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Warum Google kaum Steuern zahlt

Aus dem FALTER 21/2013

Wie entgehen Konzerne der Finanz? Eine Steuerberaterin wollte es genau wissen

Interview: Joseph Gepp

Bankgeheimnis, Steueroasen, Offshore-Leaks – das Thema Steuern ist derzeit in aller Munde. Im Fokus der Debatte stehen jedoch vor allem kriminelle Steuerhinterzieher; dadurch gerät aus dem Blick, dass multinationale Konzerne ganz legal Schlupflöcher nutzen, um jährlich Steuermilliarden zu sparen. Die deutsche Steuerberaterin und Aktivistin Astrid Kraus hat sich am Beispiel des US-Internetriesen Google angeschaut, wie das Steuervermeidungsmodell konkret funktioniert.

Falter: Frau Kraus, Google zahlt auf seine Gewinne in Europa unglaublich niedrige 0,2 Prozent Steuern. Wie funktioniert das?

Astrid Kraus: Vorausschicken muss man, dass Google nicht mit materiellen Gütern handelt, sondern mit Software. Das macht es für den Konzern einfach, weil man Suchmaschinenintelligenz überall ansiedeln kann. In diesem Fall in einem extremen Niedrigsteuerland, den Bermudas. Google lotst alle seine Gewinne über verschiedene legale Konstrukte und Schlupflöcher dorthin.

… wo dann keine Steuern anfallen.

Kraus: Richtig. Und damit auf dem Weg auf die Bermudas auch keine Steuern fällig werden, nutzt Google die Unterschiede in Steuerjurisdiktionen in europäischen Ländern und den USA aus. So sieht beispielsweise das US-Gesetz vor, dass bestimmte Gewinne im Ausland besteuert werden – was dort de facto aber nicht geschieht. Oder europäische Länder wie die Niederlande heben keine Quellensteuer ein – also jene Steuer, die normalerweise direkt dort fällig wird, wo die Einkünfte erzielt werden. Solche Unterschiede macht sich Google zunutze.

Angenommen, ich schalte um 100 Euro Werbung auf Google. Welchen Weg nimmt das Geld?

Kraus: In einer einfachen Welt würde Ihnen Google USA eine Rechnung schicken, die Sie begleichen, und Google zahlt auf den Gewinn 35 Prozent Steuern. Tatsächlich jedoch läuft es so ab: Die Rechnung kommt von einer Google-Tochter in Irland. Diese ist jedoch nur Lizenznehmerin einer niederländischen Gesellschaft. Für die Lizenz zahlt Irland an die Niederlande 98 Euro. Die niederländische Tochter ist wiederum nur Lizenznehmerin der Tochter auf den Bermudas. Dorthin schickt sie 96 Euro. Fazit: Vier Euro werden in Irland und den Niederlanden regulär versteuert, 96 landen unversteuert auf den Bermudas.

Aber es müssten doch Steuern anfallen, wenn die Bermudas-Tochter das Geld am Ende an die US-Konzernmutter überweist?

Kraus: Das ist der große Nachteil am Konstrukt, aus der Sicht von Google. Weil die Einkünfte in den USA steuerpflichtig würden, bleiben sie auf den Bermudas. Dort stecken deshalb immer größere Summen fest – obwohl dort in Wahrheit wahrscheinlich nur zwei Mitarbeiter sitzen und Lizenzen verwalten. Formell bekommt die US-Konzernmutter von der Bermudas-Tochter lediglich Honorare für Aufträge, mit diesem Geld werden dann in den USA Angestellte bezahlt und andere Ausgaben bestritten.

Warum hat sich Google in Europa ausgerechnet die Niederlande und Irland ausgesucht?

Kraus: Hier kommen die erwähnten Unterschiede in nationalen Steuerrechten ins Spiel. Grob gesagt geht es um Feinheiten im US-amerikanischen und irischen Unternehmensrecht und die Tatsache, dass es in den Niederlanden keine Quellensteuer gibt. Ich muss allerdings dazusagen, dass ich das Konstrukt extrem vereinfacht darstelle. Tatsächlich ist es ziemlich kompliziert. Sie brauchen dafür gute Berater und müssen international gut aufgestellt sein.

Ist das Modell Google repräsentativ für einen multinationalen Konzern oder ist es ein Extrembeispiel?

Kraus: Grundsätzlich gilt: Wo eine schicke Marke im Vordergrund steht und echte Güter eine eher geringe Rolle spielen, dort ist das Steuervermeidungsmodell oft ähnlich ausgeprägt wie bei Google. Ein Beispiel ist Starbucks, denn Kaffee kann man überall kaufen. Etwas andere Geschäftsmodelle, die jedoch auf ähnliche Resultate hinauslaufen, haben etwa auch Amazon und Ikea.

Was müsste geschehen, um Googles Steuervermeidung zu verhindern?


Astrid Kraus ist Steuerberaterin und Aktivistin für Steuergerechtigkeit in Köln. Nebenher engagiert sie sich bei Attac und der Partei Die Linke. Googles Steuervermeidungsmodell hat Kraus in einem detaillierten Aufsatz aufgeschlüsselt. "Wie Google ganz legal (fast) keine Steuern zahlt“ findet man am besten durch Googeln

Astrid Kraus ist Steuerberaterin und Aktivistin für Steuergerechtigkeit in Köln. Nebenher engagiert sie sich bei Attac und der Partei Die Linke. Googles Steuervermeidungsmodell hat Kraus in einem detaillierten Aufsatz aufgeschlüsselt. "Wie Google ganz legal (fast) keine Steuern zahlt“ findet man am besten durch Googeln

Kraus: Ziemlich viel. Die USA müssten ihr Unternehmensrecht ändern, aber dafür findet sich derzeit im Kongress keine Lobby. Sämtliche europäischen Länder müssten Quellensteuer erheben, Irland müsste seine Steuersätze erhöhen. Schließlich müssten alle Länder Druck auf Steueroasen ausüben. Insgesamt würde die Angelegenheit eine extrem komplexe, internationale Kooperation erfordern. Ich bin da pessimistisch und glaube eher an eine Veränderung der Steuermoral. Es muss uncool werden, mit Steuern zu tricksen. Die Allgemeinheit muss Steuersünder an den moralischen Pranger stellen.

Dann sind wir ja schon auf dem richtigen Weg – schließlich gibt es etwa den Fall der Offshore-Leaks, und das Thema Steuern wird in der Wirtschaftskrise viel diskutiert.

Kraus: In gewisser Weise sind wir richtig. Aber man muss aufpassen, dass die Steuerfluchtdebatte nicht zum Ablenkungsmanöver wird. De facto dulden die Regierungen Schlupflöcher. Steuern auf Unternehmensgewinne senken sie seit 20 Jahren ebenso drastisch wie Steuern für Bezieher hoher Einkommen. Wenn man immer nur auf kriminelle Steuersünder zeigt, kann man leicht von den Versäumnissen der Staaten ablenken.

Gibt es konkrete Versuche, Konstrukte wie bei Google zu unterbinden?

Kraus: Die OECD versucht, der Steuervermeidung und -hinterziehung Herr zu werden. Es gibt das Steuerabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz. Und auch, dass Österreich sein Bankgeheimnis für Ausländer aufgibt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Insgesamt hoffe ich, dass über eine moralische Wende tatsächlich auch eine reale Veränderung der Besteuerungspraxis eintritt.


10,737 Mrd. $ Gewinn machte Google im Jahr 2012. Das ist mehr als das BIP von Malta oder Mazedonien
0,2 % Steuern zahlte Google auf seine Gewinne in Europa


Double Irish with a Dutch sandwich heißt das Steuervermeidungsprinzip bei Google. Google-Chef Eric Schmidt rechtfertigte es einmal mit den Worten: „Man nennt dies Kapitalismus“

Hier geht’s zum Aufsatz „Wie Google ganz legal (fast) keine Steuern zahlt“

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