Die große Hypothek

Aus dem FALTER 8/2014

Die Kärntner Hypo Alpe Adria wird die Steuerzahler noch jahrelang Milliarden kosten. Wie konnte es soweit kommen? 25 Antworten

ÜBERBLICK: JOSEPH GEPP

Die Kärntner Bank Hypo Alpe Adria hat die Republik Österreich ziemlich in Bedrängnis gebracht. Vor allem seit Montag, dem 10. Februar 2014.

Warum, was ist da geschehen?

An diesem Tag leistete ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger den Offenbarungseid. „Wir müssen den Tatsachen ins Auge blicken“, sagte er. Österreichs Großbanken hätten eine Beteiligung an einer staatlichen Bad Bank für die Hypo abgelehnt. Jetzt müssen die Steuerzahler bis zu 19 Milliarden Euro alleine stemmen. Die Hypo ist zur Hypothek auf die Zukunft Österreichs geworden.

Die Hypo, wer kennt sich da noch aus?

Stimmt, es ist eine verwirrende Geschichte. Aber man versteht sie leichter, wenn man sie in drei Phasen einteilt.

Aha, welche?

Phase eins reicht von den 1990er-Jahren bis zur Bankenkrise 2009. In dieser Periode verwandelt der damalige FPÖ-Landeshauptmann Jörg Haider die Hypo von der konservativen Hausbank des Bundeslands Kärnten zum sechstgrößten Geldinstitut Österreichs – mit aggressiver Expansionsstrategie. Die Geschäfte sind höchst riskant, zudem bedient sich die FPÖ-Landespolitik hemmungslos am Bankvermögen. Im Jahr 2007 schließlich verkauft Haider die vermeintlich erfolgreiche Hypo an die Bayerische Landesbank. Kurz danach jedoch werden kriminelle Betrügereien und wacklige Kreditgeschäfte publik. Nun schlittert die nunmehrige BayernLB-Tochter Hypo fast in die Pleite – und damit beginnt Phase zwei.

Was passiert in dieser?

Hypo-Hauptquartier in Klagenfurt

Hypo-Hauptquartier in Klagenfurt

Phase zwei dauert nur eine Nacht, die auf den 14. Dezember 2009. Die Hypo wird notverstaatlicht. Der damalige ÖVP-Finanzminister Josef Pröll will damit verhindern, dass eine Hypo-Pleite für den gesamten heimischen Bankensektor Probleme bringt. Immerhin sorgt sich während der Bankenkrise alle Welt um die Stabilität der Geldhäuser. Heute jedoch wird Pröll vorgeworfen, dass ihn Bayern über den Tisch gezogen hat. Pröll hat – auch auf Zuruf österreichischer Banken, die um den Finanzplatz Österreich fürchten – nicht genau nachgefragt.

Alles klar, und was ist Phase drei?

Phase drei ist alles, was seit Dezember 2009 geschehen ist. Und das war nicht viel.

Wie, nicht viel?

Nun, die Bank ist seither im Staatsbesitz. Weil sie praktisch pleite ist, schießt der Staat ständig Geld zu. Denn nur wenn die Hypo in ihrer Bilanz über acht Prozent Eigenkapital verfügt, darf sie laut Gesetz als Bank weiterexistieren. Also flossen seit 2009 3,6 Milliarden Euro an die Hypo, plus 1,2 an Bundeshaftungen für Hypo-Anleihen. Und all das in einer Zeit knapper Kassen.

Das ist doch absurd. Wenn die Bank nicht überleben kann, warum sperrt man sie nicht einfach zu?

So einfach ist das nicht. Österreich ist ein Stück weit eine Geisel der Hypo. Nicht nur gibt es erwähnte Ängste vor einer Kettenreaktion am Finanzmarkt. Auch hat Haider ein weiteres schweres Erbe hinterlassen: Bis 2003 – danach verbot die EU diese Praxis – veranlasste er, dass sein Bundesland für Anleihen der Hypo haftet. Auf diese Weise finanzierte die Bank ihre Expansion. Hypo-Anleihen galten nun als extrem sicher, weil Kärntens Steuerzahler für sie garantierten. Deshalb kauften sie viele Investoren.

Deshalb konnte die Republik die Hypo 2009 nicht pleitegehen lassen?

Genau. Der Wert der Anleihen beträgt derzeit rund 12 Milliarden Euro, das Sechsfache der jährlichen Kärntner Einnahmen. Würde dies schlagend, wäre Kärnten sofort pleite – ein beispielloser Vorgang. Deshalb schließt die Regierung eine Pleite aus.

Gibt es denn keinen Ausweg?

Oben Alpen, unten Adria: Logo wie auch Namen der einstigen Landesbank sollen für den überregionalen Anspruch der Hypo stehen

Oben Alpen, unten Adria: Logo wie auch Namen der einstigen Landesbank sollen für den überregionalen Anspruch der Hypo stehen

Einen gäbe es, aber er ist umstritten: die „geordnete Insolvenz“, eine Art Light-Variante der Pleite. Reizvoll an der Idee ist, dass auch jene zur Kasse gebeten werden, die in den vergangenen Jahren von der Hypo-Causa profitiert haben: Anleihehalter, Banken und der Alteigentümer BayernLB. Und nicht nur die Steuerzahler.

Wie genau kann man sich diese geordnete Insolvenz vorstellen?

Österreich verhandelt mit den Anleihehaltern, damit sie freiwillig auf einen Teil ihres Geldes verzichten. Im Gegenzug ersparen sich die Investoren lange Gerichtsprozesse mit der Republik. Danach würde die Bank langsam zugesperrt, sodass keine Panik auf den Märkten entsteht. Ein Bericht der Finanzberatungsfirma Wyman von 2013 nennt diese Variante als günstigste. Für eine geordnete Insolvenz plädieren zum Beispiel die Grünen. Doch die Regierung fürchtet zu sehr etwaige unkalkulierbare Folgen – vor allem, dass Österreich höhere Zinsen auf Staatsanleihen zahlen muss.

Das alles klingt, als wäre die Regierung ziemlich getrieben von den Ereignissen. Was genau hat sie nun falsch gemacht seit der Notverstaatlichung?

Zunächst: Dank Haider wäre die Hypo ohnehin zum Milliardengrab geworden. Es ist also gelinde gesagt mutig, wenn heute ausgerechnet die FPÖ einen Untersuchungsausschuss wegen Regierungsversagen bei der Hypo fordert. Trotzdem muss sich die SPÖ-ÖVP-Koalition vorwerfen lassen, das Fiasko noch schlimmer gemacht zu haben – weil sie nicht früher und entschlossener über die Zukunft der Hypo entschieden hat. Und dabei geht es um Milliarden.

Um wie viele Milliarden?

Das lässt sich laut dem Wifo-Bankenexperten Franz Hahn nicht seriös sagen. Ex-Hypo-Aufsichtsrat Johannes Ditz beispielsweise sprach vergangenen Dezember in der Presse von „fast sämtlichen Zuschüssen“ – die staatlichen Zuschüsse an die Hypo betrugen allein im Jahr 2013 1,75 Milliarden. Kritik kommt aber nicht nur von Ditz und der Opposition: Auch Nationalbankchef Ewald Nowotny und Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser etwa haben das späte Handeln der Regierung kritisiert.

Was hätte die Regierung tun sollen?

Vor allem rechtzeitig eine Bad Bank gründen. Das heißt, dass die kritischen Geschäfte aus der Bank herausgelöst und in einer eigenen Firma gebündelt werden. Die „guten“ Teile der Bank, wenn man sie so nennen will, werden dann an Private verkauft. Die „schlechten“ verbleiben beim Staat. Dieser kann sie schön langsam abbauen, möglicherweise über Jahrzehnte.

Das klingt wahrlich nicht nach einem guten Geschäft für den Staat.

Vordergründig nicht, aber die Bad Bank hat zwei Vorteile: Erstens bekommt der Staat die guten Teile zu vernünftigen Preisen los. Zweitens braucht die Bank weniger staatliche Unterstützung, sobald man die schlechten Teile aus ihr herauslöst hat.

Wieso braucht die Bank ohne schlechte Teile weniger Staatsgeld?

Wie gesagt muss eine Bank laut Gesetz über acht Prozent Eigenkapital verfügen. Bleiben nun die schlechten Teile in der Bank, schmilzt dieses Eigenkapital relativ schnell dahin. Zum Beispiel dann, wenn sich in der Hypo wieder einmal herausstellt, dass eine bestimmte Menge vergebener Krediten nicht zurückgezahlt wird. Dies schmälert das Eigenkapital. Sogleich muss der Staat neues Geld zuschießen, um die Gesetze nicht zu verletzen. Die Regierung gießt also Eigenkapital in die Hypo wie Wasser in einen löchrigen Kübel, weil die schlechten Geschäfte derart viel Geld wegfressen. Werden selbige hingegen in einer Bad Bank gebündelt, muss kein Eigenkapital nachgefüllt werden. Denn eine Bad Bank ist keine echte Bank, sondern nur ein inaktives Depot für alte Geschäfte. Deswegen gibt es bei ihr keine Eigenkapitalvorschriften.

Wie groß ist der gute Teil der Hypo? Und wie groß der schlechte?

Als Ganzes hält die Bank Geschäfte im Wert von rund 29 Milliarden Euro. Rund neun davon sind „gut“ und sollen bis Mitte 2015 verkauft werden. Bei sieben ist die Zukunft noch ungewiss. Weitere 13 Milliarden sind „schlecht“ und kommen wohl in die staatliche Bad Bank.

Und warum hat die Regierung nicht früher eine Bad Bank gegründet?

Schnöde Wahlkampftaktik. Vor der Nationalratswahl im Herbst 2013 wollte sie keine wochenlange Debatte über die Hypo. Ex-ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter tat den Plan einer Bad Bank stets mit den Worten ab, sie sei „Verlustmaximierung für den Steuerzahler“. Dabei hat Fekters Untätigkeit die Verluste wohl am meisten maximiert.

Was hat es mit der Bankenbeteiligung auf sich, die nun gescheitert ist?

Die Beteiligung privater Banken an einer Hypo-Bad-Bank wäre das Lieblingsmodell der Regierung gewesen. Die privaten Banken hätten in diesem Modell etwas mehr als die Hälfte der Bad Bank besitzen sollen, die Republik Österreich knapp weniger.

Und wieso diese Konstruktion?

Im Wesentlichen geht es hier um Budgetkosmetik. Die Milliardenschulden der Bad Bank wären nicht im Staatsbudget aufgeschienen, denn es wären ja formell Schulden einer mehrheitlich privaten Firma.

Aber dadurch verschwinden die Schulden doch nicht!

Das stimmt, aber trotzdem hätte die Bankenbeteiligung an der Hypo-Bad-Bank einige Vorteile gebracht. Vor allem einen: Der Europäische Fiskalpakt aus dem Jahr 2011 schreibt vor, dass die Staatsschulden der Euroländer ab 2017 nicht mehr als 60 Prozent des BIP ausmachen dürfen. Nun liegen Österreichs Schulden ohnehin schon bei hohen 77 Prozent – das Hypo-Debakel dürfte die Staatsschuldenquote auf über 80 Prozent treiben. Dazu gilt ein Staat mit geringen Schulden insgesamt als stabiler und kreditwürdiger; er kann sich billiger Geld leihen. Aber die Banken wollten bei der Bad Bank trotzdem nicht mitmachen, es war ihnen zu riskant.

Warum hätten sie mitmachen sollen?

Nun, eigentlich wären die Banken dem Staat noch etwas schuldig: Während der Bankenkrise 2009 sprang die Regierung für sie mit 100 Milliarden Euro Rettungsgeld ein. Auf diese Art erhielt der Staat den Geldinstituten ihr stabiles Umfeld. Zwar haben die meisten Banken das Geld seither mit Zinsen zurückgezahlt – lediglich Hypo, Kommunalkredit und Volksbanken AG mussten notverstaatlicht und weiterhin unterstützt werden. Dennoch stehen die Banken, wie sich nun zeigt, in einem kritischen Moment nicht für den Staat gerade. Dazu kommt ein weiterer Punkt: Würde der Staat die Hypo in die Pleite schicken, dann kommt die gesetzliche Einlagensicherung von 100.000 Euro pro Sparer zum Tragen – und diese müssten die Banken tragen.

Heißt das, die Banken profitieren von der Causa Hypo?

Profitieren ist wohl zu viel gesagt – aber im Gegensatz zum Steuerzahler müssen sie zumindest keine schmerzhaften Einbußen hinnehmen. Die wahren Profiteure jedoch sind jene, die in der Vergangenheit Hypo-Anleihen gekauft haben. Dabei handelt es sich beispielsweise um internationale Großbanken oder Hedgefonds. Sie bekommen ihr investiertes Geld samt etwaiger Spekulationsgewinne zurück. Insgesamt ist die Causa Hypo auch eine hübsche Umverteilungsaktion vom österreichischen Mittelstand zum internationalen Finanzmarkt.

Und wir müssen tatsächlich 19 Milliarden Euro für die Hypo bezahlen?

Nein – 19 Milliarden ist die Summe all jener Geschäfte, die maximal in die Bad Bank kommen. Doch manche Kredite, die sich darin befinden, könnten ja noch bedient werden. Realistischerweise werden die Kosten auf vier bis neun Milliarden geschätzt. Laut Spindelegger sollte bis Ende März 2014 über die konkrete Ausgestaltung der Bad Bank entschieden werden. Danach kommen wohl auch Zahlen ans Licht.

Was müsste man tun, damit ein Fall Hypo nie wieder passiert?

Man müsste auf zwei Ebenen ansetzen: Erstens muss es europaweit eine strenge Kontrolle von Banken geben. Denn in Österreich hat bis zur Notverstaatlichung 2009 keine Kontrollinstanz die Hypo-Katastrophe erkannt. Nationalbank, Finanzmarktaufsicht, Rechnungshof – sie alle haben die Hypo geprüft und nichts entdeckt.

Und zweitens?

Zweitens müsste man in Österreich die Länderfinanzen stärker kontrollieren. Auch andere heimische Bundesländer haften für ihre jeweiligen Landes-Hypos – wenn es auch bei weitem niemand so weit getrieben hat wie Jörg Haider. Mangelnde Kontrolle hat es hier einem populistischen Politiker ermöglicht, Milliardenrisiken ohne weiteres Steuerzahlern aufzubürden. Und am Ende freut sich der Finanzmarkt.

Randinfo:
Mehr Hypo-Überblicke? In der Geschichte „Hippo Nimmersatt“ fassten Joseph Gepp und Wolfgang Zwander im Falter 28 / 13 die Causa Hypo mit all ihren Absonderlichkeiten zusammen.

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5 Kommentare

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5 Antworten zu “Die große Hypothek

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  5. Dass die Kärtner Hypo Bank selber mal zu einer Hypothek der österreichischen Steuerzahler wird, hätte man schon in den 1990ern (wie hier korrekt beschrieben) feststellen können… Tut mir Leid für die österreichischen Steuerzahler, dass man mal wieder für die Machenschaften der Banker aufkommen muss.

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