Sie machen verständlich, was offenkundig wichtig ist und was trotzdem fast niemand begreift. Wer sind Österreichs Wirtschaftsforscher? Und in wessen Interesse handeln sie? Die zehn bekanntesten im Porträt
Überlick: Joseph Gepp, Eduard Müller, Peter Sim
Wenn es um Wirtschaftsdinge geht, dann werden sonst so redefreudige Politiker gern kleinlaut. Zum Beispiel Salzburgs SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Vergangenen Mittwoch sprach sie wieder einmal über die Spekulationsverluste einer Landesbeamtin, die das Bundesland seit Wochen erschüttern. „Es gibt Wertpapiere im Nominale von über 1,2 Milliarden Euro“, erklärte Burgstaller – und fügte hinzu: „Das wurde mir berichtet, ich kann das nicht überprüfen.“
Ob Politiker, Interessenvertreter oder Bürger – in Wirtschaftsangelegenheiten wirken sie oft wie einer Geheimlehre ausgeliefert, deren Gesetze sie nicht verstehen und deren Wahrheitsgehalt sie nicht überprüfen können. Und das ist ihnen nicht einmal peinlich. Denn es kennt sich ja sonst auch keiner aus.
Also müssen die Experten ran. Sie sollen die Zahlen lesen, die Ereignisse deuten, das Komplizierte – und doch augenscheinlich so Bedeutende – erklären. Vom Spekulationsskandal in Salzburg bis zur Krise in Europa, von der österreichischen Pensionsreform zur US-amerikanischen Fiskalklippe: Die Expertise der Fachleute wird immer bedeutender, je dominierender die Wirtschaftsschlagzeile und je größer die allgemeine Verunsicherung ist. Und beides wächst in den Jahren der Krise stetig. Dass der allgemeine Wissensstand in Sachen Ökonomie derart niedrig liegt, verleiht den Experten die Macht, die öffentliche Meinungsbildung massiv zu gestalten.
Doch wer sind die Menschen, die uns Tag für Tag Wirtschaft erklären, im Fernsehen, in den Zeitungen, im Internet? Wer formte ihre Ansichten? Wessen Interesse verfolgen sie?
In Österreich prägen – neben Universitäten, Kammern und staatlichen Stellen wie etwa der Nationalbank – vor allem zwei Institute das Bild von Wirtschaft: das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS). Sie beraten die Regierung, prognostizieren Wirtschaftsentwicklungen und vermitteln Wirtschaftsthemen in der Öffentlichkeit. Die meisten der hier porträtierten Wissenschaftler haben entweder Wifo- oder IHS-Bezug. Die Finanzierung der Einrichtungen erfolgt hauptsächlich durch die Sozialpartner (beim Wifo), die Stadt Wien (beim IHS) sowie Finanzministerium und Nationalbank (bei beiden).
Beide Institute gehen auf große Namen zurück. Das Wifo gründeten im Jahr 1927 Friedrich August von Hayek und Ludwig von Mises, zwei renommierte Vertreter der österreichischen Schule der Nationalökonomie. Das IHS entstand 1963 unter der Leitung von Oskar Morgenstern und Paul Lazarsfeld, Mitautor der berühmten Soziologiestudie „Die Arbeitslosen von Marienthal“.
Weltanschaulich wurden die Institute von SPÖ und ÖVP in den Nachkriegsjahren bewusst breit aufgestellt, um eine ideologische Polarisierung wie in der Ersten Republik zu vermeiden. Nach ihrer Wissenschaftskarriere landeten etliche Wifo- und IHS-Ökonomen in der Politik, bei SPÖ wie ÖVP.
In den 90er-Jahren allerdings setzte sich eine klarere ideologische Positionierung durch. Während sich unter dem Dach des Wifo weiterhin relativ viele Meinungen vereint fanden, entwickelte sich das IHS unter dem langjährigen Chef Bernhard Felderer (siehe Porträt unten) zu einem klaren Befürworter des schlanken Staats und freien Markts. Felderer, der im vergangenen Sommer abtrat, brachte es zum Lieblingsökonomen der schwarzblauen Regierung.
Anfang 2012 schließlich gründete die Industriellenvereinigung ein eigenes Wirtschaftsforschungsinstitut. Eco Austria soll die wirtschaftspolitischen Forderungen der Industriellenvereinigung in Politik und Öffentlichkeit stärker repräsentieren. Chef des Instituts ist der vormalige IHS-Ökonom Ulrich Schuh (siehe Porträt).
Forscherkollegen staunen, wie präsent das neue Institut, das sich die Industriellenvereinigung einige hunderttausend Euro im Jahr kosten lässt, inzwischen in den Medien ist. Trotzdem verfügt Eco Austria gerade erst über eine Handvoll Mitarbeiter. Zum Vergleich: Beim Wifo arbeiten derzeit rund hundert Personen, beim IHS 140.
Bernhard Felderer
Studierte Jus und Volkswirtschaft in Wien, Paris und Princeton.
1991 bis 2012 Chef des IHS, seit 2006 Chef des Staatsschuldenausschusses, 71 Jahre alt
Der Sohn eines Klagenfurter Handwerkers gilt insbesondere im konservativen Lager als Koryphäe schlechthin. Felderers Spartipps an die Regierung sind Legion – und die Pressekonferenzen, auf denen er Prognosen bekannt gibt, haben Tradition.
Zwei Jahrzehnte leitete Felderer das Institut für Höhere Studien, das unter seiner Führung immens an Bedeutung gewann. Sogar in seiner Kärntner Heimat gründete der zweifache Vater und passionierte Motorradfahrer 1999 eine Zweigstelle des IHS – als hätte Felderer geahnt, dass dort schon bald Expertise zum öffentlichen Schuldenabbau gefragt sein würde. Vergangenen Sommer trat der IHS-Chef aus Altersgründen ab und übergab an Christian Keuschnigg (siehe S. 12).
In der schwarz-blauen Ära wurde Felderer zum Wirtschaftserklärer der Nation, der – ganz im Geist der Nullerjahre – immerzu Budgetdisziplin und einen schlanken Staat predigte. Obwohl Felderer die Regierung Schüssel beriet, pochte er stets auf seine Parteiunabhängigkeit. Seit 2006 ist er zudem Vorsitzender des Staatsschuldenausschusses, in dieser Funktion fordert er etwa Schuldenbremsen in der Verfassung.
Felderer sieht sich als Liberaler in der Tradition Friedrich August von Hayeks. So gehört er auch der von Hayek gegründeten Mont Pèlerin Society an, einem durchaus umstrittenen Netzwerk liberaler Ökonomen, das Ronald Reagan und Margaret Thatcher prägte. Folgerichtig meinte ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter einmal über Felderer, ohne ihn wäre das Land „im Keynesianismus versunken“.
Kaum überraschend also, dass viele Kritiker in Felderer einen vehementen Neoliberalen sehen. In die Kritik geriet er etwa vergangenen Sommer, nachdem er angeblich den Aufruf des deutschen Ökonomen Hans-Werner Sinn gegen eine europäische Bankenunion unterschrieben hatte – Felderer dementierte. 2012 sagte er bei einer Diskussion, er hoffe auf eine Herabstufung Österreichs durch die Ratingagenturen. Nur so werde der Leidensdruck groß genug, „um endlich die Strukturen anzugehen“.
Buchtipp: Bernhard Felderer, Stefan Homburg: Makroökonomik und neue Makroökonomik, Springer, 461 S., € 19,95
Christian Keuschnigg
Studierte Betriebs wirtschaft in Innsbruck, seit 2012 IHS-Chef,
forschte in Bonn, Princeton und Oxford, lehrt Nationalökonomiein Sankt-Gallen, 53 Jahre alt
Ganze zwei Jahrzehnte lang hatte das IHS unter der Ägide von Bernhard Felderer gestanden. Im Sommer 2012 trat Christian Keuschnigg als Nachfolger seinen Dienst an.
Keuschnigg, Tiroler und Vater von Zwillingen, lehrt nebenher an der Schweizer Universität Sankt Gallen Nationalökonomie mit Schwerpunkt Öffentliche Finanzen. In der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft ist er bestens vernetzt: Keuschnigg gibt Fachzeitschriften heraus, gehört Forschungskreisen an und arbeitete etwa an den Unis Princeton und Oxford, beispielsweise zum Thema Wohlfahrtssysteme.
Forscherkollegen verorten Keuschnigg gern im liberalen ökonomischen Mainstream. Er selbst bezeichnet sich ganz in der Tradition seines IHS-Vorgängers Felderer als „liberaler Ökonom“. In Sachen Eurokrise etwa fordert Keuschnigg rigorose Budgetdisziplin und Schuldenbremsen.
Buchtipp: C. Keuschnigg: Reform des Wohlfahrtsstaates in Österreich. Manz, 2009, 100 S., € 24,-
Karl Aiginger
Studierte Volkswirtschaft an der Universität Wien und forschte
später in den USA. Arbeitet seit 1970 beim Wifo, dessen Chef er
2005 wurde, 64 Jahre alt
Untrennbar ist Aigingers Name mit dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung verbunden. Schon im Jahr 1970, noch vor dem Abschluss seines Volkswirtschaftsstudiums an der Uni Wien, begann er für das Wifo zu arbeiten. Am Wifo lernte der zweifache Vater später seine Frau Elsa kennen, im Wifo brachte er es 2005 bis zum Leiter. Als einer der bekanntesten Wirtschaftsforscher tritt Aiginger seither regelmäßig im Fernsehen auf, etwa wenn die neuesten Prognosen für die Wirtschaftsentwicklung anstehen.
Ebenso stabil wie die berufliche Laufbahn sind auch Aigingers Forschungsinteressen. Der Industrieökonom behandelte schon in seiner Doktorarbeit Entscheidungen, die Unternehmen in sogenannten „unvollständigen“ Märkten treffen. Bei der Analyse solcher Märkte geht man nicht von gleichberechtigten Teilnehmern aus, sondern von Marktverzerrungen wie Oligopolen, unvollständiger Information, Korruption und Ähnlichem. Dass Ökonomie und Politik in einem solchen Umfeld nicht getrennt voneinander untersucht werden können, darauf weist Aiginger immer wieder hin, etwa wenn er für mehr wirtschaftliche Anreize zu Wachstum, Forschung und Bildung plädiert.
Kollegen beschreiben Aiginger als einen ehrgeizigen Mann, der auf seinen Traumjob als Wifo-Chef jahrelang hinarbeitete. Er selbst engagierte sich in den 80er-Jahren im liberalen Flügel der ÖVP. Im engen Umfeld von Vizekanzler Josef Riegler setzte er sich für Ökosteuern ein. Später legte Aiginger seine ÖVP-Mitgliedschaft zurück, um als Wifo-Chef nicht parteiisch zu wirken.
Zur Analyse der vielfältigen Wechselwirkungen von Politik und Wirtschaft gründete Aiginger unter anderem im Jahr 2001 die Fachzeitschrift Journal of Industry, Competition and Trade. Seit heuer leitet er zudem das Projekt „Welfare, Wealth and Work – ein neuer Wachstumspfad für Europa“. Unter der Leitung des Wifo arbeiten hier 33 Forschungsinstitutionen aus zwölf europäischen Ländern an Zukunftsszenarien für Europa.
Die EU sei ein „Erfolgsmodell in der Midlife-Crisis“ sagte Karl Aiginger bei der Präsentation des Projekts im Dezember. Er fordert einen Kurswechsel von Spar- zu Wachstumspolitik.
Margit Schratzenstaller
Studierte Finanz- und Wirtschaftswissenschaft im deutschen
Gießen, arbeitet seit 2003 am Wifo, seit 2005 im
Staatsschuldenausschuss, 44 Jahre alt
Margit Schratzenstaller verfügt über zwei Eigenschaften, die in Österreich – wie man auf den folgenden Seiten unschwer erkennen kann – scheinbar eher nicht zum bekannten Wirtschaftsforscher prädestinieren: Sie ist weiblich und Migrantin.
Dennoch handelt es sich bei der Deutschen, die in einem 50-Seelen-Dorf in Niederbayern aufwuchs, um „die Steuer- und Budgetexpertin Österreichs“, wie es anlässlich einer Preisverleihung an Schratzenstaller im Jahr 2009 hieß. Im Anschluss an die alljährlichen Budgetreden der Finanzminister im Parlament sind Schratzenstallers Statements ebenso unerlässlich wie in einschlägigen TV-Debatten. In einer Kolumne im Standard befasst sich Schratzenstaller-Altzinger, wie sie mit vollem Namen heißt, mit Themen wie Bankenrettung, Familienpolitik und Umweltsteuern.
Hauptsächlich jedoch forscht die Steuerexpertin, die aus beruflichen Gründen nach Österreich übersiedelte, am Wifo. Seit dem Jahr 2003 entwirrt sie dort als Referentin für öffentliche Finanzen etwa die Zahlungsflüsse des heimischen Bundesbudgets, das für die allermeisten ein Buch mit sieben Siegeln darstellt. Damit verbunden weist Schratzenstaller immer wieder auf (verpasste) Möglichkeiten im Budget hin. In zahl- und zahlenreichen Analysen argumentiert sie gern, dass eine Föderalismusreform, grüne Investitionen oder auch eine Erbschaftssteuer wesentlich nachhaltiger und „wachstumsverträglicher“ wären als beispielsweise Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst – von populistischen Alibiaktionen wie Politikergehaltskürzungen ganz zu schweigen. Seit dem Jahr 2005 berät Schratzenstaller die österreichische Politik auch durch den Staatsschuldenausschuss. Im Jahr darauf stieg sie zur stellvertretenden Wifo-Chefin auf, zudem verfügt Schratzenstaller über Lehraufträge etwa an der Uni und WU Wien. Auch gehört sie dem deutschen Netzwerk Gender Studies an: In Vorträgen und Publikationen befasst Schratzenstaller sich immer wieder mit Themen wie sozialer Infrastruktur oder gendergerechtem Budgetieren.
Buchtipp: M. Schratzenstaller: Gender Budgeting im Steuersystem, 2012. Download unter: http://www.arbeiterkammer.at
Stephan Schulmeister
Studierte Jus und Volkswirtschaft in Wien.
Forschungsaufenthalte in den USA und Italien. Arbeitet seit
1972 am Wifo, 65 Jahre alt
Stephan Schulmeister ist der Rebell unter Österreichs Wirtschaftsforschern. Nicht erst seit dem Kollaps von Lehman Brothers im September 2008 weist er unentwegt darauf hin, was das Wirtschaftssystem seiner Ansicht nach instabil macht: der ungezügelte Finanzkapitalismus. Schulmeister fordert eine strikte Regulierung der „Finanzalchemisten“, wie er das nennt. Er geht darin weiter als die meisten seiner Forscherkollegen, die ihm teils übergroßes Vertrauen ins Funktionieren staatlicher Ordnungspolitik vorwerfen.
Im Rahmen eines groß anlegten „New Deal für Europa“, meint Schulmeister, sollen etwa Zinsen auf Staatsanleihen fixiert werden, um Spekulation zu vermeiden. So sieht er etwa den Grund für den rasanten Aufstieg Chinas auch in der Stabilität, die entsteht, weil Zinsen und Wechselkurse festgelegt sind. Dass Europa spare, statt Reformschritte in eine ähnliche Richtung zu setzen, führt laut Schulmeister zu einer „Strangulierung“ der Wirtschaft, die gerade jetzt Investitionen bitter nötig hätte.
Schulmeister – übrigens der Sohn des langjährigen Presse-Chefredakteurs Otto Schulmeister und Bruder des verstorbenen ORF-Journalisten Paul Schulmeister – hatte Gastprofessuren an mehreren Unis inne, etwa an der Uni Wien, in Berlin, Bologna, New York und New Hampshire. Dazu forscht er seit dem Jahr 1972 am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo). Er äußert sich zudem oft im TV und schreibt Beiträge in Zeitungen, regelmäßig auch im Falter.
Am Wifo betrieb er viele Jahre Feldforschungen in den Handelsräumen von Investoren und Spekulanten, dazu arbeitet er etwa an der Konzeption einer Finanztransaktionssteuer. Weiters befasste sich Schulmeister intensiv mit der Weltwirtschaftskrise 1929 samt deren Eindämmung durch US-Präsident Franklin D. Roosevelt. Dass der damalige Weg der Krisenbewältigung dem heutigen so ganz und gar nicht gleicht, bedauert Stephan Schulmeister zutiefst.
Buchtipp: Stephan Schulmeister: Mitten in der großen Krise. Ein „New Deal“ für Europa. Picus, 160 S., € 9,90–
Markus Marterbauer
Studierte Volkswirtschaft, arbeitet als
Wirtschaftswissenschaftler in der Arbeiter-kammer, Mitglied im
Staatsschuldenausschuss, 47 Jahre alt
Zahlt Europa zu Recht die Strafe, weil es, wie es so oft heißt, „über seine Verhältnisse gelebt“ hat? Markus Marterbauer hat auf diese Frage eine klare Antwort: Nein.
Oft und mit Leidenschaft erklärt der studierte Volkswirt die Krise. Marterbauer, der auch im Falter regelmäßig schreibt, forschte viele Jahre an der WU und am Wifo. Dort beschäftigte er sich mit Konjunkturprognosen und Umverteilungsfragen. 2011 schließlich wechselte er in die wirtschaftswissenschaftliche Abteilung der Arbeiterkammer.
In dieser Funktion tingelt Marterbauer durchs Land und verbreitet auf Vorträgen und in verständlich geschriebenen Büchern seine Botschaft: Nicht Staatsschulden hätten die Finanzkrise ausgelöst, sondern vor allem der Herdentrieb spekulativer Finanzmärkte. Die sollten nun auch die Folgekosten tragen – etwa in Form von strikten Bankenregeln und Vermögenssteuern.
Buchtipp: M. Marterbauer: Zahlen bitte! Die Kosten der Krise tragen wir alle. Deutike, 256 S., € 18,40
Ulrich Schuh
Studierte Volkswirtschaft an der Uni Wien, arbeitet am Institut
Eco Austria der Industriellenvereinigung, war davor am IHS, 43
Jahre alt
Ulrich Schuh gehört zu Österreichs jungen Wirtschaftsforschern – und jung ist auch seine Wirkungsstätte: Er leitet das Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria, das 2011 von der Industriellenvereinigung gegründet wurde. Schuhs Expertise kommt häufig in Zeitungen sowie im ORF-Radio und -Fernsehen vor.
Ganz im Sinn seines Brötchengebers Industriellenvereinigung hält der Experte wenig vom klassisch-sozialpartnerschaftlichen Weg der österreichischen Wirtschaftspolitik: Die berühmte „Benya-Formel“, wonach sich jährliche Lohnerhöhungen an der Inflations- und Produktionserhöhung orientieren sollen, kritisiert er als schlecht für die Wettbewerbsfähigkeit. Dazu fordert Schuh ein höheres Pensionsalter.
Vor seinem Wechsel zu Eco Austria forschte er am IHS über Lohnbildung, Inflation und Konjunkturprognosen.
Werner Doralt
Studierte Jus und habilitierte sich in Finanzrecht, arbeitete
bis 2011 am Institut für Finanzrecht am Juridicum der
Universität Wien, 71 Jahre alt
Wenn er wollte, könnte er für betuchte Kunden ein hochkreativer Steueroptimierer sein – kaum jemand weiß so viel über Steueroasen und Gruppenbesteuerung wie Werner Doralt. Doch er arbeitet lieber im Dienst der Wissenschaft.
Der geprüfte Steuerberater ist der renommierteste Steuerrechtler Österreichs, vor allem in Sachen Unternehmensbesteuerung. Bis zu seiner Emeritierung 2011 leitete Doralt das Institut für Finanzrecht der Uni Wien. Zudem gründete er die juristische Fachbuchreihe „Kodex“ und eine Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht.
Neben Kommentaren in Zeitungen ist Doralt immer wieder im ORF zu sehen, jüngst etwa als Gegner von Österreichs Steuerabkommen mit der Schweiz. Auch kritisiert Doralt vehement milde Strafen für Steuerhinterzieher und das steuerschonende heimische Stiftungsrecht.
Gottfried Haber
Studierte VWL an der WU Wien, arbeitet im Bereich Wirtschafts- und Steuerpolitik der Donauuni Krems, 40 Jahre alt
Haber ist einer der jüngeren unter Österreichs bekannten Wirtschaftsfachleuten: Den Experten, der im ORF gern die Krise erklärt, zog das österreichische Parlament zur Ratifizierung des Europäischen Rettungsschirms ESM und des EU-Fiskalpakts heran. Dazu leitet der Kärntner seit 2009 den Wirtschaftspolitischen Beirat seines Heimatbundeslandes.
Haber sieht in der europäischen Krise keine Euro-, sondern eine Schuldenkrise. Soll heißen: Nicht die Währung ist falsch konstruiert, sondern die Sozialsysteme zu teuer. Die müssen stabilisiert werden – weshalb Europas Sparkurs genau richtig sei.
Vergangenes Jahr wechselte Haber, der gern auch populärwissenschaftliche Bücher schreibt, von der Uni Klagenfurt an die Donauuni Krems. Hier leitet er nun die Bereiche Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie Management im Gesundheitswesen.
Buchtipp: G. Haber: Kärnten – bist du noch zu retten? Verlag Carinthia 2011, 192 S., € 19,95
Christian Felber
Studierte Romanische Philologie und Spanisch in Wien und
Madrid, Sprecher von Attac Österreich und freier Publizist, 40
Jahre alt
Obwohl Felber niemals Ökonomie studiert hat, ist er wohl einer der bekanntesten Wirtschaftserklärer Österreichs: Seit vielen Jahren setzt sich der Mitbegründer der heimischen Sektion des globalisierungskritischen Netzwerks Attac für einen anderen Kapitalismus ein.
Felber hält Vorträge und schreibt in Zeitungen Manifeste für die „Gemeinwohl-Ökonomie“, in der individuelle Gier der Vergangenheit angehören soll. Zudem publiziert der gebürtige Salzburger viel gelesene populärwissenschaftliche Bücher.
Das Spektrum der Tätigkeiten der „sozialverträglichen Ich-AG“, wie ihn der Falter nannte, reicht von Kritik an Großkonzernen und an der EU-Liberalisierungspolitik bis zur Gründung einer „Demokratischen Bank“. Ganz grundsätzlich fordert der nebenberufliche Tänzer, dass Kooperation Konkurrenz ablösen und der Kapitalismus an neuen Werten gesunden soll.
Buchtipp: Christian Felber: Retten wir den Euro! Deutike, 2012, 160 S., € 10,30