Landschaftspflege am flachen Land

Aus profil 45/2016

Der Energiekonzern EVN leistet sich einen „Beirat für Umwelt und soziale Verantwortung“, der in Fragen der Nachhaltigkeit berät. Warum sitzen in ihm zahlreiche niederösterreichische Landespolitiker?

Von
Joseph Gepp

Ein Unternehmen von heutzutage soll ökologisches und soziales Engagement zeigen. Es muss den Dialog mit Experten und Betroffenen außerhalb seiner Werksmauern führen. Es tut gut daran, „Stakeholder“ einzubinden, also jene, die von den Folgen seines Handelns betroffen sind. Solche Ausführungen stehen heute in jedem Management-Lehrbuch.

Es sind Grundsätze, wie sie auch die EVN AG („Energieversorgung Niederösterreich“) beherzigt. Das börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Maria Enzersdorf bei Wien – es gehört zu 51 Prozent dem Land Niederösterreich – unterhält dafür einen „Beirat für Umwelt und soziale Verantwortung“. In dessen Rahmen kommen zweimal pro Jahr 27 „interne und externe Experten“ zusammen, so der Geschäftsbericht, welche die beiden Vorstände Peter Layr und Stefan Szyszkowitz beraten. So weit, so unspektakulär.

Allerdings: Wer sich den Beirat genauer ansieht, stellt fest, dass der Expertenbegriff recht weit gefasst ist. Zwar sitzen in ihm tatsächlich Fachleute mehrerer Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie EVN-Betriebsräte. Ein großer Rest jedoch: niederösterreichische Landespolitiker.

Gleich acht aktive Landtagsabgeordnete sind vertreten. Sechs davon gehören der ÖVP an, zwei der SPÖ (siehe unten). Diese Aufteilung entspricht – Zufall oder nicht – genau jenem Proporz, der auch in Erwin Prölls Landesregierung in St. Pölten praktiziert wird: In dieser sitzen ebenfalls sechs Schwarze und zwei Rote. Kritiker, die anonym bleiben wollen, sprechen von „politischer Landschaftspflege“. Immerhin vertreten die Abgeordneten nicht nur den Mehrheitseigentümer, sie beschließen auch jene Gesetze, die für die Zukunft jedes Energiekonzerns von immenser Bedeutung sind.

EVN-Zentrale in Maria Enzersdorf

EVN-Zentrale in Maria Enzersdorf

Die EVN ist ein Unternehmen, dessen Bedeutung weit über Niederösterreich hinausgeht. Mit rund drei Milliarden Euro Jahresumsatz zählt es in Bulgarien und Mazedonien zu den wichtigsten Energieversorgern. Regiert daheim in Maria Enzersdorf zu viel an Verbandelung mit der Politik?

Eine besondere Qualifikation in Sachen Ökologie oder Soziales ist jedenfalls nicht bei allen acht Mandataren im EVN-Beirat erkennbar. Im Zivilberuf arbeiten sie etwa als Landwirt, Hauptschullehrer oder Bürokauffrau. Zudem ist ihre Beratungstätigkeit nicht gratis. Laut Jahresabschluss 2014/2015 wurden „an den Beirat im Berichtszeitraum Vergütungen in Höhe von 84.800 Euro ausbezahlt“. Dividiert man diese Sitzungsgelder durch 27 Beiratsmitglieder und zwei Sitzungstage, ergibt das 1600 Euro pro Mitglied und Sitzung. Derartige Bezahlungen sind in Konzernen nicht unüblich, häufig fließen auch höhere Summen. Allerdings geht die Vergütung eben meist an Experten und andere Stakeholder, weniger an Politiker.

Die jeweiligen Sitzungen dauern ungefähr von elf bis 15 Uhr, erzählt ein Beiratsmitglied. „Es gibt Vorträge; es wird durchaus lebhaft und auf hohem Niveau diskutiert.“ Worüber? Im heurigen Jahr sei die Energiewende in Österreich und Deutschland Thema gewesen, teilt die EVN in einer Stellungnahme an profil mit, davor etwa der Komplex „Spannungsfeld Familie, Arbeit und Gesellschaft“.

Dass Politiker im Beirat sitzen, betrachtet die EVN keineswegs als Problem. Es brauche „eine repräsentative Vertretung der einzelnen Stakeholder-Gruppen“, auch aus dem Land Niederösterreich, um eine „breite Verankerung von Themen und ein frühzeitiges Erkennen gesellschaftlicher Entwicklungen“ zu gewährleisten. Darüber hinaus „hat jedes Mitglied des Beirats unmittelbaren Bezug zu Umwelt- und Sozialthemen“, betont EVN-Sprecher Stefan Zach.

Schriftliche Empfehlungen an den Vorstand resultieren laut EVN keine aus der Tätigkeit des Beirats. „Aber die aus den Diskussionen gewonnenen Erkenntnisse fließen unmittelbar in die operative Tätigkeit des Vorstandes ein.“

profil bat auch die einzelnen Landtagsabgeordneten per E-Mail um Stellungnahmen. Von acht meldete sich aber nur ein Einziger zurück, SPÖ-Mandatar Gerhard Razborcan. Er verwies darauf, gerade auf einer Auslandsreise zu sein.

Wer sitzt aller im EVN-Beirat?
Bei den acht Abgeordneten handelt es sich um Karl Bader, Josef Edlinger, Kurt Hackl, Anton Kasser, Franz Rennhofer und Manfred Schulz (alle ÖVP) sowie Gerhard Razborcan und Christa Vladyka (SPÖ). Rund die Hälfte der Mandatare engagiert sich etwa in Umwelt-, Solarkraft- und Biomasse-Verbänden, bei der anderen ist ein Bezug zu Umwelt- und Sozialthemen fraglich. Die EVN verweist darauf, dass Letztere etwa im Zivilschutzverband und Familienbund tätig seien. Ein weiteres Mitglied im Gremium ist Johann Heuras, ehemals zweiter ÖVP-Landtagspräsident, heute Landschulratspräsident. Darüber hinaus sitzen auch die Bürgermeister von St. Pölten und Zwentendorf drinnen – doch aufgrund zahlreicher Kraftwerke besteht seit jeher eine enge Verbindung der EVN zu Gemeindevertretern. Zu den regulären Fachleuten im Beirat zählen etwa der Gewässer-Experte Jörg Krampe (TU Wien) und Walter Marschitz von „Sozialwirtschaft Österreich“.

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