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Grünfärberei

Aus dem profil 26/2019 vom 23.6.2019

Ölheizungen sind die Klimakiller schlechthin. Nun wirbt die dahinterstehende Branche damit, dass sie angeblich klimaneutral werden. Ein verantwortungsloser Öko-Schmäh, sagen Kritiker.

Von
Joseph Gepp

Wenn es ums klimafreundliche Heizen geht, tut sich eine Branche besonders schwer: die Verkäufer von Ölheizungen und des dazugehörigen Heizöls. Immer noch heizt damit rund jeder sechste Haushalt in Österreich, vor allem im ländlichen Raum. Doch damit soll besser heute als morgen Schluss sein, meinen Umweltschützer und Politiker aller Couleurs. Das Heizöl schwankt nicht nur extrem im Preis, es ist vor allem das mit Abstand klimaschädlichste Heizsystem (mehr noch als die ebenfalls umstrittenen Gasheizungen, siehe Geschichte links). Mit dem Pariser Klimaziel 2015, demzufolge der globale Temperaturanstieg bis 2050 auf unter zwei Grad begrenzt werden soll, gelten Ölheizungen als keinesfalls vereinbar. In den Bundesländern Niederösterreich und Wien gilt seit heuer ein Verbot, sie in Neubauten zu installieren. (hier ein umfangreicherer Artikel dazu aus dem Jahr 2018).

Für die Branche geht es also ums Überleben. Und sie führt den Kampf um ihre Zukunft mit fragwürdigen Methoden, sagen Kritiker.

Konkret wird derzeit in Zeitungsinseraten geworben: „Eine grüne Ölheizung hat Zukunft.“ Die Gestaltung der Annoncen wirkt, als würde hier eine staatliche Einrichtung Umweltfördergelder verteilen: „Heute modernisieren, morgen profitieren.“ Doch dahinter steckt eine privatwirtschaftliche Initiative: Die Firma Heizen mit Öl GmbH in Wien ist eine Gründung der heimischen Wirtschaftskammer-Fachverbände für Mineralölindustrie und Energiehandel.

Was soll das sein, die grüne Ölheizung? Konkret wirbt die Branche dafür, künftig nicht mehr klassisches Öl aus fossiler Quelle zu verbrennen, sondern „Hydrotreated Vegetable Oil“ (HVO), also tierische und vor allem pflanzliche Öle. Weil es sich um nachwachsende Rohstoffe handelt, wäre dies klimaneutral.

„Mogelpackung“,“Irrweg“, „Ablenkungsmanöver“ – Johannes Wahlmüller, Aktivist von der Umweltschutzorganisation Global 2000, kritisiert die Aktion scharf. Würde man nämlich die erforderlichen HVO-Brennstoffe innerhalb Österreichs erzeugen, „bräuchte man dafür ganze 50 bis 80 Prozent der heimischen Ackerfläche“, sagt Wahlmüller. „Weil das undenkbar ist, lassen sich grüne Ölheizungen in Wahrheit nur betreiben, indem man HVO im großen Stil importiert.“ Und woher? Jenes HVO, das derzeit nach Österreich kommt (vor allem zur Erzeugung von Bio-Diesel), besteht zu 85 Prozent aus Palmöl. Für dessen Erzeugung werde in Indonesien der Regenwald abgeholzt, so Wahlmüller. Keine Spur also von grün.

„Palmöl ist für uns keine Option“, hält Jürgen Roth dagegen, Obmann des Wirtschaftskammer-Fachverbandes Energiehandel. Woher aber soll sonst der Brennstoff für die grünen Ölheizungen kommen, ohne dass ein Gutteil heimischer Ackerflächen draufgeht? Roth sieht mittelfristig im sogenannten „Power-to-Liquid- Verfahren“ viel Potenzial: In diesem hochkomplexen Prozess kann aus Strom, etwa aus Sonnenenergie, synthetisches Öl erzeugt werden. Dieses ließe sich dann im Ölkessel verheizen. „Ich bin mir zu 95 Prozent sicher, dass wir schon innerhalb eines Jahrzehnts über solche erneuerbaren Kraftstoffe verfügen“, sagt Roth. Das Problem daran: Das Konzept steht sehr am Anfang; in Europa laufen erst wenige Pilotanlagen. Zur Erzeugung des künstlichen Öls bräuchte es enorme Mengen Elektrizität. Ist die Technologie dereinst ausgereift, wird diese -ziemlich teure -Flüssigkeit wohl letztlich nicht im Heizkessel landen, sondern eher für andere Zwecke eingesetzt werden, zum Beispiel als klimaneutrales Kerosin für Flugzeuge.

Ist es angesichts all dessen wirklich angebracht, per Werbekampagne angeblich grüne Ölheizungen als ausgereifte Technologie zu präsentieren – als reale Option für die Masse der Österreicher? Roth empfindet Kritik daran als unfair: „Den perfekten Energieträger wird es nie geben“, sagt er. „Immerhin erforschen wir, welche ökologischen Alternativen zur fossilen Energie in der Zukunft zur Verfügung stehen.“

Die Causa ist brisant, weil der Großteil der Ölheizungen in Österreich veraltet ist -in den kommenden Jahren stehen sie zum Austausch an. Hundertausende Österreicher müssen also bald wählen, ob sie beim Heizöl bleiben oder lieber auf ein ökologischeres System umsteigen, etwa auf Biomasse oder eine elektrisch betriebene Wärmepumpe.

Vor diesem Hintergrund tönt nicht nur aus den Reihen der Umweltschützer die Kritik, dass die Heizölbranche mit Grünfärberei auf Kundenfang gehe. Bereits im März meldete sich Elisabeth Köstinger zu Wort, damals noch ÖVP-Umweltministerin. Per Twitter drückte sie ihr Missfallen über die Kampagne aus. Heizen mit Öl sei keinesfalls Teil der österreichischen Strategie für mehr Klimaschutz, so Köstinger. „Auch wenn private Fördervereine das suggerieren wollen.“

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Kalter Sieg

Aus dem profil 52/2018 vom 21.12.2018

Wir schreiben das Jahr 2050. Allen pessimistischen Erwartungen zum Trotz hat die internationale Gemeinschaft es geschafft, die Klimaziele zu erreichen, die 2015 in Paris beschlossen wurden. Die Apokalypse ist abgewendet. Wie konnte dieser globale Kraftakt gelingen? Ein utopisches Szenario von Joseph Gepp.

Dezember 2018. Im polnischen Katowice treffen sich Politiker aus mehr als 200 Staaten zur UN-Klimakonferenz. Der Kampf gegen die Erderwärmung sei „eine Frage von Leben und Tod“, sagt UN-Generalsekretär António Guterres. Am Ende der Konferenz steht ein Minimalkompromiss, der höchstens Trippelschritte in Richtung Klimaschutz bringt.

Zwar hat sich die Weltgemeinschaft im Jahr 2015 in Paris verbindlich darauf geeinigt, den globalen Temperaturanstieg bis 2050 auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Aber es sieht schlecht aus. Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 und Methan, der den Klimawandel verursacht, sinkt nicht etwa, er steigt vielmehr kontinuierlich an. Bis Ende des Jahrhunderts könnte die jährliche Durchschnittstemperatur um fünf Grad steigen. Folgen: ein stark erhöhter Meeresspiegel, Wetterextreme und Waldbrände, Klimaflüchtlinge infolge von Dürren und Süßwassermangel. Um dagegen anzugehen, wäre ein internationaler Kraftakt erforderlich, die vielleicht größte wirtschaftliche und gesellschaftliche Transformation seit der Industrialisierung – noch dazu schnell.

Doch was müsste konkret geschehen -gesetzt, der politische Wille wäre vorhanden? Was wäre unabdingbar, um die Klimaziele von Paris zu erreichen – auf internationaler Ebene und in Österreich? Ein Szenario.

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Dezember 2019. Am Ende ist es schnell gegangen. Einige wenige Verhandlungsnächte haben zum Durchbruch geführt. Die Staaten beschließen, mit den Paris-Zielen ernst zu machen. Damit es funktioniert, darf jedes Land im Jahr 2050 nicht mehr als eine Tonne CO2-Äquivalente pro Jahr und Bewohner ausstoßen. Bis dahin muss es eine schrittweise Verringerung des Ausstoßes geben, an die sich die Länder rigoros zu halten haben. Die wichtigste Frage in den Verhandlungen war, wie man erreicht, dass kein Staat ausschert. Hier haben die Regierungen beschlossen, auf ein international erprobtes System zurückzugreifen, wie es bereits in Handelsfragen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) zum Einsatz kommt. Eine Art Klima-WTO wird gegründet. Stößt ein Staat mehr Treibhausgase aus als jene Menge, die ihm gerade zusteht, schneiden die anderen Staaten den Sünder mit Ökozöllen vom Welthandel ab und schaden damit dessen Wirtschaft. Die Vorgaben der Klima-WTO sind hart, aber gerecht. Wohlhabende Staaten müssen stärker reduzieren als arme, weil sie pro Einwohner mehr CO2 ausstoßen. So wird sichergestellt, dass niemand vom Pfad in Richtung Zwei-Grad-Ziel abweicht.

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Bis 2018 hat sich die Durchschnittstemperatur auf der Erde bereits um ein Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erhöht. Was nicht weiter dramatisch erscheint, hat bereits schlimme Konsequenzen, etwa in der Landwirtschaft. In Österreich wurden 17 der 18 wärmsten Jahre der Messgeschichte seit dem Jahr 2000 registriert. Trotzdem verliert der Kampf gegen den Klimawandel politischen Rückhalt. Nicht nur hat US-Präsident Donald Trump den Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Abkommen verkündet. Auch hierzulande zweifeln hochrangige Regierungspolitiker daran, dass die Erderwärmung menschengemacht sei, etwa FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und ÖVP-Wissenschaftssprecher Rudolf Taschner – wider alle Beweise der seriösen Forschung!

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Die Gründung der Klima-WTO setzt Österreichs Regierung unter Druck. Jetzt muss sie den Kampf gegen den Klimawandel entschlossen führen. Die ersten Schritte erfolgen auf organisatorischer Ebene. Klimaschutz wird zur Querschnittsmaterie erklärt: Nicht nur ein Ministerium ist zuständig – alle Regierungsmitglieder müssen sich koordinieren. Mit am Tisch sitzen Umweltschützer, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände und diskutieren über sinnvolle Vorgangsweisen. Auf diese Art können sich wichtige Akteure, etwa Unternehmen, rechtzeitig auf Maßnahmen einstellen. Weiters setzt die Regierung auf kollektive Bewusstseinsbildung: Der Umweltminister hält jährlich eine Klimarede vor dem Parlament, als Pendant zur Budgetrede des Finanzministers. Und: Laut einer neuen Vorschrift müssen auf jedem Konsumprodukt die Emissionen ausgewiesen sein, die zu dessen Erzeugung nötig waren – ähnlich den Kalorienangaben auf Lebensmitteln.

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Einstweilen setzt die aktuelle schwarz-blaue Regierung nur kleine Schritte gegen den Klimawandel. Der Kauf von E-Autos wird gefördert; wer seine klimaschädliche Ölheizung austauscht, bekommt staatliche Unterstützung. Summiert man die Effekte dieser Ansätze, dürften Österreichs CO2-Emissionen von derzeit 80 Millionen Tonnen bis 2030 auf nicht weniger als 70 Millionen Tonnen sinken -bestenfalls. Das Problem: Laut den Vorgaben von Paris müsste Österreich 2030 bereits bei 40 Millionen Tonnen angelangt sein, um die Klimaziele zu erreichen. 2050 dürfte darf der Ausstoß gerade noch acht Millionen Tonnen betragen. In der EU zählt Österreich zu den Schlusslichtern beim Rückgang der CO2-Emissionen.

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Im Jahr 2020 führt Österreich eine CO2-Steuer ein. Ob Industriebetriebe, Fluglinien, Energieunternehmen, Landwirte – ausnahmslos alle, die Treibhausgase emittieren, müssen sie bezahlen. Die Steuer liegt zunächst bei 60 Euro pro Tonne ausgestoßenes CO2 und erhöht sich bis zum Jahr 2030 auf 130 Euro. Die Folge: Alle Produkte und Dienstleistungen, die mit hohem CO2-Ausstoß hergestellt werden, steigen im Preis. Das gilt zunächst für die produzierenden Unternehmen, doch bald spüren es auch die Konsumenten. Bei ihnen machen sich die erhöhten Herstellungskosten durch höhere Preise bemerkbar. Wer häufig Auto fährt, muss etwa mit einigen Hundert Euro Zusatzkosten im Jahr rechnen. Ebenso erhöhen sich die Kosten klimaschädlicher Heizungstypen und CO2-intensiv hergestellter Waren im Supermarkt, etwa Rindfleisch.

Im Jahr 2015 einigte sich die internationale Gemeinschaft bei der Klimakonferenz von Paris, den Temperaturanstieg bis 2050 auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Was müsste geschehen, um dieses Ziel wirklich zu erreichen? (Wikipedia)

Gleichzeitig streicht die Regierung alle klimaschädlichen Subventionen, die in Summe bisher jährlich fünf Milliarden Euro ausmachten. Von der Pendlerpauschale über die Steuerbefreiung für Flugzeugkerosin bis hin zur Mineralölsteuerleichterung für Diesel -alles wird abgeschafft.

Aufgrund dieser Reform könnte man erwarten, dass sich die Staatskassa füllt. Doch das ist nicht der Fall, denn dem neuen Geldsegen stellt die Regierung sogleich höhere Ausgaben gegenüber. Damit verhindert sie, dass die Öko-Steuerreform jene trifft, die sich keine ökologisch vorbildliche Heizung leisten können oder ältere Autos fahren.

Ärmere Haushalte erhalten einen Zuschuss von jährlich einigen Hundert Euro. Wer sein Haus thermisch saniert, bekommt großzügig Förderungen aus Mitteln der CO2-Steuer. Auch an Unternehmen, die emissionsarm produzieren, fließen Forschungs-und Wirtschaftsförderungsgelder. Schließlich verwendet die Regierung einen Teil der Einnahmen, um die sogenannten Lohnnebenkosten zu senken. Das bedeutet, dass die Steuern auf Arbeit für Unternehmen und Beschäftigte sinken. Effekt: Die Arbeitgeber müssen keine Mitarbeiter entlassen, weil ihre Ausgaben wegen der CO2-Steuer stark gestiegen sind. Immerhin sinkt sogleich an anderer Stelle die Steuerlast.

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Österreichs CO2-Ausstoß beträgt derzeit rund zehn Tonnen pro Person und Jahr. Sollen die Pariser Klimaziele erreicht werden, müsste er auf eine Tonne sinken. Zum Vergleich: Eine einzige Flugreise von Wien nach New York und retour schlägt mit 3,7 Tonnen pro Passagier zu Buche.

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Die CO2-Steuer stellt die Preise in Österreich auf den Kopf. Unter den Dingen, die teurer werden, rangiert Fliegen ganz oben. Mit dem 40-Euro-Flugticket ins Shopping-Wochenende nach Barcelona? Das war einmal. Für derlei Vergnügungen nimmt man neuerdings die Bahn. Dies fällt umso leichter, als die EU zwischen allen Metropolen zügige Tag-Nacht-Verbindungen eingerichtet hat. Zugtickets werden mit Mitteln aus der europaweiten CO2-Steuer gefördert. Geschäftsreisende indes nehmen mit Videokonferenzen vorlieb. Die entsprechenden Kommunikationstechnologien boomen wegen der hohen Nachfrage. Bald ist es üblich, dass Videositzungen mittels ausgefeilter Hologramm-Technik in 3D-Optik stattfinden. Und wenn jemand trotzdem unbedingt eine Flugreise antreten will? Zwar ist es möglich, emissionsfrei zu fliegen, zum Beispiel mit pflanzlich hergestelltem Bio-Kerosin, doch solche Technologien bleiben komplex und teuer. Deshalb müssen Flugreisende tief in die Tasche greifen. Ein Flugticket kostet im Jahr 2025 wieder so viel wie in den 1980er-Jahren.

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Die meisten Menschen assoziieren mit dem Klimawandel rauchende Fabrikschlote und stromfressende Küchengeräte. Aber das ist nur ein Teil der Realität. 30 Prozent der heimischen Emissionen etwa steuert der Verkehrssektor bei. In diesem Bereich steigen auch die Emissionen am schnellsten. Im Verkehrssektor würden sich besonders rasch Erfolge im Kampf gegen den Klimawandel erzielen lassen, denn er ist äußerst dynamisch. Durchschnittlich alle acht Jahre wird Österreichs Fahrzeugbestand komplett ausgetauscht.

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Im Jahr 2021 präsentiert die Regierung eine Verkehrsreform. Mit fünfjähriger Übergangsfrist wird die Neuzulassung von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren verboten. Dazu kommen kleinere Maßnahmen, beispielsweise die Erhöhung von Parkgebühren in Städten. Zusätzliches Detail: Die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen wird auf 110 Stundenkilometer gesenkt. Das verhindert klimaschädliches Schnellfahren und schont nebenbei die Batterielaufzeit der E-Autos, die sich immer stärker ausbreiten.

Zwar wird der Kauf von E-Autos weiterhin gefördert, aber der Grundgedanke der Verkehrsreform ist ein anderer: Wer das Klima retten will, darf nicht einfach die Flotte der Verbrenner durch dieselbe Anzahl an E-Autos ersetzen, sondern muss vielmehr die Gesamtzahl der Fahrzeuge radikal senken. Deshalb gilt: Wer nicht aufgrund eines abgelegenen Wohnorts zwingend ein eigenes Auto braucht, soll auch keines besitzen. Damit die Österreicher trotzdem mobil bleiben, werden Zugverbindungen stark ausgebaut, vor allem in dichter besiedelten Gegenden. Wo kein Zug fährt und nur wenige Leute leben, klappern elektrisch betriebene Mini-Busse die Dörfer ab. Mittels Handy-Apps können die Österreicher ausrechnen, mit welcher Verknüpfung aus Verkehrsangeboten sie rasch und emissionsfrei von A nach B gelangen: beispielsweise nacheinander per Bahn, Minibus und schließlich im gemieteten E-Auto.

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Einfamilienhauswüsten auf dem Land, Supermarktwildwuchs samt ausufernden Parkplätzen, überdimensionierte Kreisverkehre: Kein anderes EU-Land geht so verschwenderisch mit freien Flächen um wie Österreich. Hierzulande wird im Schnitt doppelt so viel Straßenfläche errichtet und Ackerland zubetoniert wie in der Schweiz und Deutschland. Wegen der weiträumig verbauten Areale legt nicht nur der Autoverkehr zu, weil die Entfernungen immer größer werden. Auch fehlt es an Möglichkeiten, CO2 auf natürlichem Weg zu speichern, wenn zu viel organischer Boden unter dem Asphalt verschwindet. Das Problem dahinter: Die Raumordnung in Österreich obliegt den Bürgermeistern. Deshalb konkurrieren kleine Gemeinden um mehr Einwohner und Geschäfte -ein ruinöser Wettlauf, der zu immer mehr Verbau führt. Um emissionsfrei zu werden, braucht Österreich eine bessere Raumordnung. Die aktuelle Klimabilanz zeigt, dass der Treibhausgasausstoß pro Einwohner in Wien ungefähr ein Drittel unter jenem der anderen Bundesländer liegt. Warum? Im dicht verbauten Stadtgebiet fährt man seltener mit dem Auto, sondern nimmt lieber Öffis oder geht zu Fuß. Zudem wohnen die Wiener dichter aneinander und verfügen pro Bürger über weniger Wohnfläche, was Energie und Heizaufwand spart. Ein besser geplantes und emissionsfreies Österreich muss also nicht ländlicher als heute aussehen – sondern städtischer.

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Im Jahr 2022 reformiert die Regierung die Raumordnung. Zunächst wird zentralisiert. Die Zuständigkeit wandert von den Bürgermeistern an Bezirkshauptmannschaften und Bundesländer. Sie bestimmen von nun an Schwerpunktgebiete, die bevorzugt zu bebauen sind – und legen fest, welche umgekehrt frei bleiben müssen. Beispielsweise soll in der Nähe großer Bahnhöfe dicht und mehrstöckig gebaut werden, damit dort viele Menschen wohnen können. Außerdem sollen in ländlichen Gemeinden neue Häuser direkt an die alten Ortskerne angefügt werden, zum Beispiel in Form von Reihenhäusern. Umgekehrt gilt in Gebieten ohne jegliche Anbindung an den öffentlichen Verkehr ein Bauverbot. Die neue Planungspolitik schützt nicht nur das Klima, weil sie zu weniger Verkehr und Flächenverbrauch führt. Sie hat auch den Nebeneffekt, dass sich auf den freibleibenden Flächen neue Windkraftanlagen und Sonnenkollektoren errichten lassen. Davon braucht es deutlich mehr als bisher. Beispielsweise muss sich die Zahl der Windkraftwerke grob verdoppeln, damit Österreich emissionsfrei wird.

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Das Augenmerk darf sich nicht nur auf die Planung ganzer Regionen richten – auch das Bauen im Kleinen trägt zum Klimaschutz bei. Welche Materialien werden verwendet? Welcher Kniffe bedient man sich dabei? Wie wird beheizt und gekühlt?

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Die mehr als 600.000 extrem klimaschädlichen Ölheizungen, die in Österreich in Betrieb sind, werden mit einigen Jahren Übergangsfrist verboten. Das gilt nicht nur für Neubauten, sondern auch für bereits bestehende. Statt Ölheizungen werden Holzpellets-Heizungen oder stromsparende Wärmepumpen eingebaut. Einkommensschwache Haushalte beziehen dafür eine Förderung aus der CO2-Steuer.

Noch wichtiger als der Typus der Heizung ist allerdings, dass das Gebäude an sich klimaschonend konstruiert ist. Im Idealfall verbraucht es kaum Energie – und produziert diesen geringen Bedarf auch noch selbst. Neue Regelungen in den Bundesländern sehen vor, dass Neubauten, wenn möglich, mit Photovoltaikanlagen auf Dächern und Fassaden ausgestattet werden. Zum Energiesparen dienen nicht nur gedämmte Fenster und Fassaden, sondern auch Finessen wie gut plazierte Zwischendecken und geschickt konstruierte Lüftungsschächte. Dank ihnen bleibt es im Inneren im Sommer angenehm kühl und im Winter warm. In vielen Büros wird die Abwärme der Computer gleich in die Heizung eingespeist, und die Bewegung der Lifte erzeugt Strom – zwei von vielen kleinen Kniffen, die inzwischen üblich geworden sind.

Schließlich zeichnen sich auch bei den verwendeten Baustoffen Veränderungen ab. Die klimaschädliche Stahl-und Zementindustrie verliert an Bedeutung, auch weil ihre Produkte aufgrund der CO2-Steuer teurer geworden sind. Stattdessen wird heute häufiger mit Holz gebaut. Immerhin: Jeder verbaute Baumstamm speichert auf natürliche Weise CO2.

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Neue Normen können nicht nur im Bauwesen zum Klimaschutz beitragen, sondern auch in der Konsumwelt, zum Beispiel bei Produktverpackungen.

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Dass jeder Artikel im Supermarkt aufwendig und mehrlagig verpackt ist, wird bis 2027 abgeschafft: Kleinstmöglicher Materialaufwand ist Pflicht. Zudem kommen Rückgabesysteme zum Einsatz: Vom Gurkenglas über die Limonadenplastikflasche bis zu Coffee-to-go-Bechern -alles kann gegen Pfand in die Geschäfte zurückgebracht werden. Bei anderen Handelswaren, zum Beispiel Elektronikgeräten, hat die EU strikte Reparaturnormen festgelegt. Sie sehen zum Beispiel vor, dass man die Apparate zerlegen kann, ohne sie dabei gleich zu ruinieren. Das erhöht deren Langlebigkeit.

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Im Klimaschutz kommt es vor allem auf die großen politischen Schritte an. So sehr sich einzelne Menschen auch engagieren und bemühen, am Ende entscheiden die Beschlüsse der Politiker über Erfolg oder Scheitern der Klimaziele. Dennoch muss sich auch am persönlichen Lebensstil der Österreicher etwas ändern. Dass hierzulande pro Jahr und Kopf im Durchschnitt 70 Kleidungsstücke gekauft und 40 Kilogramm Fleisch gegessen werden, ist mit der Rettung des Klimas schlicht nicht kompatibel.

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Wir schreiben das Jahr 2050. Die Österreicher konsumieren heute ganz anders als früher. Sie verzehren viel weniger (rotes) Fleisch und deutlich weniger Milchprodukte. Sie kaufen ausgewählte, aber langlebige Produkte. Sie machen Urlaub in den Alpen oder an der Adria, statt routinemäßig nach Übersee zu jetten. All das ist nicht nur eine Folge von Preiserhöhungen infolge der CO2-Steuer, sondern hat auch mit einem Bewusstseinswandel zu tun. Längst haben die Österreicher die Wichtigkeit des Klimaschutzes erkannt.

Darüber hinaus sieht das Land heute anders aus als vor drei Jahrzehnten. Private Autos sieht man fast niemals mehr, stattdessen stehen überall im Land Leihgefährte jeder Art zur Benutzung bereit, durchwegs elektrisch. Häuser werden anders gebaut: dichter aneinander, mehrstöckig, häufig aus Holz und fast immer mit einer Solaranlage auf dem Dach. Zwischen den Siedlungsgebieten bleiben große Flächen frei. Bestimmte Branchen, etwa der Flugverkehr, sind kaum noch wiederzuerkennen. Dafür boomen neue, innovative Sektoren, beispielsweise die CO2-freie Wasserstofftechnologie und die Gewinnung von Energie aus Geothermie, also aus Erdwärme.

Auch dieses Jahr tritt der amtierende Umweltminister vor das Parlament, um seine Klimarede zu halten. Er hat gute Nachrichten zu verkünden: Im Gleichklang mit dem Emissionsrückgang in anderen Staaten wurde auch hierzulande das Klimaziel von Paris erreicht. Österreich ist endlich treibhausgasfrei.

BEI DIESEN EXPERTEN HABEN WIR NACHGEFRAGT/NACHGELESEN
Ernst Brandstetter, Österreichs Energie
Michael Cerveny, Stadt Wien
Sybille Chiari, Universität für Bodenkultur (Boku)
Christoph Chorherr, Grünen-Politiker und Buchautor
Karlheinz Erb, Boku
Experten der Hagelversicherung
Gottfried Kirchengast, Uni Graz
Angela Köppl, Wirtschaftsforschungsinstitut
Tobias Rieder, Wien-Energie
Johannes Schmidl, Save Energy Austria
Vaclav Smil, kanadischer Umweltwissenschafter
Sigrid Stagl, Wirtschaftsuniversität Wien
Karl Steininger, Uni Graz
Experten des Umweltbundesamts
Experten des Verkehrsclub Österreich
Verena Winiwarter, Boku
Johannes Wahlmüller, Global 2000

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Förderstopp

Aus dem profil 26/18 vom 25.06.2018

Von
Joseph Gepp

Es erregt seit Jahren scharfe Kritik. Der Ölkonzern OMV – zu 31,5 Prozent im Staatsbesitz – fördert gezielt den Einbau von Ölheizungen. Konkret können Österreichs Haushalte bei der Initiative „Heizen mit Öl“ mit Sitz in Wien Zuschüsse von einigen Tausend Euro beantragen, wenn sie eine Heizung installieren wollen. Das Geld kommt von der OMV und anderen Heizölunternehmen. Die Aktion soll dafür sorgen, dass Ölheizungen nicht aussterben – obwohl sie ökologisch höchst umstritten sind. Die schwarz-blaue Regierung plant im Koalitionsprogramm gar den „Ausstieg aus Ölheizungen im Neubau“. Auch Umweltorganisationen wie Global 2000 kritisieren die OMV immer wieder, weil sie die Förderungen nicht einstellt. Nun aber scheint sich im Konzern ein Kurswechsel abzuzeichnen. In einer nicht öffentlichen Stellungnahme zur Klimastrategie, die profil vorliegt, schreibt die OMV an das Umweltministerium von Elisabeth Köstinger (ÖVP):“OMV bekennt sich zu nachhaltigen Heizsystemen. Deshalb wird OMV die Unterstützung der Aktion ,Heizen mit Öl‘ in seiner aktuellen Form auslaufen lassen.“ Ende der Aktion also? Gegenüber profil will man den Ausstieg dann doch nicht bestätigen. „OMV evaluiert zurzeit ihre Position“, heißt es in einem knappen Statement.

Mehr zur umstrittenen Förderung von Ölheizungen:
Kesselflicken vom Dezember 2017
Kesselschlacht vom März 2018

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Kesselschlacht

Aus profil 11/2018

Die teilstaatliche OMV gerät in die Kritik. Unterstützt sie klimaschädliche Ölheizungen mit Millionenbeträgen?

Von
Joseph Gepp

Ölheizungen sind klimaschädlich, darin sind sich Experten und Politiker einig. Die schwarzblaue Koalition plant laut Regierungsprogramm langfristig ein Verbot. Trotzdem wird der Einbau weiter gefördert. Konkret: Ein Privatunternehmen in Wien – die „Heizen mit Öl GmbH“ – schießt jedem Österreicher, der einen neuen Ölheizkessel installiert, einige Tausend Euro zu. Hinter der Gesellschaft stecken Österreichs Heizölunternehmen (siehe längerer Artikel im profil 52/17).

Nun hat sich die Umweltorganisation Global 2000 angesehen, woher „Heizen mit Öl“ das Geld für die Zuschüsse bekommt. „Die Spuren deuten stark auf den Mineralölkonzern OMV als einen der größten Financiers hin“, sagt Global-2000-Klimasprecher Johannes Wahlmüller. Der größte Aktionär der OMV wiederum ist mit 31,5 Prozent die Republik Österreich – und die hat sich 2015 im Vertrag von Paris verpflichtet, den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren.

Da scheint es kontraproduktiv, dass die OMV jährlich stolze 8,8 Millionen Euro springen lassen dürfte, die umstrittenen Heizungen zu fördern. Doch wie kommt es überhaupt zu dieser Summe? Laut Jahresabschluss der „Heizen mit Öl“ finanziert sich das Unternehmen dadurch, dass jedes österreichische Unternehmen, das mit Heizöl handelt, Beiträge einzahlt – konkret elf Euro je 1000 Liter verkauftem Öl. Wie aus dem Mineralölbericht der OMV hervorgeht, dürfte die OMV rund 800 Millionen Liter Heizöl pro Jahr verkaufen. Das Ergebnis ist der besagte Betrag von knapp neun Millionen.

Die OMV will auf profil-Anfrage die Summe weder bestätigen nach dementieren.

Das Unternehmen „Heizen mit Öl“ gibt an, die Beitragszahlungen einzelner Mitglieder nicht zu kennen: „Aus wettbewerbsrechtlichen Gründen erfolgen sie über die Treuhandschaft eines Wiener Notars“, sagt Geschäftsführer Martin Reichard.

Befürworter von Ölheizungen halten den Kritikern gern entgegen, dass neue Ölheizungen immerhin weniger Kohlendioxid ausstoßen würden als alte – demnach habe es klimapolitisch durchaus Sinn, solche zu installieren. Außerdem emittieren Ölheizungen weniger Feinstaub als andere Heizungsarten, so Heizöl-Vertreter.

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Energiearm

Aus profil 46/2016

Seit vergangenem Jahr gilt in Österreich das neue Energieeffizienzgesetz. Heimische Unternehmen können Geld verdienen, indem sie Energie sparen und das Klima schonen. Doch Lobbying-Aktionen und Alibi-Maßnahmen ließen das Projekt bisher scheitern. Protokoll eines ambitionierten Plans mit mangelhafter Umsetzung.

Von
Joseph Gepp

Kurz vor Büroschluss im Kundenzentrum von Wien Energie im 9. Wiener Gemeindebezirk. Es ist einiges los beim städtischen Energieversorger. Kunden wedeln mit Stromrechnungen und fragen die Schaltermitarbeiter nach dieser oder jener Unklarheit. Daneben liest jemand seine Gasanschlussnummer von einem Zettel ab.

Doch es gibt auch einen Schalter, an dem es schnell geht. Hier braucht man keine Unterlagen. Stattdessen bekommt jeder, der möchte, ein Geschenk. Ein sogenanntes Energiesparpaket. Darauf abgebildet: ein glücklich lächelndes Pärchen. Inhalt: eine Broschüre mit Energiespartipps, zwei Energiesparlampen, ein Werkzeug zur Entlüftung von Heizkörpern und weitere Utensilien zum Energiesparen (siehe Bilder). Wie nett, Wien Energie verteilt Geschenke. Einfach so? Weil es der Umweltschutzgedanke gebietet? Nicht ganz. Denn hinter diesem Paket -und ähnlichen Aktionen anderer Energieunternehmen – steckt die Geschichte eines wichtigen Gesetzes: des Energieeffizienzgesetzes (Eeffg), das im Jahr 2014 von der SPÖ-ÖVP-Regierung beschlossen wurde.

ENERGIESPARLAMPE Rechnerischer Effizienzgewinn laut Energieeffizienzgesetz: 12 Kilowattstunden / Jahr Mit dieser Energiemenge kann man ungefähr 18 Stunden auf einem Großbild-TV fernsehen.

ENERGIESPARLAMPE
Rechnerischer Effizienzgewinn laut Energieeffizienzgesetz: 12 Kilowattstunden / Jahr Mit dieser Energiemenge kann man ungefähr 18 Stunden auf einem Großbild-TV fernsehen.

Bei der Klimakonferenz von Paris vor einem Jahr hat sich die Weltgemeinschaft entschlossen, die globale Erwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Es ist ein herausforderndes Ziel, für das 80 Prozent der weltweiten Energieversorgung auf neue Beine gestellt werden müssen. Beim derzeitigen Treffen in Marrakesch wird nun die Umsetzung debattiert. Österreichs Energieeffizienzgesetz ist im internationalen Kampf gegen den Klimawandel nur eine Schlacht – aber keine unwesentliche. Basierend auf einer Richtlinie der EU sollen heimische Unternehmen und Haushalte bis zum Jahr 2020 insgesamt 20 Prozent weniger Energie verbrauchen, als sie es würden, wenn der derzeitige Energiekonsum unvermindert weiterginge.

Doch das Gesetz ist umstritten. Umweltschützer, Politiker und auch Unternehmer kritisieren es scharf. „Es gibt zu viele Alibimaßnahmen“, sagt Christian Rakos, Geschäftsführer der Firma Save Energy Austria GmbH im niederösterreichischen Wolfsgraben. Rakos entwickelt Energiesparkonzepte, die er an andere Unternehmen verkauft. „Das Gesetz ist nicht so umgesetzt, dass es zu echten Einsparungen kommt.“

Schummelt sich Österreich über wichtige Klimaschutz-Maßnahmen hinweg? Und was hat das alles mit dem Päckchen von Wien-Energie zu tun?

Das Energieeffizienzgesetz betrifft jedenfalls jedes größere heimische Unternehmen, das Energie jeder Art an Endkunden verkauft. Zum Beispiel Tankstellen, Heizwerke und Holzpellets-Lieferanten. Sie alle müssen jährlich 0,6 Prozent Energie sparen, im Vergleich zur jeweiligen Vorjahresmenge. Kontrolliert und verwaltet wird dies von der sogenannten „Monitoring-Stelle Energieeffizienz“ in Wien.

Erreichen die Betriebe das Ziel nicht, ist eine Strafe fällig: 20 Cent je überzähliger Kilowattstunde. Mit einer Kilowattstunde Energie kann man etwa eine Stunde staubsaugen oder ein Mittagessen für vier Personen zubereiten.

WASSEREDUZIERER Rechnerischer Effizienzgewinn laut Energieeffizienzgesetz: 234 Kilowattstunden / Jahr Mit dieser Energiemenge kann man ungefähr von Wien nach München mit dem Auto fahren.

WASSEREDUZIERER
Rechnerischer Effizienzgewinn laut Energieeffizienzgesetz: 234 Kilowattstunden / Jahr Mit dieser Energiemenge kann man ungefähr von Wien nach München mit dem Auto fahren.

Gelingt es hingegen einem Betrieb, mehr als die 0,6 Prozent einzusparen, geht dieser Effizienzgewinn nicht verloren. Stattdessen kann das Unternehmen seine zusätzlich eingesparten Kilowattstunden an andere verkaufen, die sich schwerer tun, das Ziel zu erreichen. Die Energie-Ersparnis wird gutgeschrieben und auf privaten Internet-Plattformen gehandelt. Solcherart soll ein Markt für eingesparte Energie entstehen. Die Wirtschaftstreibenden, so der Hintergedanke, bekommen dadurch einen starken Anreiz, zum Klimaschutz beizutragen: nämlich Gewinne.

Blickt man auf die Zahlen, wirkt diese Idee wie ein durchschlagender Erfolg. Im ersten Jahr seit Inkrafttreten des Gesetzes 2015 haben „die Unternehmen die Vorgaben übertroffen“, freute sich im Februar der zuständige ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Die Betriebe haben in Summe nicht nur die geforderten 0,6 Prozent Energie eingespart, sondern fast das Doppelte, mehr als ein Prozent.

Zugleich ist der Preis für die Energieeffizienz-Reserven abgestürzt. Vor mehr als einem Jahr war eine Kilowattstunde eingesparter Energie noch 15 Cent wert. Mittlerweile liegt der Preis laut „Energieeffizienz-Radar“ der Wirtschaftskammer bei nur rund einem Cent.

Offenbar fällt es den Unternehmen also ziemlich leicht, effizient zu werden. Derart leicht, dass nach überschüssiger Energieersparnis kaum Nachfrage besteht. Geht das Sparen gar so einfach? Nein, sagt Kritiker Rakos. „Der Grund ist, dass zahlreiche fragwürdige Maßnahmen als Energieeffizienzmaßnahmen anerkannt werden. Solcherart können die Unternehmen die Anforderungen des Gesetzes mit minimalem Aufwand erfüllen -nur wird in Wahrheit gar keine Energie gespart.“ Der Markt werde „mit Maßnahmen geflutet“.

Das führt zur Frage, was denn laut Energieeffizienzgesetz konkret als Sparmaßnahme gilt. Dies steht unter anderem im Anhang einer Verordnung des Wirtschaftsministeriums. 239 Seiten, rund 100 Maßnahmen, komplizierte Formeln, die regelmäßig auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Derartige Umsetzungsdokumente wurden durch massives Lobbying verwässert, klagen Kritiker wie Rakos.

Ein Beispiel: die sogenannten Diesel-Additive. Dabei handelt es sich um Zusätze, die in den Diesel geleert werden. Dies reinigt die Motordüsen der Autos, wodurch sie rund drei Prozent weniger Treibstoff verbrauchen. Damit erhöht die Maßnahme die Energieeffizienz. Die Additive sorgen laut Experten deshalb für rund ein Viertel aller gutgeschriebenen Effizienz, die sich im Umlauf befindet.

BROSCHÜRE "ENERGIESPAREN" Rechnerischer Effizienzgewinn laut Energieeffizienzgesetz: 32 Kilowattstunden / Jahr Mit dieser Energiemenge kann man sich 100 Jahre lang drei Mal täglich elektrisch rasieren.

BROSCHÜRE „ENERGIESPAREN“
Rechnerischer Effizienzgewinn laut Energieeffizienzgesetz: 32 Kilowattstunden / Jahr Mit dieser Energiemenge kann man sich 100 Jahre lang drei Mal täglich elektrisch rasieren.

Grundsätzlich ist dieser Einspareffekt zwar unbestritten. Kritiker monieren allerdings: In vielen handelsüblichen Kraftstoffen in Österreich seien bereits standardmäßig -ganz unabhängig vom Energieeffizienzgesetz – Reinigungsadditive beigemengt. Verringert es den Verbrauch nun noch mehr, wenn man weitere von ihnen dazuschüttet? Nein, kritisieren etwa die Grünen. Sie orten einen „Energieeffizienz-Betrug“.

Im Oktober bekam die Kritik an den Additiven neue Nahrung (profil berichtete hier und hier). Messergebnisse, welche die Umweltschutzorganisation Global 2000 präsentierte, zeigen: Jene Labors, welche die Einsparwirkung der Additive überprüfen, benutzen dafür einen Test-Diesel -aber der enthält vorab keine Additive.

Doch die Additive sind nicht der einzige Kritikpunkt. Auf Widerstand stoßen auch die „Wasserreduzierer“, kleine Plastiksiebe, die man in Wasserhähne schraubt. Damit fließt weniger Wasser aus der Leitung. Eine prinzipiell sinnvolle Maßnahme, denn dessen Erwärmung macht in einem durchschnittlichen heimischen Haushalt ein Viertel des Energieverbrauchs aus. Allerdings: Findige Energieunternehmen verschickten die Siebe per Postwurfsendung einfach massenhaft an österreichische Haushalte. Laut Verordnung gilt dies bereits als Energieeffizienzmaßnahme. Ob die Empfänger die Wasserreduzierer auch wirklich einbauen oder eher wegwerfen, bleibt unberücksichtigt. Jedenfalls: Jedes Sieb bringt eine rechnerische Einsparung und Effizienz-Guthaben von stolzen 650 Kilowattstunden pro Jahr. Das entspricht der Energie eines vollen Autotanks. Womit wir zurück beim Geschenkpäckchen von Wien Energie wären. Inhalt: zwei Energiesparlampen, ein Heizungsentlüftungsschlüssel, zwei Wasserreduzierer, eine Info-Broschüre. Ergibt in Summe 525 Kilowattstunden formelle Ersparnis, die sich Wien Energie gutschreiben lassen kann – für jede Person, die sich ein solches Päckchen abholt.

ENTLÜFTUNGS-SCHLÜSSEL Rechnerischer Effizienzgewinn laut Energieeffizienzgesetz: von der Monitoring-Stelle Energieeffizienz noch nicht festgelegt

ENTLÜFTUNGS-SCHLÜSSEL
Rechnerischer Effizienzgewinn laut Energieeffizienzgesetz: von der Monitoring-Stelle Energieeffizienz noch nicht festgelegt

Was sagt zu all dem das Wirtschaftsministerium, das für die Energieeffizienz-Verordnung verantwortlich ist? Die Energiemaßnahmen „basieren auf wissenschaftlichen Studien, geltenden technischen Normen sowie der Einbeziehung von Experten“, heißt es auf profil-Anfrage. Österreich habe ein strengeres System als viele andere EU-Staaten. In manchen Bereichen brauche es trotzdem „einen Mittelweg, damit der bürokratische Aufwand für die Betroffenen nicht überbordend ausfällt“. Ähnlich argumentiert Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung für Umwelt-und Energiepolitik der Wirtschaftskammer, welche die Interessen der Unternehmen vertritt. „Das Energieeffizienzgesetz ist noch ziemlich neu und hochkomplex“, sagt er. „Manche Regelungen und EDV-Tools funktionieren noch nicht optimal, aber es ist ein Work in progress.“ Und: „Ein gewisses Maß an Verallgemeinerung ist nicht zu vermeiden. Man kann nicht in jeden Haushalt hineinschauen, wie stark Effizienzmaßnahmen tatsächlich wirken.“ Schwarzer verweist auf die laufenden Überarbeitungen der Verordnung durch die Monitoring-Stelle: So sind manche Typen Wasserreduzierer in der letztgültigen Fassung nicht mehr enthalten. Und für Energiesparlampen bekommt man neuerdings weniger Effizienz gutgeschrieben als zuvor. Trotzdem: Das ambitionierte Projekt, einen Markt für Energieeffizienz zu schaffen, ist vorerst gescheitert. „Die Unternehmen haben sich massenweise mit spottbilligen Maßnahmen eingedeckt“, sagt Werner Krenek, Anwendungstechniker bei der Honeywell Austria GmbH in Wien, die Effizienzmaßnahmen entwickelt. „Damit ist der Markt auf Jahre ruiniert. Die Energielieferanten sind teilweise jetzt schon für die kommenden fünf Jahre über Bedarf mit Maßnahmen versorgt.“

Wir müssen also noch fünf weitere Klimakonferenzen abwarten. Danach kann die Sache mit der Energieeffizienz in Österreich von Neuem beginnen.

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Wirtschaftskammer kontert den Vorwürfen

Aus profil 44/2016
Hier geht’s zur Vorgeschichte

Es ist, wenn man so will, wie mit der Seife im Putzwasser. Wenn man immer mehr davon in den Kübel schüttet, wird der Boden davon auch nicht sauberer. Einen ähnlichen Vorwurf erhebt die Umweltorganisation Global 2000 derzeit gegen Österreichs Ölkonzerne und Tankstellenbetreiber.

Diese mischen sogenannte Reinigungsadditive in ihre Dieselprodukte. Dadurch, behaupten die Unternehmen, verbrauchen Autos weniger Sprit. Mit dieser Beimengung erfüllen sie obendrein auch die Vorgaben des heimischen Energieffizienzgesetzes – es soll also dem Kampf gegen den Klimawandel dienen.

Doch Umweltorganisationen kritisieren die Praxis scharf. Denn in vielen regulären Dieselprodukten, wie man sie an den Tankstellen bekommt, seien ohnehin bereits standardmäßig Reinigungsadditive drinnen, argumentieren sie. Wenn man nun noch mehr von ihnen zugebe, bringe das keine zusätzliche Ersparnis. Vergangene Woche berichtete profil online über brisante Gutachten aus dem Wirtschaftsministerium, die diese Kritik bestätigen.

Handelt es sich bei den Additiven im Diesel also nur um einen Öko-Schmäh? Nein, sagt Jürgen Roth, Vizepräsident der Wirtschaftskammer und zuständig für den Energiehandel. „Dass es keine Einsparung gibt, ist schlicht unrichtig.“

Warum? Laut Roth stimmt es nicht, dass in gängigen Dieselprodukten bereits vorab Reinigungsadditive gemischt seien. „Das ist nur bei teuren Premium-Treibstoffen der Fall.“ Diese machen weniger als zehn Prozent des verkauften Treibstoffs in Österreich aus. Und vor allem: „Sie dürfen für Einsparmaßnahmen im Sinn des Energieffizienzgesetzes gar nicht herangezogen werden.“

Im handelsüblichen Nicht-Premium-Diesel sind laut Roth zwar schon Additive enthalten – aber eben nicht zur Reinigung, sondern zu anderen Zwecken. Zum Beispiel gegen zu viel Schaumbildung im Treibstoff. Das Entscheidende daran: Diese anderen Additive würden den Einspareffekt durch die Reinigungsadditive nicht beeinträchtigen, meint Roth.

Joseph Gepp

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Kritik an Nordbahnhof-Projekt

Aus profil 47/2015

Joseph Gepp

Auf dem Wiener Nordbahnhofgelände im 2. Bezirk soll bis zum Jahr 2025 ein großes neues Stadtviertel entstehen. Braucht es dafür eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)?

Ja, es brauche sie, sagen kritische Rathausbeamte, die anonym bleiben wollen. ÖBB und Stadtpolitik jedoch würden sich an der Prüfung vorbeischummeln, weil sie kompliziert und aufwendig sei. Die Folge: jahrelange Rechtsunsicherheit bis hin zu möglichen Baustopps – profil berichtete (Nr. 45/15).

Das Wiener Rathaus und ÖBB halten dagegen. Laut der Umweltschutz-MA 22, die der Wiener SPÖ-Umweltstadträtin Ulli Sima untersteht, sei die Prüfung gesetzlich nicht nötig. Dem Projekt fehle nämlich der planerische Gesamtwille. „Das Gelände ist kein homogenes Stadtviertel im eigentlichen Sinn“, erklärt MA22-Pressesprecher Georg Patak. Ähnlich argumentieren die ÖBB. Diese waren bis vor Kurzem Grundeigentümer des Areals, ehe sie es an ein Immobilienkonsortium rund um die Wiener Städtische verkauften.

Kritik an dem Verweigern der UVP kommt nun erstmals nicht nur von anonymen Beamten, sondern auch von Umweltschutzorganisationen: „Ob dem Nordbahnhofgelände wirklich der planerische Gesamtwille fehlt, ist durchaus hinterfragenswert“, sagt die Umweltjuristin Birgit Schmidhuber vom Ökobüro. Dieses ist eine Allianz zahlreicher NGOs, vom Klimabündnis bis zu Global 2000. Das Ökobüro mit Sitz in Wien befasst sich vorwiegend mit Umwelt- und Rechtsfragen.

Laut Schmidhuber „müsste man ein Verfahren auf Feststellung der UVP-Pflicht einleiten“. Das bedeutet, die zuständigen Stellen müssten zumindest anfragen, ob eine Prüfung erforderlich ist oder nicht. Die verantwortliche Wiener Landesregierung könne dann immer noch entscheiden, dass es mangels Gesamtwille keine braucht. „Aber einfach so anzunehmen, dass es sie nicht braucht, halte ich für keine korrekte Vorgehensweise“, sagt Schmidhuber.

Den Antrag auf Feststellung der UVP-Pflicht hätten sowohl ÖBB als auch das Wiener Rathaus einbringen können. Beide haben es bislang nicht getan.

Ein Kommentar

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