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Die Stadt für alle Fälle

Aus dem FALTER 5/2014

Für den Fall eines Umsturzes hat der innerste ukrainische Machtzirkel vorgesorgt -in Wien

Ein Stück des Kiewer Maidan-Platzes reichte vergangenen Donnerstag bis nach Wien. Vor der Korruptionsstaatsanwaltschaft am Donaukanal versammelten sich Ukrainer. „Vermögen einfrieren!“, skandierten sie und schwangen blaugelbe Fahnen. Österreich, so der Vorwurf, helfe ukrainischen Oligarchen, indem es als Basis für allerlei Geschäfte fungiere.

Tatsächlich besitzt der innerste Machtzirkel der Ukraine, der in Kiew auf Protestierende losgeht, Vermögen und Firmen in Österreich. Einmal mehr spielt Wien eine zentrale Rolle bei dubiosen Ost-Deals.

Es geht vor allem um ein Brüderpaar aus dem ostukrainischen Donezk, Andrij und Serhij Kljujew. Die Kljujews zählen zu den reichsten Ukrainern; sie sind Parlamentsabgeordnete und Vertraute von Präsident Viktor Janukowytsch. Seit sie in den 90ern im Zug der Privatisierungswelle reich wurden, richten sie ihr Imperium auf Russland aus – entsprechend gelten sie als Hardliner ohne viel Interesse an einer EU-Annäherung.

Andrij Kljujew war als Chef des Sicherheitsrats federführend für den Umgang mit Demonstranten zuständig, vergangene Woche stieg er zu Janukowytschs Präsidialamtschef auf. Serhij leitet die Geschicke des Familienunternehmens, der Slav AG. Ihr Sitz: Wien.

Laut Online-Firmenregistern gehört die Slav je zur Hälfte Andrij und Serhij. In Österreich selbst tätige der Konzern „praktisch kein Geschäft“, hieß es 2006 in der Wiener Zeitung. Stattdessen fungiert Slav als Dach für ukrainische Kljujew-Firmen, etwa in der Metall-, Finanz-und Immobilienbranche.

Die Firmenzentrale nahe der Ringstraße erkennt man nur an der Türklingel, eine Homepage gibt es nicht. Zu welchem Zweck braucht man so eine unorthodoxe Firmenkonstruktion? Slav antwortet nur mit einem dünnen Statement: Man führe Geschäfte rechtskonform und „nach „üblichen Corporate-Governance-Standards“.

Konkreter wird die Ukrainska Prawda, ein gutinformiertes Onlineblatt aus Kiew. Demnach entscheide Andrij Kljujew als Politiker über Auftragsvergaben, etwa Kraftwerksbauten. Den Zuschlag würden dann unverdächtige Firmen aus Wien erhalten, zum Beispiel ein Solarunternehmen namens Activ Solar – in Wahrheit eine Tochter von Kljujews Slav. Die Kljujews, so der Vorwurf, schanzen ihrem Konzern Aufträge zu. Ein Sprecher von Activ Solar nennt dies „haltlos und unwahr“:“Die Firma gehört Investoren aus der EU und dem Management, die Slav AG hält keine Anteile.“

In Kiew jedenfalls sind die Slav und ihre Töchter Gegenstand intensiver Recherchen. So wurde selbige Activ Solar 2009 von Slav an einen Trust in Liechtenstein verkauft. Diesen leitet ein österreichischer Anwalt namens Reinhard Proksch. Proksch, der für den Falter nicht zu sprechen war, kommt in vielen ukrainischen Medien vor. Er scheint ein Vertrauensmann der Oligarchen zu sein. Über den Umweg einer britischen Firma hält Prokschs Trust etwa auch Anteile an Immobilien der Präsidentenfamilie Janukowytsch – etwa der „Meschigorja“, Janukowytschs Luxusvilla nahe Kiew. Im Sommer 2012 wurde über verschlungene Wege sogar ein Österreicher zum Kurzzeiteigentümer dieser Villa: der Wiener Aktienbroker Johann Wanovits. Hierzulande kennt man ihn vor allem vom Telekom-Skandal, er soll die Kurse des Konzerns manipuliert haben. Der Zweck solch verschachtelter Konstrukte ist unklar, ukrainische Medien vermuten Geldwäsche. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Ukrainische Aktivisten demonstrierten am Donnerstag vor der Staatsanwaltschaft gegen die Österreich-Verwicklungen ukrainischer Oligarchen

Ukrainische Aktivisten demonstrierten am Donnerstag vor der Staatsanwaltschaft gegen die Österreich-Verwicklungen ukrainischer Oligarchen

Doch zurück zu den Kljujew-Brüdern und ihrer Slav: In der österreichischen Öffentlichkeit tauchte die Firma nur einmal auf. Das war bei der Privatisierung der landeseigenen Bank Burgenland 2006. Slav bot mit, unterlag aber gegenüber dem steirischen Versicherungskonzern GraWe. Später beschwerten sich die Ukrainer bei der EU-Kommission, weil sie sich für den Meistbietenden hielten – erfolgreich. Nun muss die GraWe 50 Millionen Euro nachzahlen, derzeit wird über eine Lösung verhandelt.

Der misslungene Kauf der Bank Burgenland fiel in eine Zeit, in der die Kljujews ihr Geschäftsfeld erweitern wollten. Zum Kerngeschäft der Schwerindustrie sollten sich „Immobilien und Finanz“ gesellen, hieß es 2006. Damals verlagerte sich der Schwerpunkt vieler Geschäfte nach Wien. In der Ukraine wurden die Brüder indes immer mehr zum Symbol für einen russlandfreundlichen Filz, der den Staat angeblich zur Bereicherung nutzt. Aufsehen erregten etwa kürzlich Dokumente, die ebenfalls die Ukrainska Prawda veröffentlichte. Es sind Formulare der Landes-Hypo Vorarlberg von 2010, ausgefüllt von Andrij und Serhij Kljujew.

Die Bank legte sie den Brüdern vor, nachdem sie zu Kunden bei ihr geworden waren, wie die Vorarlberger Hypo auf Falter-Nachfrage bekannt gab. Slav hatte gerade ein Immobilienunternehmen erworben, das seine Konten bei der Landes-Hypo hat. Auf den Formularen beantworten die Kljujews die Frage, ob es sich bei ihnen um sogenannte „politisch exponierte Personen“ handelt: Gehen Bankkunden nämlich politischen Tätigkeiten nach, müssen Banken strenger auf Geldwäsche achten. Die Kljujews jedoch setzten ihr Kreuz bei „Nein“ – trotz hoher Posten in der Politik.

Strafrechtlich ist die Falschangabe nicht relevant – die Bank ist für die Angaben verantwortlich, nicht der Kunde. Es wirkt aber, als wollten die Brüder Kontrollen umgehen. Die Vorarlberger Hypo sagt, man habe die Kljujews unabhängig von deren eigenen Angaben als politisch exponiert eingestuft. Denn durch „Medienberichte in Österreich“ habe man die Brüder bereits gekannt.

Fazit: Die ukrainische Machtelite verfügt über ein dichtes Netz an Firmen, Konten und Kontaktleuten in Österreich. Es geht vor allem um die Kljujews, teils auch um die Präsidentenfamilie selbst. Sie alle haben sich hier einen Hafen geschaffen, sicher vor revolutionären Umbrüchen. Ausheben könnte man solche Netze nur mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, etwa bei möglichem Geldwäscheverdacht. Oder mit dem Einfrieren von internationalen Konten der ukrainischen Elite, wie es der schwedische Außenminister Carl Bildt fordert.

Sollten sich die Machtverhältnisse in der Ukraine ändern, dann könnten die Kljujew-Brüder jedenfalls bald persönlich nach Österreich kommen. Einen exklusiven Wohnort hätten sie schon: Serhij Kljujews Ehefrau Iryna ist hier hauptgemeldet – in einer Villa am Tulbingerkogel nahe Wien.

Randinfo:
„Das Ausmaß von Diebstahl und Unterdrückung übersteigt alle Vorstellungen von menschlicher Gier“, schreibt der ukrainische Schriftsteller Juri Andruchowytsch über die Zustände seines Landes. „Glauben Sie bitte nicht, dass Sie ‚Extremisten‘ oder ‚Rechtsradikale‘ vor sich haben. (…) Die Ukrainer verteidigen heute die europäischen Werte einer freien und gerechten Gesellschaft“

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