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Von Land zu Land

Aus profil 7/2018

Die ÖVP stellt sich gegen das „Country-by-Country-Reporting“ für Großkonzerne in der EU – im Europaparlament war sie 2017 noch dafür.

Von Joseph Gepp

Die Vorgeschichte steht hier

Ein profil-Bericht von vergangener Woche hat angemessen viel Feinstaub aufgewirbelt. Österreichs schwarz-blaue Bundesregierung steht dem sogenannten öffentlichen Country-by-Country-Reporting skeptisch gegenüber. Der neue ÖVP-Finanzminister Hartwig Löger misst dem Projekt „nicht die höchste Priorität bei“; es sei „nicht unbedingt erforderlich“ (profil Nr. 7/17).

Seit Jahren wird in Brüssel über diese spezielle Form der Berichterstattungspflicht verhandelt. Sie soll Hilfe leisten im Kampf gegen die Steuertricks von Großkonzernen. Vorgesehen ist, dass diese künftig Informationen wie Umsatz, Gewinn und vor allem entrichtete Ertragsteuern auf ihrer Website veröffentlichen müssen.

Die Reaktionen auf Lögers ablehnende Äußerungen ließen nicht lange auf sich warten. Von einer „Politik für Steuertrickser“ sprachen die SPÖ-Politiker Jan Krainer und Evelyn Regner. Die Parteijugend SJ rief vergangenen Dienstag gar zu einer Kundgebung vor dem Finanzministerium auf. Kritik kam wenig überraschend auch von der globalisierungskritischen Plattform Attac: „Wie schon sein Vorgänger Hans Jörg Schelling setzt sich auch der neue Finanzminister Hartwig Löger dafür ein, dass die Gewinnverschiebungen von internationalen Konzernen im Dunkeln bleiben“, schrieb Attac Österreich in einer Aussendung kurz nach Drucklegung unserer Ausgabe. So weit, so erwartbar.

Doch nun bewegen sich auch Lögers Parteifreunde, zumindest einige von ihnen. Konkret: die Riege der ÖVP-Europaparlamentarier. Diese hatte erst im vergangenen Juli im EU-Parlament fast geschlossen – ein Abgeordneter war abwesend – für die Einführung des Country-by-Country- Reportings gestimmt (wobei es natürlich nicht das erste Mal wäre, dass österreichischer Politiker auf europäischer Ebene eine andere Haltung haben als daheim).

ÖVP-EU-Parlamentsdelegationsleiter Othmar Karas gilt darüber hinaus gar als langjähriger Verfechter und Experte in Sachen Berichterstattungspflicht. „Ich setze mich weiterhin für ein öffentliches Country-by-Country-Reporting für alle großen Unternehmen ein“, erklärt Karas auf profil- Anfrage. „Die milliardenschweren Steuertricks müssen ein Ende haben.“ Und das Projekt sei „ein wirkungsvolles Instrument dafür“.

Was aber ist davon zu halten, dass die Parteikollegen in Wien dem Plan skeptisch begegnen?“Ich habe mich bereits bei den Koalitionsverhandlungen in Österreich für die Unterstützung der Transparenzbemühungen in der EU eingesetzt“, antwortet Karas. „Mit Finanzminister Löger stehe ich diesbezüglich in Kontakt. Das nächste Mal treffe ich ihn kommende Woche in Brüssel.“ Im Rahmen des Gesprächs werde er bei Löger für das Countryby-Country-Reporting „werben“, sagt Karas.

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Eingeordnet unter Europa, Steuerpolitik

„Eine vertane Chance“: Das Trennbankensystem ist gescheitert

Aus profil 46/2017

Joseph Gepp

Wenn eine Bank hochspekulative Investment- Geschäfte tätigt, müssen sie organisatorisch vom Kredit-und Einlagengeschäft getrennt werden. Das ist der Grundgedanke hinter dem sogenannten Trennbankensystem. Kleine Sparer und Kreditnehmer sollen nicht dafür geradestehen müssen, wenn die Bank infolge von Fehlspekulationen ins Wanken gerät -indem deren Einlagen bedroht oder sie plötzlich von Krediten abgeschnitten sind.

Nachdem die Finanzkrise 2008 zu zahlreichen Bankenpleiten in Europa geführt hatte, wurde in der EU der Ruf nach einem Trennbankensystem laut – ähnlich jenem, das in den USA unter Bill Clinton abgeschafft worden war. Im Jahr 2014 präsentierte Jean-Claude Junckers EU-Kommission einen Vorschlag für eine „Banken-Struktur-Verordnung“. Inhalt: „Aufsichtsbehörden können Banken anweisen, bestimmte riskante Trading-Aktivitäten von ihrem Einlagengeschäft zu trennen, sofern diese Aktivitäten die finanzielle Stabilität gefährden.“

Nun aber wurde der Vorschlag stillschweigend zu Grabe getragen. Im aktuellen Arbeitsprogramm der Kommission wird am Rande erwähnt, dass man das Projekt nicht weiter verfolge. Laut „Handelsblatt“ ließ es sich gegen den Widerstand konservativer Abgeordneter im EU-Parlament nicht durchbringen.

„Eine große Chance wurde vertan, das Finanzsystem widerstandsfähiger zu machen“, sagt Christian Stiefmüller von der Organisation „Finance Watch“ in Brüssel -schuld daran sei auch der „eiserne Griff der Finanz-Lobbys“. Das Scheitern geschehe vor dem Hintergrund, dass das Großprojekt der EU-Bankenregulierung überhaupt derzeit stocke. Zwar gibt es seit der Krise zahlreiche Reformen in der EU -von neuen Insolvenzregeln bis zu Regulierungsbehörden. Aber mittlerweile schwinde „die politische Unterstützung für all das rasant“.

Dabei kam wohl kaum eine Fehlentwicklung den Europäern jemals so teuer wie jene im Vorfeld der Finanzkrise: Die Staatsschulden dürften wegen der Bankenrettungen um rund 20 Prozent hinaufgeschossen sein (siehe Grafik links). Ob die neuen Regeln reichen, um weitere Krisen zu verhindern, bezweifelt David Walch, Sprecher des globalisierungskritischen Netzwerks Attac in Österreich: „Jede Bankenregulierung, die systemrelevante Banken nicht zerteilt, ist letztendlich gescheitert. Die Rechnung dafür werden wir wieder in der nächsten Finanzkrise präsentiert bekommen.“

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Eingeordnet unter Wirtschaft

Inselspringen

Aus profil 6/2016

Ikea, Google, Fiat. Sie alle vermeiden es, Steuern zu zahlen, indem sie ihre Gewinne von Land zu Land verschieben. Jetzt will die EU dagegen vorgehen. Doch der Weg zu einem anderen Steuersystem ist noch weit.

Von Joseph Gepp

Wenn EU-Dokumente nach etwas nicht klingen, dann nach Visionen. Der Inhalt dessen, was Woche für Woche in Brüssel an Papieren publiziert wird, fällt zwar bisweilen durchaus visionär aus. Aber das zeigt sich immer erst auf den zweiten Blick. Zunächst ist da ein Wulst an Fachausdrücken und technischen Formulierungen.

Umso erstaunlicher eine 17-seitige Mitteilung vom vergangenen Juni. In ungewöhnlich klaren Worten skizziert darin die EU-Kommission – quasi die Regierung der EU unter Jean-Claude Juncker – ihren Weg zu einem gerechteren Steuersystem. Von „Missbrauch“ ist die Rede. Von „schädlichen Auswirkungen“. Und davon, dass es an der Zeit sei, „die Dinge anzugehen“.

Die Kommission hat sich etwas vorgenommen – und vergangene Woche legte sie nach. Sie präsentierte konkrete Schritte im Kampf gegen die Steuervermeidung großer Konzerne. Ikea, Google, Facebook, Starbucks, Apple, Amazon, Fiat, sie alle nutzen raffinierte – legale – Methoden, um auf ihre Gewinne kaum Steuern zu entrichten. Wo steht Europas Kampf gegen die „aggressive Steuerplanung“, wie Experten das nennen? Wird er richtig geführt? Wie genau tricksen Unternehmen? Die Maßnahmen spielen sich jedenfalls vor dem Hintergrund eines Paradigmenwechsels infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 ab. Bis dahin schauten Staaten gerne weg, wenn Unternehmen tricksten. Letztere würden ja im Gegenzug Arbeitsplätze schaffen, so das Argument. Außerdem halte der Steuerwettbewerb – also die Praxis, dass Staaten Firmen mit attraktiven Steuergesetzen locken – Erstere fit und effizient.

Heute steht diese Ansicht massiv infrage. Arbeitslosenzahlen und Austeritätskurse fachen den öffentlichen Druck an. Dazu kommen Enthüllungen wie vergangenes Jahr, als herauskam, dass Luxemburg bis 2010 Konzernen per Sonderbescheiden Steuerprivilegien eingeräumt hatte.

Jedes Jahr gehen in der EU laut Kommission 50 bis 70 Milliarden Euro wegen Steuervermeidung verloren. Zudem würden kleine und mittlere Unternehmen „massiv benachteiligt“. Diese bezahlen laut EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici durchschnittlich 30 Prozent höhere Steuern als multinationale Konzerne – obwohl sie EU-weit für rund 85 Prozent aller neuen Arbeitsplätze sorgen.

Die Methoden der Steuervermeidung sind komplex, doch Grundmuster ziehen sich durch. Immer nutzen die Konzerne Lücken zwischen Steuergesetzen einzelner Länder aus. Immer verschieben sie Gewinne dorthin, wo kaum Steuerpflicht herrscht.

Beispiel: Ein Pharma-Konzern müsste auf seine Profite aus Medikamentenverkäufen Steuern entrichten. Das vermeidet er mithilfe einer Tochterfirma in einem Land mit minimaler Besteuerung. Dort werden die Patente auf die Medikamente angemeldet. Danach zahlt die Konzern-Tochter im Hochsteuerland, in dem die Produkte verkauft werden, hohe Gebühren für die Nutzung der Patentrechte an ihre Steueroasen-Schwester. Deshalb schmilzt der – steuerpflichtige – Gewinn im Hochsteuerland dahin. Die Gewinne in der Oase bleiben unversteuert.

Eines derartigen Modells, allerdings mit Lizenzen statt Patenten, bediente sich etwa auch die heimische Möbelhauskette XXXLutz -damals unter der Geschäftsführung des heutigen ÖVP-Finanzministers Hans Jörg Schelling (profil 37/2014).

Oder die Konzerne tricksen mit Krediten. Muster: Eine Tochter in einer Steueroase verborgt Geld an eine im Hochsteuerland. Wenn Letztere den Kredit samt hoher Zinsen zurückzahlt, schmälert dies ihren steuerpflichtigen Gewinn.

Solchen Praktiken will die EU-Kommission einen Riegel vorschieben. Ihr Plan orientiert sich an einer Vorlage der OECD, der ökonomischen Denkfabrik der reichen Länder.

Die Trickserei mit den Krediten etwa? Soll künftig verhindert werden, indem Unternehmen Zinszahlungen, die sie an Schwesterfirmen leisten, nicht unbegrenzt von ihren Gewinnen abziehen dürfen.

Und die Gebühren für Patentrechte? Wenn künftig Konzern-Töchter untereinander derlei Geschäfte machen, müssen die Summen marktüblich sein, so der Vorschlag. Das bedeutet, die Preise für die Patentrechte müssen dem entsprechen, was auch fremde Firmen für sie zahlen würden. Das soll verhindern, dass der komplette Firmengewinn unter fadenscheinigen Vorwänden in Steueroasen fließt.

Die Reaktionen auf den Plan fallen gemischt aus. SPÖ wie ÖVP im EU-Parlament jubeln. Deutsche Unternehmensvertreter warnen, dass die europäische Industrie stärker belastet werden könnte als die US-Internet-Konzerne, weil Letztere neue Schlupflöcher finden würden. Ablehnend reagiert auch das globalisierungskritische Netzwerk Attac, das seit Jahren für neue Unternehmenssteuern trommelt.

„Löchrig und unzureichend“, nennt Sprecher David Walch den Entwurf. „Die Kommission will jeder gängigen Steuervermeidungsmethode mit einem maßgeschneiderten Gesetz begegnen. Aber so funktioniert das nicht. Solange die EU das dahinterliegende Problem nicht behandelt, werden sich immer neue Schlupflöcher auftun.“

Als dahinterliegendes Problem sehen Kritiker, dass multinationale Konzerne steuerlich behandelt werden wie eine Vielzahl einzelner Firmen – und nicht wie eine große. Daher fordern sie eine „Einheitskonzernbesteuerung“ oder „Unitary Taxation“.

In diesem Konzept muss der Konzern, als Einheit betrachtet, seine Gewinne, Mitarbeiter und Vermögenswerte je Land offenlegen. Danach bezahlt er Steuern – idealerweise dort, wo Beschäftigte arbeiten, Einnahmen anfallen und Verkäufe stattfinden. Dass sich in Steueroasen Gewinne auftürmen, wäre für Firmen wohl nicht mehr attraktiv.

Die Unitary Taxation existiert etwa bereits zwischen den Bundesstaaten der USA. Das soll verhindern, dass, beispielsweise, ein Unternehmen seine Gewinne aus Kalifornien in Nevada verschleiert.

Auch in Europa zeigt sich die EU-Kommission angetan von der Idee. In der Mitteilung mit den klaren Worten schwärmen die EU-Beamten von weitgehend harmonisierten Regeln einer europäischen Körperschaftssteuer auf Unternehmensgewinne – also einer Art Unitary Tax. Dies wäre der beste Weg, um „die Verbindung zwischen dem Ort der Besteuerung und dem Ort der Wertschöpfung zu festigen“.

Doch wo es um die Realisierung geht, klingt das sonst so visionäre Dokument kleinlaut. Das Projekt erfordere jedenfalls noch „schwierige Beratungen“ mit den Mitgliedsstaaten. Es sei eine „sehr ambitionierte Initiative“.

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Eingeordnet unter Europa, Wirtschaft

Buch: Den Mythos Reiche abklopfen

Aus dem FALTER 6/2015

Was ist dran an dem, was über Reiche und Reichtum allgemein angenommen wird? In einem neuen Buch haben drei zivilgesellschaftliche Organisationen – der Sozialwissenschaftlerkreis Beigewum, das globalisierungskritsche Netzwerk Attac und die Armutskonferenz – gängige Reichen-Mythen auf ihren Wahrheitsgehalt abgeklopft.

Herausgekommen ist ein klar strukturiertes und ebenso geschriebenes Werk, das viele jener halbgaren Annahmen, die man häufig vernimmt, einem Realitäts-Check unterzieht. Beispiel: „Reiche zahlen die meisten Steuern.“ Das stimme zwar, führen die Autoren aus, wenn man allein die Lohnsteuer betrachte, von denen Gutverdienende tatsächlich mehr bezahlen. Berücksichtigt man jedoch auch die restlichen 80 Prozent des heimischen Steueraufkommens, etwa Sozialversicherungsbeiträge oder Umsatzsteuer, sieht die Sache ganz anders aus.

Durchwegs interessant werden im Buch die Mythen abgehandelt, neben dem Steuerthema etwa „Demokratie ist nicht käuflich“ oder „Europas Norden ist fleißiger als der Süden“.

 Attac/Beigewum/Armutskonferenz: Mythen des Reichtums. VSA, 176 S., € 12,80


Attac/Beigewum/Armutskonferenz: Mythen des Reichtums. VSA, 176 S., € 12,80

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Das „Zukunftsbudget“: Woher das Geld für nötige Reformen kommen könnte

Aus dem FALTER 17/2014

Ein Budget, sagt Alexandra Strickner, das sei „in Zahlen gegossene Politik“. Strickner, 45, Ökonomin, ist eine der Begründerinnen des globalisierungskritischen Netzwerks Attac in Österreich. Und sie steht federführend hinter einem Projekt, das Klarheit und Transparenz in den schwierigen Bereich des Budgets bringen soll: dem sogenannten „zivilgesellschaftlichen Zukunftsbudget“.

Attac-Ökonomin Alexandra Strickner

Attac-Ökonomin Alexandra Strickner

Dieses Zukunft sbudget ist kein Projekt von Attac allein. 16 Organisationen von der ÖH über Greenpeace bis zur Gewerkschaft Bau-Holz haben sich zusammengetan. Die Idee entstand im Krisenjahr 2009. Der Gedanke? „Wir wollten Alternativen zur Kürzungspolitik aufzeigen, die sich abzeichnete“, sagt Strickner. „Und dabei den Blick auf die Frage lenken, wer welche Steuern zahlt und wer nicht.“ Herausgekommen ist dieses, nun ja, Budget. Die Organisationen listen Forderungen auf – und präsentieren Finanzierungsquellen dafür. Im Vergleich zum echten Budget ist das hier ausgeglichen.

Weil sich alle teilnehmenden Organisationen einig sein müssen, fehlen allzu revolutionäre Konzepte wie etwa das bedingungslose Grundeinkommen. Stattdessen finden sich eher Ideen, die im österreichischen Kontext realisierbar scheinen. Auch seien die Maßnahmen durchwegs auf österreichischer Ebene durchsetzbar, sagt Strickner – von Ausnahmen wie einer Finanztransaktionssteuer oder einer Flugzeugkerosinsteuer abgesehen.

Wer sich durch die 78 Seiten des Budgets arbeitet – die Ausgabe für 2014 liegt bereits vor -, stellt fest: Über weite Strecken fordert das alternative Budget nichts anderes als viele etablierte Wirtschaftsexperten: vor allem eine steuerliche Entlastung der Arbeitseinkommen, der eine höhere Besteuerung von Vermögen gegenüberstehen müsste. Immerhin stammen 57 Prozent des heimischen Steueraufkommens von Löhnen und Sozialversicherungsabgaben sowie weitere 25 von der Umsatzsteuer – und lediglich 14 Prozent kommen von Gewinnen und Vermögen.

Auf der Ausgabenseite im alternativen Budget findet sich wenig Überraschendes: Mithilfe etlicher konkreter Maßnahmen soll etwa Armut bekämpft, Pflege und Kinderbetreuung ausgebaut werden. Beigefügt sind jeweils auch praktische Umsetzungsmöglichkeiten. So weit, so gut – aber die interessantere Frage lautet: Wie könnten all die Projekte finanziert werden?

Hier schlagen die Autoren eine Vermögenssteuer auf Geld, Wertpapiere und Immobilien vor. Ab 500.000 Euro Vermögen würde sie abgestuft 0,25 bis 1,45 Prozent betragen. Einnahmen laut Zukunftsbudget: jährlich 3,5 Milliarden Euro.

Weitere 300 Millionen könnten aus einer Anhebung der Lohnsteuer für Spitzenverdiener von derzeit 50 auf 60 Prozent resultieren. Weitere Maßnahmen wären etwa eine Grundsteuerreform sowie die Besteuerung von Gewinnen, die aus dem Verkauf von Beteiligungen in Stiftungen stammen.

Nächster Brocken: Unternehmen. Hier fordern die Autoren die Anhebung der Körperschaftssteuer, also der Steuer auf Unternehmensgewinne, von derzeit 25 auf 27,5 Prozent – das wäre dann der Durchschnitt in den OECD-Staaten. Mehreinnahmen pro Jahr: rund 500 Millionen. Weiters wird eine Reform der Gruppenbesteuerung angeregt, jener Maßnahme von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, die es Firmengruppen ermöglicht, ausländische Verluste mit Gewinnen im Inland gegenzurechnen. Auch der Rechnungshof bemängelte vergangenes Jahr die durch dieses Steuerprivileg verursachten hohen Kosten und die mangelnden Kontrollmöglichkeiten. Die Regierung hat bereits eine Reform in Angriff genommen – doch die Macher des Zukunftsbudgets schlagen eine noch umfassendere vor.

Zugutekommen sollten diese Veränderungen vor allem Pensionisten und Niedrigverdienern mit bis zu 3400 Euro brutto pro Monat. Diese zahlen in Österreich weitaus höhere Lohnsteuern als im EU-Schnitt. Die Maßnahme könnte per Gutschrift erfolgen, profitieren würden fast fünf Millionen Arbeitnehmer und Pensionisten.

Interessieren all diese Zahlen auch irgendjemanden außerhalb eines kleinen Kreises im NGO- und Gewerkschaftsbereich?“Wir tragen zu einem Bewusstseinswandel bei“, antwortet Strickner. „Und der schlägt sich durchaus auch in der Politik nieder.“ Das zeige sich beispielsweise in Reformen wie der Besteuerung von Zinsgewinnen aus Stiftungsvermögen, die die Regierung im Jahr 2011 beschloss. Oder in der Bankenabgabe aus demselben Jahr. „Die Krise“, sagt Alexandra Strickner, „hat unseren Forderungen Auftrieb gegeben.“

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Als Banker noch ihren Job machten

Aus dem FALTER 30/2013

Dominique Plihon erklärt, wie eine krisenresistente Finanzindustrie aussehen könnte

Interview: Joseph Gepp

Die Finanzindustrie in ihrer derzeitigen Verfasstheit führt zu Instabilität. So lautet die zentrale These des französischen Ökonomen Dominique Plihon, 66, Bankenkritiker und Ökonomieprofessor an der Université Paris Nord. Der Falter traf Plihon, der auch den wissenschaftlichen Beirats der von Attac Frankreich leitet, am Flughafen Wien. Plihon sprach bei einem Kongress des globalisierungskritischen Netzwerks im Burgenland.

Falter: Herr Plihon, nachdem 2008 die US-Bank Lehman Brothers pleitegegangen war, gab es die schlimmsten ökonomischen Verwerfungen seit 1929. Das ist fünf Jahre her. Ist das Finanzsystem heute stabiler?

Dominique Plihon: Im Wesentlichen nicht. Am Anfang gelang es Regierungen und Zentralbanken zwar, den Kollaps zu verhindern. Doch die folgenden Reformen gingen nicht weit genug, um das Geschäftsmodell der Banken nachhaltig zu verändern. Zum Beispiel können Banken heute wie eh und je die Steuerflucht für Reiche organisieren. Oder: Weil entgegen zahlreichen Ankündigungen Geschäfts- und Investmentbanken nicht voneinander getrennt wurden, haften Steuerzahler de facto immer noch für Hochrisikogeschäfte. Aus all diesen Gründen halte ich eine neue Bankenkrise für ziemlich wahrscheinlich.

Aber es gibt doch einen internationalen Trend in Richtung Regulierung der Missstände, die die Krise ausgelöst haben.

Plihon: Ja, aber der Teufel steckt im Detail. In Europa etwa sehe ich durchaus ernsthafte Versuche einer anspruchsvollen Reform. Die sogenannte Bankenunion sieht Aufsichtsrechte der EZB über nationale Banken vor, dazu einen europaweiten Anlegerschutz für Sparer und Insolvenzregeln, damit Steuerzahler künftig nicht mehr für Banken haften. Das klingt erst mal sehr gut.

Aber?

Plihon: Wichtige Reformen bleiben im Ansatz stecken. Wenn man beispielsweise die EZB stärken will, muss man vorher ihr Demokratiedefizit beseitigen – die EZB ist schon jetzt die am wenigsten demokratisch kontrollierte Zentralbank der Welt. Unklar ist weiters, ob die EZB-Kontrollen nur für den Euroraum gelten sollen oder für die ganze EU. Im zweiten Fall bliebe Großbritannien, Europas wichtigstes Finanzzentrum, unkontrolliert, was das ganze Vorhaben ad absurdum führen würde. Bei Anlegerschutz und Insolvenzregeln muss man weiters fragen, ob im Ernstfall reiche Länder tatsächlich für arme zahlen werden. Während der Zypern-Krise war die EU ja sehr schnell bereit, Kleinsparer zu belasten. All das sind Fragen, die die politische Architektur Europas betreffen; rasche Lösungen sind eher nicht zu erwarten.

Welche Lösungen gibt es stattdessen?

Plihon: Ich fordere eine Demokratisierung und soziale Kontrolle von Banken. Alle gesellschaftlichen Kräfte, die von der Finanzindustrie betroffen sind, sollen sie auch mitgestalten dürfen. Also nicht nur Shareholder, sondern auch Kunden, Angestellte und die öffentliche Hand. Das würde das Geschäftsmodell der Banken ändern. Soziale oder ökologische Gesichtspunkte würden in den Vordergrund rücken. Diese Reform verlange ich übrigens auch für die EZB.

Muss man die Banken dafür verstaatlichen?

Plihon: Nicht unbedingt. Es geht stattdessen um Regeln, wie beispielsweise Vorstandsetagen und Aufsichtsräte bestückt werden. Hier sollten Shareholder nur noch ein Drittel der Posten besetzen. Auf diese Weise können wir das Grundproblem angehen: die totale Privatisierung der Geld-, Kredit- und Bankwirtschaft.

Ihr Modell klingt nach den 1970er-Jahren, als Banken noch oft unter Kontrolle des Staates oder seiner Parteien standen.

Bankenkritiker Dominique Plihon lehrt und forscht an der Universität Paris Nord

Bankenkritiker Dominique Plihon lehrt und forscht an der Universität Paris Nord

Plihon: Verstaatlichung allein ist zwar keine Lösung und es war bei weitem nicht alles gut an dieser Ära – aber ein Stück weit können wir schon von ihr lernen. Vor der sogenannten „Finanzialisierung“ haben Banken noch ihren Job gemacht. Sie waren auf die Realwirtschaft konzentriert und finanzierten etwa mittelständische Unternehmen in ausreichendem Maß. Nicht umsonst hat Keynes schon in den 1930ern gesagt: „Die Arbeit eines Bankers muss langweilig sein.“ Doch die neoliberalen Reformen unter Reagan und Thatcher haben mit solchen Sichtweisen Schluss gemacht.

Diese Reformen haben etwa auch die Schattenbanken hervorgebracht, die keiner Kontrolle unterliegen. Wie wollen Sie sicherstellen, dass sie ebenfalls von den Reformen betroffen wären?

Plihon: Da gibt es viele Möglichkeiten. Wir können zum Beispiel die Kreditvergabe von Banken an Hedgefonds einschränken. Das meiste spekulative Kapital dieser Player kommt ja von regulären Banken. Viele Hedgefonds gehören sogar Banken. Ein wichtiger Grund für das Scheitern der US-Banken Lehman Brothers und Bear Stearns beispielsweise war, dass sie über ihre Hedgefonds viel Geld verloren hatten.

Für wie wahrscheinlich halten Sie eine Realisierung Ihrer Ideen in absehbarer Zeit?

Plihon: Es ist ein weiter Weg, und ein elitäres Bündnis von Politik und Banken stemmt sich gegen solche Pläne. Man muss die Öffentlichkeit wachrütteln.

Sie kommen aus einem Land, dessen sozialistischer Präsident François Hollande 2012 die Wahlen auch deshalb gewonnen hat, weil er eine Reform des Finanzsektors gefordert hat. Hat er bislang Erfolg?

Plihon: Überhaupt nicht. François Hollande scheitert gerade mit seinen beiden wichtigsten Wahlversprechen, der Finanztransaktionssteuer – die gerade auf EU-Ebene auch auf Frankreichs Initiative hin verwässert wird – und der Trennung von Geschäftsund Investmentbanken. Meiner Ansicht nach ist die Politik in Frankreich ein gutes Beispiel für das Bündnis zwischen politischen Eliten und Banken.

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Eingeordnet unter Europa, Wirtschaft