Monatsarchiv: August 2014

Letzte Station Aktienmarktsozialismus?

Aus der FALTER-Beilage „Die Krise verstehen“ 34/2014


Giacomo Corneo begibt sich auf die faszinierende Suche nach einem besseren Wirtschaftssystem


Rezension: Joseph Gepp

Es gibt Fragen, die darf man sich nicht stellen, sonst gilt man als Naivling und als weltfremder Träumer. Zum Beispiel die nach Alternativen zum Kapitalismus. Diese Frage, sagen die Verteidiger, habe die Geschichte doch längst beantwortet. Der Kapitalismus sei alternativlos. Der italienischstämmige Berliner Ökonom Giacomo Corneo stellt die Frage in einem kürzlich erschienenen Buch trotzdem. Und darauf aufbauend liefert er ein faszinierendes Porträt unseres Wirtschaftssystems – und etwaiger anderer.

Corneo ist nicht etwa ein wütender Kapitalismuskritiker. Nein, er definiert sich sogar als „Neoklassiker“, also als ein Anhänger der herrschenden ökonomischen Lehre. Dennoch konstatiert Corneo ganz nüchtern, dass in unserem System einiges schief läuft: die hohe Arbeitslosigkeit etwa, die wachsende Ungleichheit, die Ressourcenverschwendung und Umweltzerstörung. Gibt es also andere, bessere Möglichkeiten? Ohne in seinen Befunden Gnade walten zu lassen, klopft Corneo sämtliche Alternativen auf ihre Praxistauglichkeit ab.

Könnten die anderen Systeme
denn ausreichend Ressourcen produzieren, um allgemeinen Wohlstand zu schaffen? Würden die Menschen ausreichend mitarbeiten? Oder ihrem jeweiligen System aufgrund mangelnder Motivation den Rücken kehren? Solche Fragen stellt sich der Ökonom auf erfrischend undogmatische Weise.

Corneos Tour führt lehrreich durch Jahrhunderte westlicher Ideengeschichte. Sie beginnt bei Platons Wächterstaat, in dem ein allmächtiges oberstes Gremium die Ressourcenverteilung harmonisch regeln soll, ohne dass Marktkräfte ins Spiel kommen. Später führt die Tour etwa zur Insel Utopia, erdacht von Thomas Morus im 16. Jahrhundert, wo sich Demokratie und Toleranz mit dem Verbot von Privateigentum verbinden. Schließlich endet Corneo bei modernen Konzepten wie dem Genossenschaftswesen, dem Realsozialismus osteuropäischen Zuschnitts und dem bedingungslosen Grundeinkommen.

 Giacomo Corneo: Bessere Welt. Hat der Kapitalismus ausgedient? Goldegg 2014, 368 S., € 24,90


Giacomo Corneo: Bessere Welt. Hat der Kapitalismus ausgedient? Goldegg 2014, 368 S., € 24,90

Doch bei all diesen Modellen fällt Corneos Urteil enttäuschend aus. Manchmal hätten die Menschen nicht genügend Anreize zur Mitarbeit, erhebt der Ökonom mithilfe spieltheoretischer Ansätze. In anderen Fällen reiche der Grad an Innovation und Produktion nicht aus. Das Zwischenfazit: Es muss eine Art Marktsystem sein. Nur dieses, so Corneo, sorge für genug Anreize und Güter.

Doch seine Reise ist an dieser Stelle nicht vorbei, denn es gibt unterschiedliche Marktsysteme. Die Rolle des öffentlichen Eigentums ist in ihnen etwa verschieden geregelt. Oder die Frage, was mit dem Vermögen von Verstorbenen geschieht: Bekommen es die Erben oder beispielsweise eine staatliche Einrichtung?

Corneo durchleuchtete die Vor- und Nachteile sämtlicher Marktsysteme. Hier wird sein Buch stellenweise etwas technisch, schließlich sind die Unterschiede nicht allzu groß. Doch es mangelt Corneo niemals an Verständlichkeit und wissenschaftlicher Redlichkeit. Schließlich stößt er auf den sogenannten „Aktienmarktsozialismus“.

Es ist eine wilde Mischung der Systeme, auf die der unkonventionelle Denker da gekommen ist: Große Unternehmen würden verstaatlicht und an die Börse gebracht, wo sie gegeneinander um höhere Effizienz ringen sollen – die Gewinne flössen an die Allgemeinheit. Ein florierender Sektor aus privaten Kleinunternehmen sorgt zudem dafür, dass die Innovationen nicht ausgehen.

Corneo sieht hier die Chance auf einen weniger mangelhaften Kapitalismus – und zugleich eine Art wohlfahrtsstaatliches Modell für die Zukunft. Denn vereinfacht gesagt sorgt im Aktienmarktsozialismus der Staat für Gerechtigkeit – und gleichzeitig sollen neuartige Organisationsweisen und Anreizstrukturen dafür sorgen, dass diesem System ein Schicksal erspart bleibt, wie es beispielsweise die verstaatlichten Industrien in den 1970er-Jahren erlitten.

Corneo plädiert in aktuellen Interviews gern dafür, den Praxistest in Sachen Aktienmarktsozialismus zu wagen – vorerst etwa bei zwei oder drei Großunternehmen. Mal schauen, was besser funktioniert. Man mag seine Meinung teilen oder nicht, jedenfalls war Corneos Weg zu diesem Ziel ein höchst aufschluss- und lehrreicher.

Interview mit Giacomo Corneo vom Mai 2014

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Aus der Parallelwelt der Superreichen

Aus der FALTER-Beilage „Die Krise verstehen“ 34/2014


Die kanadische Journalistin Chrystia Freeland tut sich in einer fremden Welt um – und entdeckt Verblüffendes

Rezension: Joseph Gepp

Manch einer kann sich vielleicht noch an das Schlagwort vom „Global Village“ erinnern. Zu diesem wachse die Welt angesichts der digitalen Revolution zusammen. Heute ist das Global Village Wirklichkeit geworden – aber anders als erwartet. Seine Hauptstraßen liegen in London oder Mumbai, seine Ausbildungsstätten in Harvard, und den schönsten Ausblick hat man im Schweizer Davos. Immer stärker formiert sich ein Dorf der Milliardäre, eine „transglobale Gemeinde von Gleichen, die mehr miteinander als mit ihren Landsleuten zu Hause gemein hat“, schreibt Chrystia Freeland.

Die kanadische Wirtschaftsjournalistin hat sich in dem abgezirkelten Dorf auf bislang einzigartige Weise umgesehen. Ihr vielfach prämiertes Buch verbindet ökonomische und soziologische Hintergründe mit konkretem Anschauungsmaterial und Interviews aus der Parallelwelt der Superreichen – und dies äußerst gelungen.

Freeland lässt dabei glücklicherweise die üblichen Muster der Reichendebatte außer Acht: Weder gibt sie sich klassenkämpferisch-polemisch noch kommen die Reichen als Helden des Kapitalismus daher, deren Wohlstand uns allen am Herzen liegen muss, weil er sicherlich noch auf die Normalbürger heruntertröpfeln wird.

Stattdessen konstatiert Freeland nüchtern: An der Spitze der Gesellschaft findet eine Reichtumskonzentration wie zuletzt in den 1920ern statt – im Westen ebenso wie in Russland, China oder Indien. Nie zuvor wurden so riesige Vermögenswerte in so kurzer Zeit in private Hände transferiert. „Wer je daran zweifelt, welche Macht eine Idee entfalten kann, sollte den erstaunlichen, ohne Blutvergießen errungenen Sieg des neoliberalen Denkens betrachten.“

Kurios daran: Innerhalb des reichsten Prozents ist die Vermögensungleichheit nicht kleiner als innerhalb der gesamten Gesellschaft. Nicht das oberste Prozent ist also der wahre Gewinner, sondern das oberste Promille. Bei diesem offenbart Freeland verblüffende Merkmale.

So sind die wahrhaft Reichen keine Angestellten, sondern Selbstständige – und dies vor allem im Finanzsektor. Die fünf obersten Hedgefonds-Investoren etwa verdienten 2004 zusammen mehr als alle Vorstände der 500 wichtigsten US-Unternehmen.

Auch stammen die neuen Plutokraten nicht etwa aus der Mitte der traditionell reichen Establishments ihrer Länder. Stattdessen kennzeichnet sie „die richtige Mischung aus Insidertum und Randständigkeit“. In den USA etwa erkannte niemand so rasch die Chancen von technischer Digitalisierung und finanzieller Deregulierung wie „die Harvard-Burschen mit Provinzschulbildung“, schreibt Freeland. Und in Russland schaffte es nicht etwa der Kern des vormals kommunistischen Kaders in die neue Oligarchie – sondern jene, „die nahe genug an den Hebeln der Macht waren, um den Übergang zur Marktwirtschaft zu ihrem Vorteil zu nutzen, aber weit genug davon entrückt, um zu verstehen, dass das alte Regime auseinanderbrach“.

Chrystia Freeland: Die Superreichen. Westend 2013, 368 S., € 23,70

Chrystia Freeland: Die Superreichen. Westend 2013, 368 S., € 23,70

Was bei all diesen faszinierenden Betrachtungen etwas zu kurz kommt, sind die strukturellen Vorbedingungen des Aufstiegs der Plutokraten. Was war die Ursache? Das schwache Wirtschaftswachstum? Die angeblich ineffi zienten verstaatlichten Industrien? Diese Fragen bleiben außen vor. Dafür beschreibt sie meisterhaft, wie die Reichen -einmal einflussreich geworden – laufend mehr Macht erringen.

Dazu nutzen sie einerseits „legale Korruption“, etwa wenn sie sich in den USA in Gesetzgebungsprozesse einkaufen. Und andererseits das, was Freeland „die kognitive Kaperung des Staates“ nennt. Also die nachhaltige öffentliche Verankerung jener Mär, wonach mehr Privilegien für Reiche letztlich allen Bürgern nutzen.

Und noch eine Tendenz arbeitet Freeland heraus: Gerade in der westlichen Technikelite verbirgt sich der Reichtum gern hinter einer egalitären Fassade und Betriebskultur. So sind im kalifornischen Silicon Valley Limousinen und Chauffeure verpönt, erzählt Ex-Google-Chef Eric Schmidt, der geschätzte 4,6 Milliarden Euro besitzt.

An einem Privatjet hingegen findet niemand etwas Verwerfliches. Und wenn Schmidt gerade nicht da ist, dann dürfen die Untergebenen sein kleines Büro im Google-Gebäude mitbenutzen.

Diese Rezension erschien zuerst im Falter 43/2013

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„Es geht um die Frage, ob wir im richtigen Wirtschaftssystem leben“

Aus der FALTER-Beilage „Die Krise verstehen“ 34/2014


Interview: Joseph Gepp

Annette C. Anton ist Cheflektorin für Sachbuch bei den deutschen Verlagen DVA, Siedler, und Pantheon und arbeitete davor sechs Jahre als Verlagsmanagerin und Programmleiterin beim Campus Verlag.

Falter: Frau Anton, wie wird ein Wirtschaftssachbuch erfolgreich?

Annette Anton: Wüsste ich das, würde ich nur noch erfolgreiche Bücher machen. Aber es gibt immerhin zwei Zutaten für ein erfolgreiches Wirtschaftsbuch: ein bekannter Autor, zum Beispiel ein Topjournalist wie der US-Amerikaner Michael Lewis oder renommierte Experten wie George Soros oder Joseph Stiglitz. Und weiters eine gute Geschichte, wobei sich dies nicht nur auf den Plot bezieht, sondern auch auf das Aufzeigen von Zusammenhängen.

Ist das Interesse an Wirtschaftsbüchern mit der Krise gestiegen?

Anton: Ja, nach 2008 spürten wir das eindeutig. Über die Wirtschaftsverlage hinaus bemühen sich seither auch große Publikumsverlage intensiv um Wirtschaftsthemen, sodass es mit der Zeit wieder schwieriger wurde auf diesem Gebiet, weil schon derart viele Bücher erschienen waren. Heute will meiner Ansicht nach kaum noch jemand über die eigentliche Krise lesen. Von schieren Krisenerklärungen weg verlagert sich das Interesse hin zu allgemeineren Büchern über Kapitalismuskritik – zum Beispiel zu David Graebers „Schulden“, Thomas Piketty und Felix Martin. Heute geht es mehr um die Frage, ob wir im richtigen Wirtschaftssystem leben.

Wohin, glauben Sie, wird sich das Interesse der Leser künftig entwickeln?

Anton: Das zu erspüren, ist die große Herausforderung von Verlagen. Ich denke, das Spektrum der Wirtschaftsbücher wird breiter. Die Debatte über ein vernünftiges Leben und Nachhaltigkeit etwa ist ein Ausläufer der Krisenthematik. Viele Wirtschaftsbücher werden heute gar nicht mehr von den Lesern als solche wahrgenommen.

Und welche Bücher verkaufen sich innerhalb dieses breiten Spektrums?

Anton:
Ich halte die Arbeitswelt für einen lang anhaltenden Trend. Viele Arbeitnehmer wünschen sich ein erfüllteres Arbeitsleben und greifen zu Büchern von Martin Wehrle oder Förster/Kreuz. Das Spektrum reicht von Ratgeberbüchern bis zur gehobenen Management-Literatur, wie Reinhard Sprenger sie schreibt. Ein zweiter Trend ist es, Mechanismen hinter Wirtschaftsabläufen zu erklären. Ich will hier nochmals auf Lewis verweisen. Sein „Flash Boys“ erklärt wie kein anderes Buch, was „Börse“ heutzutage bedeutet – so etwas wollen die Kunden lesen.

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(inklusive umfassende Rezension von Lewis‘ „Flash Boys“ von John Lanchester)

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„Wir brauchen einen Wirtschaftsjournalismus für Dummies“

Aus der FALTER-Beilage „Die Krise verstehen“ 34/2014

Interview: Joseph Gepp

Reinhard Christl war Wirtschaftsjournalist, leitete bis 2014 Medien-Fachhochschulen in Wien und St. Pölten und ist heute als Medienberater tätig

Falter: Herr Christl, Sie fordern gern einen anderen Wirtschaftsjournalismus. Warum?

Reinhard Christl: Wirtschaftsjournalismus – und das sage ich als Ex-Wirtschaftsjournalist durchaus selbstkritisch – war immer eine Sache für Insider. Den Wirtschaftsteil einer Zeitung haben früher Banker, Finanzexperten, Manager und Volkswirte vom Wifo gelesen. Das hat sich jedoch spätestens seit der Finanzkrise massiv geändert.

Wieso?

Reinhard Christl fordert einen neuen Wirtschaftsjournalismus

Reinhard Christl fordert einen neuen Wirtschaftsjournalismus

Christl: Einerseits will man Antworten, wie man etwa sein Geld anlegen soll und ob die eigene Pension sicher ist. Andererseits ist heute die politische Berichterstattung stärker mit wirtschaftlichen Themen durchsetzt. Wer sich bei Globalisierung, Finanzkrise oder EU-Rettungsschirm nicht auskennt, kann nicht mitreden.

Was braucht ein neuer Wirtschaftsjournalismus?

Christl: Zunächst mehr Allgemeinverständlichkeit. Es müsste eine massive Übersetzungsarbeit aus dem Ökonomenjargon geleistet werden. Wir brauchen, wenn Sie so wollen, einen Wirtschaftsjournalismus für Dummies. Zweitens bräuchte es weniger strikte Ressortgrenzen im Journalismus – Wirtschaft, EU und Innenpolitik könnten beispielsweise ein Großressort werden.

In Medien wird derzeit überall massiv gespart. Liegen Probleme, wie Sie sie schildern, wirklich an der Verfasstheit des Wirtschaftsjournalismus?

Christl: Natürlich gibt es auch andere Faktoren. Neben dem Spardruck in den Medien denke ich hier etwa an die zunehmende Bedeutung der PR. Wenn auf einen Journalisten im Schnitt drei PR-Leute kommen, macht das bei ohnehin grassierendem Zeitdruck den Blick hinter die Kulissen immer schwieriger. Weiters möchte ich die wissenschaftliche Kultur nennen: Im angelsächsischen Raum etwa fühlen sich Akademiker viel stärker der Allgemeinverständlichkeit verpflichtet als im deutschsprachigen.

Welche Medien sollen Wirtschaftsinteressierte lesen?


Christl:
Auf Englisch etwa die Kolumne von Paul Krugman in der New York Times sowie den Economist. Im deutschsprachigen Journalismus rate ich zu Zeit und Spiegel. In Österreich kann ich etwa Eric Frey im Standard und Josef Urschitz in der Presse empfehlen, wenn es um die allgemeinverständliche Erklärung politisch-wirtschaftlicher Zusammenhänge geht.

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Die Box, die Leben rettet

Aus dem FALTER 34/2014

Eine junge Wiener Firma hat ein genial einfaches Gerät entwickelt, mit dem sich die Sauberkeit von Trinkwasser testen lässt: das Wadi. Nun soll es die Welt erobern

Unternehmensporträt: Joseph Gepp
Fotos: Hans Hochstöger

Der Gegenstand ist etwa so groß wie zwei Zigarettenpackungen und kostet auch ungefähr so viel. Wer ihn zum ersten Mal sieht, fragt sich, was das sein soll. Hat man es begriffen, denkt man: ziemlich clever.

„Als ich meinen Freunden zum ersten Mal von der Idee erzählt habe, haben die gesagt: Was, sowas gibt’s noch nicht?“, erzählt Martin Wesian, 39, Vorarlberger, schwarzes Poloshirt, in seiner direkten und unkomplizierten Art. Der studierte Wirtschaftsingenieur hat das sogenannte „Wadi“ erfunden und zusammen mit drei Kollegen so lange weiterentwickelt, bis es reif zum Verkauf war. Nun hat die Serienproduktion begonnen. Die junge Wiener Firma Helioz von Martin Wesian und Co will mit ihrem Produkt die Welt erobern.

Der Hintergrund von Wesians Erfindung
ist ein weltweites Problem, das wohl zu banal klingt, um in Europa und den USA im vollen Ausmaß wahrgenommen zu werden: Durchfall. Jeden Tag sterben 4000 Menschen daran, vor allem in Indien und Afrika. „Das sind mehr Tote als bei Malaria, Aids und Masern zusammen“, sagt Wesian. Ursache ist meist, dass die Opfer verschmutztes Wasser trinken.

Auch Wesian selbst musste erfahren, wie verhängnisvoll sich das auswirken kann: Mit 22 Jahren erkrankte er auf einer Venezuela-Reise an Cholera. Vier Wochen später und zehn Kilo leichter hatte er erkannt, dass die Dritte Welt an einem großen, unterschätzten Problem leidet.

Es gibt traditionell drei Möglichkeiten, Wasser von Keimen zu befreien. Die ersten beiden sind die Verwendung von Chlortabletten oder das Abkochen. Doch Tabletten sind teuer, und eine Gelegenheit zum Abkochen findet sich nicht immer.

Die dritte Möglichkeit ist die einfachste. Sie besteht darin, das Wasser in Plastikflaschen einfach in die Sonne zu legen, denn deren UV-Licht tötet Keime. Doch diese Methode brachte bislang in der Praxis Schwierigkeiten. Viele Menschen misstrauen dem Verfahren, weil es gar so simpel daherkommt. Zudem wissen die Leute nicht, wie lange der Prozess dauern muss. Denn je nach Sonnenintensität kann die Tötung der Keime eine Dreiviertelstunde brauchen oder einen vollen Tag.

Martin Wesian (r.) und seine drei Mitstreiter von der Firma Helioz präsentieren ihre Erfindung (Foto: Hochstöger)

Martin Wesian (r.) und seine drei Mitstreiter von der Firma Helioz präsentieren ihre Erfindung (Foto: Hochstöger)

Genau hier setzt das Wadi an. Ein eingebauter Sensor misst die Sonnenintensität; danach wird errechnet, wie lang die Reinigung des Wassers dauert. Man muss das Gerät nur neben die Flaschen legen. „Unsere Erfindung dient jenen 2,5 Milliarden Menschen weltweit, die beschränkten Zugang zu sauberem Trinkwasser haben“, sagt Wesian. Die Ärmsten der Armen sind die Zielgruppe. Auf deren Möglichkeiten haben Wesian und seine Kollegen die Erfindung ganz und gar abgestimmt. Der Strom für das Wadi stammt beispielsweise nicht etwa aus einer – wenig verfügbaren – Steckdose, sondern aus einer integrierten Solarzelle. Ist das Wasser gereinigt, blinkt ein Smiley auf dem Display, denn die meisten der potenziellen Kunden sind Analphabeten. „Unser Wadi funktioniert autark“, sagt Wesian. „Und es ist extrem einfach in der Bedienung.“ Es verfügt über nur einen Knopf, jenen zum Einschalten.

Wesian sitzt in seinem kleinen Büro in einem Gründerzeithaus im vierten Wiener Bezirk. An den Wänden hängen keine Bilder, sondern Landkarten. Afrika, Indien, Südamerika. Seit dem Jahr 2010 tüftelt das Helioz-Team hier an dem Produkt. Zur Marktforschung reiste man in den Slum Dharavi im indischen Bombay. „Wir wollen wissen, was die Leute dort brauchen“, sagt Wesian. Als Folge bekam das Wadi beispielsweise ein kleines integriertes Sieb verpasst, damit man das Wasser auch von festen Partikeln wie Sand befreien kann. Seit vergangenem Mai findet in der Kleinstadt Lenzing in Oberösterreich die Serienproduktion statt.

In 44 Staaten haben sich inzwischen Partnerfirmen gefunden, die das Wadi aus Wien bestellen und weiterverkaufen. Der größte Markt ist Indien. Abhängig von Zöllen und ähnlichen Kosten beträgt der Preis pro Gerät zwischen zehn und 16 Euro. Nur in Europa kostet es mehr, 29,90 Euro. Hier rüsten sich gern Extremwanderer und Weltreisende damit aus. „Mit dem hohen Preis in Europa finanzieren wir den billigen in den Entwicklungsländern“, sagt Wesian.

Wadi: Ein Smiley zeigt an, wenn das Wasser sauber ist; Strom kommt von einer Solarzelle (Foto: Hochstöger)

Wadi: Ein Smiley zeigt an, wenn das Wasser sauber ist; Strom kommt von einer Solarzelle (Foto: Hochstöger)

Die vergangenen Jahre seien für ihn durchaus herausfordernd gewesen, erzählt er. Nicht nur galt es, eine Firma hochzuziehen, kompetente Mitstreiter zu finden und das nötige betriebswirtschaftliche Knowhow zu erlernen. Wesian und seine Kollegen brauchten auch hunderttausende Euro für die Entwicklung ihres Wadi. Die Suche nach Geldgebern war schwierig. „Es gibt zwar etliche Investoren, die sich für Produkte interessieren, die mit Wasser zusammenhängen“, sagt Wesian. „Aber den meisten geht es um den schnellen Profit.“

So verhandelte Wesians Team etwa mit einer der größten Venture-Capital-Firmen – das sind Unternehmen, die das Geld von Anlegern in Firmenbeteiligungen stecken, um Rendite zu machen – im deutschen Sprachraum. „Die Venture-Capital-Leute haben sich das Gerät angeschaut und anschließend in ihren Excel-Tabellen herumgerechnet“, erzählt Wesian. „Am Ende sagten sie: Wir steigen gern ein, aber das Produkt muss nach einem Jahr kaputtgehen, sonst rentiert sich das für uns nicht genug.“ Das Wadi hätte derart konstruiert werden sollen, dass es sich schnell verschleißt – undenkbar für Wesians Helioz-Team.

Mittlerweile hat sich ein Partner mit ausgeprägterem sozialem Gewissen gefunden, die niederösterreichische Investmentfirma AC and Friends. Derzeit wird nach einem weiteren Investor gesucht, um das Projekt noch größer aufzuziehen.

Inzwischen verbreitet sich die Erfindung aus Wien von Monat zu Monat weiter in alle Welt. Vor kurzem etwa ins Grenzland zwischen Kenia und Äthiopien. Dort wurde auf Initiative des österreichischen Arbeiter-Samariter-Bundes ein Nomadenstamm mit den Messgeräten ausgestattet.

„Seitdem“, sagt Wesian, „sind dort die trinkwasserbedingten Erkrankungen auf null zurückgegangen.“

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Endlich (steuer-)frei!

Aus dem FALTER 34/2014

Vergangene Woche beging Österreich den Tax Freedom Day. Was steckt dahinter?


Bericht: Joseph Gepp

Tage zu definieren ist ein wirksames Mittel, auf Probleme hinzuweisen. Der „Equal Pay Day“ zum Beispiel (14. März) ist jener Tag, bis zu dem Frauen statistisch gratis arbeiten, weil sie nicht gleich viel verdienen wie Männer. Oder der „Earth Overshoot Day“ (20. August): Ab diesem Tag hat die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht, die in einem Jahr neu entstehen, und lebt somit auf Pump.

Vergangene Woche war wieder so ein Tag: 12. August, „Tax Freedom Day“. Das ist jenes Datum, bis zu dem Österreichs Steuerzahler durchschnittlich arbeiten müssen, um jene Steuern und Abgaben zu verdienen, die sie an den Staat leisten.

Politik und Medien befassten sich breit mit dem Tag. Er sei ein Alarmsignal, so der Tenor. Mehr als die Hälfte des Jahres arbeite man „für einen überdimensionierten und unbeweglichen Staatsapparat“, sagte etwa Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. Immer mehr Steuergeld fließe „in das schwarze Loch des Staatshaushalts“, sekundierte die Junge Industrie.

Wer sich jedoch genauer anschaut, woher der Tax Freedom Day kommt, stößt auf ein Zusammenspiel wirtschaftsliberaler Lobbyisten, Politiker und Medien, das einer Marketingaktion für den freien Markt flugs den Anschein allgemeiner Gültigkeit und statistisch einwandfreier Validität verleiht.

Das Konzept des Tax Day stammt ursprünglich von einer US-Steuerzahlerorganisation. Hierzulande fungiert das „Austrian Economics Center“ als Rechenmeister, ein Ableger der Hayek-Stiftung. Dieses ultraliberale Institut, das von der Ökonomin Barbara Kolm geleitet wird und als dessen Präsident Prinz Michael von Liechtenstein fungiert, fühlt sich ausdrücklich der Österreichischen Schule der Nationalökonomie verpflichtet. Dieser Ökonomenkreis der 1920er-Jahre sah in staatlichen Eingriffen in die Wirtschaft die Wurzel alles Üblen.

So weit, so legitim – aber in der Debatte um den Tax Day fand die ideologische Ausrichtung des Urhebers keinen Widerhall. Denn zahlreiche Medien übernahmen die Nachricht aus Presseaussendungen konservativer Politiker, in denen die Quelle – wenn überhaupt – ohne Kontext aufschien.

Dabei ist das Konzept des Tax Day durchaus umstritten. Dieses besteht darin, die Einkommen aller Haushalte und Unternehmen in Österreich in ein Verhältnis zu Steuern und Sozialabgaben zu setzen; danach wird auf ein Jahr umgerechnet.

Der erste Kritikpunkt daran betrifft eine Nebenfront: Soll das Bruttoinlandsprodukt oder das sogenannte „Volkseinkommen“ zur Berechnung herangezogen werden? Das BIP liegt höher als das Volkseinkommen, weil es etwa Abschreibungen berücksichtigt. Mit dem BIP als Basis wäre der Tax Day also einige Monate früher. Das Hayek-Institut hat sich aber, genauso wie neoliberale Thinktanks anderer Länder, für das niedriger Volkseinkommen entschieden.

Doch dies ist eine Kleinigkeit im Vergleich zu einer zweiten Frage: Jenes Einkommen, das der Österreicher vor dem 12. August in Form von Steuern an den Staat entrichtet, verschwindet ja nicht. Bis auf – vergleichsweise geringe – Verwaltungsausgaben kommt es ja zurück, zum Beispiel in Form von Gesundheits-, Bildungs- und Pensionsleistungen oder als Arbeitslosenhilfe.

Korrekterweise müsste man also errechnen, wie viel all diese Leistungen den Österreichern kosten würden, stellte sie nicht der Staat zur Verfügung, sondern Private. Danach müsste man schauen, ab welchem Datum man im privaten System nicht mehr nur dafür arbeiten würde, seine Gesundheits-, Bildungs- oder Alterskosten zu finanzieren. Man hätte dann sozusagen einen öffentlichen und einen privaten Tax Freedom Day. Der Vergleich könnte zeigen, in welchen Bereichen private Firmen effizienter arbeiten – und wo der Staat.

Aber solche Feinheiten fielen am 12. August nicht ins Gewicht. Schließlich beging Österreich seinen Tax Freedom Day.

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Ist eine Angelobung denn so teuer, Herr Honeder?

Aus dem FALTER 34/2014

Interview: Joseph Gepp

Das Bundesheer hat derart wenig Geld, dass öffentliche Angelobungen von Wehrpflichtigen vorerst abgesagt werden. Sie würden stattdessen in den Kasernen stattfinden, verkündete vor wenigen Tagen Niederösterreichs Militärkommandant Rudolf Striedinger. Der Falter fragte bei Franz Honeder, Pressesprecher des Militärkommandos Niederösterreich, nach.

Herr Honeder, wie viel kostet so eine öffentliche Angelobung?

Konkrete Zahlen darüber gibt es noch nicht. Derzeit jedenfalls prüft das ganze Bundesheer Möglichkeiten zu Einsparungen. Es darf dabei keine Denkverbote geben, solange die Einsatzfähigkeit der Truppe aufrechterhalten bleibt, sowohl bei der internationalen Friedenssicherung als auch im Katastrophenschutz.

Die meisten Tätigkeiten bei Angelobungen erledigen ohnehin die Wehrpflichtigen selbst – zum Beispiel Fahrten oder die Bedienung der Gulaschkanonen. Wie lässt sich hier viel sparen?

Es geht vor allem darum, die Rekruten zum Angelobungsort und zurück zu bringen. Diese Aufgabe haben wir bislang an Busunternehmen ausgelagert, was mit entsprechenden Kosten verbunden war.

Fürchten Sie um die Att raktivität des Bundesheers? Für einen begeisterten Soldaten ist eine öffentliche Angelobung immerhin emotional gesehen eine wichtige Sache.

Es handelt sich lediglich um eine temporäre Maßnahme. Unser Ziel ist es, so viele Angelobungen wie möglich in der Öffentlichkeit abzuhalten. Dass derzeit einige Angelobungen in den Garnisonsorten stattfinden, ist nur eine kurzfristig eingeleitete Maßnahme.

Was sind die nächsten Schritte?

Im Herbst soll ein Vorschlag des Generalstabs für längerfristige Sparmaßnahmen vorliegen. Über weitere Maßnahmen wird dann das Ministerium entscheiden.

Wie viel Geld wird man für öffentliche Angelobungen brauchen?

Hier liegen meines Wissens keine konkreten Zahlen vor.

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AKH: Anklage gegen drei Spitzenbeamte im Vergabeskandal

Aus dem FALTER 33/2014

Bericht: Joseph Gepp

Im Jahr 2010 berichtete der Falter, wie Spitzenbeamte des Wiener Magistrats mutmaßlich missliebige Firmen bei öffentlichen Vergabeverfahren zum Rückzug zwingen. Geheime Telefonprotokolle aus der Chefetage des AKH legten diesen Verdacht nahe. Seither ermittelt die Justiz.

Nun liegt laut Presse – noch nicht rechtsgültig – die Anklage vor. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft drei ehemaligen Beamten der Stadt Wien Untreue, versuchten Betrug und schwere Erpressung vor. Das Strafmaß beträgt ein bis zehn Jahre.

Die Affäre handelt von einem Reinigungsauftrag im Wert von rund 50 Millionen Euro, der an die Personaldienstleistungsfirma Ago ging. Dabei sollen bessere Angebote übergangen und die Ausschreibung manipuliert worden sein. Geschäftspartner sollten unter Druck gesetzt worden sein, Angebote zurückzuziehen. Zahlreiche Indizien deuten auf ein intensives Naheverhältnis zwischen den angeklagten Beamten und der Firma Ago hin.

Die Firma selbst wurde jedoch nicht angeklagt, nur Vertreter der Gemeinde Wien. Auch AKH-Direktor Reinhard Krepler und seine aktuelle Verwaltungsdirektorin bleiben unbelastet. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

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Wien: das mehrheitsfreundlichste unter Österreichs Bundesländern

Aus dem FALTER 33/2014

Bericht: Joseph Gepp

Dieses Wahlversprechen soll – im Gegensatz zu so vielen anderen – nicht gebrochen werden. Das war das Motiv hinter einer Maßnahme, zu der sich im Mai 2010 die damaligen Wiener Oppositionsparteien ÖVP, FPÖ und Grüne entschlossen: Mittels hochformellen Notariatsakts verpflichteten sie einander, sich dafür einzusetzen, dass die „Anzahl der Mandate einer Fraktion im Wiener Gemeinderat möglichst genau ihrem prozentuellen Stimmenergebnis entspricht“.

Denn bis heute ist Wiens Wahlrecht so gestaltet, dass es die stärkste Partei ziemlich stärkt – traditionellerweise die Wiener SPÖ. Schon bei 44 Prozent der Stimmen gewinnt sie unter Umständen die absolute Mandatsmehrheit. Dementsprechend begannen die Grünen, kaum waren sie 2010 in die Regierung gekommen, mit Verhandlungen über ein neues Wahlrecht. Ziel: Es sollte möglichst ausschauen wie jenes auf Bundesebene.

Erwartungsgemäß gestalteten sich die Verhandlungen zäh. Erst jetzt liegt – vorerst informell – ein Kompromissvorschlag auf dem Tisch. Demnach soll bei 47 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit in Wien winken.

Die Grünen freuen sich, dass ihnen damit der „Abbau des Verzerrers“ zumindest teilweise gelungen sei und betonen, dass es in der Politik Kompromisse brauche. Die SPÖ wiederum freut der Erhalt der „mehrheitsfördernden Komponente“.

Die Oppositionsparteien ÖVP und FPÖ hingegen werfen den Grünen lautstark vor, umgefallen zu sein. Das Wahlrecht in der derzeit geplanten Form ist zwar weniger mehrheitsfördernd als zuvor, aber immer noch das mehrheitsförderndste unter Österreichs Bundesländern.

Im Herbst soll nun die definitive Entscheidung über die Reform fallen. Wie das Endergebnis ausfallen wird, sei noch offen, betonten sowohl der grüne Landessprecher Georg Prack als auch SPÖ-Klubchef Rudolf Schicker in den vergangenen Tagen. Sicher scheint nur: Ein klein wenig Mehrheitswahlrecht wird Wien wohl erhalten bleiben.

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Kommentar: Mehrheitsfördernd, warum nicht – aber ohne Parteitaktik!

Aus dem FALTER 33/2014

Kommentar: Joseph Gepp

Immer wieder betonen Politik-Beobachter in Österreich die Vorzüge eines Mehrheitswahlrechts. Der Zwang zum großkoalitionären Pakt nähme ab, die Reformfähigkeit zu. Die Parteien könnten stärker ihre Projekte verwirklichen und gewännen an Profil.

Nicht umsonst haben etwa die Neos gerade ein Konzept für ein stärker mehrheitsförderndes Wahlrecht vorgelegt – eines von vielen. Es ist zwar etwas verwaschen ausgefallen, doch insgesamt ist der Handlungsdruck in Richtung stärkeres Mehrheitswahlrecht unverkennbar.

Anders die Situation in Wien: Hier ist das Wahlrecht bereits mehrheitsfördernd. Unter gewissen Umständen winkt dem Sieger schon bei 44 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit. Seit Jahren verspricht die Opposition deshalb, sich für mehr Verhältnismäßigkeit einzusetzen. Nun scheint Wiens rot-grüne Regierung einen mauen Kompromiss gefunden zu haben: rund 47 Prozent für die Absolute. Wien wäre damit immer noch das mehrheitsfreundlichste Bundesland.

Lassen sich aus all dem Erkenntnisse ableiten, wie ein gutes Wahlrecht ausschauen soll? Wohl kaum: Wiens Handlungsfähigkeit resultiert aus der traditionell mächtigen SPÖ – ebenso wie etwa in Niederösterreich die ÖVP die Politszene dominiert. Plus oder minus wenige Prozent machen da kaum etwas aus. Nach der Wienwahl nächstes Jahr wird sich die SPÖ wohl wieder einen Partner suchen müssen, Wahlrecht hin, Wahlrecht her. Denn nicht nur die FPÖ ist stark, auch Grüne und Neos sind derzeit erfolgreich.

Als einzige Erkenntnis aus Wiens Reformbemühung bleibt also: Ob nun Verhältnis- oder Mehrheitswahlrecht – es sollte jedenfalls nicht mit Blick auf ein besseres Ergebnis für die eigene Partei gestaltet werden.

Ein Kommentar

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