Aus dem profil 05/2019 vom 27.01.2019
Ich verfolge interessiert die Nachrichten aus Luxemburg. Dort wird die Benutzung von Zügen, Bussen und Straßenbahnen ab 2020 gratis sein. Der Autoverkehr ist ein Hauptverursacher des Klimawandels. Im Gegensatz zu Sektoren wie der Industrie steigen die CO2 Emissionen aus dem Verkehr rasant. Wäre also ein Schritt wie in Luxemburg auch für Österreich zu empfehlen? Zum Beispiel in Wien? Laut Wiener Linien kostet der Betrieb der öffentlichen Verkehrsmittel die Hauptstadt jährlich rund 800 Millionen Euro. Ungefähr 40 Prozent davon, mehr als 300 Millionen, kommen aus den Steuermitteln der Stadt. Den größeren Rest, rund 500 Millionen, bringen die Wiener Linien selbst auf, großteils aus Ticketverkäufen. Besagte 500 Millionen müsste also das Rathaus stemmen, wollte es die Öffis gratis anbieten. Das entspräche rund einem Dreißigstel der jährlichen Gesamtausgaben der Stadt Wien. Es ist also prinzipiell leistbar. Aber ist es auch vernünftig? Würden Öffis gänzlich aus Steuermitteln finanziert, gäbe es wohl Jahr für Jahr eine hitzige Debatte. Wie viel Steuergeld für Gratis-Öffis darf sein? Wo liegen Sparpotenziale? Für Politiker wären die Gratis-Öffis ein vielversprechender Reibebaum. Egal ob es ihnen um ausgeglichene Budgetzahlen oder doch eher um die Stimmen der Autofahrer geht: Hier ließe sich viel gewinnen. Das Budget der Gratis-Öffis wäre also für etwaige Senkungsgelüste anfälliger als momentan, wo sich die Verkehrsbetriebe zu mehr als der Hälfte selbst finanzieren. Es zu senken hieße aber: weniger Qualität, mangelnder Ausbau -und am Ende kehren die Wiener trotz Gratis-Öffis zum Auto zurück. Aktionen wie in Luxemburg klingen gut, aber Wiens rot-grüne Stadtregierung hat sich wohl zur besseren Strategie entschlossen. Die Öffis dürfen ruhig ein bisschen etwas kosten, nur besonders viel sollte es nicht sein.
Joseph Gepp