Wenn die Wut eine Reformkraft trifft

Aus dem FALTER 47/12

Heinrich Staudingers Zorn über die FMA entlädt sich an einer Behörde, die eigentlich Neues voranbringen will

Kommentar: Joseph Gepp

Manche Geschichten klingen fast zu schön, um wahr zu sein. Zum Beispiel jene vom Kampf des kleinen Waldviertler Unternehmers Heinrich Staudinger gegen die mächtige Wiener Finanzmarktaufsicht.

Die Fronten in ihr könnten klarer nicht sein: Da steht auf der einen Seite der „Schuhtandler“ (Format) aus der Provinz. Er wirtschaftet kleinräumig, leistet ehrliche Wertarbeit und schafft in einer strukturschwachen Region Arbeitsplätze mit Zukunft.

Ihm gegenüber steht die Finanzmarktaufsicht (FMA), die Bankenaufsichtsbehörde aus Wien. Ausgerechnet dem Kleinunternehmer Staudinger will sie an den Kragen. Er maße sich an, eine Bank zu sein, meint die FMA. Denn der Unternehmer hat sich von 200 privaten Gläubigern, hauptsächlich Freunden und Bekannten, drei Millionen Euro ausgeborgt, um seinen Betrieb aufzubauen.

Nun muss Staudinger sein Geldbeschaffungssystem mit hohen Kosten der komplizierten Gesetzeslage anpassen. Oder er zahlt die Millionen zurück. Wenn nicht, drohen ihm im Höchstfall 50.000 Euro Strafe.

Die FMA ist jene Behörde, die bei sämtlichen finanzpolitischen Skandalen unserer Zeit niemals Unregelmäßigkeiten feststellen konnte – nicht bei der Hypo, nicht bei der Kommunalkredit, nicht bei der Bawag. Von mitunter betrügerischen Handlungen heimischer Banker will die FMA jahrelang nichts geahnt haben. Dem Treiben der Finanzwirtschaft sah sie untätig zu, bis es vor ein paar Jahren in die Beinahekatastrophe mündete – mit Steuermilliarden an Folgekosten.

Malträtiert die Finanzmarktaufsicht einen „Schuhtandler“ aus dem Waldviertel? (Foto: GEA)

Dass ebendiese Behörde nun einen Waldviertler Schuhfabrikanten traktiert, ist geradezu zum Symbol dafür geworden, dass etwas schiefläuft im System. In der Empörung der Leute darüber manifestieren sich der krisenbedingte Vertrauensverlust und das Unbehagen an den Institutionen. Tausende Unterstützer hat Heinrich Staudinger bereits gewonnen. Rund um ihn formiert sich eine Bewegung aus wütenden Bürgern und Kleinunternehmern.

Für seine Anhänger ist Staudinger einer, der gegen das System aufsteht. Einer, der „Bürgerrechte statt Bankenrechte“ ruft. Und man ist geneigt, dem beizupflichten.

Und doch ist wie alle schönen, klaren Geschichten auch diese nicht so einfach, wie es den Anschein hat.

Tatsächlich war die FMA die längste Zeit ihrer Existenz eine völlig zahnlose Behörde. Bis vor zehn Jahren hafteten ihre Beamten für fachliche Fehleinschätzungen noch persönlich. Dies beförderte nicht gerade Risikofreude und die Entfaltung reger Kontrolltätigkeit. Daran änderte sich auch nichts nach dem Jahr 2002, als die Behörde vom Finanzministerium unabhängig wurde. Nur verhinderte nun nicht mehr die Haftungsfrage effiziente Prüfungstätigkeit, sondern die marktliberale Ideologie der verantwortlichen Politiker. Der freie Markt macht Regulierungen überflüssig, dachten sie, bis es 2008 zur Bankenkrise kam.

Heute steht die FMA unter Zugzwang. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben ihre Macht massiv vergrößert. Die Notwendigkeit von solchen Behörden, die den Finanzsektor überwachen, ist unübersehbar geworden. All dem muss sich die FMA jetzt gewachsen zeigen. Nicht zuletzt, weil auch im gesamteuropäischen Bankenwesen Umwälzungen wie die geplante europaweite Bankenaufsicht anstehen. Welche Rolle die FMA in ihr spielen wird, hängt auch davon ab, ob sie jetzt keine Fehler macht.

Die neue Macht der FMA spüren nicht nur kleine Unternehmer wie Staudinger. Auch von der großen Politik lässt sie sich nicht einschüchtern. So verweist die FMA bei der maroden Kärntner Hypo nachdrücklich auf deren hohen Kapitalbedarf – was die Bundesregierung gar nicht gern hört.

Staudingers Kritik trifft also nicht etwa, wie man glauben mag, eine beharrende Instanz, die ein altes, fehlerhaftes System fortschreibt. Sie trifft im Gegenteil eine Reformkraft, die zum wichtigen Player bei der Neuordnung der Finanzwelt geworden ist.

Bei privatrechtlichen Kreditbeziehungen wird diese Behörde zu Recht misstrauisch. Denn sie unterliegen nicht dem staatlichen Anlegerschutz, Informationspflichten fallen weg. Schließlich lösten dubiose Verträge, in denen die Unwissenheit von Kreditnehmern und Anlegern ausgenutzt wurde, die Wirtschaftskrise mit aus.

Staudinger hingegen fordert Entbürokratisierung. Er argumentiert, dass – gerade in seinem Fall – die Anleger genau wüssten, was mit ihrem Geld geschehe. Es diene einem Kleinbetrieb, stütze die regionale Wirtschaft. Bürgerkredite und das sogenannte Crowd-Funding, also die Schwarmfinanzierung von Kleinunternehmen, sollen deshalb übermäßiger Regulierung entzogen sein, meint Staudinger.

Nun, er selbst wird seine Anleger gewiss nicht betrügen. Doch wer garantiert bei der Umsetzung solcher Ideen, dass nicht der Nächste die lax regulierte Situation ausnützt und Bürger um ihre Kredite bringt?

Aus dem Streit zwischen Staudinger und der FMA kann man mehrere Lehren ziehen: Zunächst illustriert er das immense Misstrauen, das staatlichen Institutionen inzwischen entgegengebracht wird. Weiters zeigt er, dass junge und kleine Unternehmer neue Formen der Finanzierung benötigen. Heinrich Staudinger hat Recht, wenn er sagt, dass Bankkredite diesen Leuten meist verwehrt werden, weil sie kaum über Sicherheiten verfügen.

Keinesfalls jedoch darf das dazu führen, dass der Anlegerschutz aufgeweicht wird. Wie notwendig er ist, haben die vergangenen Jahre mehr als gezeigt.

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2 Antworten zu “Wenn die Wut eine Reformkraft trifft

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