Aus dem FALTER 48/2012
Seit Jahren schon überweist Agnes Mayer (Name geändert) aus Wien-Mariahilf regelmäßig kleine Summen an Greenpeace. „Zugeschickt bekommen habe ich aber nie etwas von ihnen“, sagt sie, „kein Info-Material, keine Newsletter, keine Einladungen zu Vorträgen.“
Kürzlich kam doch ein Brief von der Umweltschutzorganisation, und Mayer staunte nicht schlecht. Es handelte sich um eine Einladung zu einem „Fachvortrag zum Thema Nachlass, Testament und Erbschaft“. Ein „Partner und Rechtsanwalt“ von Greenpeace kläre über Dinge wie den gesetzlichen Pflichtteil und die Rechtsgültigkeit von Testamenten auf. Und natürlich darüber, wie man „Greenpeace im letzten Willen bedenken“ kann.
Ist es üblich, an betagtere Unterstützer derartige Schreiben zu schicken? Ist es nicht problematisch, gerade weil viele ältere Menschen – schon leicht verwirrt – Dinge tun, die sie vor einigen Jahren nicht getan hätten? Und warum rückt Greenpeace nicht gleich mit seinem Anliegen heraus, statt die Angelegenheit als „Fachvortrag“ zu titulieren?
Alte Menschen, die verwirrt sind, würden oft „sowieso schon besachwaltet“, meint Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit auf Falter-Nachfrage. Überdies seien Briefe wie dieser „absolut üblich“ in der NGO-Szene. Greenpeace gehe sogar extra korrekt vor: Im Rahmen einer Initiative namens „Vergissmeinnicht“ verpflichte es sich zu strengen Regeln in Sachen Testament und Erbschaft – ebenso wie zahlreiche andere Organisationen von der Albertina bis zum WWF.
„Viele Menschen erkundigen sich bei uns über mögliche Erbschaften“, erklärt Egit. Denen biete man eben einmal jährlich diesen Fachvortrag. „Dabei steht der Informationsgehalt absolut im Vordergrund und nicht das Interesse am Legat.“ Freilich jedoch werden auch Unterstützer eingeladen, die zuvor kein Interesse am Thema Erben bekundet haben.
Agnes Mayer ist dennoch empört. „Ich fühle mich“, sagt sie, „als wolle sich wer mein Erbe erschleichen.“