Aus dem FALTER 50/2013
Kommentar: Joseph Gepp
Oft sind es kleine Zufälle, die interessante Sachverhalte ans Tageslicht befördern. So wie bei einer Preisverleihung im Wiener Palais Liechtenstein vergangene Woche. Ehrengast der pompösen Festivität der NGO „Center for Global Dialogue and Cooperation“ (CGDC) hätte Bill Clinton sein sollen. Doch der Ex-US-Präsident tauchte nicht auf. Clinton hatte nämlich rechtzeitig erfahren, dass CGDC-Gründer Stamen Stantschew, ein umstrittener bulgarischer Geschäftsmann, wegen Wirtschaftsspionage in Rumänien zu elf Jahren Haft verurteilt worden war.
Prompt kam heraus, wer noch aller an diesem Abend von Stantschews NGO ausgezeichnet wurde: Sportler Felix Baumgartner. Kasachstans Diktator Nursultan Nasarbajew (in Abwesenheit). Und schließlich José Manuel Barroso, EU-Kommissionspräsident. Gerade die Teilnahme des dritten wirft doch Fragen auf.
Stantschews Verurteilung sei Barroso „nicht bekannt“ gewesen, sagt Kommissionssprecher Jens Mester dem Falter. Preisgeld habe es keines gegeben; auch seien Spesen, Flug und Hotel allein von der EU-Kommission und nicht etwa vom Veranstalter getragen worden. Und was findet Barroso dabei, gemeinsam mit dem umstrittenen Nasarbajew ausgezeichnet zu werden? Es bestünden ja auch so „regelmäßige Kontakte zwischen der EU-Kommission und Kasachstan auf allen Ebenen“, antwortet Mester.
Barroso steht einer mächtigen Institution vor. Die EU-Kommission hat in der Krise viel Einfluss gewonnen und tritt bei der Neugestaltung der Union offensiver denn je auf. Dass sich ihr Präsident auf Veranstaltungen mit Oligarchen umgibt, die offenbar mit einem Fuß im Kriminal stehen, macht keinen schlanken Fuß.