Monatsarchiv: Juni 2019

Grünfärberei

Aus dem profil 26/2019 vom 23.6.2019

Ölheizungen sind die Klimakiller schlechthin. Nun wirbt die dahinterstehende Branche damit, dass sie angeblich klimaneutral werden. Ein verantwortungsloser Öko-Schmäh, sagen Kritiker.

Von
Joseph Gepp

Wenn es ums klimafreundliche Heizen geht, tut sich eine Branche besonders schwer: die Verkäufer von Ölheizungen und des dazugehörigen Heizöls. Immer noch heizt damit rund jeder sechste Haushalt in Österreich, vor allem im ländlichen Raum. Doch damit soll besser heute als morgen Schluss sein, meinen Umweltschützer und Politiker aller Couleurs. Das Heizöl schwankt nicht nur extrem im Preis, es ist vor allem das mit Abstand klimaschädlichste Heizsystem (mehr noch als die ebenfalls umstrittenen Gasheizungen, siehe Geschichte links). Mit dem Pariser Klimaziel 2015, demzufolge der globale Temperaturanstieg bis 2050 auf unter zwei Grad begrenzt werden soll, gelten Ölheizungen als keinesfalls vereinbar. In den Bundesländern Niederösterreich und Wien gilt seit heuer ein Verbot, sie in Neubauten zu installieren. (hier ein umfangreicherer Artikel dazu aus dem Jahr 2018).

Für die Branche geht es also ums Überleben. Und sie führt den Kampf um ihre Zukunft mit fragwürdigen Methoden, sagen Kritiker.

Konkret wird derzeit in Zeitungsinseraten geworben: „Eine grüne Ölheizung hat Zukunft.“ Die Gestaltung der Annoncen wirkt, als würde hier eine staatliche Einrichtung Umweltfördergelder verteilen: „Heute modernisieren, morgen profitieren.“ Doch dahinter steckt eine privatwirtschaftliche Initiative: Die Firma Heizen mit Öl GmbH in Wien ist eine Gründung der heimischen Wirtschaftskammer-Fachverbände für Mineralölindustrie und Energiehandel.

Was soll das sein, die grüne Ölheizung? Konkret wirbt die Branche dafür, künftig nicht mehr klassisches Öl aus fossiler Quelle zu verbrennen, sondern „Hydrotreated Vegetable Oil“ (HVO), also tierische und vor allem pflanzliche Öle. Weil es sich um nachwachsende Rohstoffe handelt, wäre dies klimaneutral.

„Mogelpackung“,“Irrweg“, „Ablenkungsmanöver“ – Johannes Wahlmüller, Aktivist von der Umweltschutzorganisation Global 2000, kritisiert die Aktion scharf. Würde man nämlich die erforderlichen HVO-Brennstoffe innerhalb Österreichs erzeugen, „bräuchte man dafür ganze 50 bis 80 Prozent der heimischen Ackerfläche“, sagt Wahlmüller. „Weil das undenkbar ist, lassen sich grüne Ölheizungen in Wahrheit nur betreiben, indem man HVO im großen Stil importiert.“ Und woher? Jenes HVO, das derzeit nach Österreich kommt (vor allem zur Erzeugung von Bio-Diesel), besteht zu 85 Prozent aus Palmöl. Für dessen Erzeugung werde in Indonesien der Regenwald abgeholzt, so Wahlmüller. Keine Spur also von grün.

„Palmöl ist für uns keine Option“, hält Jürgen Roth dagegen, Obmann des Wirtschaftskammer-Fachverbandes Energiehandel. Woher aber soll sonst der Brennstoff für die grünen Ölheizungen kommen, ohne dass ein Gutteil heimischer Ackerflächen draufgeht? Roth sieht mittelfristig im sogenannten „Power-to-Liquid- Verfahren“ viel Potenzial: In diesem hochkomplexen Prozess kann aus Strom, etwa aus Sonnenenergie, synthetisches Öl erzeugt werden. Dieses ließe sich dann im Ölkessel verheizen. „Ich bin mir zu 95 Prozent sicher, dass wir schon innerhalb eines Jahrzehnts über solche erneuerbaren Kraftstoffe verfügen“, sagt Roth. Das Problem daran: Das Konzept steht sehr am Anfang; in Europa laufen erst wenige Pilotanlagen. Zur Erzeugung des künstlichen Öls bräuchte es enorme Mengen Elektrizität. Ist die Technologie dereinst ausgereift, wird diese -ziemlich teure -Flüssigkeit wohl letztlich nicht im Heizkessel landen, sondern eher für andere Zwecke eingesetzt werden, zum Beispiel als klimaneutrales Kerosin für Flugzeuge.

Ist es angesichts all dessen wirklich angebracht, per Werbekampagne angeblich grüne Ölheizungen als ausgereifte Technologie zu präsentieren – als reale Option für die Masse der Österreicher? Roth empfindet Kritik daran als unfair: „Den perfekten Energieträger wird es nie geben“, sagt er. „Immerhin erforschen wir, welche ökologischen Alternativen zur fossilen Energie in der Zukunft zur Verfügung stehen.“

Die Causa ist brisant, weil der Großteil der Ölheizungen in Österreich veraltet ist -in den kommenden Jahren stehen sie zum Austausch an. Hundertausende Österreicher müssen also bald wählen, ob sie beim Heizöl bleiben oder lieber auf ein ökologischeres System umsteigen, etwa auf Biomasse oder eine elektrisch betriebene Wärmepumpe.

Vor diesem Hintergrund tönt nicht nur aus den Reihen der Umweltschützer die Kritik, dass die Heizölbranche mit Grünfärberei auf Kundenfang gehe. Bereits im März meldete sich Elisabeth Köstinger zu Wort, damals noch ÖVP-Umweltministerin. Per Twitter drückte sie ihr Missfallen über die Kampagne aus. Heizen mit Öl sei keinesfalls Teil der österreichischen Strategie für mehr Klimaschutz, so Köstinger. „Auch wenn private Fördervereine das suggerieren wollen.“

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„Gehen wir doch aufs Dach“

Aus dem profil 26/2019 vom 23.6.2019

Es müssen nicht immer die ganz großen Reformen sein, die im Kampf gegen den Klimawandel Fortschritte bringen. Manchmal sind es auch kleine Tüfteleien. Wie ein Installateur aus Wien eine Idee betreffend Gasthermen entwickelte, die unsere Städte weit klimafreundlicher machen könnte.

Von
Joseph Gepp

Das Objekt, um das sich diese Geschichte dreht, könnte unspektakulärer kaum sein. Hinter einem kleinen Türchen zu einem Kaminschacht, wie sie in alten Häusern häufig in die Wände eingelassen sind, verbergen sich zwei Rohre, umwickelt mit silbrig glänzender Dämmfolie. Das ist es auch schon, im Wesentlichen.

Auch der Mann, der den Einfall dazu gehabt hat, wirkt nicht unbedingt so, als könnte er die Massen elektrisieren: Michael Müller – ein Installateur aus Wien, 38 Jahre alt, dunkle Haare, weißes Hemd -verfällt schnell in den Jargon seines Berufsstandes, wenn er spricht. Dann schwirrt einem bald der Kopf vor lauter „Rohrnetzauslegungen“,“Gipskartoneinhausungen“ und „45-Prozent-Kegeln“. Doch wer Müller länger zuhört, stellt fest: Der Mann verfolgt ein Projekt, das noch einige Folgen nach sich ziehen dürfte. Es könnte Österreichs Städte deutlich klimafreundlicher machen. Falls der Kampf gegen die globale Erhitzung doch noch erfolgreich sein wird, wird es auch dank Ideen von Leuten wie Michael Müller gelingen.

Er steht im Dachstuhl eines 60er-Jahre-Wohnhauses im 2. Wiener Bezirk, der Leopoldstadt, neben ihm das Türchen mit den silbernen Rohren. Rundherum hat sich eine Gruppe aus Energie-und Klimaexperten versammelt. Sie kommen aus unterschiedlichen Abteilungen des Umweltministeriums und der Stadt Wien. Müller führt heute vor, was er hier entwickelt hat. In diesem Dachboden läuft eine der ersten Anlagen in Wien.

Würde man sie flächendeckend in der ganzen Stadt einsetzen, wäre das ökologisch ein enormer Gewinn, errechnete das Institut „Urban Innovation Vienna“ (UIV), ein zum Rathaus gehöriger Thinktank, der sich mit der Zukunft von Städten auseinandersetzt. Von jährlich rund 200.000 Tonnen weniger CO2 Emissionen spricht UIV-Experte Michael Cerveny. Zum Vergleich: Damit könnte allein in Wien pro Jahr ungefähr so viel klimaschädliches Treibhausgas eingespart werden wie alle PKW der Stadt Salzburg gemeinsam ausstoßen (60.000 bis 70.000 Fahrzeuge). Das ist die Geschichte einer nur scheinbar unspektakulären Maßnahme, wie es in Zukunft viele von ihnen brauchen wird. Denn neben großen politischen Vorhaben -beispielsweise ökologischen Steuerreformen und dem Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel – sind viele kleine Modifikationen notwendig, in der Art, wie die Menschen bauen und wohnen. Vor allem in Städten, wo global gesehen mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt. Es können begrünte Fassaden sein oder raffinierte Belüftungssysteme für Hochhäuser. Oder eben Müllers Idee.

Unspektakulär aber wirksam: Michael Müllers Erfindung im Dachboden im zweiten Bezirk

Er wuchs im 17. Bezirk auf, seine Eltern betrieben ein Schuhreparaturgeschäft, er selbst schloss im Jahr 2000 die Lehre zum Installateur ab. Nach Jahren in der Selbstständigkeit bewarb sich Müller 2016 bei der Sozialbau AG, einem großen SPÖ-nahen gemeinnützigen Wohnbauunternehmen (Generaldirektor ist Josef Ostermayer, bis 2016 SPÖ-Kulturminister unter Kanzler Werner Faymann). Zum Bewerbungsgespräch habe Müller gleich seine „zündende Idee“ mitgebracht, erzählt Ernst Bach, jener Direktor bei der Sozialbau, der für den Bereich Hausbewirtschaftung verantwortlich ist. Es geht ums Heizen, einen der größten Energiefresser. Laut Umweltministerium fließen 30 Prozent des österreichischen Energiebedarfs in Heizungen und die Bereitstellung von Warmwasser. Konkret dreht sich Müllers Idee um eine Heizungsart, die zwar klimaschädlich ist, aber weitverbreitet, denn zu ihr ließen sich bislang schwierig Alternativen finden: die Gaskombitherme, wie sie üblicherweise im Badezimmer oder der Küche von älteren städtischen Wohnungen hängt. Allein in Wien versorgen Gasthermen mehr als ein Drittel aller Wohnungen mit warmer Luft und warmem Wasser. Bei der Sozialbau sah man darin ein Problem – und zwar zunächst weniger wegen des Klimaschutzes als aus Gründen der Sicherheit und des Mietrechts. Seit einer Reform desselben im Jahr 2015 ist nämlich nicht mehr der Mieter für die Wartung der Thermen zuständig, sondern der Vermieter. Da die Sozialbau 6000 Mietwohnungen mit Gasthermen ihr Eigen nennt, bedeutet das, dass sich die Techniker des Konzerns zu jeder Wohnung Zutritt verschaffen müssen. Dazu kamen strengere Umweltauflagen für die Thermen. Außerdem kann es an heißen Tagen – selten, aber doch – zu Unfällen kommen, falls hochgiftiges Kohlenmonoxid aus schlecht gewarteten Thermen austritt. Sie sollten also aus den Wohnungen raus -das dachte man bei der Sozialbau bereits, bevor Müller anheuerte. Es bräuchte irgendeine Form von Gemeinschaftsthermen. Aber welche? Hier kommt Müller ins Spiel. „Ich habe mir gedacht: Gehen wir doch aufs Dach“, erzählt er. Die Idee ist nicht einmal besonders ausgefeilt. Vielmehr hat es vor allem intensives Herumtüfteln und Herumberechnen gebraucht, ehe sie sich in die Tat umsetzen ließ. Der Grundgedanke: Man bedient sich eines Relikts aus fernen Tagen, das sich in allen älteren Wohnungen findet. Es sind die Kaminschächte, durch die Abgase abziehen -anno dazumal der Rauch aus Kohlen-und Holzöfen. Durch sie werden nun Leitungen verlegt, die oben in eine Gastherme münden -sie befindet sich also jetzt im Dachstuhl, nicht mehr in der einzelnen Wohnung. „Man muss nur unten die Therme abhängen und da und dort ein paar Löcher bohren“, sagt Sozialbau-Direktor Ernst Bach. „Dafür braucht es kein Stemmen, gar nichts.“

Die trivial wirkende und vergleichsweise einfach zu realisierende Angelegenheit birgt vielfältigen Nutzen. Zunächst benötigt nicht mehr jede Wohnung ihre eigene Therme -das spart Energie und Emissionen. Oben im Dach kann eine Therme gleich mehrere Wohnungen versorgen.

Und mehr noch: Hat man die Thermen einmal an einem Ort gesammelt, lassen sie sich leicht durch andere, umweltfreundlichere Heizsysteme ersetzen. Oder zumindest ergänzen. Unterschiedliche Heizarten können umwelt-und kostenschonend zusammenspielen.

Beispielsweise lässt sich auf dem Dach eine Photovoltaikanlage installieren, die Strom aus Sonnenlicht erzeugt. Je nachdem, wie viel sie gerade davon hergibt, laufen die Thermen parallel dazu mehr oder weniger stark belastet. Scheint gerade besonders viel Sonne, kann deren überschüssige Energie in -separat installierten -elektrischen Warmwasserspeichern aufbewahrt werden, aus denen die Hausbewohner später etwa ihr Wasser zum Duschen beziehen. Überdies lassen sich Häuser mit Gemeinschaftsthermen einfacher an das Fernwärmenetz anschließen. In jedem Fall: Die Thermen schalten sich erst ein, wenn andere, ökologischere Systeme gerade schwächeln. „Ist es einmal gelungen, das Heizen an einem Ort zu konzentrieren, kann man beliebig kombinieren und skalieren“, sagt Bach. Weniger Energieverbrauch bedeutet auch, dass weniger Stromrechnung zu berappen ist. Laut Bach rechnet man wegen der Gemeinschaftsthermen mit zehn bis 15 Prozent weniger Energiekosten pro Wohnung und Jahr. Abgesehen davon: Die Hausbewohner müssen bei anstehenden Thermenwartungen nicht mehr zu Hause sitzen, bis der Techniker klingelt.

Michael Müller jedenfalls hat die vergangenen drei Jahre vor allem mit Rechenübungen verbracht. Wie dick müssen die Rohre sein, die durch die alten Kaminschächte führen? Welches Material ist flexibel genug, damit sie gut durchpassen? Für wie viele Wohnungen reicht eine Therme auf dem Dachboden? Wie könnte man dafür sorgen, dass oben genug Zuund Abluft zur Verfügung steht und der Brandschutz gewährleistet ist -unabdingbar bei leistungsstarken Thermengeräten. Derzeit gibt es drei Anlagen in Wien, eine davon läuft im Vollbetrieb. Bald aber sollen es mehr werden. Die Sozialbau AG will in den kommenden drei Jahren alle 6000 Mietwohnungen mit Gasthermen auf Gemeinschaftsanlagen, sogenannte Kesselhäuser umstellen – in rund 250 Gebäuden. Dazu ist zunächst das Einverständnis der Mieter erforderlich. „Das wird wohl kein Problem sein“, glaubt Direktor Bach. „Immerhin haben sie davon nur Vorteile, genauso wie wir.“ Die Idee ist ausbaufähig, im wahrsten Sinn des Wortes. Überall in Städten, wo jede einzelne Wohnung mit einer klimaschädlichen Gastherme ausgestattet ist, wären Gemeinschaftsanlagen eine denkbare Lösung -und brächten die Perspektive, sie durch bessere Systeme zu ergänzen. Schwieriger könnte es nur in jenen Häusern werden, in denen jede einzelne Wohnung einem anderen Eigentümer gehört. Dann müssen sich die Nachbarn zusammenraufen und organisieren. Wohnkonzerne à la Sozialbau, die bei vielen Immobilien zugleich als Vermieter fungieren, haben es diesbezüglich leichter. Die Führung unter dem Dach im 2. Wiener Bezirk geht mittlerweile zu Ende. Die Energieexperten klettern nacheinander über eine schmale Stahltreppe zurück ins Stiegenhaus des Wohngebäudes. Zuletzt folgt Müller und sperrt die Dachbodentür zu. „Als Nächstes machen wir das in der Bahnstraße in Wien-Penzing“, sagt er.

Warum diese Geschichte? Nie zuvor waren der Klimawandel und seine Folgen derart präsent in der öffentlichen Debatte. Angesichts dessen halten wir es für wichtig, neben der Auseinandersetzung mit dem Problem selbst auch ganz konkrete Lösungen aufzuzeigen. Der Autor wohnt übrigens in Wien im Neubau und heizt mit Fernwärme.

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Glosse: Das war meine Woche

Aus dem profil 26/2019 vom 23.6.2019

Ich berichte Ihnen heute von meiner beginnenden Brieffreundschaft mit einer Frau, die den klingenden Namen „Rommel Humberto Chavarria Noguera“ trägt. Ich bekomme zwar zu viele Mails und muss die meisten aus zeitlichen Gründen gleich wieder löschen. Aber manche fesseln dann doch meine Aufmerksamkeit, wiewohl sie eigentlich sofort in den digitalen Mistkübel wandern müssten.

Zum Beispiel die E-Mail der besagten Frau. Sie stellt sich als Mitarbeiterin einer griechischen Bank vor. Weil die Causa heikel sei, kommuniziert Rommel Humberto über ihre private Mail-Adresse mit mir – vorbei an den offiziellen Kanälen ihres Arbeitgebers. Es sei so: Einer ihrer Kunden, ein vermögender Ausländer, sei tragischerweise samt Familie bei einem Autounfall in Frankreich ums Leben gekommen. Der Mann habe die Kleinigkeit von 25,5 Millionen Euro auf dem griechischen Bankkonto liegen. Und: Er habe für den Fall seines Ablebens keine Angehörigen benannt. „Aufgrund des sensiblen Charakters des Private Banking“ sei diese Praxis durchaus üblich, erklärt Frau Rommel. Nun jedenfalls drohe das herrenlose Geld eingefroren zu werden und nach zehn Jahren an die griechische Regierung zu fallen. „Wenn wir jetzt nicht handeln“, warnt Rommel, „werden die Gelder von korrupten und rücksichtslosen Regierungsbeamten beschlagnahmt.“ Damit komme ich ins Spiel. Ich soll, quasi als guter Europäer, das Geld retten und für meine eigenen Zwecke zur Seite schaffen. Ich müsse nur, schreibt Rommel, bei ihrer Bank einen Antrag auf Herausgabe stellen. Denn: „Sie tragen denselben Nachnamen wie mein verstorbener Mandant.“ Nachdem es sonst „keine bekannten oder identizierbare Familienmitglieder “ gebe, reiche dies, damit „der Erlös an Sie ausbezahlt werden kann, sobald Sie sich an meine Bank wenden“. Um all das in die Wege zu leiten, möge ich mich nur „umgehend“ bei ihr melden. Das habe ich prompt getan. Fortsetzung folgt.

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Die dreisten Drei

Aus dem profil 25/2019 vom 16.6.2019

Nach dem Ibiza-Skandal ermitteln die Korruptionsstaatsanwälte. Im Fokus steht das FPÖ-Trio Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus und Markus Tschank. Ein profil-Überblick zu Verdachtsmomenten und Ermittlungsstand.

Von
Joseph Gepp und Jakob Winter

Für ausreichend Gesprächsstoff war gesorgt, als am vergangenen Donnerstag der alte und neue FPÖ-Chef zusammentrafen – Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer. Eigentlich wollten die beiden bei ihrem diskreten Plausch an einem geheimen Ort über die alles beherrschende Frage diskutieren: Wird Ex-Vizekanzler Strache trotz Ibiza-Skandals sein EU-Parlamentsmandat annehmen? Dann platzte ein profil-Onlinebericht in die Unterredung. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft bestätigte, dass nach dem Ibiza-Video auch Ermittlungen gegen Strache eingeleitet wurden.

Die juristische Aufarbeitung kam für Hofer genau zur rechten Zeit. Er will Straches Polit-Comeback aus Sorge um das Image der Partei verhindern. Mit der am Freitag bekannt gegebenen Kandidatur von Straches Ehefrau Philippa für ein Nationalratsmandat hat Hofer der Familie zudem eine existenziell komfortable Lösung für Straches Verzicht auf Brüssel gezimmert.

Die FPÖ geht gerade voll in den Wahlkampfmodus – lieber als über Straches Affäre würden die Blauen etwa über ein „schwarzes Netzwerk“ im Innen-und Justizministerium sprechen. Dazu lud Ex-Innenminister Herbert Kickl am Freitag zu einer Pressekonferenz: Angeblich werde gegen Spitzenbeamte des Innenministeriums wegen Amtsmissbrauchs ermittelt, Bestätigungen stehen aus.

So schnell wird die FPÖ den Schatten ihres Ex-Chefs allerdings nicht los. Die Ermittlungen der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwalt in Wien (WKSta) bergen einiges an Brisanz: Unter der Aktenzahl 17 St 2/19p nimmt die Justiz ein blaues Trio ins Visier. Neben Strache werden auch der blaue Ex-Klubobmann Johann Gudenus und FPÖ-Nationalrat Markus Tschank als Verdächtige geführt; dazu mögliche Täter in den Reihen von Unternehmen, von denen Strache im Ibiza-Video behauptete, sie hätten gespendet. Strache hat bekanntlich angedeutet, dass über „gemeinnützige Vereine“ mutmaßlich illegale Parteispenden an die FPÖ fließen würden.

profil kennt die zentralen Verdachtsmomente und den Ermittlungsstand – ein Überblick über die Akteure in einem Verfahren mit Sprengkraft. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Heinz-Christian Strache

Die Ermittlungen, die jetzt bekannt wurden, laufen bereits seit 20. Mai. Die Staatsanwälte sind also rasch auf den Plan getreten – nur drei Tage zuvor, am 17. Mai, war das Ibiza-Video bekannt geworden. Der genaue Vorwurf gegen Strache und Co.: Untreue, Anstiftung zur Untreue und Vorteilsannahme zur Beeinflussung. Letztgenanntes Delikt betrifft Amtsträger, die sich in ihren Amtsgeschäften beeinflussen lassen und im Gegenzug Vorteile lukrieren oder sich solche versprechen lassen. Strafrahmen: bis zu fünf Jahre Haft.

Und was sagt Strache dazu?“Ich bitte um Verständnis, dass ich mich zu laufenden Strafverfahren nicht äußern kann“, erklärt Anwalt Johann Pauer. Dafür hat der Ex-Politiker selbst bereits Tage nach Bekanntwerden des Videos Stellung bezogen – unter seiner Obmannschaft habe es „keinerlei solcher Zuwendungen, weder an die FPÖ noch an solche der FPÖ nahstehende Vereine, gegeben“, so Strache. Die Ausführungen im Video seien „Ausdruck schlichter Prahlerei“ gewesen.

Falls Strache doch sein EU-Mandat annimmt, wäre er durch seine parlamentarische Immunität vor Ermittlungen geschützt -zumindest so lange, bis sie auf Antrag der Wiener Justiz wieder aufgehoben wird. Dergleichen ist in der Vergangenheit immer wieder geschehen.

Johann Gudenus

Die Korruptionsstaatsanwaltschaft führt im selben Verfahren auch den engsten Strache-Vertrauten als Verdächtigen: Gudenus. Im Vergleich zum Bis-vor- Kurzem-Parteichef Strache hat Gudenus einen Schlussstrich gezogen. Am Tag, nachdem das Ibiza-Video bekannt geworden war, legte der geschäftsführende Klubobmann sämtliche Funktionen in der FPÖ zurück. Und trat tags darauf aus der Partei aus.

Die Vorwürfe: die gleichen wie bei Strache. Wie profil berichtete, soll Gudenus einen Wiener Manager ersucht haben, an einen FPÖ-nahen Verein zu spenden. Damit könnte das Delikt der Anstiftung zur Untreue erfüllt sein. Auf eine Anfrage von profil reagierte Gudenus nicht.

Markus Tschank

Im Trio der FPÖ-Verdächtigen ist Nationalrat Markus Tschank zwar der Unbekannteste -er spielt dennoch eine Schlüsselrolle. Tschank, im Zivilberuf Rechtsanwalt, gilt als zentrale Figur eines Vereinsnetzwerks im Umfeld der FPÖ. Über diese Vereine, in denen er verschiedene Vorstandsfunktionen bekleidet, könnten Parteispenden an die FPÖ geflossen sein. Dies recherierte profil in den vergangenen Wochen. Nach Bekanntwerden des Videos tauchten insgesamt fünf Vereine auf. Drei von ihnen sammelten in den vergangenen Jahren in Summe mehr als 600.000 Euro an Spenden.

Tschank wehrt sich seit Wochen gegen Verdächtigungen möglicher verbotener Parteienfinanzierung. Es seien weder direkt noch indirekt Gelder von den Vereinen zur FPÖ geflossen. Das würden auch die Berichte unabhängiger Wirtschaftsprüfer bestätigen. Allerdings ist immer noch unklar, wer überhaupt Geld an die Vereine gespendet hat. Das könnten die Ermittler nun mit Kontoöffnungen klären.

Am vergangenen Donnerstag wurde Tschanks Immunität vom Nationalrat aufgehoben, damit können die Staatsanwälte nun auch gegen ihn ermitteln. Tschank wird in gleich zwei Verfahren als Verdächtiger geführt, eines davon ist auch jenes gegen Strache und Gudenus. Der Vorwurf der Justiz lautet in beiden Fällen: Beitrag zur Untreue. Heißt: Die Manager von Unternehmen, die angeblich an FPÖ-nahe Vereine spendeten, könnten Gelder ihres Unternehmens veruntreut haben, Tschank habe sie dazu angestiftet. Weil die Tat „einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden“ verursacht haben soll, liegt der Strafrahmen bei bis zu zehn Jahren Haft.

Im zweiten Verfahren spielt Tschank nur eine Nebenrolle. Es dreht sich um einen Wiener Manager, dem Untreue vorgeworfen wird. Im Zuge dieser Ermitlungen tauchte bereits im Jahr 2018 ein Spenden-Bittbrief des FPÖ-Mandatars Tschank an den Manager auf; der Brief liegt profil vor. Daraufhin dürfte beim Verein tatsächlich eine Spende eingegangen sein.

Glock, Signa, Novomatic

Neben dem FPÖ-Trio wird auch gegen Vertreter jener Unternehmen ermittelt, die Strache im Ibiza-Video als angebliche Parteispender nannte. Demnach sind neben Tschank „unbekannte Täter“ verdächtig, konkret „Verantwortliche der Signa Holding, der Novomatic AG und der Glock GmbH“. Es geht also um René Benkos Immobilienkonzern, das große heimische Glücksspielunternehmen und den Pistolenhersteller.

Auch hier steht der Verdacht der Untreue im Raum: Unbekannte Manager aus den Reihen dieser Unternehmen könnten Firmengeld veruntreut haben, wenn sie tatsächlich an die FPÖ (oder parteinahe Vereine) gespendet hätten. Die unbekannten Manager hätten somit „ihre Befugnis über das Vermögen der von ihnen vertretenen Unternehmen ( ) wissentlich missbraucht und dadurch die Unternehmen geschädigt“, so der Verdacht der WKStA.

Von Glock, Novomatic und Signa heißt es, man wisse nichts von Ermittlungen und sei auch nicht von Behörden diesbezüglich kontaktiert worden. Zudem haben die Unternehmen in den vergangenen Wochen immer wieder darauf hingewiesen, dass sie weder direkt noch indirekt an die FPÖ gespendet hätten.

Obwohl Strache die Aussagen inzwischen dementiert hat: Die Nennung der Unternehmen könnte für ihn ein unangenehmes Nachspiel haben. Im „Standard“ erklärten Signa und Novomatic, man prüfe derzeit rechtliche Schritte gegen den Ex-FPÖ-Chef. Einzig der Waffenkonzern Glock lässt es dabei bewenden. „Aufgrund des (mehrfachen) öffentlichen Widerrufs von Heinz-Christian Strache werden bis auf Weiteres keine rechtlichen Schritte eingeleitet.“ Es ist derzeit die einzige gute Nachricht für Strache.

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Vereinsmeier

Aus dem profil 24/2019 vom 7.6.2019

ÖVP-Politiker sind oft und gern in Vereinen tätig – und zwar nicht nur in unverdächtigen Fußballklubs. Viele der Vereine können kein Vereinsleben vorweisen,der Zweck bleibt nebulös. Fließen verdeckte Gelder?

Von Joseph Gepp

Es muss nicht anrüchig sein, wenn sich Politiker in Vereinen engagieren. Ganz im Gegenteil, es ist sogar weithin üblich: Bei der Freiwilligen Feuerwehr, beim lokalen Fußballclub, bei Charity-Organisationen und beim Dorferneuerungsverein. Das ist wenig verwunderlich, denn beide Seiten profitieren: Die Politiker absolvieren prestigeträchtige Auftritte, und die Vereine haben einen direkten Draht zu Entscheidungsträgern. Es wäre ein Trugschluss, jeden Sportverein der illegalen Parteienfinanzierung zu beschuldigen, in dessen Vorstand ein Politiker sitzt. Vorsicht ist bei jenen Vereinen geboten, deren Vereinszweck nicht klar ersichtlich ist oder die überhaupt kein öffentliches Vereinsleben haben. Diese könnten benutzt werden, um Parteispenden verbotenerweise am Rechnungshof vorbeizuschleusen – so wie das Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz- Christian Strache im Ibiza-Video angedeutet hat. Möglich macht das die lückenhafte Kontrolle von Österreichs Parteifinanzen, sind doch parteinahe Vereine von der Prüfung ausgenommen (siehe Hauptgeschichte). Mithilfe von Vereinen können also problemlos Sach-oder Geldspenden eingesammelt werden, ohne dass irgendjemand davon Wind bekommt. Und wenn der Verein die Gelder nicht direkt an die Partei weiterleitet, sondern beispielsweise Flyer oder Veranstaltungen für den Wahlkampf finanziert, scheint die Quersubventionierung nicht einmal in den Büchern der Partei auf. Solange alle Vereinsvorstände dichthalten, wird niemand jemals von der schwarzen Kassa erfahren. Daher müssen sich Politiker die Frage gefallen lassen: Was suchen sie in Vereinen ohne jegliche Aktivität -und welchen Zweck haben diese Vereine? Doch auch Vereine mit offenkundigem Zweck können verdächtig sein: Einige parteinahe Vereine geben parteinahe Medien heraus, für die sie Inseratengeld kassieren; auch von öffentlichen Stellen. Wird damit Parteiarbeit subventioniert?

Nach der FPÖ gerät diesbezüglich auch die ÖVP in die Kritik. Immerhin hat die Volkspartei im vergangenen Nationalratswahlkampf 2017 ihr gesetzlich erlaubtes Werbebudget um fast das Doppelte überschritten, weit mehr als alle anderen Parteien. Für Kritiker, etwa NEOS-Chefin Beate Meinl- Reisinger, deutet dies auf Unregelmäßigkeiten in den Parteifinanzen hin. Belege dafür fehlen zwar, wären aber aufgrund besagter laxer Regeln ohne Insider-Informationen auch kaum zu erbringen.

Zudem gab es in den vergangenen Wochen eine Debatte rund um Unterstützungsvereine für die ÖVP-Politiker Gernot Blümel und den EU-Parlamentarier Lukas Mandl. Ihr Zweck ist nicht wirklich klar. Die ÖVP rechtfertigt ihre Existenz damit, dass es sich mithilfe der Vereine auf personalisiertere Art für die Politiker werben lässt, als wenn dies über die Mutterpartei läuft.

Schließlich sorgte erst vor wenigen Tagen ein Verein im Umfeld des Cartellverbandes (CV) im BVT-Untersuchungsausschuss für Aufsehen. Bei „Pro Patria“, einem ÖVP-Unterstützungsverein aus dem niederösterreichischen Kaltenleutgeben, sitzen mehrere BVT-Mitarbeiter im Vorstand – Ex-Minister Gernot Blümel fungierte bis 2017 als Kassier. Wie es zu dieser bemerkenswerten personellen Zusammensetzung kam, ist bisher nicht geklärt. Wie profil-Recherchen zeigen, gibt es jedenfalls noch viele weitere Vereine im ÖVP-Umfeld, deren Zweck sich nicht erschließt. Die dahinterstehenden Politiker geben sich mitunter wortkarg, was Informationen über die Konstrukte betrifft. Oder sie verweigern ganz die Auskunft. Da wäre etwa der „Verein zur Förderung von Medien der Wirtschaft Österreichs“. Die Adresse in der Wiener Mozartgasse ist ident mit jener des Wirtschaftsbundes, also der Unternehmer-Interessensvertretung innerhalb der ÖVP. Als Vereinsobmänner fungieren laut Vereinsregister Ex-Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und ÖVP-Nationalratsabgeordneter Peter Haubner. Vereinstätigkeit? Nicht bekannt. „Der Verein hat in meiner Amtszeit im Sinne des Vereinszwecks keine Aktivitäten gesetzt“, schreibt Haubner auf profil-Anfrage in einer knapp gehaltenen Stellungnahme. Warum gibt es ihn dann? Dies lässt Haubner unbeantwortet. Er schreibt nur: „Der Verein bezog und bezieht keine Spenden und hat weder an die ÖVP noch an nahestehende Organisationen Spenden in irgendeiner Art getätigt“. Ganz ähnlich die „Österreichische Gesellschaft zur Förderung des Mittelstandes“. Registriert ist der Verein in der Wiener Innenstadt, an der Adresse des ÖVP-nahen Thinktanks Julius-Raab-Institut. Auch hier findet sich keinerlei Tätigkeit. Die Obleute, soeben erst wiederbestellt: die ÖVP-Nationalratsabgeordneten Andreas Ottenschläger und Angelika Winzig. Letztere hat im soeben geschlagenen EU-Wahlkampf eine erfolgreiche Vorzugsstimmenkampagne hingelegt und steht vor dem Wechsel nach Brüssel. Winzig ist übrigens nicht nur in diesem Verein aktiv, sondern sitzt -das geht aus der Transparenz-Website „Meine Abgeordneten“ hervor -auch in einem zweiten: dem „Verein für Politik und Bildung im Bezirk Vöcklabruck“. Früherer Name: „Freunde der ÖVP des Bezirks Vöcklabruck“. Auch hier gilt: keine Aktivität feststellbar.

Winzig reagiert nicht auf profil-Anfragen zu beiden Vereinen, dafür gibt Ottenschläger Auskunft. Wozu dient die „Österreichische Gesellschaft zur Förderung des Mittelstandes“? Antwort: „Das Ziel war es, eine Diskussionsplattform zu schaffen, wie der Mittelstand in Österreich gestärkt werden kann. Seit 2015 gab es aber außer internem Gedankenaustausch unter Mitgliedern keine Vereinsaktivitäten mehr.“ Laut Ottenschläger haben „meines Wissens“ Diskussionsveranstaltungen stattgefunden, bevor er selbst als Obmann antrat. Warum gibt es den längst inaktiven Verein noch?“Unser Motiv war, ihn am Leben zu lassen, falls wir ihn irgendwann noch brauchen.“

Bleibt eine weitere Kategorie ÖVP-naher Vereine. Diese verfügen zwar über ein Vereinsleben. Aber sie fungieren zugleich als Herausgeber von Parteimedien, an die mehr oder weniger reichlich Inseratengeld von Unternehmen fließt.

Warum bedienen sich die Parteien der Vereine, um Parteimedien herauszugeben -statt diese Aufgabe selbst zu übernehmen? Es hat gleich mehrere Vorteile. Eine Partei muss die Summe an Inserateneinnahmen in ihren Medien an den Rechnungshof melden, ein formell unabhängiger Verein hingegen nicht. Und: Unternehmen im Besitz der Republik und einzelner Bundesländer dürfen laut Parteiengesetz nicht in Parteimedien werben, wohl aber in Vereinsmedien -selbst wenn diese Vereine ganz offensichtlich einer Partei nahestehen. Ein klassische Umgehungskonstruktion also. Zum Beispiel beim „Wiener Pressverein“. Dessen Sitz: das Gebäude der ÖVP-Bundesparteizentrale in der Wiener Lichtenfelsgasse. Die Organe: zugleich Funktionäre des ÖAAB, also des ÖVP-Arbeitnehmerbundes. Der Pressverein gibt Magazine wie die zweimonatlich erscheinende „Freiheit“ heraus, ein Heft für ÖAAB-Mitglieder, voller positiver Artikel über die ÖVP -und gespickt mit Werbung von Flughafen Wien AG, Erste-und Raiffeisenbank und anderen potenten Werbekunden. Der Wiener Pressverein stand schon einmal im Fokus der Öffentlichkeit. Wie im Jahr 2012 beim Telekom-Untersuchungsausschuss im Parlament ans Licht kam, hat Peter Hochegger, Lobbyist und einstiger Freund von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, über sein Unternehmen Valora 10.000 Euro an den Wiener Pressverein überwiesen. Gegenleistung: keine. Es sei ein „Druckkostenbeitrag“ gewesen, so Hochegger, also eine Art Spende. Er selbst beschrieb die Zahlung als eine Maßnahme zur „Netzwerkpflege“. Auf diese Weise soll übrigens -zumindest laut dem Lobbyisten – nicht nur Geld in Richtung ÖVP geflossen sein, sondern auch in Richtung anderer Parteien: etwa an eine Parteizeitung der FPÖ, Charity-Aktionen der Wiener SPÖ und ein Theater-Event der Ex-Grünenpolitikerin Monika Langthaler.

Heute hätte profil gerne vom Wiener Pressverein gewusst: Gibt es Geldflüsse zwischen dem Pressverein, ÖAAB und ÖVP? Wenn ja, in welcher Höhe? Und: Werden diese Summen dem Rechnungshof gemeldet? Doch auf die Anfrage von profil übermittelte der Wiener Pressverein keine Antwort.

Der Wiener Pressverein hat ein Pendant in Niederösterreich: den Niederösterreichischen Pressverein. Er sitzt im Gebäude der ÖVP-Bezirkspartei in Wiener Neustadt. In den Medien des Vereins (zum Beispiel „Arbeiten für Niederösterreich“) wird die ÖVP regelmäßig bejubelt, etwa mit Cover- Schlagzeilen wie „Mobilisiert für Kurz“. Der Pressverein befindet sich, wie sein Wiener Gegenstück, im Einflussbereich des ÖAAB und wird von hochrangigen niederösterreichischen ÖAAB-Funktionären geführt. Die Inserate kommen durchwegs von Unternehmen im Einflussbereich des (ÖVP-regierten) Landes. Wie die Investigativ-Plattform „Dossier“ 2018 recherchierte, war einer der größten Inserenten beim Pressverein zwischen 2015 und 2017 die Niederösterreichische Versicherung AG. Laut Berechnung von „Dossier“ soll sie um rund 90.000 Euro Inserate geschaltet haben. Diese Versicherung gehört wiederum zu 100 Prozent der (ÖVP-dominierten) niederösterreichischen Landwirtschaftskammer.

In einer Stellungnahme an profil teilt der Niederösterreichische Pressverein mit, dass die Inserateneinnahmen „ausschließlich der Abdeckung der Druck-und Versandkosten“ dienen: „Es werden weder Geldmittel noch Sachspenden an etwaige Parteiorganisationen weitergeleitet.“ Das Ziel des Vereins sei schlicht, „die Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher über aktuelle Entwicklungen auf Basis der christlichen Soziallehre zu informieren“. Fazit: Wiewohl es personell und inhaltlich starke Überschneidungen zwischen Pressverein, ÖAAB und ÖVP gibt, fließt angeblich kein einziger Cent zwischen den Organisationen. Ob das wirklich stimmt, lässt sich nicht kontrollieren – zu lückenhaft ist das österreichische Parteiengesetz.

Bleibt noch ein Verein mit Sitz unweit des niederösterreichischen Landhauses in St. Pölten, der so offiziös klingt, dass man ihn beinahe mit einer öffentlichen Institution verwechseln könnte: das „Sicherheitsforum Niederösterreich“. Im Vorstand des Vereines saßen in den vergangenen Jahren mehrere ÖVP-Funktionäre, den Großteil des Budgets machen Zuwendungen des Landes Niederösterreich aus. 156.000 Euro sollen es im Jahr 2017 gewesen sein, berichtete die Recherche-Plattform „Addendum“ im Vorjahr. Mit dem Geld rollt das „Sicherheitsforum“ jedes Jahr zu Schulbeginn im September die groß angelegte „Aktion Schutzengel“ aus. Zigtausende Flyer, Plakate und Schilder werben vor Schulen für Verkehrssicherheit und Achtsamkeit gegenüber Schülern. An sich eine gute Sache. Freilich vergisst der ÖVP-nahe Verein nicht, auf allen Drucksorten zu erwähnen, wer sich hier um das Wohl der Schulgänger sorgt: „Eine Initiative von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner“ steht da, inklusive Foto -ein unschätzbarer Werbewert für die ÖVP-Landeschefin. Warum aber lagert das Land eine Verkehrssicherheitskampagne an einen ÖVP-nahen Verein aus? Die Antwort: Würde das Land die Aktion eigenständig organisieren, käme das gesetzliche „Kopfverbot“ für Politiker zum Tragen – lange inszenierten sich Minister und Landeshauptleute in Inseraten aus öffentlichen Geldern gern samt Bild und Namen als großzügige Gönner. Das ist nun verboten. Über die Vereinskonstruktion greift das Gesetz nicht – und Mikl-Leitner kann sich über ihren Werbeeffekt freuen. Der Verein „Sicherheitsforum“ war es auch, der im Jahr 2013 die Kampagne für die Beibehaltung der Wehrpflicht in Niederösterreich organisierte -die Plakatflächen und Flyer sollen damals von der ÖVP-Landespartei finanziert worden sein. Beträge sind nicht bekannt, Belege ebenso wenig.

Im selben Haus, in dem auch das „Sicherheitsforum“ residiert, haben noch einige weitere Vereine ihren Sitz angemeldet -gemeinsam ist ihnen allen, dass in ihren Vorständen auffällig viele ÖVP-Funktionäre sitzen. Etwa der „NÖ Betriebssportverband“, dessen Magazin in der Vergangenheit auch Inserate von landeseigenen Unternehmen erhielt. Die Kassierin des Verbandes ist gleichzeitig Finanzreferentin der ÖVP Niederösterreich – und: Vor Jahren war sie auch Kassierin beim „Sicherheitsforum“. So schließt sich also der Kreis.

Laut Transparenz-Gesetz müssen Österreichs Nationalratsabgeordnete auf der Parlaments-Website angeben, in welchen Vereinen sie ehrenamtlich tätig sind. Halten sich die in diesem Artikel erwähnten ÖVP-Mandatare daran? Nur zum Teil: Peter Haubner hat sein Engagement regulär angegeben; Angelika Winzig und Andreas Ottenschläger haben ihre Funktionen in der „Österreichischen Gesellschaft zur Förderung des Mittelstandes“ nicht offengelegt.

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Kassa-Umsturz

Aus dem profil 24/2019 vom 7.6.2019

Es ist völlig undurchsichtig. Es wird kaum kontrolliert. Und bei Verstößen drohen lächerliche Strafen. Seit dem Ibiza-Skandal ist endgültig klar: Österreichs System der Parteienfinanzierung liegt im Argen. Mit gefinkelten Tricks stehlen sich Parteien aus ihrer Rechenschaftspflicht – oder umgehen Verbote. Nun besteht erstmals eine Chance auf eine echte Reform.

Von Joseph Gepp, Rosemarie Schwaiger und Jakob Winter

Wenn es um ihren finanziellen Vorteil geht, blüht in den Parteizentralen die Kreativität. Da gibt es geheime Vereine im Umfeld der FPÖ, an die mehrere 100.000 Euro an Spenden flossen -der Zweck dafür bleibt schleierhaft. Da gibt es parteinahe Werbeagenturen, die gut dotierte Aufträge von öffentlichen Stellen an Land ziehen -und sich dafür mit Rabatten bei ihren Parteifreunden bedanken, wenn es um die nächste Wahlkampagne geht. Und da gibt es Vereine, die Parteizeitungen herausgeben und Inseratengelder einsammeln -und damit das Spendenverbot von öffentlichen Unternehmen an Parteien aushebeln. Die Liste an Methoden zur Umgehung der laschen Transparenzgesetze ist lang.

Die parteipolitische Schattenwirtschaft hat einen Grund: Ob in Wahlkämpfen, in der tagespolitischen Auseinandersetzung oder im Netz -das nötige Kleingeld ist für politischen Erfolg spielentscheidend. Die besten Botschaften helfen nichts, wenn sie niemand hört. Wer neben der hohen Parteienförderung von jährlich 43 Millionen Euro (Bund und Länder) noch üppig Spendengelder einsammeln kann, hat im Buhlen um Aufmerksamkeit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Und wer es mit dem Parteiengesetz nicht so genau nimmt, tut sich beim Geldeintreiben naturgemäß leichter.

Die Dreistigkeit, mit der Ex-FPÖ-Chef Heinz- Christian Strache im Ibiza-Video illegale Parteispenden an die FPÖ andeutet, ist beispiellos. Und doch sind dubiose Umgehungskonstruktionen kein genuin freiheitliches Metier. In der einen oder anderen Form sind sie bei allen größeren Parteien schon vorgekommen -also bei ÖVP, SPÖ und FPÖ. Beweisen lassen sich derlei Fälle nur schwer. Es sei denn, jemand packt aus -so wie Strache. Der Ex-Vizekanzler könnte Österreichs demokratischer Kultur mit seinen vielsagenden Offenbarungen einen unfreiwilligen Dienst erwiesen haben: Seither ist das Thema Parteienfinanzierung in aller Munde. Alles neu macht Ibiza.

„Der Verein ist gemeinnützig, der hat nichts mit der Partei zu tun“, führt der Redbull-Wodka-selige Strache im Video gegenüber der vermeintlichen russischen Oligarchennichte aus. „Dadurch hast du keine Meldungen an den Rechnungshof.“ Strache beschreibt, wie die FPÖ angeblich dubiose Vereinskonstrukte zur verbotenen Parteienfinanzierung nutzt. Bald nach Bekanntwerden der Aussagen enthüllte profil eine Reihe geheimer Vereine im FPÖ-Umfeld. Sie tragen Namen wie „Austria in Motion“ und „Wirtschaft für Österreich“. Und: profil stieß auch auf Wirtschaftstreibende, die an die Vereine gespendet haben wollen (siehe profil 22/19). Angesichts all dessen ermittelt inzwischen die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Strache jedoch dementiert: Seine Worte seien „schlichte Prahlerei“ gewesen; es habe „keinerlei solcher Zuwendungen, weder an die FPÖ noch an solche der FPÖ nahstehende Vereine“, gegeben.

Die Affäre blieb nicht folgenlos. Bald gerieten auch Vereine anderer Parteien in die Kritik, vor allem bei der ÖVP (siehe Seite 18).

Margit Kraker, Präsidentin des Rechnungshofs, hat nach Ibiza eine Liste von fünf Änderungsvorschlägen präsentiert. „Wenn jetzt nicht eine grundlegende Reform der Parteienfinanzen kommt, kommt sie gar nicht mehr“, sagt sie. Im Parlament übertreffen sich indes die Parteien mit Reformideen. Dabei herrscht das Prinzip: Alle wollen, was ihnen selbst am meisten nützt. So fordert die SPÖ mehr Restriktionen bei Parteispenden durch Privatpersonen, während die ÖVP für eine Kürzung der staatlichen Parteienförderung plädiert. Dennoch: Es scheint derzeit ein Zeitfenster offen, in dem eine echte Reform der Parteifinanzierung denkbar ist.

Hochnotwendig, findet Mathias Huter, Transparenz-Aktivist vom „Forum Informationsfreiheit“ in Wien. „Österreichs System der Parteienfinanzierung ist im internationalen Vergleich extrem intransparent und missbrauchsanfällig. Das ist weit entfernt, was in einer modernen Demokratie guter Standard ist.“ Die Schlupflöcher sind immens; die Kontrollmöglichkeiten quasi inexistent.

Was konkret reformiert werden soll, ist das Parteiengesetz aus dem Jahr 2012. Dieses Werk, das sich die Parteien damals gewissermaßen selbst geschrieben haben, ist durchaus streng – zumindest vom Buchstaben des Gesetzes her. Derzeit muss jede Parteispende über 3500 Euro pro Jahr öffentlich gemacht werden. Kommt das Geld aus dem Ausland, sind überhaupt nur 2641 Euro erlaubt. Österreich ist damit im internationalen Vergleich rigide -in Deutschland etwa gilt die Veröffentlichungspflicht erst ab einer Summe von 10.000 Euro im Jahr. Informationen über Spenden und andere Geldflüsse müssen die Parteien in sogenannten Rechenschaftsberichten offenlegen, die an den Rechnungshof übermittelt und Jahr für Jahr veröffentlicht werden.

Die entscheidende Frage ist aber: Was genau zählt zur Partei, die von der Offenlegungspflicht erfasst ist? Das Gesetz definiert dies nicht genau. Hier klaffen Lücken groß wie Scheunentore.

Parlamentsklubs, Parteienakademien, Vorfeldorganisationen und etwa Personenkomitees sind zwar wichtige Bestandteile jeder modernen Partei -doch in den Augen des Parteiengesetzes existieren sie nicht. Heißt: Für sie gibt es keinerlei Offenlegungspflichten und Kontrollen.

„Drastisch gesagt könnte man etwa aus einem Parlamentsklub eine Spendenwaschanlage machen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen“, sagt Hubert Sickinger, Parteienfinanzierungsexperte und Politologe von der Universität Wien. Dass wichtige Teile von Parteien nicht unter die Transparenzregeln fallen, hat bizarre Folgen. Von der ÖVP beispielsweise ist nicht einmal bekannt, inwieweit die mächtigen Bünde und andere vorgelagerte Organisationen – also mitunter integrale Bestandteile wie der Arbeitnehmerinnen-und Arbeitnehmerbund (ÖAAB) – von den Rechenschaftsberichten erfasst sind oder eben nicht. „Die ÖVP gibt solche Informationen nicht dezidiert in ihren Berichten preis“, so Experte Huter. „Demnach wissen wir es nicht genau.“ Auch die SPÖ nimmt es mit der Transparenz nicht übergenau: Sie sorgt beispielsweise mit gefinkelten Tricks dafür, dass die „Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen“ (FSG) formell nicht als Teil der SPÖ gilt – und somit außerhalb der Rechenschaftspflicht bleibt (siehe Kasten auf Seiten 20/21).

Die Parteien schummeln sich also selbst scheibchenweise aus der Transparenzpflicht hinaus. Das funktioniert nur, weil die Kontrollrechte extrem lax sind. So bekommt der Rechnungshof bei seinen Überprüfungen gar nicht die tatsächlichen Buchhaltungen der Parteien zu Gesicht, sondern nur besagte Rechenschaftsberichte, also Auszüge und Gesamtsummen, die zuvor von einem externen Wirtschaftsprüfer abgesegnet wurden. Die dürfen die Prüfer dann nachrechnen, so sieht es das Gesetz vor. Die Spenden an alle Landesparteien und die Bundespartei werden zusammengerechnet, ebenso wie die Zuwendungen an alle Vorfeldorganisationen -das macht es nahezu unmöglich, die Angaben nachzuvollziehen. Dabei wäre es relevant zu erfahren, welcher Großkonzern etwa welche Landespartei sponsert.

Damit nicht genug der Absurditäten. Lässt sich eine Partei tatsächlich beim Tricksen erwischen – was unter diesen Umständen erst einmal gelingen muss -, drohen allenfalls minimale Strafen. Würde sich beispielsweise eine Partei schlicht weigern, einen Rechenschaftsbericht zu veröffentlichen: Es gäbe keine Sanktionen. Das ist gesetzlich nicht vorgesehen.

Zwar kam es noch nie zu einer derartigen Weigerung, wohl aber stellte der Rechnungshof immer wieder Ungereimtheiten in den Berichten und verbotene Parteispenden fest. In diesem Fall wandert die Causa zum sogenannten „Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat“, eine Riege dreier Richter im Bundeskanzleramt, die Geldbußen verhängen kann – und sich nicht gerade mit Schlagkraft hervortut.

Nicht nur sind die Strafen dieses Senats äußerst niedrig. Im vergangenen September etwa musste die ÖVP gerade einmal 4000 Euro berappen, weil sie eine unerlaubte Sachspende kassiert hatte. Auch sind dem Senat durch die gesetzlichen Schlupflöcher die Hände gebunden. Ein besonders kurioser Fall aus dem Jahr 2013: Damals hatten SPÖ und FPÖ ihre Wahlwerbung mit Geldern aus den Parlamentsklubs finanziert, ohne dies in den Rechenschaftsberichten anzugeben. Gesetzlich gilt dies als unerlaubte Sachspende der Klubs an die Parteien – denn Klubgelder sind ausschließlich für die parlamentarische Arbeit gedacht, nicht für Wahlkämpfe. Dennoch sprach der Transparenz-Senat keine Strafen aus. Warum nicht? Normalerweise beträgt das Strafmaß maximal die dreifache Summe der unerlaubten Spende. In diesem Fall jedoch ließ sich der Geldwert der Spende nicht beziffern -denn SPÖ und FPÖ hatten die Spende samt Höhe verschwiegen. Heißt: Die beiden Parteien sparten sich die Strafe, gerade weil sie ihre Spende nicht offengelegt hatten. Am Ende zahlte die SPÖ-Bundespartei die Sachspende immerhin an den Parlamentsklub retour. Die FPÖ hingegen beharrte auf ihrem Standpunkt und kam ohne jede Konsequenz davon.

Statt eines zahnlosen Senats brauche es bei Fällen fragwürdiger Parteienfinanzierung die Staatsanwälte, fordern Experten wie Hubert Sickinger. Sie können beispielsweise Kontenöffnungen und Hausdurchsuchungen anordnen – Schritte, zu denen weder Rechnungshof noch Transparenz-Senat ermächtigt sind. Damit dies möglich wird, braucht es einen Tatbestand „Illegale Parteienfinanzierung“ im Strafrecht.

Das ist nur eine der Forderungen, die nun auf den Tisch kommen. Zweifellos ebenso notwendig: ein direkter Einblick in die Buchhaltung der Parteien, wie ihn Rechnungshof-Präsidentin Kraker sich wünscht. Wahlkampfkosten sollen zudem extra ausgewiesen werden, ebenso wie Schulden und Vermögen von Parteien. Und, betreffend parteinahe Vereine: Ausnahmslos jeder Verein, der Spenden an eine Partei tätigt oder Kosten für sie übernimmt, soll dies dem Rechnungshof melden. profil hat alle Parteien im Parlament um ihre Positionen zu solchen Forderungen gebeten (siehe Fragenkatalog Seite 14/15). Insgesamt jedoch konzentriert sich die politische Debatte vor allem auf eine Frage: die Zulässigkeit von Parteispenden. Einige Parteien wollen sie stark beschränken; einer Mehrheit von SPÖ und FPÖ im Nationalrat könnte dies sogar gelingen. Die strikteste Variante vertritt ausgerechnet die FPÖ: Pro Person, Verein oder Firma sollen maximal 3570 Euro pro Jahr an Parteien oder deren Vorfeldorganisationen gespendet werden. Die SPÖ plädiert für eine Obergrenze von 10.000 Euro, würde sich aber runterhandeln lassen. Ganz anders sehen das die NEOS und die Liste Jetzt -sie sprechen sich für gar keine (beziehungsweise eine ziemlich hohe) Obergrenze aus. Kein Wunder, sind doch gerade Kleinparteien häufig existenziell von Spenden abhängig. „Die Neugründung von Parteien wäre ohne Spenden nicht möglich“, sagt Niki Scherak, stellvertretender NEOS-Klubobmann. Wichtig wären seiner Meinung nach umfassende Prüfrechte für den Rechnungshof. Eine Obergrenze bei Spenden hingegen würde nur zu noch mehr Umgehungen und illegalen Tricks führen, so Scherak.

Die ÖVP will nicht bekanntgeben, wie sie zu Parteienspenden steht. Man darf aber davon ausgehen, dass die Volkspartei mit massiven Einschränkungen keine Freude hätte. Freut sich doch die ÖVP immer wieder über Zuwendungen von Großspendern. Dass etwa Stefan Pierer, Chef des Motorradherstellers KTM, der ÖVP im Nationalratswahlkampf 2017 die stolze Summe von 436.563 Euro überwies, findet die politische Konkurrenz bis heute anrüchig. Und führt manche Maßnahmen der türkis-blauen Regierung -etwa den Zwölf-Stunden-Tag und die Senkung der Steuern auf Unternehmensgewinne -gern auf den Einfluss mächtiger Spender wie Pierer zurück.

In Relation zu anderen Gönnern wirkt der KTM-Chef trotzdem wie ein Geizhals: Der Milliardär Frank Stronach ließ sich die Gründung einer eigenen Partei innert fünf Jahren 23 Millionen Euro kosten. Auch der Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner schaut nicht auf den Cent, wenn es um sein politisches Lieblingsprojekt, die NEOS, geht. Laut Rechnungshof investierte Haselsteiner von 2012 bis 2017 nicht weniger als 1,7 Millionen Euro. Auch ein paar Kategorien tiefer können private Spender ganz wesentlich über den Erfolg oder Misserfolg einer Partei mitentscheiden. Die Liste Jetzt (vormals Liste Pilz) hätte es ohne die 98.000-Euro-Mitgift des Wiener Anwalts Alfred Noll möglicherweise nicht in den Nationalrat geschafft. Dass Noll dann auch selbst ein Parlamentsmandat übernahm, verdient eher keinen Schönheitspreis. Man kann sich lebhaft vorstellen, welche Brandrede Peter Pilz halten würde, wenn dergleichen in einer anderen Partei geschähe. Was sagen die Parteispender selbst zu all dem? Der pensionierte Rechtsanwalt Rudolf Gürtler ist ÖVP-Wähler und -Spender aus tiefster Überzeugung. „Wenn ich nicht mehr so viel spenden darf, wie ich will, werde ich die Summe einfach auf alle Familienmitglieder aufteilen“, kündigt er an. Gürtler gehört zur Eigentümerfamilie des Hotels Sacher. Seit 25 Jahren unterstütze er verschiedene ÖVP-Kandidaten mit privatem Geld, erzählt er. Aktuell habe er vor, 50.000 Euro in den Wahlkampf von Sebastian Kurz zu investieren. „Ich bin Pensionist und erwarte keine Gegenleistung. Mir geht es um meine Verantwortung als Staatsbürger, und ich halte das für mein gutes Recht.“ Solange alles offengelegt wird.

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„Es geht nur nach oben oder nach unten“

Aus dem profil 23/2019 vom 2.6.2019

Es schadet der Umwelt. Und glücklich macht es auch nicht. Dennoch muss die Wirtschaft ständig weiterwachsen, meint der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger. Warum eigentlich? Ein Gespräch.

Von Joseph Gepp und Christina Hiptmayr

Die Beschäftigung mit dem Thema Wirtschaftswachstum liegt offenbar in der Familie. Bereits Hans Christoph Binswanger (gestorben 2018), Vater des bekannten Schweizer Ökonomen Mathias Binswanger, befasste sich zeitlebens mit Ursachen und Folgen des Wirtschaftswachstums. Sohn Mathias, geboren 1962, Professor für Volkswirtschaftslehre im Schweizer Olten, trat in dessen Fußstapfen. Gerade hat er sein neues Buch „Der Wachstumszwang“ vorgelegt (Verlag Wiley, 25,70 Euro). Untertitel des äußerst lesenswerten Werkes: „Warum die Volkswirtschaft immer weiterwachsen muss, selbst wenn wir genug haben“. Wirtschaftswachstum werde vom Heilsversprechen zur kollektiven Zwangshandlung, so Binswangers These.

profil: Herr Binswanger, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – also der gesamte Output an Gütern und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft pro Jahr – muss ständig größer werden, damit der Kapitalismus nicht aus den Fugen gerät. Warum eigentlich?

Binswanger: Wachstum ist ein inhärenter Bestandteil des kapitalistischen Wirtschaftssystems, das wir seit etwa 200 Jahren haben. Der Begriff Kapitalismus ist in diesem Zusammenhang gar nicht wertend gemeint, es ist schlicht eine Beschreibung der heutigen Wirtschaft. Diese funktioniert eben nur, wenn es ein gewisses Wachstum gibt. Unternehmen müssen in der Mehrheit Gewinne erzielen – was langfristig nur bei Wachstum möglich ist.

profil: Es gibt mehrere Theorien, warum der Kapitalismus Wachstum braucht. Karl Marx meinte einst, dass infolge der technischen Weiterentwicklung permanent Arbeitskräfte freigesetzt werden, weil man für dieselbe Arbeit weniger Arbeiter benötigt. Damit die Arbeitslosen irgendwo wieder unterkommen, braucht es permanentes Wachstum.

Binswanger: Marx hat einen wesentlichen Aspekt beschrieben: das Zwangsgesetz der Konkurrenz. Man kann nie stillstehen, sondern ist permanent über den Wettbewerb gezwungen, besser zu werden -sonst wird man verdrängt. Noch stärker betonte Joseph Schumpeter die Komponente des technischen Fortschritts, die „kreative Zerstörung“. Aber es gibt noch einen weiteren Aspekt, der den Wachstumszwang erklärt: Wir leben in einer Geldwirtschaft. In ihr muss man Gewinne in Form von Geld erzielen. Dies geht nur, indem ständig Geld in die Wirtschaft fließt. Das geschieht, indem Banken in Form von Krediten Geld schöpfen – und das machen sie in Hinblick auf die Zukunft: Ich muss Investitionen heute finanzieren, damit ich morgen einen Gewinn erziele. Damit er auch real größer ist als das, was ich ursprünglich ausgegeben habe, braucht es Wachstum.

profil: Eine Wette auf die Zukunft.

Binswanger: Genau. Würde der Output an Gütern und Dienstleistungen immer gleich bleiben und dennoch ständig mehr Geld in das System zufließen -das Ergebnis wäre lediglich Inflation.

profil: Das heißt, der Output muss größer werden.

Mathias Binswanger (Wikipedia)

Binswanger: Größer oder besser. Es braucht Wirtschaftswachstum als Zunahme des BIP.

profil: Sie haben sich in Ihrem Buch Unternehmen angesehen, die sich vorgenommen haben, nicht zu wachsen. Schaffen die das?

Binswanger: Nein – dem Wachstumszwang können auch einzelne Unternehmen nur ganz selten entwischen. Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Deutschland hat versucht, Unternehmen zu finden, die ökonomisch erfolgreich sind, obwohl sie nicht wachsen. Das Resultat: Größere Aktiengesellschaften können sowieso nicht auf Wachstum verzichten, sonst drohen Kursrückgänge und letztlich Übernahmen. Aber selbst bei kleinen Betrieben sind nur die wachsenden längerfristig erfolgreich. In Ausnahmefällen gibt es zwar wirtschaftliche Gewinne trotz Stagnation, zum Beispiel wenn ein Unternehmen mit einem neuen Produkt Erfolg hat – aber nicht auf Dauer.

profil: Der wohl wichtigste Aspekt der Wachstumsdebatte ist die ökologische Frage: Kann die Wirtschaft ewig weiterwachsen angesichts der Knappheit von Ressourcen und des Klimawandels?

Binswanger: Es gibt ein ziemliches Potenzial der Entkopplung von Wachstum und Ressourcenverbrauch – das heißt, wir können eine Einheit BIP stets effizienter produzieren, mit immer weniger Energieeinsatz und CO2-Emissionen. Dieses Potenzial ist längst nicht ausgeschöpft, aber die Entkopplung stößt an Grenzen. Das Problem ist, dass die Effizienzverbesserungen letztlich auch genützt werden, um neues Wachstum zu generieren. Ein Beispiel: Es gibt heute zwar weit tankeffizientere Automotoren als früher, aber zugleich war die Effizienzverbesserung eine Chance, luxuriösere Autos mit mehr Leistung und Gewicht anzubieten. Somit geht das Wachstum auf dem Automobilmarkt weiter. Die Effizienzverbesserung gerät in Konflikt mit dem Wachstum. Und falls in einem Land die Entkopplung tatsächlich gelingt, droht ein neues Problem.

profil: Nämlich?

Binswanger: Wenn die Wirtschaft in manchen Ländern ressourcenschonender läuft, liegt das in Wahrheit daran, dass jene Tätigkeiten, die Umweltbelastungen verursachen, in andere Staaten outgesourct wurden. Industrien wurden ausgelagert. Das sieht man gerade an hochentwickelten Wirtschaften wie der Schweiz und Österreich: In den Statistiken wirken sie zwar sehr klimaschonend. In Wahrheit jedoch entstehen die CO2-Emissionen für jene Güter, die in diesen Ländern konsumiert werden, im Ausland. In der Schweiz liegt der Anteil der sogenannten „grauen Emissionen“ inzwischen bei 50 Prozent.

profil: Lassen Sie uns ein Szenario versuchen, in dem die Entkopplung vielleicht doch gelingen würde. Nehmen wir an, es gäbe hohe CO2-Steuern -dadurch reduzierte sich der Konsum klimaschädlicher materieller Güter und etwa Flugreisen. Gleichzeitig florierten Dienstleistungen: Die Menschen lassen sich beispielsweise zu Künstlern oder Yogalehrern ausbilden und gehen im Urlaub in die heimischen Berge wandern. Könnte eine solche Welt nicht weiterwachsen – und trotzdem weniger Energie und Ressourcen verbrauchen?

Binswanger: Nun, wir wollen ja nicht auf den Wohlstand verzichten. Genau das – massive Wohlstandseinbußen – wäre die Konsequenz eines solchen Systems. Dazu sind die meisten Menschen nicht mal ansatzweise bereit. Beobachten Sie, was passiert, wenn die Wirtschaft nur einige Monate lang schwächelt und die Arbeitslosigkeit zunimmt: Sogleich gehen die Rufe los, dass es wieder Wachstum braucht. Sämtliche zaghaften Maßnahmen einer Ökologisierung bisher -etwa die CO2-Emissionszertifikate in der EU -wurden stets so konzipiert, dass sie das Wachstum nicht stören. In Wahrheit passen die ständigen Effizienzverbesserungen sogar gut in unser Wirtschaftssystem, weil sie sich in neues Wachstum ummünzen lassen. Würde man hingegen das Prinzip der Suffizienz einführen -also ein Maß festlegen, an dem wir endgültig über genug materielle Güter verfügen – dann würde dies dem Wirtschaftsprozess als Ganzem eine Grenze setzen. Dies aber passt nicht in ein System, das alle Wachstumsgrenzen beseitigt.

profil: Das klingt, als würden wir ewig weiterwachsen.

Binswanger: Das nicht, aber wahrscheinlich noch ziemlich lange.

profil: Ist es ein Teil der DNA des Menschen, dass er immer mehr will?

Binswanger: Nein, bis vor 200 Jahren war Stagnation der Normalfall. Die längste Zeit haben Menschen gelebt, ohne dass es Wachstum gab -mit erheblich weniger Wohlstand. Heute haben wir das umgekehrte Problem: In Ländern wie der Schweiz oder Österreich, die ein hohes Wohlstandsniveau erreicht haben, stellen wir zunehmend fest, dass viele Menschen gar nicht mehr glauben, dass ihr Leben durch zusätzlichen materiellen Konsum noch besser wäre. Trotzdem: Wir können nicht anders, als weiterzuwachsen. Das zeigt sich auch in der politischen Diskussion. Vonseiten der Politiker wird Wirtschaftswachstum im Normalfall nicht mehr als Chance für mehr Wohlstand präsentiert, sondern als Zwang. Es heißt: Wir müssen weiterwachsen, sonst fallen wir zurück im Vergleich zu anderen Ländern; sonst werden wir als Investitionsstandort unattraktiv; sonst gehen bei uns Arbeitsplätze verloren.

profil: Werden die Leute nicht irgendwann schlicht genug materielle Güter haben – und das Wachstum deshalb einbrechen?

Binswanger: Die Sättigung ist eine ständige Bedrohung des Wachstums. Deshalb zielen viele Aktivitäten heutzutage darauf ab, neue Bedürfnisse zu schaffen. Marketing-Experten entwickeln Mechanismen, eine sogenannte „psychologische Schrottreife“ für Produkte einzuführen, die eigentlich noch völlig in Ordnung wären.

profil: Zum Beispiel?

Binswanger: Bereits in den 1950er-Jahren hat es die US-Automobilindustrie geschafft, bei Konsumenten ein Gefühl der Beschämung hervorzurufen, wenn sie ein Auto fahren, das älter als zwei oder drei Jahre ist. Oder: Jedes Jahr kommen neue Smartphone-Modelle heraus. Sie dienen vor allem dazu, Vorgängermodelle zu entwerten. Die Zufriedenheit damit lässt nach. Das neue Modell hat immer gewisse Features, die das vorherige nicht hat, auch wenn man sie kaum verwendet.

profil: Lassen Sie uns zusammenfassen: Das Wachstum steigert in Wahrheit das Wohlbefinden längst nicht mehr, und der Umwelt schadet es sowieso. Und dennoch können wir nicht anders.

Binswanger: Ein Dilemma. Wir können auch nicht auf dem Niveau verbleiben, auf dem wir gerade sind; es geht nur nach oben oder nach unten. Infolge einer Stagnation der Wirtschaft wären einige Unternehmen nicht mehr erfolgreich und müssten Leute entlassen. Der Konsum geht zurück. Dadurch geraten auch andere Unternehmen in Schwierigkeiten. Weitere Leute müssen entlassen werden. Der Konsum geht weiter zurück. Eine Abwärtsspirale.

profil: Als Ausweg plädieren manche für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Könnten wir dadurch dem Wachstumszwang entkommen?

Binswanger: Ich glaube nicht. Das Problem ist die Finanzierbarkeit. Entweder man macht das Grundeinkommen relativ gering, damit es finanzierbar bleibt -dann aber wäre es kein eigentliches Grundeinkommen, weil die Menschen zusätzlich irgendwelche Einkommen bräuchten. Oder: Das Grundeinkommen ist hoch genug, dass sie tatsächlich davon leben könnten. Dann jedoch klappt die Finanzierung nur, wenn die große Mehrheit genauso weiterarbeitet wie bisher. Das heißt, der Erfolg des Grundeinkommens ist davon abhängig, dass das System möglichst unverändert weiterläuft.

profil: Und Arbeitszeitverkürzungen? Wie wäre es mit einer 20-Stunden-Woche?

Binswanger: Weniger zu arbeiten, wäre aus vielen Gründen sinnvoll. Auch könnten die Menschen mit weniger Einkommen durchaus überleben. Allerdings kann man nicht gesamtwirtschaftlich sagen: Wir verzichten auf mehr Einkommen, arbeiten allesamt weniger – und gleichzeitig funktioniert die Wirtschaft wie bisher. Es braucht schließlich Konsumenten, welche die ständig wachsende Menge an Gütern kaufen. Falls nicht, gerät das Wirtschaftssystem schnell in Probleme, weil weniger konsumiert würde als zuvor.

profil: Was bleibt dann als Lösung? Soll es weiterhin Wachstum geben, aber weniger als bisher?

Binswanger:
Das ist die derzeit realistischste Variante. Ein geringes Wachstum erspart uns die Abwärtsspirale, die aus einer Stagnation resultieren würde. Andererseits bleiben jene Probleme im Rahmen, die aus hohem Wachstum hervorgehen -zum Beispiel finanzielle Turbulenzen und Umweltbelastungen. Es gäbe einige Maßnahmen, um den Wachstumszwang abzuschwächen. Denkbar wäre zum Beispiel eine Reform am Aktienmarkt: Würde man Aktien mit zeitlicher Befristung einführen, wäre der Zwang für die Unternehmen abgemildert, langfristig große Gewinne zu erwirtschaften. Und damit auch der ständige Zwang zu hohem Wachstum. Gespräch: Joseph Gepp, Christina Hiptmayr Foto: Michael Rausch-Schott

Dies ist der vierte Teil der profil-Serie zum Thema Wachstum. Die vorangegangenen waren Interviews mit dem US-Ökonomen James K. Galbraith (profil 45/18) und Christoph Badelt, Chef des Wiener Wifo (50/18), sowie eine Anatomie des Bruttoinlandsprodukts (8/19).


Drei Buchtipps von Mathias Binswanger:

David Graeber: Bürokratie Die Utopie der Regeln. Klett-Cotta (2016), Euro 23,60
Stanislaw Lem: Sterntagebücher Suhrkamp (1978), Euro 10,30
Nicolás Gómez Dávila: Scholien zu einem inbegriffenen Text Karolinger (2017), Euro 34,-

Sein eigenes Buch:

Mathias Binswanger: Der Wachstumszwang Warum die Volkswirtschaft immer weiterwachsen muss, selbst wenn wir genug haben. Wiley, 25,70 Euro

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Glosse: Das war meine Woche

Aus dem profil 23/2019 vom 2.6.2019

Ich denke meist an Arbeitskräftemangel und Steuerbelastung, wenn von Problemen der Tourismusbranche die Rede ist. Es gibt aber auch eine spezielle Herausforderung, die derzeit heiß debattiert wird. Einem Hotelbetreiber auf den Philippinnen ist nämlich der Kragen geplatzt. Der Mann bekommt an die 100 Anfragen monatlich von sogenannten „Influencern“. Diese Leute wollen Gratisübernachtungen und -Verpflegung. Dafür bieten sie an, Texte und Fotos über die Herberge zu posten, zum Beispiel im sozialen Netzwerk Instagram. Der Philippiner dazu: „Geht doch arbeiten!“ Probleme mit Influencern hat offenkundig nicht nur er. Laut „New York Times“ klagen etwa Hoteliers im indonesischen Bali darüber, dass es sich unter Gästen eingebürgert habe, um Rabatte zu feilschen -und im Gegenzug Posts anzubieten. Ein mexikanischer Hotelbetreiber wiederum beschwert sich, dass die Einflussnahme der Influencer zwar tatsächlich neue Gäste anlockt. Aber die sind wieder nur Influencer. Der Philippiner jedenfalls hat nun angekündigt, eine fixe Grenze einzuziehen. Als Influencer gehe man bei ihm künftig nur noch dann durch, wenn man über mehr als eine halbe Million Follower auf Instagram verfügt. Schade für uns Nichtinfluencer. Allerdings bleibt uns noch ein Hintertürchen offen: Mit wenigen Mausklicks lassen sich im Internet gefälschte Instagram-Follower kaufen. Pro Follower koste dies nur nur 0,013 Euro, wirbt etwa eine deutsche Website. Eine halbe Million Follower kämen demnach auf 6500 Euro. Gar keine schlechte Investition für ein Influencer-Dasein im Strandhotel.

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Tatbilder

Aus dem profil 23/2019 vom 2.6.2019

Von Joseph Gepp, Michael Nikbakhsh, Martin Staudinger und Jakob Winter

TATBILDER

Eine Geschichte, zwei Seiten. Als frühere Abgeordnete und Amtsträger haben Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus sich mit Aussagen im Ibiza-Video möglicherweise strafbar gemacht -gleichzeitig könnten sie auch Opfer strafbarer Handlungen geworden sein. Der Fall Ibiza beschäftigt in Österreich nun zwei Staatsanwaltschaften – profil hat recherchiert, was derzeit gegen wen vorliegt.

Haben Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus in Ibiza strafbare Handlungen begangen?

Sind der Ex-FPÖ-Chef und der Ex-FPÖ-Klubobmann korrupt? Unter dem Aktenzeichen 17St2/19p läuft seit dem 20. Mai bei der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Verdächtige -im Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre. Das ist bekannt. Unbekannt war bisher jedoch ein entscheidendes Detail: Gegen wen wird da ermittelt und warum? Die Justiz schwieg sich dazu aus. Und sind die insbesondere von Strache im Video getätigten Aussagen überhaupt strafrechtlich relevant? Unter Juristen war dies umstritten. profil liegen nun Auszüge des Aktes vor -sie geben erstmals Antworten auf diese Fragen.

Fix ist: Johann Gudenus wird als Verdächtiger geführt, genauso wie FPÖ-Nationalrat Markus Tschank „und andere“. Mit großer Wahrscheinlichkeit zählt dazu auch Heinz-Christian Strache -aus den profil vorliegenden Unterlagen lässt sich dies aber nicht mit hundertprozentiger Sicherheit herauslesen . Der Verdacht der Staatsanwälte: „Untreue“,“Anstiftung zur Untreue“ und „Vorteilsannahme zur Beeinflussung“ – im Volksmund „Anfütterung“ genannt . Die Ermittlungen beziehen sich auf die mittlerweile berühmten Aussagen von Strache im Ibiza-Video, wonach „ein paar sehr Vermögende zwischen 500.000 und eineinhalb bis zwei Millionen zahlen“ – und zwar nicht direkt an die FPÖ, sondern an Vereine in ihrem Umfeld, damit der Rechnungshof nichts davon mitbekomme. Konkret nannte Strache als Spender etwa René Benkos Signa Holding, den Pistolenhersteller Glock GmbH und den Glücksspielkonzern Novomatic AG. Später widerrief er seine Aussage. Die Nennung dieser Unternehmen sei „Ausdruck schlichter Prahlerei, nicht mehr“, gewesen, so Strache. Dennoch interessieren sich nun die Staatsanwälte dafür. Konkret könnten die freiheitlichen Politiker gegen Paragraf 306 des Strafgesetzbuches verstoßen haben. Dort heißt es: „Ein Amtsträger , der mit dem Vorsatz, sich in seiner Tätigkeit als Amtsträger beeinflussen zu lassen, für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert oder einen ungebührlichen Vorteil annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.“ Die Strafe kann allerdings je nach Höhe des in Aussicht gestellten oder erhaltenen Schmiergelds auf bis zu fünf Jahre Haft steigen. Gudenus, der jahrelang als engster Vertrauter des gefallenen FPÖ-Chefs Strache galt, hat es der Justiz übrigens ein Stück weit leichter gemacht: Als Abgeordneter wäre er durch seine parlamentarische Immunität vor Strafverfolgung geschützt gewesen. Durch seinen freiwilligen Rücktritt von allen Ämtern am 18. Mai muss die Behörde nun nicht mehr Gudenus‘ Auslieferung beantragen. Umgekehrt bei Strache: Würde er das ihm zustehende Mandat im EU-Parlament annehmen -Strache erhielt bekanntlich ausreichend Vorzugsstimmen und denkt derzeit über ein Politcomeback nach -, wäre er vor einer Strafverfolgung geschützt. Neben Gudenus steht auch FPÖ-Nationalratsabgeordneter Markus Tschank im Visier der Justiz -das ist bereits seit einer Woche bekannt. Tschank gilt als zentrale Figur eines geheimen Vereinsnetzwerks im Umfeld der FPÖ. Über diese Vereine, in denen Tschank verschiedene Vorstandsfunktionen bekleidet, könnten Parteispenden an die FPÖ geflossen sein. Dies enthüllte profil in der vergangenen Ausgabe (21/2019). Generell ist die Rolle von Vereinen bei versteckter Parteienfinanzierung -nicht nur bei der FPÖ -seit der Ibiza-Affäre in den Fokus gerückt. Denn parteinahe Vereine werden weder vom Rechnungshof geprüft, noch müssen sie öffentlich ihre Finanzen vorlegen. profil wird zu diesem Thema in den kommenden Wochen weiter recherchieren. Im Gegensatz zu Gudenus sitzt Tschank nach wie vor im Nationalrat. Seine Immunität muss also mit Mehrheitsentscheid aufgehoben werden, bevor die Staatsanwälte gegen ihn ermitteln können. Die Entscheidung soll im Juni fallen. Die profil vorliegenden Unterlagen zeigen nun erstmals, auf welcher Grundlage die Justiz gegen den FPÖ-Mandatar vorgehen will. Der Vorwurf: Beitrag zur Untreue. Tschank könnte Manager von Unternehmen dazu angestiftet haben, Geld aus ihren Firmen abzuzweigen, um es an die umstrittenen FPÖ-Vereine zu spenden, so der Verdacht. Die Manager hätten demnach Gelder ihres Unternehmens veruntreut, Tschank hätte sie dazu angestiftet. Die Ermittler stützen sich in ihrer Indizienkette auch auf profil-Enthüllungen der Vorwoche: Demnach soll Tschank einen namhaften Wiener Manager dazu verleitet haben, „10.000 Euro an den Verein ‚Wirtschaft für Österreich‘ zu spenden“, so der Ermittlungsakt . Im Wortlaut: Tschank sei „im Zusammenhang mit den von Heinz-Christian Strache im Juli 2017 getätigten Aussagen verdächtig, zum Verbrechen der Untreue beigetragen zu haben, indem er Spenden für die Freiheitliche Partei Österreichs über den gemeinnützigen Verein ‚Wirtschaft für Österreich‘ abwickelte“. Weil die Tat „einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden“ verursacht haben soll, liegt der Strafrahmen bei bis zu zehn Jahren Haft. Den Verein „Wirtschaft für Österreich“ sehen die Staatsanwälte „im Einflussbereich der Freiheitlichen Partei Österreichs“.

Tschank und die übrigen Vereinsvorstandsmitglieder bestreiten, dass Gelder direkt oder indirekt an die FPÖ flossen. Ein Wirtschaftsprüfer habe im Auftrag der Vereine die Finanzen gesichtet und festgestellt: Zwar seien Spenden an die Vereine geflossen , doch niemals an die FPÖ weitergeleitet worden. Ob es stimmt, dass zwischen Vereinen und Partei kein Zusammenhang besteht, werden nun die Ermittlungen der Justiz zeigen. Doch die Staatsanwälte interessieren sich nicht nur für das blaue Trio Strache, Gudenus und Tschank. Verdächtig sind darüber hinaus auch „unbekannte Täter“, konkret „Verantwortliche der Signa Holding, der Novomatic AG und der Glock GmbH“. Also Mitarbeiter jener Unternehmen, die Strache im Ibiza-Video als angebliche Parteispender nannte. Es steht der Verdacht der Untreue im Raum: in dem Sinn, dass Manager der Unternehmen Firmengeld veruntreut haben könnten, indem sie es an die FPÖ spendeten. Die unbekannten Manager hätten mutmaßlich „ihre Befugnis über das Vermögen der von ihnen vertretenen Unternehmen ( ) wissentlich missbraucht und dadurch die Unternehmen geschädigt“, so die Staatsanwaltschaft. Vonseiten Glocks, der Novomatic und der Signa heißt es unisono, sie wüssten nichts von Ermittlungen und seien auch nicht von Behörden diesbezüglich kontaktiert worden. Zudem weisen alle drei Unternehmen neuerlich darauf hin, dass sie weder direkt noch indirekt an die FPÖ gespendet hätten. Der guten Ordnung halber sei auch darauf hingewiesen, dass Strache selbst seine im Video getätigten Behauptungen dazu mittlerweile widerrufen hat. Und was sagen Strache, Gudenus und Tschank zu dem Ermittlungsverfahren? Straches Anwalt Johann Pauer lässt schriftlich wissen, dass er bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft Akteneinsicht beantragt hat, um zu erfahren, ob gegen seinen Mandanten ermittelt wird. Gudenus reagierte nicht auf die profil-Anfrage. Markus Tschank schließlich teilte mit, er wisse zwar, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft einen Antrag auf Aufhebung seiner Immunität eingebracht habe -aber „nähere Informationen liegen mir bislang nicht vor“. Fest steht: Für sämtliche Genannte gilt die Unschuldsvermutung.

Wurden Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus Opfer strafbarer Handlungen?

Plötzlich ging alles zack, zack, zack: Das ist für Österreichs Justiz durchaus keine Selbstverständlichkeit. Wenige Tage, nachdem „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“ das belastende Video-Material öffentlich gemacht hatten, leitete die Staatsanwaltschaft Wien ein Ermittlungsverfahren gegen die mutmaßlichen Urheber ein, und die betraute das Landeskriminalamt Wien mit Recherchen. Das LKA hat zwischenzeitlich auch die ersten Zeugen befragt.

Nina Bussek, die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, bestätigt das Verfahren an sich, nennt darüber hinaus aber keinerlei Details. Laut einem profil vorliegenden Schriftsatz des Landeskriminalamts vom 31. Mai ermittelt die Polizei derzeit gegen drei Personen sowie „unbekannte Täter“:

1) Der zuletzt in Wien und München lebende Julian H., also jener österreichische Sicherheitsberater, der maßgeblich an der Planung und Umsetzung der Operation Ibiza beteiligt gewesen sein soll. H. spielte unter anderem den Begleiter der angeblichen Lettin und Nichte eines russischen Oligarchen, er ist auf den bisher zugänglich gemachten Clips für persönliche Bekannte zu identifizieren.

2) Edis S., ein Österreicher mit bosnischen Wurzeln und Lebensmittelpunkt in Salzburg. Er ist seit Jahren ein Kompagnon von Julian H. und soll an der Aktion ebenso beteiligt gewesen sein wie der dritte Verdächtige, nämlich

3) Slaven K., ein bosnischer Staatsbürger, der zuletzt ebenfalls in Salzburg lebte.

Der Wiener Rechtsanwalt M. wird in dem vorliegenden Schriftsatz nicht explizit als Verdächtiger geführt. Nach profil-Recherchen ist aber auch seine Rolle Gegenstand der Ermittlungen. Schließlich gilt er als Auftraggeber der Truppe um Julian H.

M. kommuniziert mittlerweile über seinen Anwalt Richard Soyer. Dieser hatte vor wenigen Tagen im Namen seines Klienten erklärt, bei dem Ibiza- Video handle es sich um ein „zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt“, bei dem „investigativ-journalistische Wege beschritten“ worden seien. StA-Sprecherin Bussek wollte sich auf Anfrage nicht zur Verdachtslage gegen Rechtsanwalt M. äußern. Konkret wird derzeit auf Grundlage von drei Tatbeständen ermittelt: „Täuschung“,“Missbrauch von Tonaufnahme-und Abhörgeraten“ sowie „Fälschung besonders geschützter Urkunden“.

Interessant ist dabei vor allem die Frage, ob Gespräche heimlich mitgeschnitten werden dürfen oder nicht. Tatsächlich ist die verdeckte Aufzeichnung per se zunächst nicht illegal, wenn der Aufzeichnende selbst an dem Gespräch teilnimmt. Wird das Material aber anschließend ohne Zustimmung des Betroffenen Dritten zugänglich gemacht, kann dies neben zivilrechtlichen auch strafrechtliche Konsequenzen haben. „Wer ohne Einverständnis des Sprechenden die Tonaufnahme einer nicht öffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten, für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich macht oder eine solche Aufnahme veröffentlicht“, riskiert laut Paragraf 120 (Absatz 2) des Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Es handelt sich dabei übrigens um ein sogenanntes Ermächtigungsdelikt. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft zwar von sich aus Ermittlungen einleitet, sobald sie Kenntnis von mutmaßlichen Straftaten erhält (wie auch beim „Offizialdelikt“) – für eine allfällige spätere Anklage oder einen Strafantrag aber die ausdrückliche Zustimmung des Opfers nötig ist. Das wäre hier wohl der Fall: Heinz-Christian Strache hat über seinen Rechtsanwalt Johann Pauer bereits am 24. Mai Anzeige gegen drei (namentlich nicht genannte) „mögliche Mittäter“ erstatten lassen.

Auch die „Täuschung“ ist ein Ermächtigungsdelikt. Sie greift dann, wenn der Getäuschte einen Schaden erlitten hat und kann gemäß StGB-Paragraf 108 ebenfalls bis zu ein Jahr Haft einbringen. Dann wäre da noch die in Paragraf 224 geregelte „Fälschung besonders geschützter Urkunden“: ein Offizialdelikt, auf welches bis zu zwei Jahre Haft stehen. Johann Gudenus hatte nach Auffliegen des Skandals berichtet, dass ihm Anwalt M. am Anfang der Geschichte die Kopie des lettischen Reisepasses der angeblichen Oligarchen-Nichte gezeigt hatte, die unter dem Tarnnamen „Aljona Makarowa“ aufgetreten war. Das Verfahren steht noch am Anfang, der Akt ist noch schmal. Einer der ersten befragten Zeugen: Sascha Wandl, ein früherer Arbeitskollege von Julian H., der 2016 im Streit gegangen und an Ibizagate nach eigener Darstellung nicht beteiligt war. Zur Herstellung des Videos vermochte er zwar keine sachdienlichen Hinweise zu liefern -dafür erzählte er den Ermittlern aber freimütig, er habe 2014/2015 gemeinsam mit einigen der Akteure in einer Wiener Privatwohnung Kokain konsumiert (Gudenus und Strache sind damit ausdrücklich nicht gemeint). Wandls protokollierte Interpretation des Geschehenen: „Meine persönliche Meinung zu dem Ganzen ist, dass dieses Video gemacht wurde, um Geld zu erpressen. Diese Leute haben immer Geldprobleme, und diese ganze Sache mit dem Video ist für mich eine reine Geldbeschaffungsaktion.“

Nichts als ein kleines Gaunerstück im Drogenmilieu also? Das ist möglich, vorerst aber durch nichts belegt. Handelte Rechtsanwalt M. auf eigene Rechnung -oder doch im Auftrag Dritter? Auch diese Frage lässt sich noch nicht beantworten.

Es mehren sich aber die Hinweise, dass das Material bereits kurz nach der Ibiza-Exkursion in Österreich auf den Markt geworfen wurde. Ende August 2017, einen Monat nach dem Dreh auf der Insel, nahm Rechtsanwalt M. Kontakt zu einem damaligen Berater der SPÖ auf, der Christian Kern durch den Nationalratswahlkampf 2017 begleitete. Dieser will namentlich nicht genannt werden, berichtet aber Folgendes: „Ich kenne M. aus Jugendtagen. Er hat mich damals in Wien auf der Straße angesprochen, für mich war das ein zufälliges Treffen. Er sagte so etwas wie:,Ein Mandant von mir hat da was. Da gibt’s ein Material mit Strache und Gudenus und Koks.'“

Mehr will er damals nicht erfahren haben, auch über Geld sei nicht gesprochen worden: „Ich hab ihm gesagt, dass mich das nicht interessiert. Es war ja damals so, dass dir Leute andauernd irgendwelche Gerüchte zugetragen haben, der Wahlkampf 2017 war ja voller Verschwörungstheorien. Ich hab das auch in der SPÖ niemandem erzählt“, so der Politikberater.

Ende August 2017 soll M. auch erfolglos versucht haben, das Material an den Wiener Unternehmensberater Zoltán Aczél zu verkaufen. Damaliger Rufpreis: rund fünf Millionen Euro. Aczél war einst Generalsekretär des Liberalen Forums, er berät unter anderem den Baukonzern Strabag, der im Ibiza-Video zu Ehren kommt. Gegenüber der „Presse“ erklärte Aczél vor wenigen Tagen, M. habe über ihn an Strabag-Großaktionär Hans Peter Haselsteiner heranwollen. Er, Aczél selbst, habe das Video zwar in Auszügen gesehen, Haselsteiner darüber aber nicht unterrichtet. Haselsteiner hat das mittlerweile bestätigt.

Wer das Ibiza-Video angeboten hat, ist inzwischen also relativ klar. Rätselhaft bleibt vorerst aber, wer die Käufer sind und wie viel sie dafür bezahlt haben. Die Aktivisten des deutschen Zentrums für Politische Schönheit (siehe auch Seite 82), die in diesem Zusammenhang ins Spiel gebracht wurden, dementieren. Aus Sicht der österreichischen Behörden gibt es in dieser Hinsicht nichts zu ermitteln.

Währenddessen haben nicht näher genannte Privatpersonen in Deutschland Anzeige gegen den „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ erstattet. Nach einem Bericht des „Standard“ geht es um den Verdacht des „Zugänglichmachens von höchstpersönlichen Bildaufnahmen“, die geeignet sind, dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich zu schaden. Und dass Letzteres tatsächlich der Fall war, würden in diesem Fall auch die erbittertsten Feinde von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus nicht bestreiten.

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Zielanflug

Aus dem profil 22/2019 vom 26.05.2019

Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit läuft derzeit an der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ein höchst brisantes Ermittlungsverfahren. Der Verdacht lautet auf verbotene Unterstützung von Parteien in bewaffneten Konflikten. Unter den Beschuldigten ist – neben einer Reihe von Personen, deren Namen der Öffentlichkeit nicht bekannt ist – niemand Geringerer als Erik Prince. Dieser US-Geschäftsmann und Ex-Elitesoldat gründete im Jahr 1997 das Söldnerunternehmen Blackwater, das unter anderem im Irakkrieg 2003 für Schlagzeilen sorgte. Prince, der inzwischen als Geschäftsführer eines chinesischen Logistikkonzerns fungiert, ist ein persönlicher Freund und Wahlkampfspender von US-Präsident Donald Trump. Schwester Betsy DeVos werkt als Trumps Bildungsministerin. Eine politisch spannende Ermittlung also. Angestoßen wurde sie im Jahr 2016 nach Berichten in US-Medien. Ihnen zufolge soll Prince in Zusammenarbeit mit der Wiener Neustädter Firma Airborne Technologies GmbH (Kerngeschäft: Ausstattung von Flugzeugen mit Spezialgerät wie Kameras und Sensoren) Agrarflugzeuge für militärische Einsätze umgerüstet haben. Der Hintergedanke der Aktion soll gewesen sein, mit den Billig-Kampffliegern lukrative Geschäfte zu machen, zum Beispiel mittels Verkauf an Warlords in Afrika. Zusatzaspekt: Zwischen 2013 und 2017 soll Erik Prince über eine Briefkastenfirma auf den Bahamas selbst 25 Prozent an Airborne Technologies gehalten haben. Alle Beteiligten dementieren die Vorwürfe entschieden. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Eine aktuelle Anfrage von Peter Pilz (Liste Jetzt) an ÖVP-Justizminister Josef Moser lässt nun Rückschlüsse darauf zu, wie weit die Ermittlungen gediehen sind. Laut der Beantwortung wurde zwischenzeitlich das Verfahren gegen drei Beschuldigte eingestellt; ein Beschuldigter kommt neu hinzu; bei fünf Personen dauert die Ermittlung weiter an. Heißt: Sechs Beschuldigte, einer davon Prince, stehen im Verdacht, an den kriminellen Geschäften beteiligt zu sein. „Weisungen oder Aufträge wurden nicht erteilt“, so Moser in der Anfragebeantwortung. Derartiges hatte der Oppositionelle Pilz angesichts der politischen Brisanz der Causa befürchtet.

Wann ist mit einem Abschluss der Ermittlungen zu rechnen? In der Beantwortung findet sich dazu nichts – dafür gibt Erich Habitzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, gegenüber profil Auskunft. Habitzl rechnet in der zweiten Hälfte 2019 mit dem Abschluss. Vielleicht also wird man bald mehr erfahren über eine internationale Waffenhandels-Causa, die möglicherweise ein Stück weit in Österreich spielt.

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