatte sich als Treuhänder selbstständig gemacht und bat seinen Parteifreund Erhard Busek, damals Koordinator des „Stabilitätspakts für Südosteuropa“, beim Abendessen um einen Gefallen: ein Treffen mit dem bulgarischen Regierungschef Simeon Sakskoburggotski in Sachen Mobiltel. Auch Bawag-Direktor Elsner brauchte einen Gefallen: einen polizeilichen Persilschein für den übel beleumundeten Russen Cherney.

Jahre später wird ein Gericht den damaligen Leiter der Wirtschaftspolizei Roland Horngacher verurteilen, weil er im Gegenzug für diese „Unbedenklichkeitsbestätigung“ Reisegutscheine um 6000 Euro erhalten habe. Überbringer ist der Wiener Polizist Adi Krchov. Er ist damals Kassier der „Wiener Freunde der Polizei“ und bezeichnet sich selbst als „Kammerdiener“ Schlaffs. Während Horngachers Karriere bei der Polizei mit dem Urteil beendet war, wurde das Verfahren gegen Krchov eingestellt. Elsner jedenfalls hatte den für die Bawag-Kontrolleure wichtigen Persilschein.

Die Verhandlungen um die Mobiltel-Konzession führten Schlaff und Taus maßgeblich mit Premier Sakskoburggotski und Telekommunikationsminister Plamen Petrov. Ausgerechnet er sollte 2006 Finanzchef der Mobiltel werden.

Mobiltel-Shop im Zentrum von Sofia (Gepp)

Im Jänner 2002 schlugen dann Schlaff und Konsorten zu. Der Kaufpreis soll bei 800 Millionen Euro gelegen haben. Jeweils 30 Prozent der Anteile gingen an die Bawag und an Taus, 25 Prozent an Schlaff und 15 Prozent an Cordt. Bald darauf setzte das Konsortium ein „Signal“ in Richtung Telekom: Deren damaliger Chef Heinz Sundt wurde für ein Jahr in den Mobiltel-Aufsichtsrat geholt.

Im Dezember 2002 spricht sich der ehemalige ÖVP-Mann Taus im Wirtschaftsmagazin Format für eine „österreichische Lösung“ aus. Sein Rat an die Wiener Politik: „Ich würde Himmel und Hölle für diesen Deal in Bewegung setzen.“

Taus stieß auf offene Ohren. Im März 2003 reiste ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel auf Einladung von Elsner und Schlaff zu einer Opernvorführung nach Sofia. Neben Schüssel saßen Schlaff und der damalige Casinos-Austria-Chef Leo Wallner in einem Privatflugzeug, das auf Jassir Arafat zugelassen war. An jenem Abend traf Schüssel den bulgarischen Regierungschef, um mit ihm über die Mobiltel zu sprechen. Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz behauptet, Schüssel habe damals eine Drohung der bulgarischen Regierung abgewendet, dem Schlaff-Konsortium die Lizenz zu entziehen. Spätestens mit dem inoffiziellen Staatsbesuch war klar: Ein Verkauf der Mobiltel an die Telekom war von höchstem überparteilichem Interesse. Dementsprechend warfen sich alle Beteiligten ins Zeug, vom Kanzler abwärts.

So etwa auch, als der zwielichtige Russe Cherney im Jahr 2003 zu Verhandlungen nach Österreich einreisen wollte. Treuhänder Taus und Casinos-Chef Wallner hatten im Vorfeld versucht, im Innenministerium ein Visum für den Russen zu organisieren. Vergebens. Das Bundeskriminalamt sprach sich entschieden gegen die Einreise des mutmaßlichen Mafioso aus. Erst nachdem die damalige ÖVP-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner ein Visum mit der Begründung „größtes geschäftliches Interesse der Bawag“ empfohlen hatte, durfte Cherney einreisen.

Trotz all dieser Mühen folgte im Oktober 2003 eine große Überraschung: Die geplante Übernahme der Mobiltel um kolportierte 1,1 Milliarden Euro platzte vorerst. Inoffizieller Grund waren die nach wie vor unklaren Eigentümerverhältnisse. Aufsichtsräte von Telekom und ÖIAG fürchteten, Cherney könnte über Treuhandkonstruktionen nach wie vor beteiligt sein.

Telekom und Schlaff starten einen zweiten Versuch. Wie sagte Ex-Telekom-Finanzchef Stefano Colombo so schön: „Wir haben agreed, dass ich eine Jungfrau will. Ich wollte eine saubere Firma.“ Zu diesem Zweck habe er eine „Liste“ erstellt, woraufhin es zwei Jahre gedauert habe, „eine Jungfrau zu machen“.

Die neue Task Force der Telekom wird sich dafür interessieren, wann Colombo diese Liste erstellt hat, ob sie, und wenn ja, welche Instruktionen sie für die Mobiltel-Eigentümer um Schlaff enthielt. Weder er noch die Telekom wollen sich heute dazu äußern, ab wann und in welcher Form es eine Kooperation zwischen ihnen gab.

„Falls die Telekom einen Mittler zwischengeschaltet haben sollte, der in Bulgarien Amtsträger bestochen hat, wären beide Seiten dran“, sagt Korruptionsexperte Hubert Sickinger. „Der Mittler ohnehin in Bulgarien, aber auch beide Seiten nach heimischem Strafrecht: Die Telekom wäre Bestimmungstäter der Bestechung ausländischer Amtsträger.“

Colombo sagt noch mehr im Hinblick auf den Deal: „Es konnte nicht sein, dass die Telekom nur von Österreichern kauft.“ International gesehen wäre das „ein Geschäft zwischen Freunden. Also haben wir eine Reihe internationaler Investoren an Bord gebracht. Und Schlaff wusste, dass er einen Teil seines Gewinns mit diesen Leuten teilen musste. So ist es passiert.“

Und tatsächlich, so ist es passiert. Im Mai 2004 verkaufte das österreichische Konsortium 40 Prozent der Mobiltel an internationale Investoren, etwa Citigroup und ABN Amro. Kaufpreis: 1,2 Milliarden Euro. Für Schlaff, Taus und Cordt bedeutete das einen Gewinn von rund 500 Millionen Euro, wohlgemerkt nur für diese 40 Prozent. Offiziell tilgte der Erlös den Bawag-Kredit. Erwünschter Nebeneffekt: Die Eigentümerverhältnisse galten jetzt als jungfräulich.

Im Juli 2005 erwarb die Mobilkom Austria AG die Mobiltel schließlich für 1,6 Milliarden. Es war zu diesem Zeitpunkt das größte Auslandsinvestment in der österreichischen Firmengeschichte. Bald tauchten Gerüchte auf, wonach ein Teil der Hunderten Millionen weitergeflossen sein könnten. Sämtliche Beteiligte weisen Vermutungen, wonach etwa Elsner oder Wallner als Privatpersonen an dem Deal beteiligt gewesen sein könnten, bis heute vehement zurück. Das Konsortium rund um Schlaff hatte jedenfalls einen Gewinn von 800 Millionen Euro gemacht – in nur dreieinhalb Jahren. Aber wofür?

„Es erfolgte eine Reihe von betriebswirtschaftlich strukturverbessernden Maßnahmen“, begründet ein Schlaff-Sprecher den hohen Gewinn heute. „Außerdem ist der Unternehmensgewinn von rund 300 Millionen Euro, der zwischen 2002 und 2005 erwirtschaftet wurde, nicht dem Konzern entnommen, sondern an den Käufer weitergereicht worden.“

Nicht zu vergessen der Wunsch der Telekom nach einer „Jungfrau“, einer „sauberen Firma ohne Vergangenheit“, die, wie Stefano Colombo sagt, im Preis von 1,6 Milliarden Euro inbegriffen gewesen sei.

Tatsächlich jedoch ist die Grenze zur Vergangenheit nicht so sauber gezogen worden, wie die Telekom behauptet. Ausgerechnet der unliebsame Cherney könnte über einen Strohmann weiterhin die Geschicke des Konzerns mitbestimmt haben.

Eine US-Depesche aus dem Jahr 2009, die ein Diplomat von Sofia nach Washington kabelte, nährt diese Vermutung: „Todor Batkov, aka ‚Borat‘, fungiert als Stellvertreter und Frontmann für den berüchtigten Michail Cherney (…). Cherney behält Einfluss auf seine Unternehmungen, indem er sein Eigentum an Batkov überträgt.“ Batkov, Anwalt und engster Vertrauter des Oligarchen, saß bis zum Oktober 2010 im Aufsichtsrat der Mobiltel. Eine Sprecherin der Telekom bestätigt zwar, dass Batkov in diesem Gremium gesessen sei, „sonst ist uns aber nichts Näheres“ bekannt.

Sofias Zentrum (Gepp)

Warum ist die Mobiltel aber so teuer geworden, wenn Männer wie Batkov nicht aussortiert wurden? Eine mögliche Erklärung liefert ein Erfolgshonorar, das Telekom-Vorstände angeblich bei Übernahmen erhalten. „Die beteiligten Vorstände sind bei solchen Transaktionen in der Regel mit einer Erfolgsfee von drei Prozent beteiligt“, sagt ein ehemals hoher Telekom-Manager, der namentlich nicht genannt werden will. „Mit so einem Deal können manche mehr verdienen als in ihrem gesamten restlichen Leben.“ Drei Prozent, bei einem Kaufpreis von 1,6 Milliarden Euro wären das 48 Millionen Euro. Eine Telekom-Sprecherin bestreitet die Existenz eines solchen Erfolgshonorars: „Das stimmt nicht.“

Fünf Jahre nach dem Deal sind die Verantwortlichen aufseiten der Telekom entweder Gegenstand von Ermittlungen oder aus dem Konzern ausgeschieden.

Stefano Colombo, der eine „Jungfrau“ kaufen wollte, wechselte wenige Jahre nach dem Deal in den Aufsichtsrat des heimischen Feuerfestkonzerns RHI. Dort traf er auf den ehemaligen BZÖ-Infrastrukturminister Hubert Gorbach, der Schlaffs Telekommunikationsgeschäfte in Bulgarien, Weißrussland und Serbien einst politisch unterstützt hatte und nach seinem Ausscheiden vorübergehend im RHI-Vorstand unterkam.

Wer zieht bei dem Konzern als Großaktionär die Fäden? Martin Schlaff.

Im Jahr 2007 feierte die Telekom die nächste große Ostexpansion. Diesmal kaufte sie das weißrussische Telekommunikationsunternehmen Velcom. Der Verkäufer: Martin Schlaff.

Beteiligte Personen

Martin Schlaff „Österreichs einzigen Oligarchen“ nennt ihn
Profil. 2002 kaufte ein Konsortium um Schlaff die Mobiltel, um
sie 2005 mit rund 800 Millionen Euro Gewinn an die Telekom
weiterzureichen

Stefano Colombo 2000 bis 2007 Finanz-chef der Telekom, ging
dann in die von Schlaff kontrollierte Firma RHI. Die Telekom
hätte Mobiltel nicht von Cherney kaufen können, sagt er

Josef Taus Von 1975 bis 1979 ÖVP-Chef, wurde Taus später
Investor und Treuhänder. Er gehörte mit Herbert Cordt zu jenem
Konsortium um Schlaff, das 2002 die Mobiltel kaufte

Helmut Elsner Bis 2003 Chef der roten Gewerkschaftsbank Bawag,
2008 zu Gefängnisstrafe verurteilt. Elsners Bank stellte den
Kredit für Schlaffs bulgarisches Investment

Todor Batkov
Den Geschäftspartner und engen Vertrauten Cherneys
nennen US-Diplomaten dessen „Stellvertreter und Frontmann“. Er
saß bis 2010 im Mobiltel-Aufsichtsrat

Mitarbeit: Wolfgang Zwander

Ein Kommentar

Eingeordnet unter Die vielschichtigen Verbindungen zwischen Osteuropa und Wien, Osteuropa

Die Telekom und der Osten: Die größten Brocken könnten noch bevorstehen

Aus dem FALTER 36/2011

18 Millionen Euro. Um so viel Geld könnte die Telekom laut eigener Berechnung betrogen worden sein. Vorwürfe der Kursmanipulation und Korruption stehen im Raum. Bei der Summe handelt es sich freilich gleichsam um einen Zwischenstand.

In sie eingerechnet sind bereits 72.000 Euro, die der Konzern im Jahr 2005 via Hocheggers Agentur Valora (siehe hier) an Ex-FPÖ-Verkehrsminister und -Parteiobmann Mathias Reichhold gezahlt haben soll. Das berichtet das Magazin News. Reichhold, für den die Unschuldsvermutung gilt, bestätigt die Zahlung. Er will sie allerdings für ganz legale Beratungen im Zusammenhang mit der EU-Präsidentschaft Österreichs 2006 erhalten haben.

Nicht eingerechnet in die 18 Millionen Euro hingegen sind mögliche Unregelmäßigkeiten bei Zukäufen der Telekom in Osteuropa. Hinweise darauf sollen bei aktuellen Ermittlungen aufgetaucht sein.

2005 und 2007 kaufte der Konzern Tochterfirmen in Bulgarien und Weißrussland; ein dritter Deal in Serbien scheiterte. Als Türöffner fungierte jeweils der Wiener Milliardär Martin Schlaff. Er sollte die schwierigen lokalen Verhältnisse klären, bevor die teilstaatliche Telekom einstieg. Ein Konsortium rund um Schlaff kaufte etwa die bulgarische Mobiltel für weniger als eine Milliarde Euro 2002 – und verkaufte sie 2005 um 1,6 Milliarden an die Telekom. Hubert Gorbach, der die damaligen Deals politisch unterstütze, wurde nach Ende seiner Politikerkarriere Aufsichtsrat in der Schlaff-Firma RHI und schwärmte noch 2010 vom „höchsten Niveau“ der Demokratie in Weißrussland.

Nun soll eine Task-Force des Telekom-Aufsichtsrats die Ostgeschäfte prüfen. Außerdem wird laut ÖIAG-Chef Markus Beyrer ein internationales Wirtschaftsprüfungsteam die bisherigen Telekom-Vorwürfe – die mutmaßlichen Korruptionsfälle Gorbach und Reichhold sowie die Kursmanipulation – unter die Lupe nehmen.

Dass der Schaden am Ende mehr als 18 Millionen Euro betragen wird, damit darf gerechnet werden. Joseph Gepp

Hinterlasse einen Kommentar

Eingeordnet unter Die vielschichtigen Verbindungen zwischen Osteuropa und Wien