Aus profil 48/2017
Ich plane, ein Unternehmen zu gründen. Eine Beratungsagentur vielleicht. Um zu starten, brauche ich jedoch: Mitarbeiter, Büroräume, Dienstwagen. Woher das Geld für all das nehmen? Die Banken geben mir keine Kredite, weil sie nicht an den Erfolg meines Unterfangens glauben. Und die Börse? Wegen des hohen Verwaltungsaufwands und vieler Regulierungen kommt dies nur für Großprojekte infrage.
Glücklicherweise entsteht in der Finanzwelt gerade eine Innovation, die mir weiterhelfen könnte: die „Tokens“. Vorgangsweise: Um mein Unternehmen zu finanzieren, gründe ich meine eigene digitale Untergrundwährung à la Bitcoin. Dieses Verfahren nennt man „ICO“ („Initial Coin Offering“) – in Anlehnung an „IPO“ („Initial Public Offering“, also Börsengang).
Wie es konkret läuft? Meine Währung bekommt einen hübschen Namen (zum Beispiel „Consult Coin“). Derlei Consult Coins kann ich nicht einfach selbst produzieren -sonst könnte ich ja mit der Ausgabe von Millionen sogleich für eine Hyperinflation sorgen. Nein, die Consult Coins entstehen in limitierter Anzahl in der sogenannten Blockchain, einem dezentralen Netzwerk all jener Computernutzer, die Untergrundwährungen verwenden. Jeder, der mag, kann mit meinen Coins handeln. Grundkonzept: Je größer mein Unternehmenserfolg, desto mehr Euro oder Dollar muss man für eine Consult Coin hinlegen.
All das mag völlig absurd klingen. Aber allein heuer finanzierten sich neu gegründete Unternehmen mit rund 2,7 Milliarden Euro über ICOs. Der britische „Economist“ ortet eine „ICO-Blase“. Vorteile aus der Sicht der Unternehmen: Der Markt ist völlig unreguliert. Jedes Projekt kann ohne große Hindernisse mittels ICO zu Geld kommen. Schlussendlich können aber auch viele Anleger Opfer von Zockern und Betrügern werden.
Wie sagte der einstige US-Notenbankpräsident Paul Volcker so schön: „Die einzige nützliche Innovation am Finanzmarkt war der Bankomat.“
Der Mensch kann die E-welt nicht beherrschen: Internet u Co zerstoeren die
Welt.