Monatsarchiv: November 2013

Die böse Bank

Aus dem FALTER 47/2013

Nach Jahren will die Regierung doch noch eine Bad Bank für die Kärntner Hypo. Was bringt sie?


Bericht: Joseph Gepp

Selten besteht bei einem Projekt so viel Einigkeit: SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann will sie. Die Oppositionsparteien wollen sie. Das Hypo-Management will sie. Und Klaus Liebscher, Ex-Nationalbankpräsident und heute Chef der „Task Force Hypo“, will sie auch.

Nur eine wollte sie nie: Noch-ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter lehnte die Bad Bank für die Hypo stets ab; sie sei „Verlustmaximierung für den Steuerzahler“.

Jetzt sind Fekters Tage als Ministerin wohl gezählt; dazu tritt die Regierung nach der Wahl ehrlicher auf, was Belastungen angeht. Also tut sich nach jahrelangem Zögern doch noch etwas bei der Bad Bank. Vergangene Woche besprach Liebscher mit dem Kanzler und ÖVP-Vize Michael Spindelegger mögliche konkrete Formen der Bad Bank. Die Politiker erklärten sich danach erstmals einhellig dazu bereit. Nun sollen bald Details folgen. Aber was ist eine Bad Bank überhaupt? Und wieso kommt sie erst jetzt?

Die Geschichte der Hypo ist der vielleicht größte Skandal der Zweiten Republik. Mit Hochrisikogeschäften machten Jörg Haider und willfährige Manager die kleine Landesbank einst zur schnellstwachsenden Bank Europas. 2007 verkauften die Kärntner das vermeintlich hochrentable Institut an die Bayrische Landesbank. Zwei Jahre darauf aber wurde die wahre Situation der Hypo bekannt: Viele Kredite waren uneinbringlich, Leasinggeschäfte basierten auf Betrug. Also ließ Finanzminister Josef Pröll 2009 die BayernLB-Tochter notverstaatlichen, damit ihre Pleite nicht den ganzen heimischen Finanzsektor in Verruf bringt. Seitdem ist offen: Was tun mit der Bank? Und wohin mit ihren vielen faulen Geschäften?

Teure Kärntner Erbe: Hypo-Hauptquartier in Klagenfurt

Teure Kärntner Erbe: Hypo-Hauptquartier in Klagenfurt

Das Konzept der Bad Bank stammt aus Schweden, wo es sich bei einer kleinen Bankenkrise in den 1990ern bewährt hat. Der Grundgedanke: Eine staatliche Firma kauft von der Bank alle Kredite, die vielleicht nicht mehr zurückgezahlt werden können. Damit gilt die Bank als nicht mehr pleitegefährdet, neues Vertrauen entsteht. Der Staat hingegen wartet ab – vielleicht werden am Ende ja doch mehr Kredite zurückgezahlt als angenommen. Im schlechten Fall bleibt er auf Schulden sitzen, hat aber wenigstens das Finanzsystem stabilisiert. Befürworter sehen in Bad Banks einen sauberen Schnitt, der ein rasches Ende von Bankenkrisen ermöglicht. Gegner betonen, dass das Risiko auf den Staat übergeht; Bankschulden werden zu Staatsschulden. Im Fall der Hypo etwa geht es um Kredite und andere Geschäfte – etwa Immobilien – im Wert von 19 Milliarden Euro. Damit könnte man acht Monate lang Österreichs komplettes Gesundheitssystem finanzieren.

Würde der Staat diese Geschäfte in einer Bad Bank bündeln, erhöhte sich die Staatsschuldenquote mit einem Schlag von derzeit 74 auf über 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In der Folge würde Österreich vielleicht schlechter von Ratingagenturen bewertet; Zinsen auf Staatsanleihen würden steigen; der Spardruck wäre größer. Dies ist der wesentliche Grund für Fekters Widerstand gegen die Bad Bank.

Unterstützer der Bad Bank jedoch halten dagegen: Der Staat muss so oder so für die Hypo zahlen. Nur erfolgt es ohne Bad Bank nicht auf einen Schlag – sondern schrittweise, weniger transparent und nicht immer sofort schuldenerhöhend. Und am Ende kommt es die Republik vielleicht noch teurer als mit Bad Bank.

Derzeit zahlt der Staat regelmäßig Geld an die Hypo. Laut Gesetz darf ihr Eigenkapital nie unter acht Prozent fallen. Droht diese Gefahr – zum Beispiel weil der Wert von Krediten als niedriger als bisher eingestuft wird -, schießt der Staat zu. Rund 4,5 Milliarden Euro hat die Republik seit 2009 laut EU-Kommission in die Hypo gesteckt. Weitere 5,8 hat die Regierung in den aktuellen Budgetverhandlungen für die kommenden Jahre eingeplant.

Die enormen Zuschüsse hätte man sich mit einer Bad Bank teils sparen können, meinen Experten wie Franz Hahn vom Wifo. Denn fallen kritische Geschäfte weg, deren Werte schwanken, droht nicht ständig Gefahr für Eigenkapitalgrenzen. Und für eine Bad Bank gelten nicht dieselben strengen Gesetze wie für normale Banken, etwa in Bezug auf das Eigenkapital. Schließlich ist sie nicht aktiv am Markt tätig, sondern dient nur als eine Art Depot für Altgeschäfte.

Eine Hypo mit Bad Bank brächte damit Vorteile, sagen Befürworter: Der Staat könnte leichter sein Ziel erreichen, die Hypo rasch zu verkaufen. Damit einhergehend wäre der Druck der EU-Kommission auf Österreich geringer. Denn diese sieht in langanhaltenden Staatshilfen für Banken eine Verzerrung des Binnenmarkts – und verlangt deshalb einen Verkauf der Hypo bis 2015. Dies verschärft die Lage zusätzlich.

Wie viel genau man sich mit einer Bad Bank ersparen würde – oder ersparen hätte können -, das aber kann niemand sagen. Laut Hahn ist heute sowieso schon alles verloren. „Es ist bereits zu spät dafür, dass die Vorteile einer Bad Bank noch zum Tragen kommen könnten.“

Im Hintergrund arbeiten Liebscher und Beamte im Finanzministerium trotzdem am kleinsten Übel für den Steuerzahler. Derzeit beispielsweise wird ein Modell erwogen, an dem sich neben dem Staat auch Österreichs große Banken beteiligen. Läge ihr Anteil über 50 Prozent, würden die Kosten der Bad Bank offiziell nicht als Staatsschuld gelten. Ähnlich wie bei ÖBB und Asfinag wären sie dann jene einer ausgelagerten Firma. Freilich: Trotz besserer Optik würden die Schulden nicht verschwinden, nur weil sie unter anderem Namen laufen. Noch dazu, wo den Banken – als Gegenleistung für die Bad-Bank-Beteiligung – die Bankenabgabe von jährlich 600 Millionen erlassen werden könnte.

Fazit: Die Kosten steigen rasant, der Spielraum schrumpft stetig. Die Republik büßt heute für den Goldrausch in Haiders Kärnten. Mit oder ohne Bad Bank.

4,5 Milliarden Euro
hat die Republik laut EU-Kommission 2008 bis 2012 in die Hypo gesteckt

5,8 Milliarden Euro
wurden in den derzeitigen Budgetverhandlungen zur Bankenhilfe in den kommenden vier Jahren veranschlagt

Was ist in der Causa Hypo eigentlich geschehen? Joseph Gepp und Wolfgang Zwander geben in der Geschichte „Hippo Nimmersatt“ im Falter 28/13 einen Überblick. Nachzulesen im Internet

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Ein Kommentar

Eingeordnet unter Wirtschaft

13A: Eine „ruhige Wohngegend“ fällt der neuen Mahü zum Opfer

Aus dem FALTER 47/2013

Wenn es um Stadtplanung geht, kommt eine Maßnahme selten allein – sie zieht einen Rattenschwanz an Folgen nach sich, die dann jeweils zu neuen Konflikten führen. So wie rund um die neue Mariahilfer Straße, Prestigeprojekt des rot-grünen Wien.

Dort gibt es nun – darauf haben sich SPÖ und Grüne im Oktober geeinigt – nicht nur neue Querungsmöglichkeiten für Autos, sondern auch eine veränderte Linienführung des 13A, damit dieser nicht mehr über die Fußgängerzone fahren muss. Nur ist das den Anrainern der Capistran- und der Windmühlgasse gar nicht recht.

Vergangenen Montag, acht Uhr, legten rund 20 davon den Busverkehr eine halbe Stunde lang lahm. Sie befürchten Lärm und Abgase und beklagen, in die Rathausentscheidung nicht eingebunden gewesen zu sein.

„Wir wollen auch weiterhin demonstrieren“, sagt Anrainerin Eva Rotter. „Denn wenn es bei dieser Linienführung bleibt, dann ist es mit der ruhigen Wohngegend hier vorbei.“

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Eingeordnet unter Bürgerbeteiligung, Das Rote Wien, Stadtplanung, Verkehr

Diskussion: Wenn im Namen der Ehre Gewalt verübt wird

Aus dem FALTER 47/2013

Ab wann muss sich eine offene Gesellschaft für die Ehen von Zuwanderern interessieren, weil diese in Wahrheit nur dazu dienen junge Mädchen zu knechten? Wann ist nicht mehr der Standesbeamte für eine Hochzeit zuständig, sondern der Staatsanwalt?

Mit dieser heiklen Gratwanderung befasst sich die Initiative „Kulturhorizonte“ rund um die Filmemacherin Nathalie Borgers, die im Jahr 2001 mit dem Dokumentarfilm „Kronen Zeitung – Tag für Tag ein Boulevardstück“ bekannt wurde.

Am 26. November lädt der Verein Künstler, Soziologen und Sozialarbeiter aus Wien und Berlin zu einer Podiumsdiskussion ins Albert-Schweitzer-Haus.

Einer der Höhepunkte des Abends wird wohl der Vortrag von Ahmad Mansour sein.

Der gebürtige Palästinenser leitet in Berlin den Verein Heros, der junge Migranten aufklärt. An Schulen und auf der Straße berichtete Mansour von Männern, die vom Gegensatz zwischen ihrem modernen sozialen Umfeld und ihren traditionellen Elternhäusern emotional fast zerrissen werden.

Gewalt im Namen der Ehre, 26.11., 19 Uhr, 9., Schwarzspanierstr. 13

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Eingeordnet unter Minderheiten

Nordkorea: wie sich eine unmoralische Geschäftsidee rächt

Aus dem FALTER 47/2013

Glosse: Joseph Gepp

Der Westen ist dekadent, hieß es früher gern im Osten. Drogensucht und Selbstzerstörung galten als Auswüchse des westlichen Individualismus, etwa in der DDR. Auch die nordkoreanische Propaganda – von der sich jede Menge im Internet findet – geht noch heute in diese Richtung.

In Nordkorea jedoch ging man weiter und wollte zur westlichen Dekadenz noch seinen Beitrag leisten. Also stieg das Land in den Nullerjahren groß in die Amphetaminproduktion ein. Ziel: Devisen vom Klassenfeind.

Und heute? Bis zu 50 Prozent der Bewohner einiger Landstriche sind abhängig, schreibt das Wall Street Journal, vor allem von der Droge Crystal Meth. Diese entstehe in Hinterhoflaboren im ganzen bettelarmen Land.

Ganz so dekadenzresistent scheint der Osten dann auch nicht gewesen zu sein.

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Eingeordnet unter Kurioses

Was die EU mit dem Sackerl vorhat. Und wieso Indien bereits auf Haftstrafen setzt

Aus dem FALTER 46/2013

Hier gehts zur Hauptgeschichte von Sibylle Hamann

:: Was in den Medien salopp als „Plastiksackerlverbot“ daherkommt, ist in Wahrheit eine komplizierte, legistisch heikle Angelegenheit: Es geht streng genommen um eine Änderung der „Richtlinie 94/62/EG über Verpackungen und Verpackungsabfälle“ aus dem Jahr 1994. Diese untersagte bisher im Artikel 18 ausdrücklich das Verbot aller Verpackungen, die der Richtlinie entsprechen – auch von Sackerln. Nun soll das Verbot des Verbots aufgehoben werden. Das heißt im Klartext: Nationalen europäischen Regierungen soll es möglich sein, Gesetzesänderungen zu erlassen, zum Beispiel eine Bezahlpflicht für die Sackerln einzuführen.

Der Grund für die Maßnahme des EU-Umweltkommissars Janez Potocnik liegt auf der Hand: Ein durchschnittlicher Europäer verbraucht laut EU-Kommission 200 Sackerln im Jahr. Interessant ist dabei, dass der Gebrauch in einzelnen Ländern stark variiert: So benutzt ein Ire im Schnitt nur 20 Sackerln pro Jahr, wie etwa auch ein Däne oder Finne. Den höchsten Verbrauch weisen hingegen Bulgaren mit 421 und Portugiesen mit 500 Sackerln auf. Österreich liegt mit 51 pro Nase und Jahr im Mittelfeld.

Um Abhilfe zu schaffen, will Potoènik nicht nur den Artikel 18 aus der Richtlinie streichen. Er spricht auch von geplanten Sondersteuern und Abgaben. Spruchreif wird all das allerdings erst in einigen Jahren. Zunächst muss das Europaparlament zustimmen; konkrete gesetzliche Ausgestaltungen liegen dann weitgehend bei den Mitgliedsstaaten.

Mit der restriktiven Politik in Sachen Plastiksackerln folgt die EU übrigens ganz einem Trend der Zeit: Etliche Staaten und Provinzen weltweit haben im vergangenen Jahrzehnt mit Verboten experimentiert. So gilt in China seit 2008 ein Verbot der – besonders schädlichen – dünnen Plastiksackerln. In Papua-Neuguinea sind Plastiksackerln seit 2003 verboten, weil sie das ökologisch sensible Hochland des Inselstaates verschmutzen. In der indischen Hauptstadt New Delhi wird seit 2010 der Handel mit Sackerln gar mit fünf Jahren Gefängnis oder der – für Indien – astronomischen Geldstrafe von 1500 Euro geahndet. Ähnliche Verbote gibt es beispielsweise auch in Südafrika, Ruanda, Tansania und Bhutan.

JOSEPH GEPP

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Eingeordnet unter Europa

Wer sich vorm Budgetloch fürchtet

Aus dem FALTER 46/2013

Ökonomin Margit Schratzenstaller über falsche Hysterie und harte Fakten des Kassasturzes

Interview: Joseph Gepp, Barbara Tóth

Bei den Koalitionsverhandlungen nach der Nationalratswahl taucht es plötzlich auf: das Budgetloch. 40 Milliarden Euro könnten, über mehrere Jahre verteilt, im Budget fehlen, verriet Vorarlbergs ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner vergangene Woche. Politische Beobachter und Oppositionelle werfen der Regierung seither Täuschung vor: Schließlich regieren eben jene Leute, vor denen sie sich nun die unerwartete Finanzierungslücke auftut, bereits viele Jahre. Der Falter befragte dazu Österreichs bekannteste Budgetexpertin, Margit Schratzenstaller vom Wifo. Konkrete Zahlen will Schratzenstaller keine nennen, dies hält sie „zum aktuellen Zeitpunkt für unproduktiv“.

Falter: Frau Schratzenstaller, warum weiß die Politik immer erst nach den Wahlen, dass es ein Budgetloch gibt?

Margit Schratzenstaller: Man muss sich zunächst fragen, was dieses Budgetloch überhaupt ist. Es handelt sich um eine Abweichung von der aktuell geltenden mittelfristigen Finanzplanung. Diese Planung ist etwas relativ Neues, das aus der Haushaltsrechtsreform 2009 resultiert. Damals hat man sich geeinigt, Budgetpfade auf jeweils vier Jahre festzulegen. Diese Zahlen werden etwa in Strategieberichten kundgetan und an die EU übermittelt. Nun gibt es von diesen mittelfristigen Pfaden eben Abweichungen.

Wie lange kennt man schon die Höhe der Abweichungen?

Schratzenstaller: Der aktuelle Budgetplan stammt vom Frühjahr 2013. Seitdem gab es diverse Entwicklungen, die nicht absehbar waren. Manche von ihnen sind neu; bei anderen hat man im Frühjahr die quantitative Dimension noch nicht abschätzen können. Im Bereich Banken zum Beispiel ist ab 2014 überhaupt kein Geld im Budget einkalkuliert. Der Grund: Man wusste schlicht nicht, wie hoch die weiteren Bankenhilfen zu diesem Zeitpunkt sein würden.

Das heißt, die Regierung hat nichts falsch gemacht? Sie konnte das Budgetloch bis zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht kennen?

Budgerexpertin Margit Schratzenstaller (Foto: Wifo)

Budgerexpertin Margit Schratzenstaller (Foto: Wifo)

Schratzenstaller: Zum Teil ja. Zwar haben Experten und Politiker durchaus gewusst, dass es große Unsicherheiten gibt und dass noch Kosten kommen werden. Aber dies in konkrete Zahlen zu gießen, ist nochmal eine andere Geschichte. Zum Teil ist es sicher auch der politischen Rationalität im Wahlkampf geschuldet, dass man erst heute so intensiv über die Budgetlage diskutiert. Denn es wurde auch die Verschlechterung der mittelfristigen Wirtschaftsprognose nicht ausreichend berücksichtigt. Aber einiges konnte man im Frühjahr 2013 tatsächlich noch nicht wissen.

Andere europäische Länder müssen ebenfalls viel Geld in angeschlagene Banken stecken. Haben sie ähnliche Probleme mit unberechenbaren Budgets?

Schratzenstaller: Das Problem ist, dass es keine verbindlichen Regeln für solche Verfahren gibt. Angeschlagene Banken sind ja erst mit der Wirtschaftskrise zu relevanten Budgetposten in vielen Ländern geworden. Dadurch stehen Budgetersteller vor einem Dilemma, das gerade in Zeiten von Krise und Unsicherheit virulent wird: Was macht man mit Ausgabenposten, die sich vorläufig nicht quantifizieren lassen? Die Antwort: Man rechnet in Szenarien. Das Hauptszenario schlägt sich im Budgetpfad nieder, daneben gibt es weitere, positive wie negative.

Nun scheint in Österreich eher das negative Szenario wahr zu werden als das positive. Was trägt neben der Bankenrettung noch dazu bei?

Schratzenstaller: Neben dem Kapitalbedarf für die Hypo Alpe Adria entwickeln sich auch die Konjunkturaussichten schlechter als erwartet. Weiters werden wohl die staatlichen Zuschüsse zu den Pensionen höher ausfallen. Der Pensionskommissionsbericht erschien vorletzte Woche; er zeigt, dass das faktische Pensionsantrittsalter nicht so stark steigt wie angenommen.

Derzeit wird ein Budgetloch von 40 Milliarden Euro kolportiert, das sich aus all dem ergibt. Die Zahl scheint horrend hoch.

Schratzenstaller: Obwohl ich keine Zahlen nennen will, muss ich hier ein wenig relativieren: Die Zahl ist deshalb so hoch, weil sie über fünf Jahre zusammengefasst ist und sowohl strukturelle als auch einmalige Kosten enthält. Strukturelle Kosten sind beispielsweise laufende Ausgaben für Pensionen oder Arbeitslose, die nun höher ausfallen als erwartet – einmalige sind etwa die Bankenhilfen.

Wer macht eigentlich so einen Kassasturz?

Schratzenstaller: Die Experten im Finanzministerium plus zugezogene Wirtschaftsexperten, die ihre eigenen Berechnungen miteinfließen lassen.

Und wie läuft so etwas ab?

Schratzenstaller:
Es ist jedenfalls nicht nur eine technische Übung, sondern auch eine Frage von Bewertungen und Einschätzungen. Man muss zuerst Annahmen machen und danach wird quantifiziert, was sie fürs Budget heißen. Wohlgemerkt – das Schwierigste in diesem Stadium hat noch nicht einmal begonnen: die politischen Maßnahmen, die sich aus dem Kassasturzergebnis für das Budget ergeben.

Apropos politische Maßnahmen: Vor der Wahl wurde viel über eine Steuerreform diskutiert. Ließe sie sich angesichts der klammen Budgetlage noch realisieren?

Schratzenstaller: Für eine größere Entlastung sehe ich definitiv keinen Spielraum bis 2016.

Bis 2016 sollte auch der Haushalt ausgeglichen sein, hieß es. Hält das?

Schratzenstaller: Ohne massives Gegensteuern sicher nicht.

Einerseits will der Staat gegen die wachsende Verschuldung steuern, andererseits würgt zu viel Sparen das Wachstum und die Beschäftigung ab. Was wäre der Mittelweg?

Schratzenstaller: Es gibt einerseits großes Effizienzpotenzial, zum Beispiel im Spitalsbereich oder bei altersgerechten Arbeitsplätzen – wobei bei Letzterem nicht nur die Republik, sondern auch die Unternehmen gefordert wären. Andererseits glaube ich auch, dass im Steuerbereich einiges möglich wäre. Man könnte etwa zahlreiche Ausnahmeregeln bei der Einkommensteuer abschaffen. Weiters ließe sich die Grundsteuer erhöhen. Schließlich könnten die Umweltsteuern ausgebaut und die Erbschaftssteuer reaktiviert werden. Allerdings sollten Mehreinnahmen für eine aufkommensneutrale Abgabenstrukturreform verwendet werden. Und es muss in Zukunftsbereiche investiert werden.

Zurück zum Budget: Was sollte die Regierung vor der nächsten Wahl anders machen?


Schratzenstaller:
Vielleicht sollte sie bei der Ankündigung von kostenintensiven Vorhaben noch zurückhaltender sein. Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass die derzeitige Debatte über den Kassasturz ein Nebeneffekt einer grundsätzlich positiven Entwicklung ist: Man versucht, vom einjährigen Budgetieren wegzukommen. Diese neue Praxis widerspricht nicht nur den alten österreichischen Gepflogenheiten. Sie bringt auch ganz logisch größere Unsicherheiten als bisher mit sich, weil eben die Zeiträume länger sind. Also gilt es nun, eventuell auftretende Budgetlöcher nicht zu bagatellisieren – aber auch keine Katastrophe aus ihnen zu machen.

Die vier Budgetweisen der Regierung beraten die Politiker beim Kassasturz:

Christian Keuschnigg ist Direktor des Instituts für Höhere Studien in Wien sowie Professor für Nationalökonomie, insbesondere öffentliche Finanzen, an der Universität St. Gallen

Karl Aiginger ist Direktor des Wifo und Spezialist für Finanzkrisen und polit-ökonomische Strategien

Konrad Pesendorfer
ist Generaldirektor der Statistik Austria und promovierter Volkswirt mit internationaler Beratungserfahrung

Ewald Nowotny ist Gouverneur der Österreichischen Nationalbank und langjähriger Politiker und Ökonom

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Eingeordnet unter Wirtschaft

Hypo Alpe Adria: Eine Milliarde in drei Wochen, bitte!

Aus dem FALTER 46/2013

:: Wer wissen will, was Österreichs Politikern Kopfzerbrechen bereitet, muss nur auf die Website der Hypo Alpe Adria klicken. Dort verstecken sich in der Rubrik „Meldungen“ Hiobsbotschaften hinter schlichten Formulierungen. So wie vergangenen Freitag. Da gab die 2009 notverstaatlichte Bank bekannt, dass „basierend auf aktuellen Hochrechnungen zur Eigenmittelsituation (…) davon auszugehen ist, dass die Vorschriften hinsichtlich Kapitalausstattung per Ende November 2013 nicht mehr erfüllt werden“.

Konkret heißt das: Die Hypo braucht von ihrem Eigentümer Geld. Eine Summe nennt die Bank nicht, Insidern zufolge könnten es aber bis zu 1,3 Milliarden Euro sein. Dabei hat die Hypo erst vor drei Monaten 700 Millionen Euro erhalten – als Teil von insgesamt 2,2 Milliarden, die seit 2009 in die Bank geflossen sind.

Woher kommt nun dieser neuerliche Bedarf nach einem Milliardenzuschuss innerhalb weniger Wochen?

Ein kleines Heer an Bewertern in der Hypo stellt die zugrunde liegenden Berechnungen an. Dieses ermittelt permanent den Wert der einzelnen Teile des Unternehmens – zum Beispiel von Tochterbanken, ausstehenden Krediten oder bankeigenen Immobilien. Wenn etwa weniger Kunden als früher ihre Kredite zurückzahlen, schrauben die Mitarbeiter deren Werte nach unten. Derzeit sinkt der Wert der gesamten Hypo auch deshalb massiv, weil die EU bis längstens 2015 den Verkauf des Instituts vorgeschrieben hat. Dieser Zwangsverkauf in einer bestimmten Frist wirkt nicht gerade preiserhöhend. Wie viel die Hypo als Ganzes wert ist, steht übrigens zweimal jährlich in der Bilanz – nachdem die bankinternen Zahlen von Wirtschaftsprüfern testiert, also abgesegnet, wurden.

Warum aber braucht die Hypo schon Ende November Geld und nicht erst bei Bilanzerstellung zu Jahreswechsel? Laut Gesetz muss eine Bank acht Prozent Eigenkapital vorweisen, und zwar täglich. Die Hypo würde diese Vorschrift in drei Wochen verletzen – sofern bis dahin kein Geld fließt.

JOSEPH GEPP

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Eingeordnet unter Wirtschaft

Steinhof: Auf Druck von Bürgern gibt’s jetzt ein abgespecktes Projekt

Aus dem FALTER 46/2013

Joseph Gepp

Es war eine der aufsehenerregendsten Wiener Causen der vergangenen Jahre: 2011 wollte die Gemeinde Teile die Penzinger Steinhofgründe verbauen. Das dort befindliche Otto-Wagner-Spital soll bis 2020 absiedeln. Doch eine Bürgerinitiative wehrte sich, sodass Bürgermeister Michael Häupl 200 von 600 geplanten Wohnungen strich und eine Überarbeitung versprach. Vergangenen Mittwoch präsentierte nun eine Architektengruppe im Auftrag der Stadt eine abgespeckte Variante des Projekts: In niedrigen Gebäuden, die sich sanft ins Jugendstilareal einfügen, sollen 160 „Einheiten“ Platz finden – Wohnungen, Büros oder etwa Arztpraxen. Die bereits erfolgte Umwidmung soll angepasst werden. Christine Muchsel von der Bürgerinitiative steht der Idee ambivalent gegenüber. „Es ist natürlich ein Quantensprung, dass das Areal nun in öffentlicher Hand bleibt und die vorgeschlagene Bebauung viel rücksichtsvoller ausfällt“, sagt sie. „Aber man zäumt das Pferd von hinten auf. Warum klärt man nicht zuerst die Nutzungsfrage des Gesamtareals, bevor man sich dem Verbau eines Teilbereichs widmet?“

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Eingeordnet unter Bürgerbeteiligung, Behörden, Das Rote Wien, Stadtplanung

„Er hat sich nicht mehr gerührt“: Alis letzte Nacht im Stadtpark

Aus dem FALTER 46/2013

Joseph Gepp

Geschützt vor Wind und Regen: Hier auf diesen Stiegen zum Wienfluss im Stadtpark starb vergangenen Donnerstag Früh der obdachlose Slowake Ali, 36 Jahre. Seine zwei Begleiter, die noch immer hier sind, riefen die Polizei (Foto: Joseph Gepp)

Geschützt vor Wind und Regen: Hier auf diesen Stiegen zum Wienfluss im Stadtpark starb vergangenen Donnerstag Früh der obdachlose Slowake Ali, 36 Jahre. Seine zwei Begleiter, die noch immer hier sind, riefen die Polizei (Foto: Joseph Gepp)

Ali nennen sie ihn hier. Vor fünf Monaten kam der 36-jährige Slowake nach Wien, seitdem schlief er meist im Stadtpark. Zuletzt hatte er sich in jenem Stiegenabgang zum Wienfluss eingerichtet, geschützt vor Wind und Regen, zwischen halbleeren Wodkaflaschen und fleckigen Decken. Dort wachte Ali vergangenen Donnerstagmorgen nicht mehr auf.

Der Tote im Stadtpark ist ein neuer trauriger Höhepunkt in der wochenlangen Debatte über Obdachlose in Wien. Fremdverschulden wird ausgeschlossen; eine Obduktion soll klären, woran Ali genau gestorben ist.

Immer noch hier sind jene beiden Obdachlosen, die mit Ali zuletzt hier übernachteten. Es sind ein Wiener, 33, und Alis slowakische Freundin, 51. Er habe sich in der Früh einfach nicht mehr gerührt, sagt der Wiener. Die Slowakin redet fast nichts, fuchtelt nur nervös mit den Armen. Schließlich fängt sie ein Passbild aus der Brieftasche, ihr Ali, ein Mann mit kurzen, dunklen Haaren, daneben ein Kreuz.

Zwischen den Decken und Flaschen erinnern auch eine Kerze und einige Tulpen, die eine Hilfsorganisation hierhergebracht hat, an Ali.

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Eingeordnet unter Die vielschichtigen Verbindungen zwischen Osteuropa und Wien, Soziales, Wien

Jetzt auch auf DVD: das vergessene jüdische Leben in Sechshaus

Aus dem FALTER 45/2013

Joseph Gepp

Der verschwundene jüdische Alltag Wiens, er fand nicht nur in den großbürgerlichen Palais der Ringstraße und auf der sogenannten „Mazzesinsel“ in der Leopoldstadt statt. Eine heute fast vergessene jüdische Gemeinde rund um einige Synagogen und Vereinshäuser gab es bis zum Jahr 1938 auch in der Herklotzgasse in Sechshaus im 15. Bezirk. Sie war eher kleinbürgerlich geprägt.

Die untergegangene Welt hat in den vergangenen Jahren die sogenannte Initiative Herklotzgasse 21 aufgearbeitet. Historiker und Aktivisten organisierten Ausstellungen und Grätzelspaziergänge. Ergänzt wurde dies von historischer Rekonstruktionsarbeit. In zahlreichen Zeitzeugengesprächen erzählten vertriebene Rudolfsheim-Fünfhauser, die heute meist in Israel leben, ihre Geschichte.

Diese Gespräche bieten Einblicke ins Gemeindeleben, in die Geschichte der Vertreibung wie auch in den Alltag im Wien der 1930er-Jahre. Sie wurden vom Stadtsender W24 ausgestrahlt. Rund um den 9. November werden sie anlässlich des 75. Jahrestages der Reichspogromnacht wiederholt. Ab 11. November gibt es die Interviews auch als Doppel-DVD mit umfangreichem Booklet zu kaufen. Der Preis beträgt 14 Euro.

Zu beziehen unter: strom@w24.at

Mehr zum Projekt Herzklotzgasse (Jänner 2008)

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Eingeordnet unter Stadtgeschichte