Aus dem profil 29/2019
Streit innerhalb der Wirtschaftskammer: Bevorzugt deren Führung bei der Vergabe von Inseratengeldern den ÖVP-Wirtschaftsbund?
Wie intransparent ist Österreichs Parteienfinanzierung? Diese Frage treibt derzeit die Öffentlichkeit um. Soeben wurde bekannt, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft im Gefolge der Ibiza-Affäre nicht nur in Richtung FPÖ-Vereine ermittelt, sondern auch jene im Umfeld der SPÖ und ÖVP untersucht. Überdies hat der Rechnungshof wegen fragwürdiger Parteispenden vergangenen Freitag Anzeigen gegen ÖVP und SPÖ erstattet. Angesichts dessen ist auch eine Causa in der Wirtschaftskammer von Brisanz. Wie die Grünen kritisieren, fließen Inseratengelder der Kammer und ihrer Teilorganisationen -etwa der Jungen Wirtschaft, der Außenwirtschaft Austria oder des Bildungsinstituts Wifi – ausschließlich an den ÖVP-Wirtschaftsbund, nicht aber an die anderen Fraktionen. Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der grünen Wirtschaft, fordert nun in einem Brief Aufklärung von Kammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP). Dessen Büro weist gegenüber profil die Vorwürfe zurück. Wer die Causa verstehen will, muss die Struktur der Kammer kennen. Im Kammerparlament sitzen die Fraktionen je nach Ausgang der Kammerwahlen -genauer gesagt spricht man in diesem Fall von „Wählergruppen“. Der ÖVP-Wirtschaftsbund dominiert mit Abstand (67 Prozent). Dahinter folgen Sozialdemokratischer Wirtschaftsverband (elf Prozent), Freiheitliche und Grüne Wirtschaft (je neun Prozent) sowie die UNOS, die Wirtschaftsorganisation der NEOS (zwei Prozent). Alle Fraktionen (außer die UNOS) verfügen über Medien oder andere Drucksorten als Information für ihre Mitglieder. Sie tragen Namen wie „Wir sind Wirtschaft“ (ÖVP), „Unternehmen Österreich“ (SPÖ) und „Wirtschaftsinfo“ (FPÖ). Der Vorwurf lautet nun, dass die ÖVP-dominierten Wirtschaftskammerorganisationen bevorzugt in Medien des ÖVP-Wirtschaftsbundes werben. „Es kommt häufig vor, dass in den Werbemitteln des Wirtschaftsbundes Inserate diverser Einheiten der Wirtschaftskammer zu finden sind“, sagt Sabine Jungwirth. „In den Publikationen anderer Wählergruppen hingegen sind uns keine vergleichbaren Einschaltungen bekannt.“ Aktuell beispielsweise finden sich Inserate von Wirtschaftskammer und Wifi in den Wirtschaftsbund-Magazinen „Wirtschaft im Blick Burgenland“,“Vorarlberger Wirtschaft“ und „M. U. T.“. Brisant daran: Jede Wählergruppe bekommt eine offizielle Fraktionsförderung aus den Gebühren der Kammermitglieder, also von Österreichs Unternehmen. Falls der Vorwurf stimmt, dass die Kammer den Wirtschaftsbund inseratenmäßig bevorzugt, dann lukriert dieser zusätzlich zur offiziellen Förderung noch eine Art Zweitzuwendung, die den anderen Fraktionen verwehrt bleibt. profil hat bei den Wirtschaftsorganisationen von SPÖ, FPÖ, Grünen und NEOS angefragt. Alle geben an, dass in ihren Medien oder Drucksorten keine Inserate der Kammer zu finden sind. Dies sei auch gar nicht gewünscht, so die Parteien unisono. Sabine Jungwirth dazu: „Der Wirtschaftsbund sollte -wie das die anderen Fraktionen auch tun -mit der offiziellen Fraktionsförderung sein Auslangen finden und nicht auf versteckte Weise doppelt kassieren.“ „Der Vorwurf entbehrt jeder Grundlage“, sagt darauf Wirtschaftskammer-Sprecherin Ulrike Sangeorzan-Sporer. In vergangener Zeit hätten lediglich zwei Landes-Wirtschaftskammern in Fraktionsmedien inseriert – und zwar nicht nur in jenen des ÖVP-Wirtschaftsbundes, sondern auch bei Sozialdemokraten und Freiheitlichen. Bleibt zu hoffen, dass die Anfrage der Grünen die Widersprüche in der Causa auflöst. Sie fordern nun von Mahrer eine Liste, wie viele Wirtschaftskammer-Inserate in den Medien der einzelnen Fraktionen geschaltet wurden. Und welche Parteien dabei zum Zug kamen.
Joseph Gepp