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Negativausblick

Aus dem profil 35/2019 vom 25. August 2019

Deutsche Sparer wünschen sich Gesetze gegen Strafzinsen auf ihr Geld. Müssen auch Österreichs Kontoinhaber bald draufzahlen?

Dauerhaft niedrige Zinsen sorgen derzeit für Ängste unter Deutschlands Sparern. Was wäre, wenn Banken die Negativzinsen an sie weiterreichen würden -wenn die Sparer die Finanzinstitute also dafür bezahlen müssten, dass sie Vermögen bei ihnen deponieren dürfen? Was absurd klingt, geschieht derzeit laut deutschen Medien bereits in Einzelfällen -wenn auch nicht bei gewöhnlichen Sparern, sondern bei großen Fonds und Unternehmen. Nun fürchten Politiker, dass das Phänomen auf die Sparer überschwappen könnte -und fordern Maßnahmen. Bayern CSU-Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will ein gesetzliches Verbot von Negativzinsen. Es soll für alle Sparer gelten, die weniger als 100.000 Euro auf der Bank haben. Das deutsche Finanzministerium unter Olaf Scholz (SPD) prüft gerade, inwiefern sich der Vorschlag realisieren ließe.

Und in Österreich? Klar ist, dass auch hierzulande die Banken unter den historisch beispiellosen Niedrigzinsen stöhnen. Sie selbst müssen Negativzinsen an die Europäische Zentralbank (EZB) berappen, wenn sie dort Gelder deponiert haben. Laut einer Studie der Banking-Plattform Deposit Solutions zahlten Österreichs Banken seit dem Jahr 2016 auf diesem Wege insgesamt 356 Millionen Euro an Strafzinsen. Könnten auch in Österreich Negativzinsen für Sparer drohen -und ein etwaiges Verbot ins Gespräch kommen? Nein, sagt Jim Lefèbre, Sprecher des (parteifreien) Finanzministers Eduard Müller. In Österreich würden nämlich – im Gegensatz zu Deutschland -bereits bestehende Gesetze verhindern, dass Negativzinsen verrechnet werden. „Die Verzinsung von Spareinlagen ist in Paragraf 32 des Bankwesengesetzes geregelt“, so Lefèbre. „Aus zahlreichen dort geregelten Vorgangsweisen ist abzuleiten, dass der Gesetzgeber von Positivzinsen ausgegangen ist und Negativzinsen ausgeschlossen hat. Die Banken folgen dieser Rechtsansicht und verrechnen keine Negativzinsen.“ Nachsatz: „Die Zinsen sind aber mit ein bis zwei Basispunkten sehr bescheiden.“ Daran wird sich auch so bald nichts ändern. Denn die gute Wirtschaftslage trübt sich gerade in vielen Staaten deutlich ein (siehe auch Zahl der Woche rechts). Heißt: Die Zinsen – ohnehin bereits, wenn überhaupt, nur minimal – bleiben noch sehr lange niedrig. Joseph Gepp

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Glosse: Das war meine Woche

Aus dem profil 43/2017

Ich verfolge gern kleine Sozialexperimente im Kurznachrichtendienst Twitter. Eines davon: Ein Twitterant hat irgendwo in seinem Büro ein paar Cent gefunden. Spaßeshalber platziert er sie auf einen Tisch, und jeden Tag legt er nun einige Kupfermünzen dazu. Der Mann möchte erfahren: Wie hoch muss die Summe sein, damit jemand das – scheinbar herrenlose – Geld an sich nimmt?

Das bringt mich zur Überlegung, wie ich selbst vorgehen würde. Zunächst würde ich wohl unterscheiden, ob das Geld auf einem Tisch oder auf dem Boden liegt. Bei Letzterem liegt die Vermutung näher, dass es tatsächlich jemand verloren hat – und nicht nur zwischenzeitlich kurz abgelegt. Also würde ich eher zugreifen.

Und ab welcher Summe? Vielleicht ab zehn Cent, schätze ich. Aber entspricht dies dem Verhalten der Mehrheit? In einem Internet-Blog findet sich dazu eine (zugegebenermaßen eher unrepräsentative) Online-Umfrage unter 104 Befragten. Verblüffendes Ergebnis: 53 Prozent geben an, sich selbst nach Ein-Cent-Münzen auf dem Boden zu bücken. Weitere 22 Prozent liegen mit ihrer Zehn-Cent-Grenze ungefähr gleichauf mit mir. Nochmals 22 Prozent ignorieren Zehn-Cent-Münzen und streben ausschließlich nach höheren Werten. Vier Prozent langen überhaupt erst bei Banknoten zu. Und das letzte Prozent? Gibt an, sich nie und nimmer nach Geld zu bücken.

Das ist eine mutige Ansage. Aber soll man sie glauben? Es muss doch irgendeinen Betrag geben, an dem das letzte Prozent seinen hehren Grundsatz über Bord wirft und das Geld aufhebt – und sei es zum Zweck, es zum nächsten Fundamt zu bringen.

Auf die Antwort auf diese Frage müssen wir noch lange warten. Das Twitter-Experiment steht gerade erst bei 28 Cent.

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Glosse: Das war meine Woche

Aus profil 38/2017

Ich habe gelesen, dass es jetzt auch Briefmarken aus Holz gibt. Die Österreichische Post brachte sie vergangene Woche auf den Markt. Die Marken wurden aus dem Holz einer einzigen Eiche im Wienerwald gestanzt und zeigen – Überraschung! – eine Eiche. Briefmarken sind üblicherweise aus Papier, weshalb eine hölzerne landesweit für Aufsehen und Sammlerinteresse sorgt. Ein Prinzip, das sich auch aufs Geld umlegen lässt. Klingelt es nicht spätestens jetzt bei Ihnen, liebe Produktentwickler in den Zentralbanken und Münzprägestätten dieses Kontinents? Münzen bestehen gemeinhin aus Metall – wie langweilig! Wie wäre es mit Euro aus Wienerwald-Eichenholz, Edelsteinmehl, Hochlandrind-Knochen oder dauerhaltbarem Lebkuchen? Sammler und Anleger würden außer sich geraten vor Freude. Die darbenden Staatskassen würden klingeln. Bisher hat lediglich die international nicht anerkannte Republik Transnistrien im Jahr 2014 Rubel-Münzen aus Kunststoff herausgegeben (siehe Bild oben – sie erinnern ein wenig an Casino-Jetons). Außerdem fand man in Sachsen nach dem Ersten Weltkrieg eine kreative Antwort auf die allgemeine Metallknappheit: Münzen aus rotem Porzellan. Alles nur zaghafte Versuche. Da geht mehr! Übrigens: Sollte die Idee verwirklicht werden, freut sich der Autor dieser Zeilen über eine geringe Erfolgsbeteiligung. Am liebsten in hartem Metallgeld.

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Glosse: Das war meine Woche

Aus profil 37/2017

Ich dachte immer, der Handel mit Münzen sei ein nüchternes Geschäft. Da geht es um Gewichtsangaben, Edelmetallgehalte und – bei alten Stücken – um die Herkunft und Art der Prägung. Aber die Münze Österreich belehrt mich eines Besseren. Das Münzgeschäft kann auch locker-flockig sein, fast ein Event.

Mitte vergangener Woche. Bereits frühmorgens warteten die ersten Kaufwilligen vor der Tür von Österreichs Münzprägegesellschaft im 3. Wiener Bezirk, teilweise ausgerüstet mit Campingsesseln und Thermosflaschen. Sie standen um eine neue Drei-Euro-Münze im Sortiment an. Motiv: ein kleiner bunter Eisvogel. Man mag es kaum glauben, das Federvieh auf der Münze leuchtet sogar in der Nacht.

Es ist nicht das erste Tier. Die Serie „Die bunte Welt der Tiere“, die seit einigen Jahren läuft, beinhaltete bisher auch Fledermäuse, Tiger und Krokodile. Wem das zu profan ist, der könnte die Münze-Österreich-Serie „Engel – Himmlische Boten“ in Betracht ziehen. Die Kupfer- oder Silberteile zeigen die Erzengel Michael und Gabriel. Allerdings leuchten sie nicht in der Nacht, wiewohl sich das angesichts ihrer religiösen Aura anbieten würde.

Kitsch!, hört man da schon den Kultur-Snob rufen. Gebt uns altehrwürdige Semmeringbahn-Viadukte und verstorbene Bundespräsidenten zurück! Oder am besten: dicklippige Habsburger-Gesichter! Aber verschont uns mit Engerln und Viecherln im Neon-Look.

Doch wer so argumentiert, kennt den Markt nicht. Der Eisvogel war bereits am Tag nach der Erstausgabe ausverkauft. Während der Ausgabepreis zehn Euro betrug, wurde die Münze tags darauf im Internet um 40 bis 90 Euro gehandelt. Der leuchtende Tiger bringt es gar auf 150 Euro.

Im November kommt übrigens der Wolf dran. Holen Sie schon mal die Campingsessel raus!

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Glosse: Das war meine Woche

Aus profil 33/2017

Ich staune darüber, dass es auch bei Banknoten so etwas wie technischen Fortschritt gibt. In Großbritannien beispielsweise werden gerade die Pfundnoten erneuert. Die neue Fünf-Pfund-Note, eingeführt vor einem Jahr, sei nicht nur haltbarer und reißfester als bisher, schwärmt die Bank Of England. Sie hält auch mehrere Waschgänge aus.

Es gibt aber einen Wermutstropfen. Beziehungsweise einen Fetttropfen. Der Schein besteht zu einem geringen Anteil aus Talg, tierischem Fett, vor allem von Rindern. Spuren davon sei in den Polymerkügelchen enthalten, die das Grundmaterial des Scheins bilden, so die Zentralbank auf Nachfrage kritischer Vegetarier.

Jetzt hat Großbritannien neben Brexit, Wohnungsnot und anderen Lappalien auch ein Rinderfett-Problem. 130.000 Menschen haben eine Petition gegen die Scheine unterschrieben. „Das ist inakzeptabel für Millionen Veganer, Vegetarier, Hindus, Sikhs und Jains“, heißt es. Einzelne Hindu-Tempel akzeptieren die Scheine sogar nicht, so britische Medien.

Die Bank of England jedoch verweigert die Umstellung auf eine rein pflanzliche Produktionsweise. Dann nämlich würden die Scheine das ökologisch umstrittene Palmöl enthalten. Es scheint so, als bliebe aufrechten Tierfett-Verweigerern nur die Möglichkeit, große Mengen Münzen bei sich zu tragen, am besten im garantiert pflanzlichen Jutesack. Oder sie zahlen mit Kreditkarte.

Wie sieht es auf dem europäischen Festland mit Tierfett in Geldscheinen aus? Auf profil-Anfrage antwortert die EZB in Frankfurt, sie seien zu 100 Prozent vegan: „Die Euro-Scheine bestehen zur Gänze aus Baumwollfasern und enthalten keine tierischen Spuren.“ Festland-Vegetarier können aufatmen. Darauf einen Soja-Latte.

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Glosse: Das war meine Woche

Aus profil 29/2017

Ich gestehe: Ich habe einmal ein Handtuch aus einem Hotel gestohlen. Mein Motiv war – zu meiner Verteidigung – nicht nur Habgier, sondern auch die Freude an kuriosen Dingen. Das Hotel hatte nämlich, zurückhaltend formuliert, seine besten Tage hinter sich. Statt wie üblich das Hotellogo auf die Handtücher zu sticken, war man hier auf die Idee verfallen, den Namen des Hotels einfach mit wasserdichtem Filzstift auf sie zu schreiben. Das hat was.

Außerdem bin ich in guter Gesellschaft. Das bayerische Tourismus-Unternehmen Wellness Heaven hat eine Erhebung unter 1026 Hoteliers aus mehreren Ländern publiziert. Handtücher führen demnach die Liste der Hotel- Diebsgüter an. 78,2 Prozent der befragten Manager gaben an, dass sie regelmäßig entwendet werden. Dahinter folgen Bademäntel und Kleiderhaken.

Interessant wird es bei der Frage, ob sich hinsichtlich der Nationalität der Gäste Unterschiede feststellen lassen. Siehe da: Ein tiefer Riss im Diebsverhalten klafft vor allem zwischen Deutschen und Österreichern. Erstere stehlen gern konventionelle Dinge wie Hotel-Kosmetik-Körbchen, Letztere haben es auf Besonderheiten abgesehen: Essbestecke etwa oder gar die Kaffeemaschinen, die sich in vielen Hotelzimmern finden.

Auffällig ist schließlich die Diskrepanz zwischen Vier-Sterne-und Fünf-Sterne- Gästen: Dass die Besserbetuchten teurere Dinge stehlen -etwa Bettdecken und Bilder an der Wand -, mag nicht überraschen. Aber: Immerhin elf Prozent der Fünf-Sterne-Gäste schnappen sich auch gern einmal die Batterien aus den Zimmergeräten (bei Vier-Sterne-Gästen: 30 Prozent). Reich wird anscheinend, wer bei den kleinen Dingen spart.

Auf die Idee, im Hotelzimmer meinen Bestand an Batterien aufzubessern, wäre selbst ein geständiger Handtuchdieb wie ich nicht gekommen. Und auch was die nationalen Eigenheiten von Österreichern betrifft, falle ich offenbar aus dem Muster. Essbesteck? Wenn, dann im Restaurant.

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Das war meine Woche

Aus profil 11/2017

Kolumne: Joseph Gepp

Ich frage mich, was ich anstellen würde, besäße ich 65 Millionen Dollar. Mir fiele sicher etwas ein. Aber auf das, was die Brüder Tyler und Cameron Winklevoss tun, wäre ich garantiert nicht gekommen. Die US-Amerikaner sind jenes Gespann, dem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg einst angeblich die Idee für sein soziales Netzwerk abgeluchst hat. Im Jahr 2008 erhielten sie als Entschädigung besagte 65 Millionen. Diese nutzen sie seither, um einen Plan voranzutreiben. Am kommenden Montag soll dafür die Bewilligung durch die US-Börsenaufsicht erfolgen: Die Winklevoss-Brüder wollen den weltweit ersten Bitcoin-Fonds gründen.

Bitcoin ist jene Krypo-Währung, die nur in Form digitaler Impulse existiert. Die Erzeugung neuer Bitcoins ist derart programmiert, dass immer weniger von ihnen entstehen, je mehr es bereits gibt. Die Bitcoins werden also knapper. So etwas freut Spekulanten. Der Bitcoin-Kurs schwankt zwar extrem, hat sich aber insgesamt in den vergangenen Jahren mehr als verfünffacht. Derzeit erreicht der Bitcoin nie gekannte Höhen; einer ist rund 1100 Euro wert.

Warum der Höhenflug? Eben wegen des geplanten Bitcoin-Fonds. Sobald (und sofern) er zustande kommt, muss man nicht mehr auf komplexen und intransparenten Handelsplattformen Bitcoins erwerben, um von deren Wertzuwachs zu profitieren. Ich kann meine Euro stattdessen dem – vergleichsweise transparenten – Winklevoss-Fonds überantworten, der Bitcoins ankauft. Wenn der Bitcoin steigt, wird auch mein Geld mehr.

Wie wird sich der neue Fonds also auf den Wert des Bitcoin auswirken? Erraten! Er wird, zumindest kurzfristig, weiter steigen. Bis die Bitcoin-Blase möglicherweise platzt. Momentan aber reißen sich noch viele Anleger um Bitcoins.

All das erklärt wohl auch, warum sich die Gebrüder Winklevoss für ein derart schräges Projekt wie den Bitcoin-Fonds ins Zeug hauen. Sie besitzen nämlich laut eigenen Angaben ungefähr ein Prozent aller Bitcoins, die im Umlauf sind.

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Das war meine Woche

Aus profil 9/2017

Kolumne: Joseph Gepp

Ich staune, wie einfach es heutzutage ist, einen Kredit zu bekommen. Zum Beispiel bei der UniCredit Bank Austria. Die wirbt derzeit intensiv mit einem „Online-Wunschkredit“. Die Kreditsumme (ab nur 1000 Euro) langt innerhalb von lediglich zwei Werktagen beim Kreditnehmer ein. Man muss dafür nicht einmal eine Bankfiliale betreten.

Noch rascher: das neue Wiener Finanz-Start-up „Cashpresso“. Hier braucht man überhaupt nur das Handy. Man übermittelt seine Daten per App, identifiziert sich mittels Videotelefonat – und zehn Minuten später ist das Geld da. Auf so manchen Espresso wartet man länger.

Mit der problematischen Seite solcher Entwicklungen schlägt sich gerade die Landesregierung des Burgenlands herum. Dort bieten die Pflichtschulen neuerdings eine „finanzielle Grundausbildung“ im Ausmaß von acht Schulstunden an. Die Verschuldung werde immer höher, begründen burgenländische Schuldnerberatung und Landesschulrat die Aktion, die Schuldner immer jünger. Der Misere soll nun in frühem Stadium vorgebeugt werden.

Einen kreativeren Ausweg bietet die Firma „Three Coins“. Wie Cashpresso handelt es sich dabei um ein Start-up aus Wien. Dieses Unternehmen will Jugendlichen spielerisch den verantwortungsvollen Umgang mit Geld beibringen. Das geschieht beispielsweise in Workshops. Oder auch mittels witziger Handy-Spielchen. Bei denen muss man sich die virtuellen Ressourcen, die man zur Verfügung hat, raffiniert einteilen. Eine Geisteshaltung, die man anschließend auf das echte Leben überträgt, hoffen die Firmengründer.

Es gibt also eine App, die es mir ermöglicht, in nur zehn Minuten einen Kredit zu bekommen. Und eine andere, die mir ausreichend Finanzverantwortung beibringt, sodass ich den Zehn-Minuten-Kredit lieber bleiben lasse. Die digitale Welt hält schon viele Möglichkeiten bereit.

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Das war meine Woche

Aus profil 6/17

Kolumne: Joseph Gepp

Ich stehe bereits seit einer halben Stunde wartend vor dem Bankomaten. Wo? Nicht hierzulande, wo es gewöhnlich schnell geht, sondern in Indien. In dem asiatischen Land spucken viele Bankomaten schon seit Monaten nur unregelmäßig Geld aus.

Dahinter steckt das bisher wohl größte Bargeldexperiment der Weltgeschichte. Im vergangenen November erklärte der rechtsnationale Premier Narendra Modi rund 80 Prozent der indischen Rupien-Banknotenmenge zum Auslaufmodell – und ließ alle höheren Scheine durch neue ersetzen. Zwei Monate Frist blieben den 1,3 Milliarden Indern im Anschluss an das Diktat, ihr altes Bargeld bei Banken in neues umzutauschen. Mit Jahreswechsel wurden die alten Noten ungültig.

Die Schocktherapie sollte den Gebrauch des Baren massiv eindämmen. Statt alte in neue Noten zu tauschen, sollten die Inder ihr Geld lieber gleich aufs Konto legen und künftig Kreditkarten verwenden. Solcherart will Modi den ausufernden informellen Sektor, also die Schwarzarbeit, bekämpfen, die sich schlecht mit Plastikgeld bezahlen lässt. Zusatznutzen: Wenn Unlautere bei Banken den Umtausch großer Mengen Bargelds erbitten, könnten sie die Herkunft nur schwer plausibilisieren.

Doch nach Meinung vieler Kritiker geriet die Reform zum Desaster. Indiens Behörden und Banken kommen seit Monaten mit der Versorgung des Landes mit neuem Bargeld kaum nach. Nicht nur Bankomaten bleiben seit November leer. Mancherorts gab es sogar Tote bei Rangeleien ums Geld. Viele Inder trauen sich selbiges angesichts der Krise nicht auszugeben, weshalb das Wirtschaftswachstum einbricht. Zugleich sollen korrupte Beamte und Banker neues Bargeld in rauer Menge in die Villen von Oligarchen liefern – quasi frei Haus.

Ich hingegen gedulde mich vor dem Bankomaten. Bis ich endlich an die Reihe komme. Und mir der Apparat auf seiner Anzeige mitteilt, dass ihm das Geld ausgegangen sei.

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Schöpfungsgeschichte

Aus profil 36/2016

Geld ermöglicht Fortschritt und fördert zugleich den Exzess. 25 Einblicke in die scheinbar selbstverständlichste Einrichtung der Welt.

Von
Joseph Gepp

Was ist Geld?

Geld ist das Versprechen von Wert. Es ist eine Vereinbarung, an die sich alle halten, beglaubigt durch die Zentralbank. Oder haben Sie schon einmal erlebt, dass Ihre Euro im Supermarkt nicht gut ankamen?

Geld ist also eine Art Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage?

Zumindest lautet so die gängigste Geldtheorie. Geld ist eine Einrichtung, die uns praktischerweise die Tauschwirtschaft erspart, indem sie sich als Medium zwischen die Waren schiebt. Auf die Werte der Güter selbst wirkt es sich dabei nicht aus, glauben Ökonomen. Allerdings stellen dies neue Forschungen infrage. Wenn es mehr Geld gibt, argumentieren sie, werden auch die Werte von Gütern höher. Geld beeinflusst Werte, etwa Immobilien.

Und wie entsteht Geld?

Das meiste Geld – ungefähr 90 Prozent – wird von Banken geschaffen. Und zwar immer dann, wenn sie Kredite vergeben.

Aber wieso? Man kann Geld doch nur hergeben, wenn man bereits welches hat.

Als Privatperson schon. Eine Bank jedoch kann neues Geld erschaffen. Wenn sie einen Kredit vergibt, wird das Geld dafür nicht etwa irgendwo abgezwackt, zum Beispiel von den Einlagen der Konteninhaber. Sondern neu geschöpft, also geschaffen. Die Bilanzsumme der Bank vermehrt sich dann um die Summe des Kredits. Genauso wie die Geldmenge insgesamt.

Wow, eine Bank kann einfach so neues Geld erzeugen!

Genau so läuft es, so hat es sich in den vergangenen Jahrhunderten entwickelt. Banken schöpfen Geld. Allerdings: Ganz autonom sind sie dabei nicht. Sonst bräuchte es keine Zentralbank wie die EZB im Euro-Raum. Die EZB versucht, die Geldschöpfung der privaten Banken mit Instrumenten zu steuern.

Welchen?

Mit den sogenannten Reserven. Das ist, wenn man so will, ein Grundstock an Kapital. Von diesem muss jede Bank eine Mindestmenge bei der EZB halten. Die Reserven können nicht einfach geschöpft werden wie die Kredite. Wenn eine Bank neues Geld schafft, muss sie dabei immer ihre Reserven im Auge behalten. Denn die Menge der Einlagen muss in einem bestimmten Verhältnis zu den Reserven stehen. Das legt die Zentralbank fest. In der EU zum Beispiel beträgt der sogenannte „Mindestreservesatz“ der EZB zurzeit einen Prozent. Wenn eine Bank also 100 Millionen Euro Kredite und Einlagen verwaltet, muss sie mindestens eine Million Reserven bei der EZB halten. Die Reserven kann man sich also wie ein Fundament vorstellen, auf dem das Haus der Kredite aufbaut. Man nennt sie deshalb auch „Zentralbankgeld“ oder“Geldbasis“.

Und woher kommen die Reserven?

Sie werden meist von der Zentralbank verliehen. Dafür bezahlt die normale Bank einen bestimmten Zinssatz, den Leitzins.

Ach ja, jener, der derzeit so niedrig ist. Und der Zweck des Leitzinses war…

Damit beeinflusst die Zentralbank, wie viel Geld die Banken schöpfen. Das geht so: Wenn sie den Leitzins erhöht, muss die Bank mehr für ihre Reserven bezahlen, also für den Grundstock. Er wird teurer. Diese höheren Kosten wird die Bank bei Kreditvergaben an ihre Kunden weiterreichen. Also werden deren Kreditzinsen höher und Kredite unattraktiver. Weniger Kredite bedeutet weniger neu geschöpftes Geld. Mit Leitzins und Mindestreservesatz steuert die Zentralbank, wie viel Geld die privaten Banken erschaffen.

Welche Rolle spielt in diesem Gefüge das Bargeld? Drucken das auch die Banken?

Nein, Bargeld kommt ausschließlich von der Zentralbank. Es zählt zu den Reserven. Das Geld, das die Banken schöpfen, ist immer Buchgeld. Also jenes, das nur in Form elektronischer Buchungszeilen vorliegt, etwa auf Bankkonten.

Bekommt die Bank die Reserven ohne jede Gegenleistung von der Zentralbank?

Nein, sie muss ihr quasi beweisen, dass sie ihrer würdig ist. Wenn sie sich Reserven ausleiht, hinterlegt sie dafür Sicherheiten wie Wertpapiere. Zum Beispiel Staatsanleihen. Diese wiederum sind Belege dafür, dass ein guter Schuldner, idealerweise ein Staat, der jeweiligen Bank Geld schuldet.

Die Banken schöpfen also Geld. Sie brauchen dafür eine kleine Basis von der Zentralbank. Die bekommen sie, indem sie belegen, dass jemand bei ihnen Schulden hat. In Wahrheit basiert unser Geldsystem auf einer Kette von Schulden und Versprechen, dass diese wieder zurückgezahlt werden.

Kann man so sagen. Aber das war nicht immer so. Denn früher gab es erstens viel mehr Bargeld als heute, also eine größere Geldbasis. Und außerdem gab es noch etwas anderes: den Goldstandard.

Was ist das?

Die Praxis, dass Geld durch Gold gedeckt ist. Bis zum Jahr 1971 etwa konnte man es bei der US-Zentralbank FED gegen Gold tauschen, genau 35 Dollar für eine Unze Gold, also 28 Gramm. Danach kündigte Präsident Richard Nixon dieses System auf. Der Dollar hing in einem fixen Verhältnis am Gold. Und alle anderen Währungen hingen in fixen Verhältnissen am Dollar. Am Grund des weltweiten Geldsystems lag also viel Gold in den Tresoren der US-Zentralbank.

Wenn ich heute zur Zentralbank gehe, bekomme ich dann auch irgendetwas für mein Geld?

Nein. Früher war Geld ein Stellvertreter für etwas, heute steht es gewissermaßen für sich selbst. Früher trugen die Banken Gold zur Zentralbank – und dafür erhielten sie Banknoten. Heute tragen die Banken Schulden zur Zentralbank – und erhalten dafür Reserven. Auf deren Basis betreiben sie dann ihre Schöpfung von Buchgeld. Ist gleich Kredite. Ist gleich neue Schulden.

tausend-kronen

Dann war früher also alles besser.

Halt, der Goldstandard ist 1971 gescheitert. Auch zuvor in seiner Geschichte war er immer wieder ausgesetzt worden. Er hatte sich nämlich als äußerst starr erwiesen. Man konnte nur so viel Geld ausgeben, wie Gold in den Tresoren lag. Es gibt aber Phasen, in denen eine Gesellschaft mehr braucht, als das Gold hergibt. Zum Beispiel, wenn sie mit Investitionen eine Wirtschaftskrise bekämpfen will. Oder in einem Krieg. Oder bei technologischen Umbrüchen, wenn es wichtige Forschungen zu finanzieren gilt. Manche Wirtschaftshistoriker glauben, jegliche Industrialisierung hänge davon ab, dass in bestimmten Phasen mehr Geld ausgegeben wird, als in Systemen mit Goldstandard zur Verfügung steht. Unsere heutige Art der Geldschöpfung hat also auch einen großen Vorteil: Sie reagiert flexibel auf die Bedürfnisse und Entwicklungen der Wirtschaft und Gesellschaft.

Aber wenn das Fundament nicht passt, sind das doch Luftschlösser.

Stimmt schon, aber es funktioniert. Zumindest solange die meisten Menschen daran glauben. Am Grund des weltweiten Geldsystems liegt heute nicht mehr Gold, sondern Vertrauen. Geld basiert auf nichts mehr. Trotzdem müssen alle daran glauben, damit das System funktioniert.

Vertrauen? Wir erleben doch seit Jahren eine Wirtschaftskrise!

Stimmt. Die Krise seit dem Jahr 2008 ist jedenfalls ein großer Riss im System des Vertrauens. Ihr Ursprung liegt darin, dass Banken und Finanzinstitutionen in den USA und Europa zu viele Kredite vergeben haben. Damit wären wir auch gleich beim großen Nachteil des derzeitigen Systems: Es mag flexibler sein als der einstige Goldstandard. Aber es fördert zugleich den Exzess in der Kreditvergabe, also der Geldschöpfung. Schließlich hindert einen heute kein Gold daran. Das untergräbt eben jenes Vertrauen, auf dem das ganze System aufbaut. So geschehen etwa während der US-Immobilienkrise: Die Banken vergaben massenhaft Kredite an Hauskäufer mit teils fragwürdiger Bonität. Immerhin winkt bei jedem Kredit ein Gewinn. Als die Schuldner das Geld nicht mehr zurückzahlen konnten, platzte die Blase. Die Häuserpreise stürzten ab, die sozialen Verwerfungen waren enorm. Die jahrelange Krise nahm ihren Lauf.

Wie reagieren die Zentralbanken darauf?

Mit ihren üblichen Instrumenten, vor allem der Senkung des Leitzinses. Er liegt heute auf historischen Tiefstständen, im Euro-Raum etwa bei null Prozent. Dies sollte eigentlich dazu führen, dass die Kreditnehmer mit billigen Krediten und mehr Geld regelrecht überflutet werden. Allerdings – und jetzt kommt das nächste Problem: Seit der Krise funktionieren die Instrumente der Zentralbanken nicht mehr richtig. Sie scheinen die Kontrolle über die Geldschöpfung zu verlieren. Kredite, Geldmenge, Inflation, Wirtschaft – trotz der Interventionen wächst nichts im wesentlichen Maß. Nur die Werte von Aktien und anderen Vermögensgütern steigen. Die EZB praktiziert derzeit weitere, bislang unerprobte Maßnahmen, etwa Negativzinsen und den direkten Kauf von Anleihen. Alles ohne großen Erfolg. Im heurigen März antwortete EZB-Präsident Mario Draghi sogar auf eine Journalistenfrage, man werde das Konzept des sogenannten Helikopter-Geldes „beobachten“. Das würde bedeuten: Jeder Europäer würde von der EZB Geld auf sein Konto bekommen. Derartige Methoden auch nur zu erwägen, galt bislang als Tabubruch. Manche sagen, das Maß an Schulden in unserem Geldsystem sei einfach zu groß geworden. Es stößt an seine Grenzen. Wir verlieren den Grundstoff Vertrauen, der einst als Ersatz für das Gold diente.

Oje, oje, was sollen wir nur tun?

Die Versuche, das Vertrauen wiederherzustellen, zielen in mehrere Richtungen. Viele sehnen sich zum Beispiel danach, dass wieder mehr als nur Vertrauen hinter dem Geld steckt. So wie früher, beim Goldstandard. Derartiges entsteht in Nischen. Zum Beispiel im Internet, beim digitalen Zahlungssystem Bitcoin („digitale Münze“).

Was war das nochmals?

Bitcoin ist eine Krypto-Währung. Entwickelt wurde sie 2008 von einer Person mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto, deren Identität bis heute nicht geklärt ist. Bitcoin ist nicht, wie andere Währungen, von Staaten und Zentralbanken organisiert. Sondern von der Gesamtheit seiner Benutzer. Auf Basis eines Computer-Protokolls, das im Hintergrund Regeln vorgibt, überprüfen sich alle Benutzer permanent gegenseitig (die sogenannte „Blockchain“, siehe Seite 46). Bitcoin ist, wenn man so will, eine Art Wikipedia in Geldform.

Schön und gut, aber inwiefern steckt hinter Bitcoin mehr als nur Vertrauen?

Das Entscheidende ist, dass bei der Entstehung von Bitcoins eine Art automatische Begrenztheit herrscht. Das Netzwerk gibt sie fix und unabänderlich vor. Derzeit existieren rund 15,8 Millionen Bitcoins, alle zehn Minuten kommen 12,5 neue hinzu. Bis zum Jahr 2035 werden 99 Prozent aller Bitcoins, insgesamt 21 Millionen, von Computern mit hoher Rechenleistung erzeugt worden sein. Genauso hat es Nakamoto seinerzeit programmiert. Das Wachstum der Geldmenge verlangsamt sich stetig, ohne Schwankungen. Wenn man so will, ist Bitcoin eine Art Goldstandard des digitalen Zeitalters. Nur sorgt kein Edelmetall für Begrenztheit, sondern die strikte technische Vorgabe. Bitcoin ist „in digitalen Stein gemeißelt“, sagt Johannes Grill vom Verein Bitcoin Austria.

Halt! Ein Protokoll, das irgendein anonymer Internet-Freak geschrieben hat, soll für etwas garantieren?

Viele glauben daran. Wie groß die Nachfrage nach Bitcoins ist, zeigt allein der Kurs zum Euro. Für einen Bitcoin bekam man 2013 noch rund 50 Euro, heute 500.

Na, dann machen wir Bitcoin doch zur neuen Weltwährung.

Tja, nach einiger Zeit würde sich wohl ein neues altes Problem einstellen: Was geschieht, wenn man mehr Geld braucht, als das System hergibt? Wie einst beim Gold kann man ja nur eine begrenzte Anzahl von Bitcoins erzeugen. Wahrscheinlich würde der Bitcoin-Standard ähnlich enden wie der Goldstandard. Bitcoin funktioniert wohl vor allem als Nischenprogramm.

Vertrackt. Gibt es keine andere Lösung?

Manche wünschen sich eine Reform der Finanzwelt, zum Beispiel der deutsche Soziologe Joseph Huber. Er plädiert für das sogenannte Vollgeld-System. In diesem Konzept sollen Banken künftig kein Buchgeld mehr schöpfen dürfen. Alles Geld soll also aus Reserven bestehen. Der Mindestreservesatz läge bei 100 Prozent. Das bedeutet: Die Banken würden nur jenes Geld in Form von Krediten weiterreichen, das sie tatsächlich von der Zentralbank bekommen. Diese könnte die Geldmenge direkt steuern. Keine Bank würde sich in einem Kreditexzess ergehen können. Finanzblasen und Vertrauensverlust wären passé, hoffen die Befürworter.

Klingt gut, aber schwer realisierbar.

Der Eingriff ins Geldsystem wäre fundamental, mit der Gegenliebe der Banken ist nicht zu rechnen. Es bleiben zudem auch abseits von der Realisierbarkeit offene Fragen beim Vollgeld, etwa wie das Wachstum der Geldmenge festgesetzt werden soll.

Gibt es nicht realistischere Möglichkeiten, das Vertrauen ins Geldsystem zu stärken?

Unserem System wohnt generell die Neigung zum Exzess inne. Letztlich geht es also darum, Anzeichen dieser Exzesse, also einer Finanzblase, rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden. Das ließe sich beispielsweise bewerkstelligen, indem man Preisentwicklungen genau beobachtet -und dann interveniert. Wenn etwa Preise für Immobilien übermäßig steigen, könnte man Kreditvergaben in diesem Bereich strenger gestalten. Oder Banken vorschreiben, dass sie ihre Geschäfte mit weniger Schulden finanzieren müssen, sondern eher mit dem Geld ihrer eigenen Aktionäre. Einige solcher Bemühungen laufen schon seit der Finanzkrise auf globaler und europäischer Ebene. Wenn das Geld problemlos seinen Zweck erfüllt, dann braucht es auch nichts, was ihm zugrunde liegt.

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