Monatsarchiv: August 2017

Geld-Kolumne: Das war meine Woche

Aus profil 27/2017

Von
Joseph Gepp

Ich lache, wenn ich lese, was Janet Yellen sagt: „Zu unseren Lebzeiten“ werde es keine Finanzkrise mehr geben, so die US-Fed-Chefin. Die Frau hat wohl länger keinen Blick nach Europa geworfen – und was hier geschieht, hat auch Konsequenzen für den US-Finanzmarkt.

Die Krise ist längst nicht ausgestanden. Notmaßnahmen verhindern, dass sie wieder voll ausbricht. Vergangene Woche etwa rettete der italienische Staat zwei Institute vor der Pleite, die Banca Popolare di Vicenza und Veneto Banca. Um 17 Milliarden Euro Steuergeld.

Eigentlich sollte derlei nicht mehr geschehen. Nach der Finanzkrise verpasste sich die EU ein sogenanntes Bail-in-System. Im Krisenfall müssen seither zuerst Bankgläubiger und -eigentümer zahlen. Und erst danach der Steuerzahler.

Ist jedoch Feuer auf dem Dach, trachten Regierungen, das System zu umgehen. Im italienischen Fall etwa heißt es, sie seien zu klein, um unter das Regelwerk zu fallen. Eine Pleite hätte „eine dramatische Krise“ ausgelöst, sagt Finanzminister Pier Carlo Padoan. Italiens Geldgeber wären verunsichert, Unternehmen hätten gelitten, Sparer möglicherweise ihre Konten geplündert.

Deshalb entschloss sich die Regierung, die schlechten Teile der Banken zu übernehmen – etwa faule Kredite. Der Rest geht an die Mailänder Großbank Intesa Sanpaolo. An sie zahlt der Staat dafür noch fünf Milliarden. Der Aktienkurs der Intesa legte sogleich um vier Prozent zu.

Italien ist hoch verschuldet und wirtschaftlich schwach. Jetzt zahlt es Milliarden, um Regionalbanken zu retten. Wahrscheinlich wird damit tatsächlich Schlimmeres verhindert. Aber was, wenn das Land die nächste Krisenbank nicht mehr auffangen kann? Wenn Italiens Gläubiger das Vertrauen verlieren? Dann ist die nächste Finanzkrise da.

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Auswärtsspiel

Aus profil 26/2017

Gerhard Eschelbeck? Wolfgang Neumann? Monisha Kaltenborn? Sagt Ihnen nichts? Neben klassischen Exportgütern ist auch österreichisches Humankapital im Ausland gefragt. Zehn Porträts von Menschen, die jenseits der Grenzen Karriere gemacht haben und deren Namen man kennen sollte.

Von Joseph Gepp und Christina Hiptmayr

Als der Tiroler Severin Schwan jüngst als bestverdienender Manager Europas geoutet wurde, ging ein Rauschen durch Blätterwald und digitales Dickicht. Ein Wirtschaftskapitän aus dem kleinen Österreich, genauer: aus Hall, an der Spitze eines Unternehmens mit Weltgeltung. Und kaum jemanden war der Name ein Begriff. Dabei reiht sich der Vorstandschef des Schweizer Pharmakonzerns Roche in eine immer opulentere Liste von Österreichern, die es fern der Heimat nach ganz oben geschafft haben. Sie leiten Weltkonzerne, bauen Fluglinien auf, scheitern mit Formel-1-Teams und schauen als Aufsichtsrats-Bosse Spitzenbankern auf die Finger. Viele davon stammen übrigens aus der heimischen Provinz, überproportional aus Oberösterreich.

Rund 546.700 Landsleute leben im Ausland. Damit ist „Österreichs zehntes Bundesland“ erstaunlich bevölkerungsstark. Gelten die Österreicher doch gemeinhin als wenig mobil. Eine vollzählige Auflistung würde den Rahmen sprengen – hier nicht umfasst sind beispielsweise Medienmanager Gerhard Zeiler, Vodafone-Deutschland-Chef Hannes Ametsreiter und Michael Grabner, der über ein Vierteljahrhundert den deutschen Holtzbrinck-Verlag prägte.

Eine Auswahl derjenigen, die dem Ruf der großen, weiten Welt gefolgt sind und recht erstaunliche Karrieren hingelegt haben.

Der Pillendreher: Severin Schwan, ROCHE

Als großer Netzwerker gilt Severin Schwan eigentlich nicht. Dennoch hat der Tiroler eine erstaunliche Karriere hingelegt. Nach dem Wirtschafts- und Jus-Studium an der Uni Innsbruck heuert er als Trainee in der Finanzabteilung beim Pharmakonzern Roche in Basel an. Und er blieb dem Unternehmen seine gesamte Laufbahn treu. Manager-Karrieren, die sich ausschließlich in einem Unternehmen abspielen, haben heutzutage Seltenheitswert.

Schon als 28-Jähriger wurde er Finanzchef in Brüssel. Schwan musste eine Fabrik schließen, mit Behörden verhandeln, das kriselnde Geschäft wieder auf Vordermann bringen. Die Übung gelang, der gebürtige Haller befand sich somit auf der internen Karriereroute. 2004 dann der Wechsel vom Finanzbereich auf die operative Ebene. Er zog mit Frau und drei Kindern nach Singapur und wurde Leiter des Asien-Pazifik-Geschäfts der Diagnostiksparte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Schwan längst die Aufmerksamkeit des damaligen Roche-Vorstandschef Franz Humer (ebenfalls ein Österreicher), der ihn sukzessive zum Kronprinzen aufbaute. „Wegen seiner umgänglichen Art hat er keine Feinde auf den Plan gerufen -vielleicht auch, weil er oft unterschätzt und nicht als gefährlicher Konkurrent angesehen wurde“, sagte einmal ein Wegbegleiter über ihn. 2008 gelangte er mit gerade einmal 40 Jahren an die Spitze: die Roche-Generalversammlung wählte ihn zum Vorstandsvorsitzenden. Schwan ist damit Chef von über 94.000 Mitarbeitern. Top ist auch sein Gehalt. Wie kürzlich bekannt wurde, ist er Europas bestverdienender Manager. 2016 kam er auf eine Vergütung von über 13 Millionen Euro.

Die Bruchpilotin: Monisha Kaltenborn, SAUBER MOTORSPORT

Bis vor wenigen Tagen fand sich in der erlesenen Riege der bekannten österreichischen Spitzenmanager im Ausland auch eine Frau. Und noch dazu eine Migrantin. Zwei Eigenschaften, die in dieser Gruppe eher rar gesät sind.

Monisha Kaltenborn, 46, geboren in Indien, war die erste weibliche Formel-1-Teamchefin überhaupt. Sie leitete den Schweizer Rennstall Sauber Motorsport AG. Bis vergangenen Mittwoch. Da wurde verlautbart, dass sich Sauber mit sofortiger Wirkung von Kaltenborn trennt.

Bis zur Nachricht von ihrem Abgang hat die Frau eine schillernde Karriere im Motorsport hingelegt -einer ansonsten extrem männerdominierten, als chauvinistisch geltenden Branche. Ihre Eltern, Unternehmer aus dem indischen Uttarakhand, wanderten einst nach Österreich aus, als Monisha acht Jahre alt war. In Wien studierte sie Mitte der 1990er- Jahre Jus und arbeitete danach in Anwaltskanzleien in Deutschland, Österreich und Liechtenstein. Dadurch kam sie mit Sauber in Kontakt, einer Gründung des ehemaligen Schweizer Rennfahrers Peter Sauber, dessen Rechtsagenden sie betreute. 2001 wechselte sie in die Geschäftsführung von Sauber. Anfang 2010 wurde Kaltenborn CEO, schließlich Team-Chefin und -Mitbesitzerin.

Kaltenborn, die mit Mädchenname Narang heißt, ist mit dem deutschen Rechtsanwalt Jens Kaltenborn verheiratet -die Trauung erfolgte nach Hindu-Ritus am Fuß des Himalaya. Privat praktiziert sie Yoga, geht in die Oper und spielt Tennis. Das Paar hat zwei Kinder und lebt im Schweizer Küsnacht, wo auch das Sauber-Team seinen Sitz hat.

Eine räumliche Nähe, die es nun nicht mehr braucht. Denn zuletzt lief es für die Managerin nicht gut. Die sportlichen Erfolge des Rennstalls waren bescheiden, die finanzielle Lage angespannt. Kaltenborn stand wegen umstrittener Entscheidungen in der Kritik, etwa was die Auswahl von Motoren für die Formel-1 betrifft . Dazu hatte die Managerin vor Saisonbeginn 2015 vier Fahrer für nur zwei Cockpits verpflichtet – aus finanziellen Gründen, so viele Kritiker, weil jeder Fahrer auch Sponsorengelder mitbringt. Die Angelegenheit zog sich jedenfalls bis vor die Gerichte – teuer und peinlich für Kaltenborn. Die Episode war mit ein Grund, warum sie ihren Job verlor.

Der Netzwerker: Gerhard Eschelbeck, GOOGLE

„Ein Jahr lang schaue ich mir das an, dann komme ich an die Universität zurück“, sagte Gerhard Eschelbeck im Jahr 1997, nachdem er von der Linzer Johannes-Kepler-Universität in die USA gewechselt war. Es ist ganz anders gekommen.

Eschelbeck, 52, aufgewachsen im oberösterreichischen Peuerbach, gilt heute als weltweit führender Experte auf dem Gebiet der Internet-Sicherheit. Der Professor für Informatik an der Uni Linz arbeitete seit den späten 1990er-Jahren bei mehreren wichtigen Cyber-Security-Anbietern im Silicon Valley in den USA. Seine Karriere dort begann, nachdem eines dieser Unternehmen, der Security-Software-Spezialist McAfee, eine Sicherheits-Software aufgekauft hatte, die Eschelbeck entwickelt hatte.

2014 folgt der bisherige Höhepunkt seiner Karriere: Eschelbeck wird Chef der Google-Abteilung für „Security and Privacy“ mit rund 600 Mitarbeitern. Dass E-Mail-Konten nicht gehackt werden und Geheimdienste keine Google-Nutzer ausspionieren, fällt seither in seinen Verantwortungsbereich. Eschelbeck lebt heute mit Frau und zwei Kindern im kalifornischen Cupertino.

Im vergangenen März wurde Eschelbeck neben seinem Google-Job in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank gewählt, des größten deutschen Kreditinstituts. Dort muss er sich als Österreicher nicht einsam fühlen: Aufsichtsratschef Paul Achleitner, ehemals Goldman-Sachs-Banker und Vorstand der Müncher Allianz-Versicherung, stammt ebenfalls aus Oberösterreich. Mit Alexander Schütz – Vermögensverwalter und Gründer des Investmenthauses C-Quadrat – einem Wiener, ist das österreichische Aufsichtsrats-Trio komplett.

Der Geldverschieber: Hikmet Ersek, WESTERN UNION

Während der Flüchtlingskrise 2015 konnte man es täglich beobachten: Flüchtlinge, etwa aus Syrien, standen bei Schaltern an, um Geld abzuholen, das ihre Verwandten im Heimatland für sie zusammengekratzt hatten. Oder umgekehrt: Sie schickten ihr Erspartes nach Hause an ihre Familien, die häufig Not leiden.

Mit normalen Banken lassen sich derlei Transaktionen in Krisenregionen nicht bewerkstelligen. Also kommen Bargeldtransferdienste zum Einsatz. Der Weltmarktführer: Western Union in Denver in US-Bundesstaat Colorado. Der Konzern mit einem Jahresumsatz von rund 5,5 Milliarden Dollar gehört zu den 500 umsatzstärksten der Welt.

Geleitet wird Western Union von einem Österreicher, der selbst Migrationserfahrung aufweist. Hikmet Ersek, Sohn eines Türken und einer Österreicherin, zog mit 19 Jahren von Istanbul nach Wien, um hier an der WU zu studieren. Später arbeitete er in Wien bei Master Card und General Electric; schließlich stieg er bei Western Union bis zum Europa-Chef mit Büro am Wiener Schubertring auf. Im Jahr 2010 wechselte Ersek als Vorstandschef nach Denver. Kein Österreicher hat es in der US-Wirtschaft so weit nach oben geschafft.

Der großgewachsene Mann, der in seiner Jugend Basketball spielte, herrscht heute über ein Reich von weltweit knapp einer halben Million Western-Union-Filialen. Mitunter sind es winzige Kioske in kaum zugänglichen Gegenden. Die wichtigste Zielgruppe des Unternehmens: Arbeitsmigranten. Und: Flüchtlinge. Hunderte Milliarden Euro schicken diese Gruppen jährlich in ihre Heimatländer.

Dabei werden sie von Western Union durchaus abgezockt, monieren Kritiker immer wieder – sogar die Weltbank hat bei Ersek Protest eingelegt. Denn auf jede Überweisung fallen bis zu 20 Prozent Gebühren an. Die Spesen werden häufig umso höher, je weniger Optionen es gibt, Geld abseits von Western Union in eine gewünschte Region zu transferieren.

Auf diese Kritik angesprochen, verweist Ersek gern auf das dichte Filialnetz seines Unternehmens, das es schließlich zu erhalten und finanzieren gelte. Auch er selbst, erzählt er gern in Interviews, schicke Geld über Western Union – zum Beispiel an seinen Vater in der Türkei.

Der Wasserträger: Peter Brabeck-Letmathe, NESTLÉ

Manche Auftritte bleiben im Gedächtnis hängen. Zum Beispiel ein Interview, das Nestlé-Konzernchef Brabeck-Letmathe im Jahr 2005 dem österreichischen Filmemacher Erwin Wagenhofer für dessen Dokumentation „We Feed The World“ gab. Dass jedermann das Recht auf sauberes Trinkwasser haben solle, nannte Brabeck eine „Extremposition“, die von Globalisierungskritikern vertreten werde. Eben jene sehen seither in dem Mann gern ihren Lieblingsfeind.

Brabeck, 1944 in Villach geboren, zählt zu den wichtigsten Managern Europas. Von 1997 bis 2008 leitete er Nestlé. 2005 wurde er außerdem an die Spitze des Verwaltungsrats bestellt – eine Position, die er bis heute innehat. Nestlé, weltgrößter Lebensmittelkonzern und größtes Schweizer Industrieunternehmen, vereint 6000 Marken unter seinem Dach. Dazu zählen Maggi, Nespresso oder etwa das umstrittene Unternehmen Pure Life, das auf die Vermarktung von Wasser in Entwicklungsländern spezialisiert ist.

Brabeck, Abkömmling einer Adelsfamilie aus dem deutschen Iserlohn, studierte an der Wiener Hochschule für Welthandel, der späteren Wirtschaftsuniversität (WU). 1968, vor 49 Jahren, begann er bei Nestlé Österreich als Produktmanager. Viele Jahre lang gelang es ihm, im Konzern eine mächtige Stellung zu verteidigen. Im Jahr 2005 zum Beispiel liefen die Aktionäre Sturm, als Brabeck zusätzlich zum Konzernvorsitzenden den Posten des Verwaltungsratspräsidenten anstrebte. Brabeck drohte darauf mit Rücktritt – und setzte sich durch. Sein Privatvermögen beträgt laut Schweizer Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ umgerechnet eine Viertelmilliarde Euro. Hintergrund: Brabeck bezog als Teil seiner Entlohnung regelmäßig gut dotierte Nestlé-Aktienpakete. Der begeisterte Bergsteiger und Hubschrauberpilot investiert das Geld in Immobilien, Hotel und Fischzuchtanlagen.

Inzwischen ist es ruhiger geworden um Brabeck. Heuer wird er als Nestlé-Verwaltungsratschef abtreten. Seit er vor zwei Jahren eine schwere Krebserkrankung überwand, befasst er sich intensiv mit Technologien für eine gesunde Ernährung. Vergangenes Jahr erschien Brabecks Buch „Ernährung für ein besseres Leben“. Das ist, wenn man so will, die andere Seite des Wasserprivatisierers.

Der Geistreiche: Robert Kunze-Concewitz, CAMPARI

Die Internationalität liegt Robert „Bob“ Kunze-Concewitz quasi im Blut: In Istanbul geboren, in Frankreich zur Schule gegangen, in den USA und Großbritannien studiert. Spricht fünf Sprachen fließend. Er lebte zwar nie in Österreich, besitzt aber einen österreichischen Pass. Diesen verdankt er seinem Urgroßvater väterlicherseits, der seinerzeit vom Wiener Hof als Richter der österreichischen Gemeinde im damaligen Konstantinopel eingesetzt wurde.

Seine Karriere startete Kunze-Concewitz bei Procter & Gamble. Der Konsumgüterkonzern gilt als Marketing-Kaderschmiede. Im Laufe der Jahre besetzte er dort verschiedene Positionen in mehreren Ländern. Zuletzt stieg er zum Chef der Global Prestige Products des US-Unternehmens auf, wo er für Luxusprodukte wie Parfüms von Hugo Boss und Gucci verantwortlich war. 2005 wurde er zum Marketing-Chef der Davide Campari-Milano S. p. A. bestellt, zwei Jahre später wurde er deren Vorstandsvorsitzender. Wenn Kunze-Concewitz über das Unternehmen und seine Marken spricht, outet er sich als Marketingmensch durch und durch. Campari sei eine „Liebe auf das erste Glas“ gewesen, und das Unternehmen verkaufe ein „mediterranes Lebensgefühl“. Für jede Marke ist ein bestimmtes Image festgelegt. Aperol sei „jung, dynamisch“, Campari „sinnlich und erwachsener“. Unter Kunze-Concewitz‘ Ägide wuchs das Portfolio auf über 50 Marken an. In den vergangenen Jahren hat er 26 Akquisitionen unter Dach und Fach gebracht. Zum Campari-Imperium gehören etwa Averna, Cynar, Grand Marnier, Skyy Vodka, Wild Turkey Bourbon sowie die Wermut-Marke Cinzano, die sein italienisch-maltesischer Großvater mütterlicherseits einst schon in Konstantinopel vertrieben hat. Der Umsatz des an der Mailänder Börse notierten Konzerns stieg in den vergangenen zehn Jahren von 0,9 auf 1,7 Milliarden Euro. Während der Umsatz kontinuierlich stieg, musste Campari beim Ergebnis zuletzt Einbußen hinnehmen: Im Geschäftsjahr 2016 ging der Gewinn um fünf Prozent auf rund 166 Millionen Euro zurück.

Der Kapitän: Helmut Sohmen, BERGESEN WORLDWIDE

Seine Eltern verschlug es einst als sudetendeutsche Flüchtlinge nach Oberösterreich. Er selbst maturierte an der Linzer Fadingerschule und begann ein Jus-Studium in Wien. Wie sich sein Leben danach weiterentwickeln würde, das hätte er „nicht im Traum“ vermutet, erzählte Helmut Sohmen vergangenes Jahr dem „Kurier“.

Sohmen besitzt heute eine der international größten Reedereien, die BW-Gruppe („Bergesen Worldwide“) mit Sitz im chinesischen Hongkong. Laut eigenen Angaben betreibt das Unternehmen 173 Schiffe, die vor allem Öl und Gas befördern. Das US-Magazin „Forbes“ schätzt Sohmens Vermögen auf 1,8 Milliarden Dollar. Damit wäre er sechsreichster Österreicher und auf Platz 771 der Weltrangliste.

Begonnen hat alles im Jahr 1967, als Sohmen Anna Pui Hing Pao heiratete -die Tochter eines der damals wichtigsten Reeder -, die er während eines Studienaufenthalts in den USA kennengelernt hatte. Der Hongkonger Yue-Kong Pao war einst vor den chinesischen Kommunisten in die britische Kronkolonie geflohen. 1970 stieg Sohmen ins Unternehmen des Schwiegervaters ein. Nachdem sich Yue-Kong Pao 1986 zur Ruhe gesetzt hatte, übernahm er es zur Gänze. Auf eine Phase des Geschäftsrückgangs und der Konsolidierung in den 1990er-Jahren folgte ein Expansionskurs mit großen Zukäufen, etwa die norwegische Bergesen-Flotte im Jahr 2003.

Vor zwei Jahren schließlich übernahm Sohn Andreas Sohmen-Pao das Steuerrad – auch er Inhaber der österreichischen Staatsbürgerschaft . Das Firmenkonglomerat, das mittlerweile von Singapur aus geführt wird, beschäftigt heute 4500 Mitarbeiter, etwa in China, Indien, den Bermudas, Zypern und Norwegen.

Der Gastgeber: Wolfgang Neumann, REZIDOR HOTEL GROUP

Österreicher, die Hotels im Ausland führen, gibt es zuhauf. Sie leiten Bettenburgen, exklusive Resorts, Luxus- oder Designhotels rund um den Globus. Doch nur wenige haben es ganz nach oben geschafft: in die Führungsetagen der großen Tourismuskonzerne. Wolfgang Neumann ist einer davon. Der Salzburger ist seit Kurzem Aufsichtsrat der Rezidor-Gruppe (früher SAS International Hotels), zu der unter anderen die Radisson Hotels gehören. Davor führte er den an der Stockholmer Börse notierenden Hotelkonzern vier Jahre als Vorstandsvorsitzender. Dabei war er für über 480 Hotels in mehr als 80 Ländern verantwortlich, die fast eine Milliarde Umsatz erwirtschaften.

Seine Laufbahn begann der Vater dreier Kinder an der Tourismusschule Kleßheim. Es folgten über 20 Jahre bei der Hilton-Kette, wo er Direktorenstellen in Frankfurt, Brüssel, Paris und London bekleidete und es bis zum Generaldirektor für Europa und Afrika brachte. 2009 kehrte er für ein kurzes Gastspiel in die Salzburger Heimat zurück, wo er das Schlosshotel Fuschl führte. Doch das Fernweh schlug bald wieder zu. Einmal auf Achse, immer auf Achse.

Der Abgehobene: Wolfgang Mayrhuber, LUFTHANSA

Eigentlich wollte er Pilot werden. Doch die AUA hatte ihn abgelehnt. Heute ist er einer der bekanntesten aus der Riege der österreichischen Manager-Elite im Ausland, sein Name untrennbar mit einer der größten Fluglinien Europas verbunden. „Ich habe 20 Mal die Firma gewechselt, ohne die Firma zu wechseln“, sagte Wolfgang Mayrhuber in einem Interview in profil. „Die Firma“, das ist die deutsche Lufthansa AG. Nach der HTL für Maschinenbau in Steyr begann der Sohn eines Journalisten und einer Lehrerin als Ingenieur bei der Triebwerksinstandhaltung. In den Folgejahren durchlief er alle Führungsebenen sämtlicher Geschäftsbereiche der Lufthansa-Technik. 1992 zog er in den Lufthansa-Vorstand ein, 2003 folgte er Jürgen Weber als Vorstandsvorsitzender nach. Er hat Sparprogramme entworfen und durchgesetzt und die Lufthansa schnell aus den roten Zahlen geflogen. Doch in seiner siebenjährigen Ägide drückte Mayrhuber vor allem bei der Expansion in Europa aufs Tempo. Binnen weniger Jahre wuchs die Lufthansa-Gruppe um Swiss, AUA, Brussels Airlines und außerdem erwarb er die Mehrheit bei der britischen Fluggesellschaft BMI. Mayrhubers damalige Einkaufstour erregt bis heute die Gemüter von Aktionären und Mitarbeitern. Die Lufthansa habe dabei zu viele Verlustbringer erworben, die aufwendig saniert und unzureichend integriert worden seien.

Als der Wahl-Hamburger 2013 Pläne für eine Kandidatur als Lufthansa-Aufsichtsratchef bekanntgab, gingen die Wogen hoch. Er habe zu wenig Distanz zu seinem Ex-Arbeitgeber und zu viele Kontrollposten bei anderen Unternehmen angesammelt, kritisierten Aktionärsvertreter. Er ziehe seine Kandidatur zurück, ließ Mayrhuber verlauten. Was ihn freilich nicht daran hinderte, doch anzutreten. Er erhielt eine knappe Mehrheit der Aktionärsstimmen. Zuletzt wurden Gerüchte laut, dass Mayrhuber möglicherweise noch dieses Jahr sein Amt aus gesundheitlichen Gründen niederlegen würde. Die Lufthansa wollte das nicht kommentieren.

Der Wechselflieger: Wolfgang Prock-Schauer, GOAIR

22 Jahre war Wolfgang Prock-Schauer für die AUA tätig und bekleidete bei der österreichischen Fluglinie Funktionen im Top-Management. Zweifellos hat ihn dieser Beruf um die Welt geführt, doch im Ausland lebt und arbeitet er erst seit 2003. Damals bot ihm der indische Unternehmer Naresh Goyal den Posten des Chief Executive Officer (CEO) seiner defizitären Inlandsfluglinie Jet Airways an. Sechs Jahre diente er der zweitgrößten indischen Fluglinie. Er sanierte sie, brachte sie an die Börse und baute das Auslandsgeschäft auf. In Indien war er ein gefragter Manager. Ein Angebot des indischen Konkurrenten Kingfisher lehnte er 2008 ab. Ende 2009 holte ihn der damalige Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber zur schwer defizitären Tochter British Midland. Die Lufthansa verkaufte die Beteiligung schließlich mit großen Verlusten. Im Oktober 2012 heuerte Prock-Schauer als Netzwerkplaner bei der hochverschuldeten Air Berlin an. Nur wenige Monate später löste er Hartmut Mehdorn als Chef ab. Seine Ära bei der deutschen Airline endete weitgehend glücklos. Die Sparanstrengungen reichten nicht aus, um sie wieder in die Gewinnzone zu führen. Anfang 2015 warf er das Handtuch und kehrte nach Indien zurück. Diesmal als CEO der Billigfluglinie GoAir. Dort läuft es nun deutlich besser. Die vielen Stationen abseits der Heimat milderte der aus Horn stammende Prock-Schauer, indem er mindestens einmal im Monat nach Österreich flog, wo seine Frau und die drei Kinder in Klosterneuburg leben.

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Geld-Kolumne: Das war meine Woche

Aus profil 26/2017

Joseph Gepp

Ich finde, man sollte es sich auf der Zunge zergehen lassen, was gerade in Griechenland geschieht: Da streiten die Eurostaaten monatelang mit Athen, unter welchen Bedingungen weitere Notkredite ausbezahlt werden. Schließlich, vor einer Woche: die ersehnte Einigung. Und jetzt: Steht wieder alles auf der Kippe.

Warum? Seit 2014 ermittelt Griechenlands Justiz gegen drei Privatisierungsexperten aus Spanien, Italien und der Slowakei. Sie wurden 2011 von der EU-Kommission nominiert, um bei den Privatisierungen zu beraten, die auf Druck der Gläubiger zu erfolgen haben. Es lief aber nicht wie geplant. Es soll zu Betrug gekommen sein. Es geht um 28 Immobilien, die der Staat verkauft und wieder zurückgemietet hat. Kürzlich erhob die Justiz Anklage.

Die Regierungen Spaniens und Italiens protestieren. Wenn die Justiz das Verfahren nicht einstelle, werde die Auszahlung der Kredite „blockiert“, so Spaniens Finanzminister. Spanien und Italien argumentieren, Griechenland habe den Experten Immunität zugesichert. Das stimmt zwar, aber ein solches Gesetz trat erst 2016 in Kraft und gilt nicht rückwirkend. Trotzdem: Immunität sei auch für diese Experten versprochen worden, so die Kreditgeber.

Für Griechenland geht es immerhin um eine Staatspleite. Also entledigt man sich des Falls. Am Mittwoch wurde der Oberste Gerichtshof aufgefordert, die Klage aufzuheben. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble -der wichtigste Architekt des Kreditprogramms – springt Spanien und Italien zur Seite. Deren Vorstoß sei keine Einzelmeinung. Und zugleich beteuert Schäuble: „Niemand mischt sich in die rechtsstaatliche Ordnung Griechenlands ein.“ Es soll neues Geld fließen, wenn die Justiz das Verfahren einstellt. Ich frage mich: Wie sonst soll man das interpretieren?

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Faktencheck: 5 Milliarden einsparen?

Aus profil 26/2017

Von Joseph Gepp

Unrealistisch! Dieser Vorwurf schlägt dem neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz dieser Tage entgegen, wenn es um die heißdiskutierte Schließung der Mittelmeerroute für Flüchtlinge geht.

Doch es gibt auch einen anderen Plan Kurz‘. Er erregt zwar weniger Aufsehen, ist aber nicht minder bedeutend: Kurz möchte, wie er vor zwei Wochen bekannt gab, eine spürbare Steuersenkung für die Österreicher (siehe auch Seite 26). Um sie zu finanzieren, sollen jährlich fünf Milliarden Euro im Förderwesen eingespart werden.

Nun sind sich fast alle Experten einig, dass bei Förderungen Geld zu holen wäre – es ist intransparent und von Doppelgleisigkeiten geprägt. Auch die SPÖ plant etwa, hier zu sparen. Nur: deutlich weniger. Sind denn die fünf Milliarden realistisch, die Kurz vorschweben?

Laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung werden in Österreich jährlich 19 Milliarden Euro an Förderungen ausgeschüttet. Allerdings sind darin beispielsweise auch Bankenhilfen eingerechnet. An Förderungen im engeren Sinn – also Unterstützungsgelder etwa für Unternehmen und Vereine – werden jährlich rund zwölf Milliarden Euro ausgezahlt. Die Summe bezieht sich auf Bund, Länder und Gemeinden zusammen. Im Jahr 2015 zahlte der Bund 4,9 Milliarden, die restlichen 7,1 Milliarden kamen von den Ländern und Gemeinden.

Heißt: Nachdem Kurz auf die Budgets der Länder und Gemeinden nur wenig Zugriff hat, müsste er die Bundesförderungen quasi zur Gänze einsparen. Dies ist aber nicht möglich -viele Zahlungen basieren auf dauerhaften Verpflichtungen. So zählen zur Summe von 4,9 Milliarden Euro beispielsweise auch Ausgaben für Parteienförderung, Entwicklungshilfe und Organisationen wie die UN. „Bei direkten Förderungen ist ein Einsparpotenzial von fünf Milliarden nicht vorhanden“, folgert Thomas Prorok vom Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) in Wien.

Bleibt noch eine Frage: Meint Kurz vielleicht mehr als nur direkte Förderungen, wenn er bei „Förderungen“ sparen will? So stand etwa im „Kurier“ zu lesen: „Der ÖVP-Chef zählt auch die ‚Zuwanderung ins Sozialsystem‘ zum Teilbereich Förderungen“. Freilich: Definiert man Bereiche wie das Sozial-, Pensions- und Arbeitslosenhilfesystem ebenfalls als Förderungen – dann wäre der Topf weitaus größer. Solcherart ließen sich Kurz‘ gewünschte Milliarden sparen. Allerdings: In diesem Fall geht es nicht mehr um eine bloße Förder-und Verwaltungsreform, bei der durch effizientere Abläufe gespart wird. Man müsste darüber hinaus tief in die Strukturen des Staates – und dessen Leistungen kürzen.

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