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Faymann und der schlaue Fuchs

Aus dem FALTER 17/2014

Wer ist Michael Griesmayr, der in der Krieau hochlukrative Grundstücke von der Gemeinde Wien erwarb?

BERICHT: JOSEPH GEPP
FOTO: HERIBERT CORN

Am 23. September 2004 fand im Wiener Gemeinderat eine turbulente Sitzung statt. Es ging um den Verkauf von städtischen Grundstücken rund ums Happel-Stadion im Prater. Bis zur Fußball-EM im Jahr 2008 sollte das Areal zur Neugestaltung an Private verkauft werden, etwa an den Immobilienunternehmer Michael Griesmayr. Doch die Bedingungen, unter denen die allein regierende Wiener SPÖ den Deal durchzog, empörten die Rathausopposition hellauf.

Öffentliches Eigentum werde „verschleudert“, kritisierte Günter Kenesei von den Grünen, damals noch in der Opposition. ÖVP-Mandatar Alexander Neuhuber beklagte „eine freihändige, handstreichartige Vergabe“. FPÖler Josef Wagner schließlich monierte bei den Kaufverträgen „Konditionen, die noch gar nicht bekannt sind“.

Unsinn, alles sei „für die Stadt optimal“, entgegneten darauf Bürgermeister Michael Häupl und Andreas Schieder, damals SPÖ-Gemeinderat, heute SPÖ-Klubobmann im Parlament. Zehn Jahre später jedoch zeigt sich: Die Opposition hatte wohl recht.

Vor zwei Wochen berichtete der Falter über den Verkauf großer Teile der Trabrennbahn Krieau im Jahr 2011 an Griesmayrs Immobilienfirma IC Projektentwicklung. Der Deal wurde 2004 fixiert -in jenen Verträgen, über die im Gemeinderat gestritten worden war. Eine öffentliche Ausschreibung gab es nicht. Die Umstände des Verkaufs werfen Fragen auf.

Michael Griesmayr (Foto: IC Projektentwicklung)

Michael Griesmayr (Foto: IC Projektentwicklung)

Der Kaufpreis für die Krieau-Gründe beträgt rund 60 Millionen Euro – allein das, sagen Kritiker, sei schon zu niedrig für die großen und lukrativen Flächen. Aber auch die 60 Millionen muss die IC Projektentwicklung nicht zahlen. Denn die Stadt übernimmt hohe Kosten für ihren privaten Partner, etwa für teure Sanierungen.

Politisch verantwortlich für den Deal war Werner Faymann, zur Zeit der Vertragsfixierung Wiens SPÖ-Wohnbaustadtrat. Wie es zu dem merkwürdigen Vertrag kam, daran will sich heute niemand im Rathaus erinnern. Faymanns Nachfolger als Wohnbaustadtrat Michael Ludwig jedenfalls sieht auf Falter-Nachfrage keine Unregelmäßigkeiten beim Krieau-Deal.

 Als Wiens SPÖ-Wohnbaustadtrat 2004 für den Deal verantwortlich: Werner Faymann (Wikipedia)


Als Wiens SPÖ-Wohnbaustadtrat 2004 für den Deal verantwortlich: Werner Faymann (Wikipedia)

Spannender noch ist die Frage: Wer ist jener Michael Griesmayr, dessen IC Projektentwicklung mit der Stadt einen Kaufvertrag abschloss, der mutmaßlich so vorteilhaft für ihn ausfiel?

Griesmayr, 53, geboren in Bruck an der Mur, zählt zu den größeren Playern in der Wiener Immobilienszene. Branchenkollegen loben den Unternehmer. Seine Projekte gelten als architektonisch hochwertig; bei Branchen-Events und in Fachmedien werden sie gern gefeiert. Wie Griesmayr vor einem Jahrzehnt zu den lukrativen Grundstücken in Prater-Nähe kam – das allerdings weiß niemand aus der Branche genau.

In den 1990er-Jahren jedenfalls arbeitet Griesmayr nach Abschluss des BWL-Studiums in Graz bei der Raiffeisen-Zentralbank, Abteilung Immobilienfinanzierung. Schließlich macht er sich selbstständig und stellt 2001 sein erstes Projekt in Wien fertig, neben den Gasometern, ein Bürohaus namens „Der Adler und die Ameise“.

Stallungen neben der Trabrennbahn: Unter anderem hier sollen ab 2015 Büros und Wohnungen entstehen (Foto: Heribert Corn)

Stallungen neben der Trabrennbahn: Unter anderem hier sollen ab 2015 Büros und Wohnungen entstehen (Foto: Heribert Corn)

Heute vereint Griesmayr unter dem Dachunternehmen Value One Holding etliche Firmen, neben der IC Projektentwicklung etwa ein Unternehmen für Studentenapartments und eine Firma für erneuerbare Energien. Alles zusammen gehört der 2000 gegründeten Seeberg Privatstiftung, als deren Stifter laut Firmenbuch Griesmayr und seine Eltern fungieren.

Griesmayrs bisher größtes Werk liegt im Prater, gleich neben der Trabrennbahn Krieau. Dort errichtete der Unternehmer das 2010 fertiggestellte Viertel Zwei mit Wohnungen und Büros, zum Beispiel der OMV-Zentrale. Ebenjenes Areal soll nun im großen Stil in Richtung Trabrennbahn erweitert werden. Auch beim Viertel Zwei gibt es schon Kritik an den intransparenten Umständen des Kaufs.

Im Jahr 2006 veröffentlichte der Wiener Stadtrechnungshof, das Pendant zum bundesweiten Rechnungshof, einen vernichtenden Bericht zum Verkauf jener städtischen Grundstücke, auf denen später das Viertel Zwei und andere Neubauten der Gegend entstanden. Es sei unklar, „warum gerade diese Investoren für das Projekt ausgewählt wurden“, heißt es darin. Auch hätten „weit höhere Kaufpreise“ erzielt werden können. So zahlte Griesmayr laut Wohnbaustadtrat Ludwig 8,7 Millionen Euro für die Fläche, auf der er danach das Viertel Zwei errichtete. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 verkaufte Griesmayr nur einen von vier großen Bürokomplexen des Viertels an den deutschen Konzern Union Invest weiter -und lukrierte allein dafür laut Wirtschaftsblatt rund 65 Millionen Euro.

Über den Krieau-Deal, der fünf Jahre später auf den Viertel-Zwei-Deal folgte, hätte der Falter gern mit Griesmayr gesprochen. Doch der gefeierte Unternehmer gibt sich zugeknöpft, wenn es um Geschäfte mit der Gemeinde geht. Schließlich erklärt sich immerhin Griesmayrs Firma IC Projektentwicklung bereit, per E-Mail Fragen des Falter zu beantworten.

„Aus Sicht der IC Projektentwicklung ist der Preis marktgerecht“, heißt es darin. Denn: Ein unabhängiger Sachverständiger habe im Auftrag der Gemeinde jene 60 Millionen Euro Kaufpreis ermittelt, die die IC Projektentwicklung für die Krieau-Gründe zahlte. Und die hohen Abzüge, etwa für teure Sanierungen? Diese seien angemessen, so die IC Projektentwicklung. Denn die 60 Millionen hätten sich auf „ein bestandsfreies Grundstück“ bezogen, also ein unbebautes. Demnach: alles in Ordnung.

Ob wirklich alles in Ordnung war, das könnte nun die Staatsanwaltschaft ermitteln. Die Wiener FPÖ hat den heutigen Bundeskanzler Faymann angezeigt, wegen mutmaßlicher Untreue und Amtsmissbrauch. Darüber hinaus wird wohl auch der Wiener Stadtrechnungshof die Causa prüfen. Die Opposition will ihn einschalten.

Vielleicht finden die Rechnungshofprüfer ja heraus, was wirklich hinter dem rätselhaften Prater-Deal von vor einem Jahrzehnt steckt.

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