Holpern in die Energiezukunft

Aus dem FALTER 33/2013

Der Fall Güssing bringt erneuerbare Energien insgesamt, vor allem Biomasse, ins Gerede. Zu Recht?

Zurechtrückung: Joseph Gepp

Es gibt Bilder, die sich der Öffentlichkeit einprägen. Zum Beispiel Arnold Schwarzenegger, wie er 2012 Güssing besucht. Lächelnd posiert der Ex-Gouverneur neben dem damaligen ÖVP-Bürgermeister der burgenländischen Stadt, Peter Vadasz. „Österreich muss Güssing werden“, tönt Schwarzenegger. Medien verbreiten seine Botschaft in aller Welt. Heute bereut es Vadasz vielleicht, den aufsehenerregenden Auftritt eingefädelt zu haben.

Denn das Bild des energieautarken Güssing, das international als Beispiel für nachhaltigen Umgang mit Energie gilt, hat inzwischen gehörig Schaden genommen.

Das Biomassekraftwerk, Herzstück unter vielen Projekten im Ort, wäre kürzlich fast in Konkurs gegangen. Sechs Millionen Euro Schulden hatte die Anlage angehäuft, als sie im Juni heruntergefahren wurde. Das Finanzamt hatte dem Kraftwerk den Status als Forschungsanlage aberkannt – womit Subventionen wegfielen. Im letzten Moment wurde das Werk vergangene Woche gerettet. Die notwendigen 200.000 Euro kamen angeblich von Michael Dichand, Sohn des verstorbenen Krone-Gründers.

Der Fall zieht weite Kreise. Er bringt den Einsatz erneuerbarer Energien insgesamt ins Gerede, insbesondere den von Biomasse. Bei dieser Technologie wird meist Holz verbrannt, um Wärme oder Strom zu gewinnen. Ein Subventionsgrab, lautet das alte, neue Vorurteil. Walter Boltz, Chef der Regulierungsbehörde E-Control, nannte Güssing im ORF „die Spitze des Eisbergs“. Man müsse das Konzept Biomasse überdenken; Holz sei zu teuer, um es nur zu verheizen.

Hat Boltz recht? Was unterscheidet Güssing von anderen Biomasseanlagen? Und wie wichtig ist diese Art der Energiegewinnung überhaupt, die im Vergleich zu Windrädern und Fotovoltaik ja eher selten Gesprächsthema ist?

Ein Blick in Energiestatistiken überrascht:
Biomasse ist außerordentlich wichtig. Allerdings weniger beim Strom. Dort stellte sie im Jahr 2011 nur 3,9 Prozent Anteil an der Erzeugung. Um zu verstehen, was Biomasse abseits davon so wichtig macht, muss man ein entscheidendes Faktum kennen: Energie und elektrischer Strom, das ist nicht dasselbe.

Strom, die teuerste und vielseitigste Form der Energie, macht nur allerhöchstens 20 Prozent des Energieverbrauchs aus. Die anderen 80 teilen sich die Autotreibstoffe und Brennstoffe für Heizung und Warmwasser. Bei Letzterem schließlich ist die Biomasse ganz vorn dabei.

Ungefähr ein Viertel des heimischen Wärmebedarfs stillt die Holzverbrennung, in Form von Hackgut, Pellets oder ganzen Scheiten. Das Spektrum reicht vom Kachelofen im Wohnzimmer bis zu rund tausend „Nahwärmenetzen“ in Österreich.

Warum gilt diese Art der Verbrennung als klimaschonend? Schließlich entsteht dabei CO2. „Der Wald nimmt das CO2 wieder auf“, erklärt Michael Cerveny von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT). „Solange so viele Bäume nachwachsen, wie gefällt werden, gilt die Holzverfeuerung als CO2-neutral.“

Güssing jedoch war viel mehr als nur
eine Art höherentwickelter Kachelofen. Dort wurde im Gegenteil „ziemlich alles ausprobiert, was man mit Biomasse machen kann“, sagt Cerveny. In der komplexen, modernen Anlage wurde nicht nur Wärme gewonnen, sondern auch Strom und Prozessgas. Und genau hier setzt die Kritik an.

Schauplatz eines Energiewiunders? Biomassekraftwerk in Güssing (Foto: Wikipedia)

Schauplatz eines Energiewiunders? Biomassekraftwerk in Güssing (Foto: Wikipedia)

Holz zur Stromgewinnung zu verbrennen – das ist viel umstrittener als Verbrennung zur Wärmegewinnung. Die technologischen Anforderungen sind viel komplexer, monieren Kritiker. Diese Position teilt sogar der Biomasseverband, die Interessenvertretung der Biomassebranche. „Die Basis des Biomasseeinsatzes muss Wärmeversorgung sein“, sagt Sprecher Antonio Fuljetic. „Neue Biomassekraftwerke, die alleine Elektrizität erzeugen, wird es künftig wohl nicht mehr geben.“ Wärmeproduzierende Anlagen hingegen – und solche, die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen – bezeichnet Fuljetic als „wirtschaftlich, wenn sie richtig geplant sind“.

Auch für die Kunden und ihre Heizungen
zahlt sich der Einsatz von Biomasse oft aus: Zwar ist die Errichtung der Holzheizungen teurer als die klassischer Öl- und Gasheizungen – allerdings ist der anschließende Betrieb viel billiger. Zum Beispiel kostet eine Kilowattstunde Energie in Form von Pellets fünf Cent, halb so viel wie bei Heizöl. Ein Blick auf die Preisentwicklung lässt darauf schließen, dass sich diese Tendenz noch verstärken wird: Im Jahr 1999 zahlte der durchschnittliche Heizölkonsument noch fünfmal weniger für seine Wärme als heute. Allerdings: Auch bei der Biomasse ist bei weitem nicht alles perfekt.

„Biomasse hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine stürmische Entwicklung erlebt“, sagt Experte Cerveny. Deswegen sei in den 1990er-Jahren, als etliche Biomassenetze entstanden, vieles zu groß dimensioniert worden. Dabei gehe Energie verloren, sagt Cerveny. „Man hat spät erkannt, dass man Biomassenetze nur in kompakten, dichten Siedlungen errichten sollte“.

Zudem führt die Nachfrage nach Holz zu einem Preisanstieg des Rohstoffs – rund ein Viertel betrug er in den vergangenen Jahren. Außerdem: Zu viel Biomasse kann andere Formen des effizienten Energieeinsatzes konterkarieren. „Zum Beispiel bringt die thermische Sanierung eines Hauses bis zu drei Viertel an Energieersparnis“, sagt der Umweltökonom Stefan Schleicher von der Uni Graz. „Wenn ich mir aber gerade eine Pelletheizung angeschafft habe, werde ich wohl auf die Sanierung eher verzichten.“

Fazit: Biomasse ist – wenn zur Wärmeerzeugung genutzt
– nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber auch kein hoffnungsloses Subventionsgrab. „Die Energieversorgung der Zukunft wird sich aus vielen Quellen speisen müssen, auch aus Biomasse“, sagt Cerverny. „Und nichts davon wird je so dominant sein, wie es das Öl einst war.“

Und Güssing? Güssing ist ein Labor, in dem zahlreiche neue Technologien ausprobiert wurden – auch wenig erfolgreiche. Kein Vorbild, wie Schwarzenegger meinte. Eher ein Vorreiter.

Wofür verbraucht Österreich Energie? (In Prozent 2009)

52% Wärme: Heizung, Dampferzeugung, Industrieöfen
45% Bewegung: Verkehr, Standmotoren
3% Strom: Beleuchtung, EDV, Elektrochemie

Wie wird der Strom produziert? (In Österreich 2011)

57,4 % Wasserkraft
31,5 % Kohle & Gas
4,2 % Sonstige
3,9 % Biomasse
2,9 % Windkraft
0,1 % Photovoltaik

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Eingeordnet unter Energie, Wirtschaft

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