Aus dem FALTER 26/2013
Umstrittene Deals werfen die Frage auf, wie die Gemeinde Wien Häuser und Grundstücke verkauft
Bericht:
Joseph Gepp
Zum Beispiel Hockegasse, 18. Bezirk. „Für diesen Grund hätte die Gemeinde Wien locker das Doppelte bekommen können“, sagt Alexander Neuhuber, Gemeinderat der oppositionellen ÖVP Wien und im Zivilberuf selbst Immobilienhändler. Vergangenes Jahr hat das Rathaus hier vier große Grundstücke an die Immobilienfirma At Home verkauft, die darauf freifinanzierte Eigentumswohnungen errichten will. Preis: 4,67 Millionen Euro, 717 Euro pro Quadratmeter. Viel zu billig, sagt Neuhuber.
Zum Beispiel Myrthengasse 3, siebter Bezirk. Ein hübsches, aber sanierungsbedürftiges Biedermeierhaus: Hier verkaufte die Gemeinde 2009 an das kleine Immobilienunternehmen Vest – um 95.000 Euro. Um diese Summe bekommt man in der Gegend sonst nicht einmal eine Eigentumswohnung. Jetzt toben die Mieter im Haus. „Nicht nur scheint uns der Preis viel zu niedrig“, sagt der Bewohner Hannes Fürst, „wir wurden auch weder vom Verkauf informiert, noch hat man uns das Haus angeboten. Die Gemeinde hat uns vor vollendete Tatsachen gestellt.“
Zum Beispiel große Flächen nördlich des Praters, zweiter Bezirk. Um 32,1 Millionen Euro verkaufte sie die Gemeinde über eine Public-private-Partnership-Konstruktion im Jahr 2003 an private Immobilienentwickler. Später entstanden hier Geschäfte und Bürotürme, aktuell wird auf Basis des damaligen Geschäfts über einen Teilverbau der Trabrennbahn Krieau verhandelt – der Falter berichtete. Das Kontrollamt, die Prüfbehörde der Stadt, urteilte im Jahr 2006 über den Verkauf vernichtend. Von mangelnder Sorgfalt ist die Rede und davon, dass wohl ein „weit höherer Kaufpreis“ erzielt hätte werden können.
Drei Orte, ein Vorwurf: Gemeindeimmobilien sollen unter intransparenten Umständen zu Schleuderpreisen verkauft worden sein – zulasten der Stadtkassa und damit des Steuerzahlers. Stimmt der Vorwurf? Und wie läuft das ab, so ein Grundstücksverkauf der Gemeinde Wien?
„Bieterverfahren“ heißt in der Fachsprache der Prozess, den Kommunen oft anwenden, wenn sie Immobilien verkaufen. Das heißt, der bevorstehende Verkauf wird öffentlich gemacht, das beste Angebot bekommt den Zuschlag. In Wien aber wendet die zuständige MA 69 für Liegenschaften das Bieterverfahren nicht immer an.
Das Rathaus beschreibt dies auf Falter-Nachfrage als ganz normalen Vorgang. „Wenn es für Liegenschaften nur einen Kaufinteressenten gibt, dann kann – etwa mit einer für die Stadt Wien vorteilhaften Realisierung – auch direkt verkauft werden“, sagt Hanno Csisinko, Sprecher des verantwortlichen Wohnbaustadtrats Michael Ludwig (SPÖ). Den Verkaufspreis ermittle in diesem Fall ein unabhängiger Sachverständiger. Laut Csisinko wurden im Jahr 2012 sechs Immobilien auf diese Weise verkauft.
Wie laufen solche Verkäufe abseits des Bieterverfahrens konkret ab? Das zeigt beispielsweise der Fall Hockegasse. Im März 2011 schickt die Käuferfirma At Home einen Brief an die MA 69: Sie sei an den Grundstücken interessiert und bitte um Verständigung über einen Verkaufsstart. In der Folge lässt die Stadt von einem Sachverständigen den Verkaufspreis eruieren. Um diese Summe werden die Grundstücke 2012 an At Home abgetreten, nachdem die rot-grüne Rathauskoalition im Gemeinderat zugestimmt hat. „Andere mögliche Kaufinteressenten wussten gar nichts von dem Deal“, kritisiert ÖVP-Mann Neuhuber. „Gerade angesichts des derzeitigen Immobilienbooms“ hätte man viel mehr für die Flächen bekommen. Neuhuber wittert hinter dem Geschäft auch einen politischen Handel: Die Firma At Home gehört zu 82 Prozent der Gewerkschaft Bau Holz; deren Vorsitzender ist der SPÖ-Parlamentsabgeordnete Josef Muchitsch.
Bei At Home weist man auf Falter-Nachfrage den Vorwurf zurück, zu wenig bezahlt zu haben. Aufseiten des Rathauses betont Ludwig-Sprecher Csisinko, dass ja ein externer Gutachter den Preis ermittelt habe. „Außerdem wird die Käuferfirma dort neben Wohnungen auch einen Kindergarten errichten und öffentliche Wege anlegen“, sagt Csisinko. Solche Bedingungen könne man in einem Bieterverfahren nicht diktieren.
Der nächste Fall: Myrthengasse, siebter Bezirk. Hier wirkt der Preis von 95.000 Euro, um den die Gemeinde das Haus an die Firma Vest verkaufte, zwar auf den ersten Blick skandalös niedrig. Allerdings müsse Vest nicht nur Sanierungskosten von etwa einer Million Euro stemmen, wie die Firma auf Falter-Nachfrage erklärt. Auch verfügten die derzeitigen Mieter über langfristige, äußerst günstige Mietverträge. Bis sich der Kauf der Immobilie also für die Firma rechnet, könne das lange dauern – was einen eher niedrigen Kaufpreis rechtfertige.

95.000 Euro: Um diese Summe hat die Gemeinde Wien dieses Haus in Neubau an eine private Immobilienfirma verkauft
Trotzdem sind die Bewohner um Hannes Fürst zornig, nicht nur wegen des Kaufpreises. „Warum hat die Gemeinde das Haus nicht zuerst uns zum Kauf angeboten?“, sagt Fürst. „Das muss doch logisch sein, dass man da die Hausgemeinschaft fragt.“ Auch in der Myrthengasse gab es kein Bieterverfahren, auch hier hat ein Sachverständiger den Preis ermittelt. Laut Ludwig-Sprecher Csisinko sei die Nachfrage nach der Immobilie derart gering gewesen, dass man sogar aktiv nach Käufern suchen musste. Bewohner Fürst schließlich erfuhr im Dezember 2009 erst im Nachhinein, dass sein Wohnhaus an eine Privatfirma verkauft worden war. Jetzt herrscht zwischen den Hausbewohnern und dem Neo-Eigentümer Eiszeit, man wirft einander Quertreiberei vor. In der Myrthengasse führt der Verkauf der Immobilie ohne Bieterverfahren also vor allem dazu, dass sich Mieter veräppelt fühlen.
Im dritten Fall nördlich des Praters scheinen die finanziellen Folgen für das Rathaus deutlich gravierender zu sein als in der Myrthengasse. Zumindest hört sich der Bericht des Kontrollamts von 2006 stark danach an. Drei Jahre zuvor hatten hier private Immobilienentwickler über ein Public-private-Partnership-Modell rund 107.000 Quadratmeter Grund erworben, dazu kommen zahlreiche Vorkaufsrechte für Flächen in der Nachbarschaft.
Nicht nur beurteilen die Prüfer den geringen Kaufpreis von 32,1 Millionen Euro als „nicht nachvollziehbar“. Der Behörde ist zudem schleierhaft, „warum gerade diese Investoren für das Projekt ausgewählt wurden“. Und, so das Kontrollamt, „ein anderes Verfahren (…) zur Ermittlung des Kaufpreises“ wäre vorteilhafter gewesen. Der Verkaufspreis wurde in diesem Fall nicht einmal, wie in der Hockegasse und Myrthengasse, durch einen Sachverständigen ermittelt. Es gab lediglich ein internes Gutachten der zuständigen MA 69, das noch dazu „äußerst knapp ausgefallen“ war.

32,1 Millionen: So viel kosteten die Gemeindegründe nahe dem Prater, die u. A. den Teilverkauf der Krieau zur Folge haben
Wer heute etwas über die Umständen des damaligen Deals herausfinden will, stößt auf Schweigen. Trotz zahlreicher Nachfragen des Falter lässt sich nicht einmal eruieren, welcher Stadtrat der – damals noch absolut regierenden – SPÖ federführend das Geschäft verantwortete. Im Kontrollamtsbericht jedenfalls rechtfertigt die zuständige MA 69 den niedrigen Kaufpreis damit, dass es der Gemeinde bei dem Geschäft nicht um „maximale Gewinnerzielung“ gegangen sei, sondern um „städtebauliche Entwicklungen“.
Was 2003 vereinbart wurde, wirkt bis heute nach: Vor zwei Jahren erwarb der Immobilienentwickler und Ex-Raiffeisen-Manager Michael Griesmayr auf Basis damaliger Vorkaufsrechte Teile der Trabrennbahn Krieau zum Verbau. Der Verkäufer war die Firma LSE, eine Tochter der städtischen Wien Holding. Wie viel Griesmayr an die Stadt gezahlt hat, das wollen auf Falter-Nachfrage weder die LSE noch Griesmayr verraten.
Aber nachdem die damaligen Verträge für die Privaten äußerst günstig ausgefallen sind, wird es wohl nicht besonders viel gewesen sein.