Aus profil 16/2017
In der modernen Konsumwelt steckt auch hinter scheinbar trivialen Dingen Strategie und Technik. Zum Beispiel hinter dem Einkaufswagen. Ein Gespräch mit Bernhard Renzhofer, Vertriebschef beim Weltmarktführer Wanzl im bayerischen Leipheim.
Interview: Joseph Gepp
profil: Beginnen wir bei einem weit verbreiteten Verdacht, was die Bauweise von Einkaufswagen betrifft: Der Gedanke hinter deren schrägen Flächen sei, dass die Waren nach hinten rollen – raus aus dem Blickfeld des Konsumenten. Dann kauft er mehr, als er ursprünglich vorhatte, weil er das Gefühl hat, bisher kaum etwas genommen zu haben. Stimmt’s?
Bernhard Renzhofer: Das ist eine Legende. Die konische Form des Korbs braucht es, damit man die Einkaufswagen ineinanderschieben kann. Es wird immer viel Strategie vermutet, wie der Wagen gebaut ist, damit der Kunde mehr kauft. Meine Meinung: Er soll leicht laufen, sauber sein und nicht scheppern. Dann wird man entspannt einkaufen -und bereit sein, mehr Geld auszugeben.
profil: Auch die Füllmenge der Wagen ist seit der Nachkriegszeit sukzessive gestiegen. Damit die Kunden mehr kaufen?
Renzhofer: Das kommt eher daher, dass seit den 1970er-Jahren große Hypermärkte mit viel Non-Food im Sortiment entstanden sind. Wichtig in diesem Zusammenhang war auch die Ausbreitung der Diskonter, bei denen man beispielsweise gleich einen Monatsvorrat an Toilettenpapier kauft. Aber der Zenit bei der Füllmenge ist überschritten, da sich das Einkaufsverhalten der Konsumenten ändert.
profil: Ein Einkaufswagen wirkt auf viele Konsumenten trivial und alltäglich. Gibt es auch hier Trends und Moden?
Renzhofer: Absolut. Ein Trend ist jener zur Individualisierung. Unsere Kunden -also Märkte und Geschäfte aller Art -legen heute Wert auf kleinere und individualisierte Wagen. Sie wünschen spezielle Farben oder Logos. Für den Meinl am Graben in Wien haben wir zum Beispiel Einkaufswagen mit exklusiven Ledergriffen gemacht. Außerdem geht der Trend heute zum Zweitwagen. Oft haben die Märkte bisher nur einen zur Verfügung, einen relativ großen mit etwa 200 Litern Füllmenge. Nun jedoch kaufen viele Endkunden, vor allem in Städten, frischere Waren in geringerer Menge. Entsprechend gibt es die Entwicklung, parallel kleinere Wagen anzubieten.
profil: Was war die größte Innovation in der Geschichte Ihres Unternehmens?
Renzhofer: Wenn man so will, war das besagte Ineinanderschiebbarkeit der Wagen. Es klingt einfach, aber oft ist gerade so etwas eine harte Nuss.
profil: Das ist heute bei jedem Einkaufswagen gang und gäbe.
Renzhofer: Ja, es wurde von uns bei Wanzl 1950 erfunden, mit dem Wagen mit fest verbautem Korb namens Concreta.
profil: Alle reden von Vernetzung und Digitalisierung. Wird es irgendwann Einkaufswagen geben, die von selbst fahren? Oder Waren, die man in sie hineinlegt, autonom einlesen?
Renzhofer: Als schwäbisches Unternehmen agieren wir bodenständig, haben aber auch die Digitalisierung des Einzelhandels im Blick. Zuallerest zählt im Alltag unserer Kunden die Praktikabilität und Bezahlbarkeit von Lösungen. Beim Einkaufswagen geht es vor allem darum, ihn wetterunempfindlich und sicher vor Vandalismus zu machen.
profil: Trotzdem, was sind nach vorne gedachte Projekte?
Renzhofer: Wir haben auf der Messe Euro- Shop im März den sogenannten „Smart Trolley“ vorgestellt. Dieser Einkaufswagen bekommt einen RFID-Chip verpasst. Das erlaubt dem Marktbetreiber zu sehen, an welcher Kassa es sich staut, ob am Parkplatz genug Einkaufswagen bereitstehen, und so weiter.
profil: Können Einkaufswagen auch erkennen, was der Kunde gerade kauft?
Renzhofer: Auch diesbezüglich gab es Prototypen, die unter dem Arbeitsbegriff „Smart Shopping“ vor knapp zehn Jahren vorgestellt wurden. Dabei war die Idee, alle Artikel im Markt mit einem RFID-Chip auszustatten. Wenn der Kunde dann eine Ware in den Wagen legt, erkennt sie dieser. Der Bezahl-und Abkassierprozess läuft völlig automatisiert ab – über einen Self-Checkout mittels Schleuse.
profil: Eine Art Supermarkt 4.0 also.
Renzhofer: Im weitesten Sinn. Aber es blieb in diesem Fall beim Pilotprojekt. Das System rechnet sich noch nicht, weil die RFID-Chips im Vergleich zu den Margen bei günstigen Produkten zu teuer sind. Eine Chip kostet rund fünf Cent – ein Joghurt 19 Cent. Vielleicht waren wir unserer Zeit ein wenig voraus.
Das war sehr interessant. Und ja, was noch kommt.