Aus dem profil 19/2015
Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages, über Spannungen mit Österreich, Faymanns Kritik an Merkels Sparkurs und die Unterstützung der NSA durch den deutschen Geheimdienst.
Interview: Joseph Gepp, Otmar Lahodynsky
profil: Sie haben bei Ihrem Besuch in Wien die Beziehungen zwischen Deutschland und Österreich bis auf das Thema Fußball als überaus harmonisch bezeichnet. Doch es gibt auch Konflikte wie den Streit mit Bayern um die Hypo-Bank.
Norbert Lammert: Dieses Thema ist ebenso ärgerlich wie kompliziert. Der Versuch, es mit ein paar flotten politischen Absichtserklärungen zu lösen, ist nicht erfolgversprechend. Es wird zu einer rechtlichen Klärung der jeweils geltend gemachten Ansprüche kommen müssen.
profil: Spannungen mit Deutschland hat auch die Einführung der PKW-Maut auf deutschen Autobahnen ausgelöst.
Lammert: Der Deutsche Bundestag hat dazu gerade mit großer Mehrheit eine Regelung beschlossen. Die wird nun wiederum von anderen beklagt. Das sollten wir in aller Ruhe den weiteren Überprüfungen überlassen.
profil: So leicht lassen wir Sie jetzt nicht auskommen. Sie waren ja früher parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium. Es stellt eine unzulässige Diskriminierung dar, wenn nur die deutschen Autofahrer die Mautgebühren über Steuerrefundierung zurückbekommen.
Lammert: Da der Gesetzgeber in Deutschland unter Beteiligung von Europarechtlern zu dieser Entscheidung gekommen ist, werden Sie jetzt doch nicht von mir als Parlamentspräsidenten erwarten, dass ich sage, ich teile diese Auffassung nicht.

Norbert Lammert, 67, ist seit 2005 Präsident des Deutschen Bundestages und damit die zweithöchste politische Persönlichkeit Deutschlands. Der CDU-Politiker, in Bochum geborener Sohn eines Bäckers, studierte Politologie, Soziologie und Sozialökonomie und promovierte 1975 an der Ruhr-Universität Bochum. Von 1986 bis 2008 gehörte er dem Landesvorstand der CDU von Nordrhein-Westfalen an. Bundeskanzler Helmut Kohl holte ihn ab 1989 als parlamentarischen Staatssekretär in mehrere Ressorts. 2010 wurde er nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler als möglicher Nachfolger gehandelt. Ein 2013 erhobener Plagiatsvorwurf zu seiner Dissertation wurde nach Überprüfung durch die Ruhr-Uni zurückgewiesen. Lammert hielt vergangene Woche einen Vortrag zum 70. Jahrestag der Gründung der Zweiten Republik auf Einladung der „Österreichischen Gesellschaft für Völkerverständigung“ in Klosterneuburg. (Foto: Wikipedia)
profil: Das klingt aber nicht, als wären Sie über das Maut-Gesetz besonders froh.
Lammert: Der Hinweis auf meine, allerdings zeitlich begrenzte, Tätigkeit im Bundesverkehrsministerium reicht ja aus, um den Nachweis zu führen, dass ich damals weder eine Maut gefordert noch ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren angeregt habe.
profil: Bundeskanzler Faymann ist zuletzt mit Kritik an Bundeskanzlerin Merkel aufgefallen. Die harte Sparpolitik aus Deutschland bremse den Wirtschaftsaufschwung in anderen EU-Ländern. Hat er damit Recht?
Lammert: Wir erwarten erstens von anderen EU-Staaten nicht eine Politik, die wir nicht selber auch im eigenen Land für richtig halten und praktizieren. Zweitens zeigt der Vergleich der Wirtschaftsdaten zwischen Deutschland und anderen europäischen Staaten, dass wir mit unserer Politik ganz so falsch nicht liegen können. Drittens: Soweit sich aus solchen Empfehlungen Vorgaben für Drittstaaten ergeben, setzt das die Zustimmung anderer europäischer Staaten voraus, einschließlich Österreichs. Keine einzige Vereinbarung mit Griechenland ist übrigens bilateral zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Griechenland verhandelt worden, sondern von den EU-Gremien mit der Regierung in Athen.
profil: Das heißt, Sie finden, dass Merkels Sparpolitik in vollem Ausmaß richtig war und ist?
Lammert: Nochmal: Es gibt überhaupt keine deutsche Politik gegenüber Griechenland. Den vertraglichen Vereinbarungen der europäischen Partnerländer mit Griechenland hat Österreich ebenso zugestimmt wie Deutschland.
profil: Der Sparkurs in der EU ist doch von Deutschland maßgeblich mitgestaltet worden.
Lammert: So wie alle europäischen Mitgliedsstaaten an europäischen Entscheidungen beteiligt sind, neigen sie dazu, sich hinter dem einen oder anderen wegzuducken, wenn es ungemütlich wird. Das ist keine völlig neue Erfahrung in Europa. Mit ist nicht erinnerlich, dass die damalige österreichische Regierung eine andere Politik vorgeschlagen hätte, als sie diese jetzt offenkundig für zweckmäßig hält. Dass wir in Europa nicht nur eine Konsolidierungspolitik und eine Austeritätspolitik brauchen, sondern auch eine, die Perspektiven der Entwicklung und damit für Wachstum und für neue Arbeitsplätze schafft, ist eine der Überzeugungen, die in der jüngeren Vergangenheit quer durch Europa gewachsen ist.
profil: Zur aktuellen Hauptaffäre im Deutschen Bundestag: Der US-Geheimdienst NSA hat offenbar mit Wissen des Bundesnachrichtendienstes BND Unternehmen und Behörden in Deutschland und Europa ausspioniert. Und Bundeskanzlerin Merkel soll davon gewusst haben. Bereitet Ihnen als oberster Parlamentarier in Deutschland diese Bespitzelung nicht Sorge?
Lammert: Ich habe bereits vor zwei Jahren die amerikanische Haltung zu den Aktivitäten der eigenen Dienste und zu der direkten oder der indirekten Inanspruchnahme von befreundeten Diensten für eine schwerwiegende Belastung der Beziehungen erklärt. Insofern verfolge ich dieses Thema mit besonderem und besorgtem Interesse. Der dazu eingesetzte Untersuchungsausschuss wird für Aufklärung sorgen. Erst dann stellt sich die Frage von Konsequenzen.
Fazit? 🙂