Monatsarchiv: August 2013

Holpern in die Energiezukunft

Aus dem FALTER 33/2013

Der Fall Güssing bringt erneuerbare Energien insgesamt, vor allem Biomasse, ins Gerede. Zu Recht?

Zurechtrückung: Joseph Gepp

Es gibt Bilder, die sich der Öffentlichkeit einprägen. Zum Beispiel Arnold Schwarzenegger, wie er 2012 Güssing besucht. Lächelnd posiert der Ex-Gouverneur neben dem damaligen ÖVP-Bürgermeister der burgenländischen Stadt, Peter Vadasz. „Österreich muss Güssing werden“, tönt Schwarzenegger. Medien verbreiten seine Botschaft in aller Welt. Heute bereut es Vadasz vielleicht, den aufsehenerregenden Auftritt eingefädelt zu haben.

Denn das Bild des energieautarken Güssing, das international als Beispiel für nachhaltigen Umgang mit Energie gilt, hat inzwischen gehörig Schaden genommen.

Das Biomassekraftwerk, Herzstück unter vielen Projekten im Ort, wäre kürzlich fast in Konkurs gegangen. Sechs Millionen Euro Schulden hatte die Anlage angehäuft, als sie im Juni heruntergefahren wurde. Das Finanzamt hatte dem Kraftwerk den Status als Forschungsanlage aberkannt – womit Subventionen wegfielen. Im letzten Moment wurde das Werk vergangene Woche gerettet. Die notwendigen 200.000 Euro kamen angeblich von Michael Dichand, Sohn des verstorbenen Krone-Gründers.

Der Fall zieht weite Kreise. Er bringt den Einsatz erneuerbarer Energien insgesamt ins Gerede, insbesondere den von Biomasse. Bei dieser Technologie wird meist Holz verbrannt, um Wärme oder Strom zu gewinnen. Ein Subventionsgrab, lautet das alte, neue Vorurteil. Walter Boltz, Chef der Regulierungsbehörde E-Control, nannte Güssing im ORF „die Spitze des Eisbergs“. Man müsse das Konzept Biomasse überdenken; Holz sei zu teuer, um es nur zu verheizen.

Hat Boltz recht? Was unterscheidet Güssing von anderen Biomasseanlagen? Und wie wichtig ist diese Art der Energiegewinnung überhaupt, die im Vergleich zu Windrädern und Fotovoltaik ja eher selten Gesprächsthema ist?

Ein Blick in Energiestatistiken überrascht:
Biomasse ist außerordentlich wichtig. Allerdings weniger beim Strom. Dort stellte sie im Jahr 2011 nur 3,9 Prozent Anteil an der Erzeugung. Um zu verstehen, was Biomasse abseits davon so wichtig macht, muss man ein entscheidendes Faktum kennen: Energie und elektrischer Strom, das ist nicht dasselbe.

Strom, die teuerste und vielseitigste Form der Energie, macht nur allerhöchstens 20 Prozent des Energieverbrauchs aus. Die anderen 80 teilen sich die Autotreibstoffe und Brennstoffe für Heizung und Warmwasser. Bei Letzterem schließlich ist die Biomasse ganz vorn dabei.

Ungefähr ein Viertel des heimischen Wärmebedarfs stillt die Holzverbrennung, in Form von Hackgut, Pellets oder ganzen Scheiten. Das Spektrum reicht vom Kachelofen im Wohnzimmer bis zu rund tausend „Nahwärmenetzen“ in Österreich.

Warum gilt diese Art der Verbrennung als klimaschonend? Schließlich entsteht dabei CO2. „Der Wald nimmt das CO2 wieder auf“, erklärt Michael Cerveny von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT). „Solange so viele Bäume nachwachsen, wie gefällt werden, gilt die Holzverfeuerung als CO2-neutral.“

Güssing jedoch war viel mehr als nur
eine Art höherentwickelter Kachelofen. Dort wurde im Gegenteil „ziemlich alles ausprobiert, was man mit Biomasse machen kann“, sagt Cerveny. In der komplexen, modernen Anlage wurde nicht nur Wärme gewonnen, sondern auch Strom und Prozessgas. Und genau hier setzt die Kritik an.

Schauplatz eines Energiewiunders? Biomassekraftwerk in Güssing (Foto: Wikipedia)

Schauplatz eines Energiewiunders? Biomassekraftwerk in Güssing (Foto: Wikipedia)

Holz zur Stromgewinnung zu verbrennen – das ist viel umstrittener als Verbrennung zur Wärmegewinnung. Die technologischen Anforderungen sind viel komplexer, monieren Kritiker. Diese Position teilt sogar der Biomasseverband, die Interessenvertretung der Biomassebranche. „Die Basis des Biomasseeinsatzes muss Wärmeversorgung sein“, sagt Sprecher Antonio Fuljetic. „Neue Biomassekraftwerke, die alleine Elektrizität erzeugen, wird es künftig wohl nicht mehr geben.“ Wärmeproduzierende Anlagen hingegen – und solche, die sowohl Strom als auch Wärme erzeugen – bezeichnet Fuljetic als „wirtschaftlich, wenn sie richtig geplant sind“.

Auch für die Kunden und ihre Heizungen
zahlt sich der Einsatz von Biomasse oft aus: Zwar ist die Errichtung der Holzheizungen teurer als die klassischer Öl- und Gasheizungen – allerdings ist der anschließende Betrieb viel billiger. Zum Beispiel kostet eine Kilowattstunde Energie in Form von Pellets fünf Cent, halb so viel wie bei Heizöl. Ein Blick auf die Preisentwicklung lässt darauf schließen, dass sich diese Tendenz noch verstärken wird: Im Jahr 1999 zahlte der durchschnittliche Heizölkonsument noch fünfmal weniger für seine Wärme als heute. Allerdings: Auch bei der Biomasse ist bei weitem nicht alles perfekt.

„Biomasse hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten eine stürmische Entwicklung erlebt“, sagt Experte Cerveny. Deswegen sei in den 1990er-Jahren, als etliche Biomassenetze entstanden, vieles zu groß dimensioniert worden. Dabei gehe Energie verloren, sagt Cerveny. „Man hat spät erkannt, dass man Biomassenetze nur in kompakten, dichten Siedlungen errichten sollte“.

Zudem führt die Nachfrage nach Holz zu einem Preisanstieg des Rohstoffs – rund ein Viertel betrug er in den vergangenen Jahren. Außerdem: Zu viel Biomasse kann andere Formen des effizienten Energieeinsatzes konterkarieren. „Zum Beispiel bringt die thermische Sanierung eines Hauses bis zu drei Viertel an Energieersparnis“, sagt der Umweltökonom Stefan Schleicher von der Uni Graz. „Wenn ich mir aber gerade eine Pelletheizung angeschafft habe, werde ich wohl auf die Sanierung eher verzichten.“

Fazit: Biomasse ist – wenn zur Wärmeerzeugung genutzt
– nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber auch kein hoffnungsloses Subventionsgrab. „Die Energieversorgung der Zukunft wird sich aus vielen Quellen speisen müssen, auch aus Biomasse“, sagt Cerverny. „Und nichts davon wird je so dominant sein, wie es das Öl einst war.“

Und Güssing? Güssing ist ein Labor, in dem zahlreiche neue Technologien ausprobiert wurden – auch wenig erfolgreiche. Kein Vorbild, wie Schwarzenegger meinte. Eher ein Vorreiter.

Wofür verbraucht Österreich Energie? (In Prozent 2009)

52% Wärme: Heizung, Dampferzeugung, Industrieöfen
45% Bewegung: Verkehr, Standmotoren
3% Strom: Beleuchtung, EDV, Elektrochemie

Wie wird der Strom produziert? (In Österreich 2011)

57,4 % Wasserkraft
31,5 % Kohle & Gas
4,2 % Sonstige
3,9 % Biomasse
2,9 % Windkraft
0,1 % Photovoltaik

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Eingeordnet unter Energie, Wirtschaft

Können Opfer gleichzeitig auch Täter sein, Frau Winter?

Aus dem FALTER 33/2013

Werbekolumne: Joseph Gepp

Helfen, das klingt einfach. Jemand benötigt Hilfe, man leistet sie und steht damit moralisch auf der richtigen Seite. Ein Werbespot des Roten Kreuzes, der zum Spenden auffordert, durchkreuzt dieses schlichte Bild. Er liefert etwas, das man in der Werbewelt selten findet: Differenzierung. Trotzdem verliert die Botschaft nichts von ihrer Wucht, im Gegenteil.

Zu sehen sind Hilfsbedürftige – und zu hören sind Zweifel. „Warum Opfern helfen, die auch Täter sind?“, heißt es beispielsweise mit Blick auf einen müden Guerillakämpfer, der sich in einem Zeltlager in einem Kriegsgebiet ausrastet, das Gewehr auf dem Schoß. Nächstes Bild: ein demenzkranker alter Mann im Nachtmantel. „Warum zuhören, wenn einer ständig dasselbe erzählt“, lautet die dazugehörige Frage. Die Antwort liefert schließlich der Slogan des Roten Kreuzes: „Aus Liebe zum Menschen.“

Statt nur auf die Tränendrüse zu drücken, lässt der Spot die Zuseher ahnen, dass die Arbeit als Helfer manchmal frustrierend ist. Er zeigt Situationen, in denen man als Helfer nicht mehr tun kann, als das Unvermeidliche etwas abzumildern.

Die Botschaft der Werbung richte sich deshalb nicht nur an potenzielle Unterstützer, erklärt Andrea Winter, Kommunikationschefin des Roten Kreuzes – sondern auch „an die interne Zielgruppe“. Das sind jene rund 60.000 ehrenamtliche Helfer, die Situationen wie die aus der Werbung wohl aus ihrer Arbeit kennen. Darüber hinaus spiegelt der Spot laut Winter „die Basis der Grundsätze des Roten Kreuzes wieder“: dass jedem unterschiedslos geholfen werde.

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Servitenkloster: vier Flüchtlinge aus Pakistan als Spielball der Politik

Aus dem FALTER 33/2013

Reportage: Joseph Gepp
Foto: Christian Wind

Da sitzen sie am Parkplatz des Servitenklosters: vier Pakistani aus jener Gruppe, um die es seit Monaten so viel Wirbel gibt. Die zuerst die Votivkirche besetzte und dann hier unterkam. Aus der einige überraschend abgeschoben wurden. Unter die sich laut Innenministerium auch eine brutale Schlepperbande gemischt haben soll.

Waryakhel S., Ali A., Khan W. und Mir J. heißen die vier Männer. Der älteste kam 1978 zur Welt, der jüngste 1994. Bei Zweien ist das Asylverfahren noch offen; über die beiden anderen wurde das „gelindere Mittel“ verhängt. Das heißt, dass sie, obwohl auf freiem Fuß, abgeschoben werden können.

Ein unappetitlicher Streit ist um die Pakistani im Servitenkloster entbrannt. Dass ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner mit dem Schleppereivorwurf auf Wählerfang gehe, sei ein „Armutszeugnis“, kritisierte etwa vergangene Woche Michael Landau, Chef der Caritas Wien. Das Ministerium pariert den Vorwurf: Die Caritas betreibe „Dramatisierung“.

Foto: Christian Wind

Foto: Christian Wind

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Eingeordnet unter Allgemein

Aktion Arktis: wenn Greenpeace-Kletterer das Parlament erklimmen

Aus dem FALTER 32/2013

Joseph Gepp

Foto: Christian Wind

Vergangenen Montagmorgen wandten sich ein paar vermeintliche Touristen an die Polizeiwache vor dem Parlament. Sie wedelten mit Stadtplänen und fragten nach dem Weg zum Naschmarkt.

Währenddessen bahnte sich im Hintergrund eine halsbrecherische Aktion an. Kletterer von Greenpeace erklommen die Masten beiderseits der Pallas-Athene-Statue. Rasch waren sie oben, dann konnte die Polizei nur noch zusehen. Eine Stunde lang spannten sie Seile. Schließlich wehte ein Transparent im Wind: „Wäre hier Öl, Shell und Gasprom würden bohren.“

Greenpeace Österreich – das heuer auch sein 30-jähriges Bestehen feiert – will mit der Aktion auf ökologische Verwüstungen in der Arktis aufmerksam machen. Rein rechtlich gesehen werde diese Sache hoffentlich lediglich eine Verwaltungsstrafe zur Folge haben, sagt Lukas Meus von Greenpeace. Aufmerksamkeitsökonomisch hingegen erhofft man sich davon weit größere Effekte.

Umweltengagement, schwindelfrei: Eine Stunde werkeln Kletterer von Greenpeace illegalerweise an den Fahnenmasten vor dem Parlament. Sie wollen ein Transparent zur Rettung der Arktis vor Ölkonzernen hissen (Foto: Christian Wind)

Umweltengagement, schwindelfrei: Eine Stunde werkeln Kletterer von Greenpeace illegalerweise an den Fahnenmasten vor dem Parlament. Sie wollen ein Transparent zur Rettung der Arktis
vor Ölkonzernen hissen (Foto: Christian Wind)

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Eingeordnet unter Wien

„Die Grünen sind eine lustvolle Partei“

Aus dem FALTER 32/2013

Sommerinterviews, Teil 3 Grünen-Chefin Eva Glawischnig über die ÖVP, Stronach und die Todsünde der Wollust


Interview: Ingrid Brodnig, Joseph Gepp

Foto: Hans Hochstöger

Zigaretten, Fleisch, Autos meiden! Auch die Grünen-Chefin Eva Glawischnig schafft es nicht immer ganz, alle grünen Gebote einzuhalten. Beim Bioheurigen erklärt sie, wann sie selbst ein schlechtes Gewissen hat und was sie sich von möglichen Koalitionspartnern erwartet. Ein Gespräch über Luxus, Bequemlichkeit und die Todsünde der Wollust.

Falter: Frau Glawischnig, sind die Grünen lustfeindlich?

Eva Glawischnig: Überhaupt nicht! Wobei ich mit Wollust ja eher etwas Sexuelles verbunden hätte. Im Mittelalter gab es diesen Vorwurf an Frauen, sie hätten wollüstig mit dem Teufel verkehrt. Aber lustfeindlich? Die Grünen sind eine durchaus lustvolle Partei.

Nichtsdestotrotz haben die Grünen den Ruf als zugeknöpfte Verbotspartei. Sie selbst forderten zum Beispiel ein Verbot von Zigarettenautomaten.

Glawischnig: Was den Kern der Liberalität betrifft, sind die Grünen eine zutiefst liberale Partei. Die Grundrechte, der Umgang mit Asylwerbern, das Recht auf Privatsphäre, das sind grüne Hauptthemen.

Nur machen Sie damit oft weniger Schlagzeilen als mit Details wie Zigarettenautomaten. Warum?

Glawischnig: Zuletzt machten wir vor allem mit unseren Wahlerfolgen Schlagzeilen, etwa in Salzburg. Ich kann Ihre These nicht nachvollziehen. In den letzten zwei, drei Jahren fielen wir vor allem durch Korruptionsbekämpfung, durch Sauberkeit auf.

Apropos Sauberkeit: Derzeit fällt die ÖVP mit Härte in Justiz- und Asylfragen auf. Gleichzeitig koalieren Sie mit dieser Partei in mehreren Bundesländern. Wie passt das zusammen?

Glawischnig: Genau das haben wir immer scharf an der ÖVP kritisiert. Seit über einem Jahrzehnt missbraucht die ÖVP das Asylrecht für politische Zwecke, eine moralische Verwahrlosung. Nur ich glaube: Wenn wir mit der ÖVP regieren, wird sie sich auch verändern.

Ist das eine Bedingung für etwaige Koalitionsverhandlungen?

Glawischnig: Ein Kurswechsel in der Asylpolitik, wo man zumindest einen Funken von Empathie spürt, ist sicher eine Grundvoraussetzung.

Als grüne Partei fordern Sie massive gesellschaftliche Veränderungen, die auch einen Verzicht auf Luxus bedeuten. Weniger Energie, weniger Fleisch, weniger Mobilität. Auf Ihren Wahlplakaten schaut es allerdings so aus, als sei diese massive Umstellung ein leichter Spaziergang.

Glawischnig: Auf welchem Plakat bitte?

„100 Prozent Bio, 0 Prozent korrupt“, zum Beispiel.

Glawischnig: Natürlich sind unsere Programme sehr ambitioniert. Die Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energie ist ein Riesenprojekt, die Umstellung auf biologische Landwirtschaft für Österreich hingegen weniger problematisch. Und sagen Sie mir, was ist lustvoller – auf der Südosttangente im Stau zu stehen oder ein gut zubereitetes Bioschnitzel zu essen?

Eva Glawischnig, fotografiert von Hans Hochstöger

Eva Glawischnig, fotografiert von Hans Hochstöger

Das Schnitzel gibt es dann aber nur noch jede zweite Woche, wenn alle Europäer nur noch nachhaltig produzierte Bioschnitzerl essen.

Glawischnig: Stimmt. Nur dieser Gerechtigkeitsfrage können wir uns nicht entziehen. Es ist ein Faktum, dass wir in Europa zu viel Fleisch essen. Natürlich kann man das alles ausblenden, aber ich glaube, immer weniger Menschen tun das. Es gibt einen enormen Trend, etwas beizutragen, von Urban Gardening bis hin zur Kräuterwanderung, wo jetzt sogar junge Bloggerinnen mitmachen.

Ist das nicht ein Elitenprogramm für Menschen, die ohnehin gut gebildet sind und viel Geld haben, um sich eine Gartenparzelle leisten können?

Glawischnig: Da braucht man gar keinen Garten. Du kannst auch einen Blumenstock auf das Fensterbrett stellen oder ein Bienenhotel ans Fenster hängen. Es geht um ein bisschen Awareness, dass man Teil eines Ökosystems ist. Ich bin trotzdem der Meinung, Lebensmittel sind der falsche Ort, um Sozialpolitik zu betreiben. Die Lösung kann nicht sein, dass Lebensmittel immer billiger werden. Vielmehr geht es um finanzielle Unterstützung, um Arbeitsmarktmaßnahmen, um Bildung.

Wo verzichten Sie denn selbst auf Luxus?

Glawischnig: Ich war fast zwei Jahrzehnte Vegetarierin, das habe ich nie als Verzicht empfunden.

Gibt es einen Luxus, den Sie sich trotz schlechten Gewissens gönnen?

Glawischnig: Beim Autofahren habe ich schon manchmal ein schlechtes Gewissen. Ich hatte lange kein Auto, aber mit zwei Kindern war das organisatorisch nicht mehr möglich. Natürlich könnte ich mir einen Fahrradanhänger kaufen, nur das ist mir körperlich zu anstrengend. Mir hat einmal jemand geschrieben: Er hat sich den Weg von mir zu Hause zum Kindergarten angeschaut, das wäre doch kein Problem. Allerdings geht’s da sehr steil bergauf. Das schaff ich wirklich nicht.

Anscheinend fordern Leute von Ihnen ein überkorrektes Leben. Fühlen Sie sich manchmal in Ihrer Freiheit bedrängt?

Glawischnig: Schon. Ich überlege mir, was ich ins Einkaufswagerl lege. Ich trinke zum Beispiel gern einmal ein Cola light. Darf man das als Grünen-Chefin? Ich weiß es nicht. Ich tu es trotzdem.

Bei den Grünen gibt’s neben den Öko-Lifestylern auch immer noch eine radikale Birkenstockclique. Salzburgs Grünen-Chefin Astrid Rössler hat zum Beispiel ein Hornissenhaus und ein Bambusfahrrad. Jetzt lässt sie den Müll durchsuchen, um zu schauen, ob zu viel weggeschmissen wird.

Glawischnig: Diese Müllfrage ist extrem wichtig. Es ist ein Wahnsinn, wie viel weggeschmissen wird. Da muss man Lösungen finden. Abgesehen davon, ist Astrid Rössler gar keine Asketin, wie Sie es beschreiben. Sie kocht gern, isst gern, bewegt sich gern. Natürlich bin ich anders als Astrid Rössler, ziehe mich etwa anders an und trete anders auf. Aber ist das relevant?

Es ist relevant im Zusammenhang damit, wie die Grünen mit dem Thema des Verzichts umgehen.

Glawischnig: Unabhängig vom Lebensstil geht es uns um die große Frage, wie man – ohne soziale Verwerfungen – zu einem Wirtschaftssystem jenseits der Wachstumsideologie kommt. Europa löst sich gerade von der alten Ideologie, dass es Wachstum um jeden Preis geben müsse, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren.

Was würden Sie anders machen?

Glawischnig: Reden wir über Wachstum in den richtigen Märkten. Wenn man Europa flächendeckend auf erneuerbare Energien umstellen würde, ergäbe das Investitionen von 500 Milliarden Euro. Dieses Kapital bleibt in Europa, es bringt Klimaschutz, Arbeitsplätze und finanzielle Unabhängigkeit.

Damit gehen Sie aber nicht vom Wachstum weg, sondern ersetzen nur eines durch ein anderes.

Glawischnig: Natürlich darf der Energieverbrauch nicht ewig weiterwachsen, wir müssen ihn reduzieren. Andererseits könnte man einiges tun: zum Beispiel Atomkraftwerke nicht weiter subventionieren.

Die Grünen wecken derzeit bei vielen große Hoffnungen, doch erfahrungsgemäß folgt auf Hoffnung oft Ernüchterung. In Salzburg enttäuschten die Grünen viele Anhänger durch die Koalition mit ÖVP und Stronach.

Glawischnig: Haben Sie sich das Salzburger Regierungsübereinkommen angeschaut? Es gibt dort keinen einzigen Punkt aus dem Stronach-Programm. Nur auf eine Seite über Tierschutz hat das Team Stronach bestanden, das haben wir mit Freude aufgenommen.

Stronach hat sich wichtige Bereiche geholt, etwa den sozialen Wohnbau. Wäre das nicht eine Kernagenda für die Grünen?

Glawischnig: Wir haben andere Riesenressorts, etwa Kultur, Raum-und Energieplanung. Sicher gibt es in den Bundesländern, wo Grüne mitregieren, kein 100-prozentig grünes Programm. Aber wir können trotzdem Dinge durchsetzen, zum Beispiel das Öffi-Jahresticket um 365 Euro.

Haben die Grünen in Salzburg das Optimum rausgeholt?

Glawischnig: Darauf muss ich mich verlassen, bei den lokalen Regierungsverhandlungen mische ich mich nicht ein. Ich finde das Ergebnis herzeigbar. Mit der Koalition mit Stronach habe ich zwar keine Freude. Aber es ist schwierig, die Zusammenarbeit mit jemandem zu verweigern, der inhaltlich gar nichts will.

Nichts zu wollen, ist auch nicht gerade ein Argument für eine Zusammenarbeit. Schließen Sie im Bund eine Koalition mit Stronach aus?

Glawischnig: Seine Positionen im Bund sind für mich ein No-Go. Gewerkschaften abschaffen, die kruden Euro-Austrittspläne – das ist absolut unvereinbar mit grüner, mit vernünftiger Politik.

Schließen Sie eine Koalition also komplett aus?

Glawischnig: Das hängt von den Positionen ab.

Gerade die Positionen sind beim Team Stronach eine diffuse Angelegenheit. Vielmehr geht es um das Personal und die Weise, wie es zusammengefangen wurde. Reichen diese Faktoren nicht, um Stronach auszuschließen?

Glawischnig: Die jetzt agierenden Personen sind alle aus dem BZÖ, das passt nicht zu den Grünen. Hinzu kommt die patriarchale Organisationsweise, die zusammengekauften Abgeordneten. Das Team Stronach ist politisch nicht satisfaktionsfähig und mir zutiefst unsympathisch.

Also schließen Sie es aus?

Glawischnig: De facto ja.

Was ist denn Ihre liebste Todessünde?

Glawischnig: Im Film „Im Auftrag des Teufels“ mit Al Pacino gibt es eine gute Szene. Da kommt die Frage nach der Lieblingssünde des Teufels. Es ist die Eitelkeit. Das finde ich genial. An das denke ich oft in der Politik.

Und was ist Ihre Lieblingssünde?

Glawischnig: Eigentlich gefällt mir die Wollust eh ganz gut. Da solidarisiere ich mich wenigstens mit den Hexen des Mittelalters, die wegen dieser Sünde von der Kirche verbrannt wurden.

Wollust aus emanzipatorischer Sicht also.

Glawischnig: Genau.

Ein paar Fragen
1. Ihre schlechteste Eigenschaft?
Pedantische Ordnungsliebe

2. Ihre beste Eigenschaft?
Lustig im Arbeitsalltag

3. Wo ist Wien am schönsten?
In meiner Wohnung in der Wattgasse

4. Am hässlichsten?
Südosttangente

Glawischnigs Buchtipps:

Christoph Ransmayr, „Morbus Kitahara“
Sheryl Sandberg, „Lean In“
Hermann Scheer, „Energieautonomie“


Grüne: Die Ankunft in der politischen Mitte ließ lange auf sich warten

:: Es war der Kampf gegen zwei Kraftwerke, der vor drei Jahrzehnten dazu führte, dass sich aus einer zerspragelten heimischen Umweltbewegung eine grüne Partei formierte: das Atomkraftwerk Zwentendorf und das Wasserkraftwerk Hainburg. Letzterer Einsatz in Hainburg zeigte allerdings schon – wenn man so will -, dass der Weg steinig und die Ziele widersprüchlich werden sollten: Die erneuerbare Wasserkraft gilt sonst als grünes Kernanliegen. Doch dafür die Au abzuholzen, das ging dann doch nicht.

1986 vereinte Parteigründerin Freda Meissner-Blau zwei konkurrierende grüne Listen und brachte die Ökos knapp in den Nationalrat. Seitdem sind die Grünen die einzige langfristig erfolgreiche Partei in Österreich, deren Wurzeln nicht – im Gegensatz zu SPÖ, ÖVP und FPÖ – bis in die Monarchie zurückreichen.

Trotzdem traten sie nach 1986, von außen betrachtet, zwei Jahrzehnte lang eher auf der Stelle. Mit wenigen Ausnahmen legten die Grünen bei Wahlen stetig zu, allerdings immer nur minimal. Die Resultate lagen stets deutlich unter zehn Prozent, das Potenzial schien damit ausgeschöpft. Innerlich überwand man zugleich in einem schmerzhaften Prozess allzu basisdemokratische und sektiererische Ansätze, die viele Anhänger in die Partei mitgebracht hatten.

Erst die jüngste Zeit zeigt, dass für die Grünen eventuell mehr drin wäre als der ewige Status einer größeren Kleinpartei: In spektakulären Wahlerfolgen profitieren sie von der Korruption und Erstarrung in anderen Parteien. Dazu erfasst der Umwelt- und Nachhaltigkeitsgedanke immer breitere Bevölkerungsschichten. Seit 2010 zogen die Grünen in gleich vier Landesregierungen ein, in Wien, Kärnten, Tirol und Salzburg. Zuvor regierten sie einzig in Oberösterreich schon seit 2003 mit.

Die Bewahrung ihres sauberen und widerständigen Images angesichts neugewonnener Verantwortung wird für die Grünen wohl die größte Herausforderung der kommenden Jahre werden. In Salzburg jedenfalls hagelte es im Juni schon einmal heftige Kritik – Landeschefin Astrid Rössler hatte sich auf eine Koalition mit dem Team Stronach eingelassen.

Unübersehbar kommen die Grünen in der politischen Mitte an. Ängste politischer Mitbewerber vor einer zerstrittenen Chaostruppe haben sich, beispielsweise in Wien, als unberechtigt erwiesen. Und auch personell zeigen sich jene, die einst als Basiswappler verschrien waren, als ziemlich konstant: Ex-Parteichef Alexander van der Bellen führte die Partei immerhin von 1997 bis 2009.

Für die kommende Wahl werden den Grünen 15 Prozent prognostiziert, ein Zugewinn von einem Drittel.

Ein Kommentar

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Wer Wien schafft, schafft alles

Aus dem FALTER 32/2013

Wie Marcus Praschinger trotz aller Widrigkeiten eine erfolgreiche Hostel-Kette aufbaute

Porträt: Joseph Gepp
Foto: Hans Hochstöger

Es wuselt im Foyer des Wombat’s am Naschmarkt. Eine junge Touristin trägt gerade ihre schmutzige Bettwäsche die Stufen hinunter, ein Gast daneben reißt einen Joghurtbecher vom nahen Billa auf. Eine Reisegruppe an der Rezeption erkundigt sich, wie das hiesige City-Bike-System funktioniert. Mittendrin steht Marcus Praschinger. „Es ist gut, wenn was los ist“, sagt der Chef und blickt zufrieden in die Menge. „Mit einem leeren Hostel ist es wie mit einem leeren Restaurant. Es kann noch so schön sein, keiner will rein.“

Praschinger, 45, Wiener, Flip-Flops und leicht zerzaustes Haar, hat gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Sascha Dimitriewicz in den vergangenen 15 Jahren ein kleines Imperium aufgebaut. Es findet sich in einer Branche, die die Wiener gern übersehen – zumindest solange sie sich in ihrer eigenen Stadt aufhalten: in jener der Hostels.

Stylish und durchkonzipiert sollten Praschingers und Dimitriewicz’ Unterkünfte sein, nicht versifft oder altbacken, wie Hostels einst waren, als sie noch Jugendherbergen hießen. Benannt nach dem australischen Beuteltier heißt das Unternehmen „Wombat’s“. Es zählt über 2000 Betten in vier europäischen Großstädten. Bald sollen es noch mehr werden. Wie erreicht man so etwas? Und was lernt man dabei?

„Man lernt dabei“, antwortet Praschinger lachend, „dass man es überall schafft, wenn man es in Wien schafft.“ Denn nirgendwo, sagt er, habe er solche Restriktionen erlebt wie hier.

Aber der Reihe nach. Praschingers Geschichte beginnt im Jahr 1998. Mit Anfang 20 kehrte der Abgänger der Wiener Tourismusschule Modul von einer Weltreise zurück. Zuvor hatte er als Barkeeper und Rezeptionist in mehreren Hotels gearbeitet. Nun wollte er mit seinem Schulfreund Dimitriewicz etwas Eigenes hochziehen.

Marcus Praschinger, 45, einer der beiden Gründer des Wombat’s, in seinem Hostel am Naschmarkt (Foto: Hans Hochstöger)

Marcus Praschinger, 45, einer der beiden Gründer des Wombat’s, in seinem Hostel am Naschmarkt (Foto: Hans Hochstöger)

Billiges Übernachten gab es auch damals schon, aber die Szene war anders als heute. In Österreich beispielsweise wurde sie von politiknahen Jugendherbergsvereinen dominiert. Bei ihnen musste der Gast Mitglied sein – und schon mal abends um zehn Uhr zurückkommen, wollte er sich nicht ausgesperrt wiederfinden. Hier frischen Wind reinzubringen, dachten Praschinger und Dimitriewicz, das wäre doch eine Marktlücke.

Sie kauften ein Haus in Rudolfsheim-Fünfhaus,
das erste Wombat’s. Das Geld dafür kam nicht von Banken, da denen das Projekt zu waghalsig erschien. Stattdessen brachten es teilweise die Eltern der Jungunternehmer auf. Weiters half die Kabag – eine Agentur aus Wirtschaftskammer, Stadt Wien und Banken, die sich eigens auf Risikofinanzierungen spezialisiert hatte.

„Am Anfang fingen wir Rucksackreisende noch am Westbahnhof ab und zeigten ihnen den Weg“, erzählt Praschinger. Doch ehe es soweit kommen konnte, lernte der junge Hostel-Betreiber noch den Wiener Amtsschimmel kennen.

„Du brauchst nur eine Rigips-Wand aufstellen oder eine Tür versetzen wollen“, sagt er, „und schon sind sechs bis acht verschiedene Behörden involviert.“ Untereinander kommunizieren würden die Beamten – „außer vor Ort“ – nicht. Immerhin, sagt Praschinger, habe sein Partner Dimitriewicz einige Kenntnis im Umgang mit Behörden, weil er aus einer Hoteliersfamilie stammt. „Alleine herauszufinden, welche Behörde für mein Anliegen zuständig ist, ist ja schon eine Wissenschaft.“ Ein Wirrwarr wie in Wien habe er später in keiner anderen Stadt mehr erlebt, sagt Praschinger, „überall sonst war es vergleichsweise easy.“ In Wien hingegen tauchte einmal sogar ein Arzt in der Herberge auf. Er testete die Veränderung der Raumluft in Mehrbettzimmern bei zunehmender Belegung.

Das Wombat’s wurde trotzdem zum Erfolg. „Wir waren vom ersten Tag an voll“, erzählt Praschinger. Nach nur eineinhalb Jahren ließen die Unternehmer das Stammhaus im Fünfzehnten erweitern und aufstocken. Im Jahr 2004 gesellte sich eine Filiale in München dazu; per Inserat in der Süddeutschen Zeitung hatte man nach einer passenden Mietimmobilie gesucht. Seitdem ist die Firma um vier weitere Hostels gewachsen. Sie liegen in der Budapester Altstadt, am Berliner Alexanderplatz sowie in Wien am Naschmarkt und in der Mariahilfer Straße.

Die Gäste hätten sich in all den Jahren gewaltig verändert, erzählt Praschinger. „Das spontane Gefühl des Ich-komme-wo-an-und-schau-mich-mal-um ist verlorengegangen.“ Das liege auch am Internet – heute würden die meisten Gäste vorab buchen und dann auch erwarten, was ihnen die Onlinebeschreibung verspricht. „Früher galt ein wenig: je mühsamer, desto cooler. Heute kommen die Leute oft mit dem Trolley an statt mit dem klassischen Rucksack.“

Wombats sind Beutelsäuger aus Süd- und Ostaustralien. Sie werden bis zu 120 Zentimeter lang und 40 Kilo schwer Die Wiener  Wombat’s liegen in der Grangasse 6 (15.), Mariahilfer Straße  137 (15.) und Rechte Wienzeile 35 (4.). Eine Übernachtung       kostet rund 25 Euro

Wombats sind Beutelsäuger aus Süd- und Ostaustralien. Sie werden bis zu 120 Zentimeter lang und 40 Kilo schwer Die Wiener Wombat’s liegen in der Grangasse 6 (15.), Mariahilfer Straße
137 (15.) und Rechte Wienzeile 35 (4.). Eine Übernachtung
kostet rund 25 Euro

Praschinger glaubt, von solchen Tendenzen zu profitieren. „Der Trend geht immer mehr zu schicken, gebrandeten Hostels.“ Dies würde sich im Wombat’s widerspiegeln, meint Praschinger, im Komfort und im Markenbewusstsein der Kette.

Wie in vielen Bereichen der Wirtschaft bricht auch im Übernachtungssektor allmählich der Mittelbau weg. Umso bessere Karten bleiben einerseits für 5-Sterne-Paläste, in denen Geld keine Rolle spielt – und andererseits für die Budget-Schiene, wie sie etwa Praschinger und Dimitriewicz betreiben. Deshalb „wollen wir unsere Marke in Westeuropa weiter stärken“, kündigt Praschinger an.

Ein britischer Trust der Familie Thynn ist im Jahr 2011 bei Wombat’s eingestiegen; über Bekannte kam der Kontakt zu den Investoren zustande. Das Arrangement soll Praschinger und Dimitriewicz das nötige Know-how und die finanzielle Ausstattung für eine weitere Expansion liefern. In den kommenden Jahren sollen noch mehr Wombat’s eröffnen. In Paris, Madrid, Barcelona, Prag und London.

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Eingeordnet unter Wien, Wirtschaft

Was ist in Güssing schiefgelaufen, Herr Groll?

Aus dem FALTER 32/2013

Interview: Joseph Gepp

Schon im Jahr 2011 kritisierte der Journalist und Sachbuchautor Markus Groll („Die 50 größten Energiespar-Lügen“) die burgenländische Stadt Güssing als „Potemkin’sches Dorf der Energieautonomie“. Jetzt wäre das dortige Biomassekraftwerk fast in Konkurs gegangen. Was hat Güssing falsch gemacht, Herr Groll?

Herr Groll, Sie haben bereits 2011 das damals noch hochgelobte Güssing scharf kritisiert. Warum?

Güssing hat mit einer guten Idee angefangen, aber irgendwann ist das vermittelte Bild immer mehr von der Wirklichkeit abgedriftet. Das Modell basierte nur noch auf massiven Förderungen, großspurigen Versprechungen und geschicktem Marketing.

Was hat man versprochen?

Man präsentierte Güssing als Vorbild für ganz Österreich. Dabei hat das Konstrukt wirtschaftlich nicht funktioniert, und selbst über die ökologische Rechnung könnte man streiten. Mit der gleichen Berechtigung hätten sich Dutzende andere Gemeinden genauso vermarkten können. Das war ein Schmäh. Er könnte dem Thema Energiewende aber am Ende mehr geschadet als gebracht haben.

Wenn eine Gemeinde ihr Energiesystem nachhaltig gestalten will, was kann sie richtiger machen als Güssing?

Zunächst soll sie nicht mehr versprechen als sie halten kann. Zweitens würde ich mich vom Konzept der „Energieautarkie“ verabschieden, zumindest auf Gemeindeebene. Das ist ein hochgradig falscher Zugang – was ist schlecht daran, überregionale Vernetzung zu nutzen? Drittens würde ich stärker auf ausgereiftere und wirtschaftlich tragfähigere Technologien setzen. Güssing war ein First Mover im Energiebereich und ist dementsprechend in viele Fallen gerannt. Die Infrastruktur für Fernwärme zum Beispiel ist furchtbar teuer und von Abnehmern abhängig.

Gibt es andere Gemeinden, die es besser machen?

Ja, zum Beispiel Mureck oder die Öko-Region Kaindorf in der Steiermark.

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Eingeordnet unter Wirtschaft

Hardekkgasse: von U-Bahn-Durchsagen und vom Wesen der Wiener

Aus dem FALTER 32/2013

Glosse: Joseph Gepp

Intensive Beobachtungen des Verhaltens der Wiener haben uns zu der Erkenntnis verholfen, dass sie 1) alles Neue meist prinzipiell und inbrünstig ablehnen und 2) gern mit Vorwänden arbeiten, damit es nicht so wirkt, als wären sie immer gegen alles Neue.

Zum Beispiel in der U-Bahn. Dort war das Gejammer groß, als im Jahr 2012 die alte männliche U-Bahn-Stimme durch eine weibliche ersetzt wurde. Natürlich fand sich auch sogleich ein Grund für den Protest: Die U2-Station Hardeggasse klinge wie „Hardeegasse“, raunzten die Öffifahrer.

Nun stellen wir in der U-Bahn fest: Der Fehler wurde korrigiert. Man fährt jetzt in die „Hardekkgasse“ ein. Etwas viel K vielleicht, sonst aber richtig. Keine Sorge – es gibt 89 weitere Stationen. Dort lassen sich sicher Gründe finden, warum die neue Stimme immer noch fürchterlich ist.

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Eingeordnet unter Verkehr, Wien

Wenn die kleinen Patienten schwitzen: Hitze in Wiens Spitälern

Aus dem FALTER 31/2013

Joseph Gepp

Die Hitzewelle wird zum Problem in Wiens Spitälern – vor allem im Donauspital im 22. Bezirk. Dort leiden immer mehr Babys und Kleinkinder in der Kinderchirurgie unter den Temperaturen. Klimaanlagen waren beim Bau des Großkomplexes vor rund 30 Jahren noch nicht vorgesehen.

In Wiens alten Krankenhäusern aus der Gründerzeit sei die Hitze dank dicker Mauern und lockerer Bauweise kein so großes Problem, erklärt auf Falter-Nachfrage Andrea Danmayr, Sprecherin des Wiener Krankenanstaltenverbunds. Bei den künftigen wird sie auch kein Problem mehr sein – im großen Krankenhaus Nord beispielsweise, das gerade errichtet wird, wird eine umweltschonende Bauteilkühlung für angenehme Temperaturen sorgen. Bleiben die Spitäler aus der Zwischenperiode, vor allem das große Donauspital. „Hier überlegen wir uns Lösungen, wie dem Hitzeproblem beizukommen wäre“, sagt Danmayr.

Es ist eine Gratwanderung, denn die Klimatisierung von Spitälern unterliegt strengen Sicherheitsvorschriften – es gilt, die Ausbreitung von Keimen zu verhindern. Deckenventilatoren seien deshalb laut Danmayr in den Spitälern nicht möglich. „Um Linderung für unsere Patienten zu erreichen, setzen wir vor allem Tischventilatoren oder mobile Klimageräte ein.“

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Eingeordnet unter Stadtplanung, Wien

Erst der Job, dann die Karte: über Arbeitslose und Kreditkarten

Aus dem FALTER 31/2013

Joseph Gepp

Vergangene Woche ging eine Nachricht durch die Zeitungen: Die Bawag-PSK hatte Mitarbeitern des AMS irrtümlich die Überziehung ihrer privaten Konten verweigert. Grund ist eine rigorose Richtlinie der Bank: Arbeitslosen wird grundsätzlich kein Überziehungsrahmen zugestanden. Offenbar war nun ein Computer einfach auf das Wort „AMS“ programmiert worden, ohne zwischen Mitarbeitern und Arbeitslosen zu unterscheiden.

Jetzt wird der Fall um eine Facette reicher: Ebenso wenig wie Überziehungen bekommen Arbeitslose bei der Bawag-PSK offenbar auch keine Kreditkarten. So geschehen bei Robert K., der gerade eine Firma für Internetbuchhandel aufbaut und sein Geld vom AMS bezieht. Vor einiger Zeit wollte K. eine neue Kreditkarte bestellen. Geht nicht, hieß es bei der Bawag-PSK. Denn: „Ein regelmäßiges Einkommen ist Voraussetzung für die Vergabe“ – und AMS-Bezüge würden nicht als solches gelten.

K. wechselte wütend die Bank, inzwischen hat er dort seine Kreditkarte bekommen. „In zwei Jahrzehnten als PSK-Kunde habe ich kaum jemals mein Konto überzogen, und jetzt sperren sie mich einfach“, sagt er. Wie viele andere Leute verwendet K. seine Kreditkarte vor allem für Onlinekäufe. „Genau hier liegt das Problem“, meint er. „Arbeitslose sind ohne Kreditkarte von diesem Feld ausgeschlossen.“ Ohne Kreditkarte könne man ja nicht einmal einen Ebay-Account eröffnen.

Bei der Bawag-PSK heißt es auf Falter-Nachfrage, es sei nicht automatisch so, dass ein Arbeitsloser keine Kreditkarte bekomme. „Jeder Fall wird einzeln geprüft“, sagt Sprecherin Georgia Schütz. Allerdings: Wer neben dem Arbeitslosengeld kein – weiteres – regelmäßiges Einkommen bezieht, bekommt auch keine Kreditkarte. Heißt im Klartext: Nur ein Arbeitsloser, der nebenbei zum Beispiel eine Immobilie vermietet, kriegt die Karte.

Es gehe eben darum, „dass der Kunde durch die Benützung einer Kreditkarte nicht in eine Überschuldungssituation gerät“, rechtfertigt Schütz diese Praxis.

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