Monatsarchiv: November 2012

Bürger gegen Banken

Aus dem FALTER 48/2012

Ein Schuhfabrikant gegen die Finanzmarktaufsicht. Was der Fall Heinrich Staudinger über ein Wirtschaftssystem in der Krise erzählt

Reportage: Joseph Gepp

Ginge es nach den Wirtschaftsdeutern und Welterklärern unserer Zeit, dann dürfte es gar nicht mehr geben, was hier in dieser Fertigungshalle in Schrems geschieht. Dann müsste diese Tätigkeit in der Kleinstadt im Waldviertel längst nach China oder Indien verschwunden sein. 130 Menschen erzeugen hier Schuhe. Es riecht nach Leder und Klebstoff. Nähnadeln tackern. Schleifmaschinen kreischen. Heißer Leim blubbert in Gefäßen.

„Waldviertler“ heißt das Produkt, das hier entsteht, und für seine Fans ist es mehr als nur ein Schuh: Es ist ein Bekenntnis zu Wertarbeit, zu Regionalismus, gegen den schnelllebigen, verschwenderischen Geist der Zeit. Dafür legt der progressive Wiener schon gern einmal 200 Euro pro Paar hin. „Diese Schuhe sind was Besonderes“, sagt Heinrich Staudinger, 59, Gründer der Firma Gea, die den Waldviertler produziert, „so was hat man nicht nur eine Saison lang.“

Unkonventionelle Finanzierung

Staudinger kommt derzeit in Zeitungsartikeln und Fernsehinterviews vor, aber nicht wegen seiner Schuhe. Sondern wegen seines unkonventionellen Finanzierungsmodells. Der erfolgreiche Unternehmer bedient sich nicht etwa der üblichen Bankkredite, um seinen Betrieb aufzubauen. „Die hab ich nicht bekommen“, sagt er. Stattdessen gründete er vor zehn Jahren den „Gea Sparverein“, wie er ihn nennt. Rund 250 Privatpersonen, hauptsächlich Freunde und Bekannte, borgten Staudinger etwa drei Millionen Euro Investitionskapital. Vier Prozent Zinsen im Jahr bekommen sie dafür.

Schuh aus der Werkstatt Staudingers, Modell Tramper, vegan rot (Foto: Waldviertler)

Die Geldsammlung hat zu einer breiten und emotional geführten Debatte über Banken und Unternehmertum in Österreich geführt. Denn die Finanzmarktaufsicht (FMA), die staatliche Bankenregulierungsbehörde, will die Aktion nicht dulden. Es handle sich um ein illegales Bankgeschäft, sagen die Aufseher. Dafür brauche man eine Konzession, die hohen rechtlichen und organisatorischen Standards genügen muss. Staudinger solle nun sein Finanzierungsmodell um teures Geld der komplizierten Rechtslage anpassen. Falls nicht, drohen bis zu 50.000 Euro Strafe.

Bürokratisch und borniert sei die FMA, tönt es nun überall. Im fünften Jahr nach Lehman, nach der Bankenkrise, die dem Steuerzahler auch hierzulande Milliarden an Rettungskosten aufbürdete, findet die Behörde nichts Besseres zu tun, als einen Waldviertler Unternehmer zu malträtieren. Noch dazu einen, der in einem schwierigen Umfeld Arbeitsplätze schafft. Doch im Streit zwischen Staudinger und dem Staat schwingen grundsätzlichere Fragen mit.

Heinrich Staudinger (Foto: Waldviertler)

Muss der Staat wirklich jedes kleine Kreditgeschäft regulieren? Werden hier Anleger geschützt oder Unternehmer gegängelt? Und: Was bringt Leute wie Staudinger überhaupt dazu, sich auf derart ungewöhnliche, ja illegale Art Geld zu beschaffen?

Wer nach Schrems fährt, hört nur Gutes über Staudinger. Fein, dass es ihn gibt, sagen Gäste der Konditorei am Hauptplatz der schlichten 5000-Einwohner-Stadt. Schrems, nahe der tschechischen Grenze gelegen, kämpft mit Überalterung und Abwanderung. Die alten Wirtschaftszweige, Textilindustrie und Granitabbau, sind längst verschwunden, erzählt SPÖ-Bürgermeister Reinhard Österreicher. Die Firma Gea sei eine der wichtigsten hier, „ohne sie hätten wir 130 Arbeitsplätze weniger und zwei Industrieruinen mehr“. Staudingers Geschäft mit den Öko-Schuhen läuft gut: Umsatz und Arbeitsplätze haben sich in wenigen Jahren mehr als verdoppelt. Sechs von nur noch 22 Schuhmacher-Lehrlingen in Österreich arbeiten heute bei Staudinger.

Die Anfänge gestalteten sich trotzdem schwierig. Im Jahr 1999 habe ihm die Bank den Kreditrahmen gekürzt, erzählt Staudinger. „Einfach so, ohne Angabe von Gründen. Dabei liefen unsere Geschäfte damals super.“ In Staudinger, einem Mann mit grauen Locken und lautem Lachen, scheint sich viel Zorn über Banken und Kredite aufgestaut zu haben. „Ich habe immer wieder gesehen“, sagt er, „wie riskant es für meine Firma sein kann, einer Bank zu vertrauen.“

Auch Fred Ebner kennt das. „Es ist absolut üblich, dass man bei Kreditverhandlungen ein Formular zur Blanko-Unterschrift zugeschoben bekommt. So kann die Bank den Kredit jederzeit fällig stellen“, erzählt der Seniorchef des oberösterreichischen Solaranlagen-Unternehmens SOLARier mit 70 Mitarbeitern. Als Ebners Firma 2009 einen zweiten Standort in Kärnten eröffnen wollte, lieh sie sich von den eigenen Mitarbeitern statt von der Bank eine halbe Million Euro. „Andernfalls wär es nicht gegangen“, sagt Ebner, „wir hätten uns die Erweiterung nicht getraut.“

„Paradoxie der Marktwirtschaft“

Eine „Paradoxie der Marktwirtschaft“ nennt es der Ökonom Stephan Schulmeister: Obwohl riesige Geldmengen nach Anlagemöglichkeiten suchen, obwohl kaum etwas so gefürchtet ist wie Wirtschaftskrisen und Wachstumseinbrüche, fehlt das Geld genau dort, wo es Arbeit und Wohlstand hervorbringen könnte. Und das liegt gar nicht an der Bosheit oder Irrationalität der Banken. Für sie ist es im Gegenteil grundvernünftig, bei Unternehmenskrediten rigide zu sein: Denn fast 40 Prozent der neuen Betriebe in Österreich gehen innerhalb von sieben Jahren wieder pleite. Wenn also Banken Firmengründern leichtfertig Geld leihen, tätigen sie eben das, wofür sie so gescholten wurden: hochriskante Investments.

Es ist ein Dilemma, das in der Krise immer schlimmer wird. In Europa und weltweit stehen strengere Vorschriften für Kredite an. Schließlich haben faule Kredite die Bankenkrise mit ausgelöst. Vergabekriterien werden strikter und Eigenkapitalgrenzen höher, auf dass sich Bankenrettungsaktionen nie mehr wiederholen. All dies macht es für die Unternehmer noch härter.

Auswege aus der Kreditklemme

Diese suchen sich zunehmend Wege aus der Kreditklemme und stellen abseits von Bankkrediten Geld auf. Vom Biobauern zum Neue-Technologie-Unternehmen, vom Windkraft-Errichter bis zum Dorfbürgermeister, der eine neue Straße will – viele tun es Staudinger gleich. Manche nehmen Mitarbeiterdarlehen auf wie SOLARier-Chef Ebner. Andere lassen sich von Kunden Kredite geben, als Zinsen fungieren mitunter Extra-Zucchini im Gemüsekistl. In Deutschland gibt es inzwischen Webseiten wie smava.de, auf denen man Firmengründer mit starken Ideen und schwacher Geldbörse unterstützen kann – inklusive Kreditausfallversicherung. Oder man zahlt mit, damit die Stadt Oestrich-Winkel in Hessen das neue Feuerwehrhaus fertigstellen kann.

Damit wiederholt sich, was bereits Mitte des 19. Jahrhunderts geschah. Damals gründeten die deutschen Sozialreformer Hermann Schulze-Delitzsch und Friedrich Wilhelm Raiffeisen Genossenschaften, um kleine Leute aus der Abhängigkeit des Großkapitals zu befreien. Daraus entstanden die Raiffeisen für Bauern und die Volksbank für das Gewerbe. Heute sind die Institute selbst zu Konzernen geworden. Und in die Fußstapfen von Schulze-Delitzsch und Raiffeisen tritt Staudinger.

Der Trend zur Alternativfinanzierung passt in eine Zeit, in der die Sehnsucht nach kleinräumiger Überblickbarkeit ebenso wächst wie das Konsumentenbewusstsein. „Beim Heini Staudinger weiß ich ganz genau, wo mein Geld hingeht“, sagt eine Anlegerin aus Wien-Leopoldstadt, „von der großen Bank kann ich das nicht behaupten.“ Trotzdem stellt der Wildwuchs an Finanzierungsformen den Staat vor Herausforderungen. Derzeit ist das neue Kreditwesen noch Angelegenheit einer gutinformierten Elite. Aber was, wenn es auf die breite Masse trifft? Wie soll der Staat regulieren? Wie kann er verhindern, dass Staudingers Nachfolger Anleger um ihr Geld betrügen?

Die Kreditwirtschaft unterliegt in Österreich strengen Regeln. Wer sich hierzulande regelmäßig und organisiert höhere Geldsummen ausborgt, muss gesetzliche Auflagen und Informationspflichten erfüllen. Dafür haftet die staatliche Finanzmarktaufsicht dann auch für Einlagen. „Der Gesetzgeber hat aus gutem Grund sehr strenge Auflagen geschaffen, um Anleger zu schützen“, sagt Helmut Ettl, Vorstand der FMA (siehe auch Interview), „alles andere könnte ein Einfallstor für künftigen Missbrauch sein.“

Aus Ettls Bürofenster am Wiener Alsergrund blickt man gleichermaßen auf Landesgericht und Nationalbank. 14 Fälle wie den um Staudinger zählt die FMA bereits. Immer öfter stellt sich die Frage, ob Unternehmen konzessionspflichtige Bankgeschäfte betreiben. Bald könnten mehr Fälle dazukommen. „Ich warte nur darauf, bis der Brief von der FMA eintrifft“, sagen gleich mehrere Firmenchefs zum Falter.

Helmut Ettl, einer von zwei Chefs der FMA (Foto: FMA)

Trotzdem sieht Ettl derzeit keinen Reformbedarf beim Kreditwesen. Das Banksystem nehme „seine Aufgabe, Kredite zur Verfügung zu stellen, grundsätzlich wahr“, sagt er. Lediglich bei Gemeinden kann sich der FMA-Chef eine Lockerung strenger Kreditvorschriften vorstellen – damit sich Kommunen wie Oestrich-Winkel in Hessen von Bürgern Geld leihen können.

Ettl steht einer erstarkten FMA vor, die viel Macht gewonnen hat. Vor der Bankenkrise war die Behörde völlig zahnlos; in Sachen Bawag oder Kärntner Hypo wirft man ihr schwere Versäumnisse vor. Der freie Markt decke Fehler schon selber auf, dachten die Politiker damals – bis zur großen Krise. Heute tritt die FMA der Bundesregierung gegenüber selbstbewusst auf, etwa in Sachen Bankeninsolvenzrecht oder beim Kapitalbedarf der Hypo. „Die FMA steht unter Profilierungsdruck“, sagt der Bankenexperte Franz Hahn vom Wirtschaftsforschungsinstitut, „sie muss zeigen, dass sie ihrer Rolle bei der Neuordnung des Finanzsektors gerecht wird.“

Dazu zählt auch der Umgang mit alternativen Finanzierungsformen. 2009 etwa ging in Österreich eine Internet-Kreditplattform nach deutschem Vorbild in Betrieb. Die FMA schritt wegen fehlender Konzession ein. Im Jahr darauf zeigte sich, wie begründet ihr Misstrauen war: Die Staatsanwaltschaft wirft den Machern der Seite mutmaßlichen Betrug von Anlegern vor.

Der Revoluzzer und der ÖVPler

Es ist eine heikle Angelegenheit, ein schmaler Grat zwischen Anlegerschutz und Unternehmerfreiheit. Doch für den Waldviertler Staudinger geht es inzwischen um viel grundsätzlichere Dinge. Es geht um den Kampf zwischen David und Goliath: der Einzelnen gegen die schikanöse Behörde. Die Provinz gegen die Hauptstadt. Der brave, hart arbeitende Regionalunternehmer gegen die anonyme, globalisierte und unberechenbare Finanzwelt.

„Bürgerrecht statt Bankenrecht“ lässt Staudinger auf Plakate drucken, und „Wir sind das Volk“. In seinem Kampf für mehr Unternehmerfreiheit und weniger Regulierung hat der Schuhfabrikant im Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Leitl einen Verbündeten gefunden. Der linksalternative Revoluzzer und der ÖVP-Unternehmensvertreter wollen bald Vorschläge präsentieren, wie man neue Kreditmodelle legalisieren und teure Vorschriften aufweichen könnte. In seinem Streit mit der FMA, kündigt Staudinger an, wolle er notfalls bis vor den Verfassungsgerichtshof ziehen.

„Wir brauchen halt Vertrauen“, sagt Staudinger, „dann wäre ein Finanzierungsmodell wie meins überhaupt kein Problem.“

Weitere Links

zopa.com Europas erste große Kreditplattform aus Großbritannien

smava.de ähnliches Projekt in Deutschland

leihdeinerstadtgeld.de Bürgerkredite für Gemeinden in Deutschland

kickstarter.com Crowdfunding für Kreative in den USA

kiva.org 25-Dollar-Kleinkredite für Leute in Entwicklungsländern zwischen Aserbaidschan und Indien

Der Fall GEA vs. FMA begann im Falter 37/12: Florian Klenk beschrieb, wie „Heini zur Bank wurde“

Mehr zum Fall Staudinger
Helmut Ettl im Interview
Kommentar: Wenn die Wut eine Reformkraft trifft

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Eingeordnet unter Wirtschaft

„Man geht ein gewisses Risiko ein“

Aus dem FALTER 48/2012

FMA-Chef Helmut Ettl ermittelt gegen GEA-Chef Staudinger. Dem Kontrollor geht es um Konsumentenschutz

Gespräch:
Joseph Gepp
Florian Klenk

Seit der Fall Heinrich Staudinger an die Öffentlichkeit kam, muss Helmut Ettl viel Kritik einstecken. Der gebürtige Oberösterreicher ist einer von zwei Vorständen der Finanzmarktaufsicht (FMA). Er spricht über Schikanierungsvorwürfe, Bankenpleiten und warum er bei Staudinger eine testierte Bilanz vermisst.

Falter: Herr Ettl, der Unternehmer Heinrich Staudinger fühlt sich schikaniert, weil Sie ihm die Kreditaufnahme bei Freunden untersagen wollen. Er hat Sie zu einer „Exkursion in die Realwirtschaft“ eingeladen. Werden Sie hingehen?

Helmut Ettl: Auch wir haben Herrn Staudinger eingeladen. Wir kennen seine Situation, seine Leistung und seinen Betrieb sehr gut. Daher wollen wir das Spareinlagengeschäft auf legale Beine stellen.

Wo liegt das Problem? Staudinger leiht sich Geld, das er von Banken nicht bekommt. Die Leute borgen es ihm. Er zahlt es mit Zinsen zurück und schafft Arbeitsplätze.

Helmut Ettl, einer von zwei Chef der FMA (Bild: FMA)

Ettl: Solange alles gut geht, gibt es kein Problem. Aber in einer Marktwirtschaft brauchen Sie auch Anlegerschutz. Herr Staudinger hat sich ja nicht das Geld seiner Familie geliehen. Er hat – ohne Konzession – sehr breit sehr viel Geld eingesammelt, derzeit sind es rund drei Millionen Euro.

Die Leute trauen Staudinger offenbar mehr als den Banken.

Ettl: Das mag sein. Wer sein Geld bei einem anderen einlegt, geht damit ein gewisses Risiko ein. Aber dieses Risiko muss man nüchtern kalkulieren können dürfen. Und deshalb treffen den Unternehmer, der durch solche Darlehen profitiert, Transparenzpflichten. Er muss zum Beispiel einen Prospekt auflegen und Daten über sein Unternehmen veröffentlichen. Seine Kreditgeber haben das Recht auf Information.

Nun wenden Ihre Kritiker ein, dass sich die FMA lieber um die Milliardenpleiten der Großbanken kümmern sollte. Dort sei das Vertrauen der Kunden massiv missbraucht worden.

Ettl: Moment! Spareinlagen bei Banken waren immer sicher. Die Banken unterliegen einer sehr starken Aufsicht durch uns und beklagen das auch immer wieder. Zudem garantiert der Staat dafür, dass keine Spareinlage verlorengeht. Was verlorenging, waren risikoreiche Produkte. Doch diese Risiken wurden ausgewiesen. Wer in einen Aktienfonds investiert, weiß, dass er große Gewinnchancen, aber auch große Verlustrisiken trägt.

Würden Sie Ihr Geld bei Staudinger anlegen?

Ettl: Ich würde mich zumindest fragen, wieso er vier Prozent Zinsen anbietet. Das ist ja mehr, als man am Markt für Spareinlagen bekommt. Wird damit ein Risiko abgedeckt? Ich würde mir auch die Frage stellen, was geschehen würde, wenn mehrere Leute vom Gea-Sparverein gleichzeitig ihr Geld zurückhaben wollen. Um die Frage zu beantworten, muss ich den Betrieb kennenlernen können. Und da sagt uns der Herr Staudinger: Das Spareinlagengeschäft beruht auf Vertrauen. Anleger aber brauchen wirtschaftliche Daten, damit sie beurteilen können, wie es Staudingers Firmen wirklich geht.

Aber genau dieses Wissen habe ich bei vielen Bankprodukten doch in Wahrheit auch nicht.

Ettl: Sie müssen aber über die Risiken aufgeklärt werden! Wenn der Prospekt eines Fonds mangelhaft ist, kann ich klagen. Weiters müssen alle Anleger gleich behandelt werden. Das ist bei Staudinger nicht gewährleistet. Daher orte ich eine mangelnde Transparenz, die dem Schutz der Anleger widerspricht.

Staudinger sagt, diese Prospektpflicht würde ungeheure Kosten verursachen, er spricht von rund 300.000 Euro. Auch Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl fordert hier eine Entlastung der Unternehmen.

Ettl: Der Betrieb von Herrn Staudinger ist für österreichische Dimensionen nicht so klein. Er macht mit 130 Mitarbeitern 11,6 Millionen Euro Umsatz. Ein Veranlagungsprospekt ist zudem durchaus mit 10.000 bis 30.000 Euro machbar.

Aber viele Unternehmen beginnen klein und klagen, von Banken immer mehr geknechtet zu werden.

Ettl: Ja, das stimmt. Dennoch muss man seine Anleger über das Unternehmen informieren. Jeder kleine Spendenverein, der mehr als eine Million Spenden einsammelt, muss eine testierte Bilanz vorlegen.

Wenn ich Sie richtig verstehe, werfen Sie Heini Staudinger vor, das Geschäft von windigen Unternehmern zu betreiben, die den Anlegerschutz demontieren wollen.

Ettl: Es gibt jedenfalls interessante Allianzen in diesem Fall. Unternehmer wie Heinrich Staudinger stehen an einer Weggabelung. Wenn sie Kapital von Bürgern haben wollen, dann müssen sie die Leute in den Betrieb schauen und sie vielleicht auch mitbestimmen lassen. Es muss demokratischer werden. Staudinger gehören zwei Gesellschaften, nur er weiß, was darin vorgeht. Die anderen können glauben oder nicht glauben, was er sagt. Dieser Zustand befriedigt uns eben nicht.

Was droht Heini Staudinger? Er spricht von 50.000 Euro.

Ettl: Das wäre die Höchststrafe für schwere Fälle. Herr Staudinger ist kein besonders schwerer Fall. Uns geht es darum, dass er sein Finanzierungsmodell ändert – im Sinne seiner Anleger. Das Unternehmen hat verkündet, allein in Deutschland 100 Filialen aufmachen zu wollen. So ein Unternehmen muss die Grundsätze des Anlegerschutzes beachten.

Zur Reportage zum Fall Staudinger

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Erbschaften: wenn Greenpeace zu einem „Fachvortrag“ lädt

Aus dem FALTER 48/2012

Seit Jahren schon überweist Agnes Mayer (Name geändert) aus Wien-Mariahilf regelmäßig kleine Summen an Greenpeace. „Zugeschickt bekommen habe ich aber nie etwas von ihnen“, sagt sie, „kein Info-Material, keine Newsletter, keine Einladungen zu Vorträgen.“

Kürzlich kam doch ein Brief von der Umweltschutzorganisation, und Mayer staunte nicht schlecht. Es handelte sich um eine Einladung zu einem „Fachvortrag zum Thema Nachlass, Testament und Erbschaft“. Ein „Partner und Rechtsanwalt“ von Greenpeace kläre über Dinge wie den gesetzlichen Pflichtteil und die Rechtsgültigkeit von Testamenten auf. Und natürlich darüber, wie man „Greenpeace im letzten Willen bedenken“ kann.

Für Aktionen braucht Greenpeace Geld – auch aus Erbschaften (Bild:Wikipedia)

Ist es üblich, an betagtere Unterstützer derartige Schreiben zu schicken? Ist es nicht problematisch, gerade weil viele ältere Menschen – schon leicht verwirrt – Dinge tun, die sie vor einigen Jahren nicht getan hätten? Und warum rückt Greenpeace nicht gleich mit seinem Anliegen heraus, statt die Angelegenheit als „Fachvortrag“ zu titulieren?

Alte Menschen, die verwirrt sind, würden oft „sowieso schon besachwaltet“, meint Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit auf Falter-Nachfrage. Überdies seien Briefe wie dieser „absolut üblich“ in der NGO-Szene. Greenpeace gehe sogar extra korrekt vor: Im Rahmen einer Initiative namens „Vergissmeinnicht“ verpflichte es sich zu strengen Regeln in Sachen Testament und Erbschaft – ebenso wie zahlreiche andere Organisationen von der Albertina bis zum WWF.

„Viele Menschen erkundigen sich bei uns über mögliche Erbschaften“, erklärt Egit. Denen biete man eben einmal jährlich diesen Fachvortrag. „Dabei steht der Informationsgehalt absolut im Vordergrund und nicht das Interesse am Legat.“ Freilich jedoch werden auch Unterstützer eingeladen, die zuvor kein Interesse am Thema Erben bekundet haben.

Agnes Mayer ist dennoch empört. „Ich fühle mich“, sagt sie, „als wolle sich wer mein Erbe erschleichen.“

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Mietpreisdeckel oder Marktwirtschaft?

Aus dem FALTER 47/2012

Gespräch: Joseph Gepp

Georg Niedermühlbichler, Wiener SPÖ-Gemeinderat, ist Präsident der Mietervereinigung.

Falter: Herr Niedermühlbichler, was sind klassische Probleme, die Mieter mit Hausbesitzern haben?

Georg Niedermühlbichler: Zu hohe Betriebskosten sind der Klassiker. Zudem passiert es vor allem bei privaten Neuvermietungen häufig, dass Mieten über dem gesetzlichen Richtwert liegen. Ein weiterer Streitpunkt ist die Kaution. Wenn Mieter ausziehen, machen Vermieter oft ungerechtfertigte Ausgaben für Sanierung oder Reparatur geltend.

Schützen die derzeitigen Gesetze die Hausbesitzer zu sehr?

Niedermühlbichler: Das Problem ist, dass Verfehlungen keine Sanktionen nach sich ziehen. Bei falschen Betriebskosten etwa müssen sie lediglich zurückzahlen. Deswegen gibt es Hausverwaltungen, die immer wieder tricksen. Wenn’s durchgeht, haben sie ein Körberlgeld.

Sind Sie für eine Mietpreisdeckelung?

Niedermühlbichler: Das ist eine uralte Idee – und in Form der Kategorie- und Richtwertmiete über weite Strecken bereits Realität. Den Vorschlag, die Miethöhe generell bei sieben Euro zu deckeln, halte ich für problematisch. Denn wenn auch bei Neuvermietungen im Privatbereich Handlungsbedarf besteht, so muss man auf Unterschiede eingehen: Im ersten Bezirk wird man höhere Mieten akzeptieren müssen als draußen.

Kritiker nennen Vassilakous Vorschlag „Steinzeitkommunismus“. Was meinen Sie dazu?

Niedermühlbichler: Wohnen zu fairen Preisen ist ein Grundrecht. Alle, die damit befasst sind, tragen Verantwortung für die Gesellschaft. Am internationalen Immobilienmarkt kaufen Investoren Zinshäuser nicht mehr wegen der Mieteinnahmen, sondern wegen erhoffter Wertsteigerungen der Objekte. Wie das ausgeht, hat man ja bei der US-Immobilienkrise gesehen.

Die privaten Wohnungsmieten in Österreich sind im letzten Jahrzehnt um rund 40 Prozent gestiegen. Ist das gerecht?

Niedermühlbichler: Nein, aber hier muss man unterscheiden: Wohnungen jener, die bereits im Mietobjekt leben, dürfen sich nur um die Inflationsrate verteuern. Das Problem sind Neuvermietungen im Privatbereich, wo die Mieten massiv steigen. F

Die Gegenposition? Ruth Eisenreich interviewt Friedrich Noszek, Präsident des Zentralverbands Haus und Eigentum

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Wenn die Wut eine Reformkraft trifft

Aus dem FALTER 47/12

Heinrich Staudingers Zorn über die FMA entlädt sich an einer Behörde, die eigentlich Neues voranbringen will

Kommentar: Joseph Gepp

Manche Geschichten klingen fast zu schön, um wahr zu sein. Zum Beispiel jene vom Kampf des kleinen Waldviertler Unternehmers Heinrich Staudinger gegen die mächtige Wiener Finanzmarktaufsicht.

Die Fronten in ihr könnten klarer nicht sein: Da steht auf der einen Seite der „Schuhtandler“ (Format) aus der Provinz. Er wirtschaftet kleinräumig, leistet ehrliche Wertarbeit und schafft in einer strukturschwachen Region Arbeitsplätze mit Zukunft.

Ihm gegenüber steht die Finanzmarktaufsicht (FMA), die Bankenaufsichtsbehörde aus Wien. Ausgerechnet dem Kleinunternehmer Staudinger will sie an den Kragen. Er maße sich an, eine Bank zu sein, meint die FMA. Denn der Unternehmer hat sich von 200 privaten Gläubigern, hauptsächlich Freunden und Bekannten, drei Millionen Euro ausgeborgt, um seinen Betrieb aufzubauen.

Nun muss Staudinger sein Geldbeschaffungssystem mit hohen Kosten der komplizierten Gesetzeslage anpassen. Oder er zahlt die Millionen zurück. Wenn nicht, drohen ihm im Höchstfall 50.000 Euro Strafe.

Die FMA ist jene Behörde, die bei sämtlichen finanzpolitischen Skandalen unserer Zeit niemals Unregelmäßigkeiten feststellen konnte – nicht bei der Hypo, nicht bei der Kommunalkredit, nicht bei der Bawag. Von mitunter betrügerischen Handlungen heimischer Banker will die FMA jahrelang nichts geahnt haben. Dem Treiben der Finanzwirtschaft sah sie untätig zu, bis es vor ein paar Jahren in die Beinahekatastrophe mündete – mit Steuermilliarden an Folgekosten.

Malträtiert die Finanzmarktaufsicht einen „Schuhtandler“ aus dem Waldviertel? (Foto: GEA)

Dass ebendiese Behörde nun einen Waldviertler Schuhfabrikanten traktiert, ist geradezu zum Symbol dafür geworden, dass etwas schiefläuft im System. In der Empörung der Leute darüber manifestieren sich der krisenbedingte Vertrauensverlust und das Unbehagen an den Institutionen. Tausende Unterstützer hat Heinrich Staudinger bereits gewonnen. Rund um ihn formiert sich eine Bewegung aus wütenden Bürgern und Kleinunternehmern.

Für seine Anhänger ist Staudinger einer, der gegen das System aufsteht. Einer, der „Bürgerrechte statt Bankenrechte“ ruft. Und man ist geneigt, dem beizupflichten.

Und doch ist wie alle schönen, klaren Geschichten auch diese nicht so einfach, wie es den Anschein hat.

Tatsächlich war die FMA die längste Zeit ihrer Existenz eine völlig zahnlose Behörde. Bis vor zehn Jahren hafteten ihre Beamten für fachliche Fehleinschätzungen noch persönlich. Dies beförderte nicht gerade Risikofreude und die Entfaltung reger Kontrolltätigkeit. Daran änderte sich auch nichts nach dem Jahr 2002, als die Behörde vom Finanzministerium unabhängig wurde. Nur verhinderte nun nicht mehr die Haftungsfrage effiziente Prüfungstätigkeit, sondern die marktliberale Ideologie der verantwortlichen Politiker. Der freie Markt macht Regulierungen überflüssig, dachten sie, bis es 2008 zur Bankenkrise kam.

Heute steht die FMA unter Zugzwang. Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben ihre Macht massiv vergrößert. Die Notwendigkeit von solchen Behörden, die den Finanzsektor überwachen, ist unübersehbar geworden. All dem muss sich die FMA jetzt gewachsen zeigen. Nicht zuletzt, weil auch im gesamteuropäischen Bankenwesen Umwälzungen wie die geplante europaweite Bankenaufsicht anstehen. Welche Rolle die FMA in ihr spielen wird, hängt auch davon ab, ob sie jetzt keine Fehler macht.

Die neue Macht der FMA spüren nicht nur kleine Unternehmer wie Staudinger. Auch von der großen Politik lässt sie sich nicht einschüchtern. So verweist die FMA bei der maroden Kärntner Hypo nachdrücklich auf deren hohen Kapitalbedarf – was die Bundesregierung gar nicht gern hört.

Staudingers Kritik trifft also nicht etwa, wie man glauben mag, eine beharrende Instanz, die ein altes, fehlerhaftes System fortschreibt. Sie trifft im Gegenteil eine Reformkraft, die zum wichtigen Player bei der Neuordnung der Finanzwelt geworden ist.

Bei privatrechtlichen Kreditbeziehungen wird diese Behörde zu Recht misstrauisch. Denn sie unterliegen nicht dem staatlichen Anlegerschutz, Informationspflichten fallen weg. Schließlich lösten dubiose Verträge, in denen die Unwissenheit von Kreditnehmern und Anlegern ausgenutzt wurde, die Wirtschaftskrise mit aus.

Staudinger hingegen fordert Entbürokratisierung. Er argumentiert, dass – gerade in seinem Fall – die Anleger genau wüssten, was mit ihrem Geld geschehe. Es diene einem Kleinbetrieb, stütze die regionale Wirtschaft. Bürgerkredite und das sogenannte Crowd-Funding, also die Schwarmfinanzierung von Kleinunternehmen, sollen deshalb übermäßiger Regulierung entzogen sein, meint Staudinger.

Nun, er selbst wird seine Anleger gewiss nicht betrügen. Doch wer garantiert bei der Umsetzung solcher Ideen, dass nicht der Nächste die lax regulierte Situation ausnützt und Bürger um ihre Kredite bringt?

Aus dem Streit zwischen Staudinger und der FMA kann man mehrere Lehren ziehen: Zunächst illustriert er das immense Misstrauen, das staatlichen Institutionen inzwischen entgegengebracht wird. Weiters zeigt er, dass junge und kleine Unternehmer neue Formen der Finanzierung benötigen. Heinrich Staudinger hat Recht, wenn er sagt, dass Bankkredite diesen Leuten meist verwehrt werden, weil sie kaum über Sicherheiten verfügen.

Keinesfalls jedoch darf das dazu führen, dass der Anlegerschutz aufgeweicht wird. Wie notwendig er ist, haben die vergangenen Jahre mehr als gezeigt.

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Eingeordnet unter Allgemein

Nachgesehen: Stehen alle Räder still, wenn die Gewerkschaft das will? In Wien nicht

Aus dem FALTER 47/2012

Der vergangene Mittwoch hätte nach dem Wunsch der europäischen Gewerkschaften zum übernationalen „Solidaritätstag“ werden sollen. Widerstand gegen radikale Sparpolitik lautete die Devise der Arbeitnehmervertretungen des Kontinents – und alle Räder sollten stillstehen: In Spanien und Portugal gab es einen 24-stündigen Generalstreik, Hunderttausende demonstrierten. Ebenso streikten Arbeitnehmer in Italien, Griechenland und Belgien. Und in Wien?

Rund 200 Leute, größtenteils ÖGBler, haben sich auf dem Stephansplatz versammelt und tanzen Sirtaki für Griechenland. Bald danach hat sich die Ansammlung schon wieder verlaufen. Transparente („Eat the Rich“) werden verstaut, die letzten Flugzettelverteiler verlieren sich schnell im Fluss der Passanten und Touristen.

So verkehrt sich die geplante Solidaritätsaktion eher in ihr Gegenteil: in ein Symbol dafür, wie weit die Krise Südeuropas von Wien entfernt scheint.

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Eingeordnet unter Arbeitswelten, Soziales

Knoflacher: „Der Lobautunnel ruiniert die lokale Wirtschaft“

Aus dem FALTER 47/12

Gespräch: Joseph Gepp

Bis 2025 will die Asfinag als Teil ihres Rings um Wien die Lobau auf einer Länge von acht Kilometern untertunneln. Am Montag fand der öffentliche Teil der Umweltverträglichkeitsprüfung statt. Hermann Knoflacher, TU-Verkehrsexperte und langjähriger Projektgegner, nimmt Stellung.

Falter: Herr Knoflacher, was haben Sie gegen den Lobautunnel?

Hermann Knoflacher: Zum einen fürchten Geologen, dass dadurch der Grundwasserspiegel in der Lobau absinkt. Zum anderen weise ich auf die Folgen für die Stadt Wien hin: für die lokale Wirtschaft, das Verkehrssystem und die CO2-Emissionen.

Laut Asfinag könnte es aber durch den Tunnel zu einer 30-prozentigen Verkehrsreduktion in Wiener Umlandgemeinden kommen, weil der Tunnel den Verkehr kanalisiert.

Knoflacher: Das beruht entweder auf falscher Systemanalyse oder solider Sachunkenntnis. Durch den Tunnel wird das Autofahren attraktiver.

Wie war das bei anderen Autobahnen?

Knoflacher: Ich habe das bei der Südosttangente am Beispiel Schlachthausgasse untersucht. Dort dachte man auch, dass die A23 den Verkehr von der Schlachthausgasse abziehen wird. Tatsächlich gab es einen Verkehrszuwachs um 20 Prozent. Wenn Sie Autobahnen anbieten, wird durch entlastete Straßen das Autofahren auch rundherum attraktiver.

Hermann Knoflacher inmitten seiner Erfindung, dem „Gehzeug“ (Wikipedia)

Mit wie viel Verkehrszuwachs rechnen Sie durch den Lobautunnel?

Knoflacher: Die Kapazität wird auf das Doppelte erhöht, also wird es eine Zunahme geben, die das ausnützt.

Die Befürworter des Tunnels betonen auch die positiven Folgen für den Wirtschaftsstandort Wien.

Knoflacher: Die wirtschaftliche Folge wird sein, dass sich Supermärkte, Einkaufszentren und Konzerne an die Autobahn verlagern. Der Lobautunnel ruiniert die lokale Wirtschaft und schwächt den Standort Wien.

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Eingeordnet unter Behörden, Das Rote Wien, Stadtplanung, Verkehr

Österreich und der Iran: Geldwäsche und Gewäsch

Aus dem FALTER 46/2012

Das Wiesenthal-Institut wirft Wiener Banken Unterstützung für das iranische Atomprogramm vor. Zu Recht?

Der Iraner Hamid Reza Amirinia ist ein Mann mit guten Kontakten in die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft. Einmal trifft er Forscher in der türkischen Hauptstadt Ankara. Dann referiert er über Technikinnovationen im Emirates Tower von Dubai. Dann wieder leitet er einen Workshop zum Thema Nanotechnologie im syrischen Damaskus.

Auch in Wien sei Amirinia schon gewesen, berichtete der britische Daily Telegraph. Zweimal kam er allein heuer, im April und September, jeweils für eine Woche. Was Amirinia hier getan hat, ist Gegenstand wilder Anschuldigungen.

„Wien ist eine Drehscheibe für Geldwäsche“, kritisierte vergangene Woche Shimon Samuels, Europa-Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums. Regimetreue Iraner wie Amirinia würden Millionen von Euro auf Konten von heimische Banken einzahlen, sagte Samuels der israelischen Jerusalem Post. Damit umgehen sie das Embargo gegen den Mullah-Staat und beschaffen Material für das Atomprogramm. Österreich schaue untätig zu, kritisiert Samuels. Es mache sich indirekt mitschuldig an der nuklearen Aufrüstung des Iran, die vor allem den Israelis große Sorgen bereitet. Österreich verhalte sich „wie die Schweiz im Zweiten Weltkrieg“, sagt Samuels. „Es dient dem Bösen.“

Der Wien-Reisende Hamid Reza Amirinia ist Direktor des iranischen Zentrums für Innovation und Technologie-Kooperation (CITC). Das ist nicht etwa ein privater Thinktank, sondern eine Behörde im direkten Umfeld des Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Das CITC befasst sich laut Eigenbeschreibung etwa mit „Nano- und Biotechnologie“. Inoffiziell sei jedoch seine tatsächliche Aufgabe, „unter dem Schlagwort‚ Technologiediplomatie‘ die Sanktionen gegen den Iran zu umgehen“. So heißt es in einem dem Falter vorliegenden Dossier der „Volksmudschaheddin“ – einer Gruppe im Iran, die gegenüber Ahmadinedschads Regime militanten Widerstand leistet.

Laut den Volksmudschaheddin läuft die Geldwäsche in etwa so ab: Iranische Diplomaten schmuggeln Bargeld in der Höhe von jeweils 100.000 Dollar nach Österreich. In Tranchen unterteilt, gelangt das Geld auf Konten in Deutschland, Italien und Österreich. Weiterüberwiesen nach China und Russland finanziert es Technologieimporte in den Iran. Laut den Volksmudschaheddin gibt es auch ein Schreiben, in dem Amirinia seinen Vorgesetzten von der Geldwäscheaktivität in Wien berichtet. Darin heißt es, man halte „Kontakt (…) mit Leuten im wirtschaftlichen Umfeld der Politik“. Es sei „zudem möglich, österreichische Banken zu benutzen“.

Freilich: Eine untadelige Quelle sind die Volksmudschaheddin ganz und gar nicht. Das Anschwärzen des Regimes ist ihnen Programm, die EU und Großbritannien listen sie aufgrund brutaler Anschläge im Iran gar als Terrororganisation.

Schickt enge Vertraute nach Wien: Irans Präsident Mahmud
Ahmadinedschad (Foto: Wikipedia)

Amirinias häufige Reisen nach Wien sind allerdings nicht nur iranischen Oppositionellen aufgefallen, sondern auch dem österreichischen Verfassungsschutz. Seit Jahren verfolge man die Besuche aufmerksam, berichtet ein Insider dem Falter. Offiziell teilt das Innenministerium lediglich mit, dass in der Causa Geldwäsche aufgrund mangelnder Belege gegen niemanden ermittelt werde. Auch die Raiffeisenbank – ihr Name fällt im Zusammenhang mit Iran-Geschäften häufig – will sich mit Verweis auf das Bankgeheimnis nicht zu Amirinia äußern. Raiffeisen lässt nur wissen, das Institut verfolge schon seit dem Jahr 2010 „geschäftspolitisch eine strikte Ablehnung jeglichen Iranneugeschäfts und die Beendigung existierender Geschäftsbeziehungen“.

Der Schattenwirtschaftsexperte Friedrich Schneider von der Johannes-Kepler-Universität Linz hält es für „sehr unwahrscheinlich“, dass die Geldwäsche in Wien abläuft, wie die Volksmudschaheddin in ihrem Dossier berichten. „Heutzutage wird Geld nicht mehr auf diese Art gewaschen“, sagt er.

Viel geeigneter sei dafür ein internationales Netzwerk aus Scheinfirmen. Deren einzelne Filialen stellen dann untereinander Scheinrechnungen aus, zum Beispiel für fingierte Warenlieferungen oder Konsultationsleistungen. „Mit dem Millionenkoffer Bargeld auf die Bank gehen und aufs Konto einzahlen“, sagt Friedrich Schneider, „das ist heute kaum noch möglich, das hätte man vor 30 Jahren so gemacht.“

Vieles deutet also darauf hin, dass der Iraner Hamid Reza Amirinia tatsächlich regelmäßig nach Wien gekommen ist. Nur was er hier getan hat, das bleibt im Dunklen.

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„Völliger Holler“

Aus dem FALTER 46/2012

ÖBB-Chef Christian Kern über grüne Verkehrspolitik, wütende Pendler und die Pflichten einer Aktiengesellschaft

Gespräch: Joseph Gepp
Foto: Heribert Corn

Erweiterte Parkzonen, verbilligte Öffi-Tickets, überfüllte Pendlerzüge – vieles passiert derzeit in der (ost-)österreichischen Verkehrspolitik. Einer, dessen Konzern davon massiv betroffen ist, ist ÖBB-Chef Christian Kern. Der Falter traf Kern in der Business-Lounge des Westbahnhofs, um mit ihm über jenes Thema zu sprechen, das momentan heftig die Gemüter bewegt: das Pendeln.

Falter: Herr Kern, wo wohnen Sie?

Christian Kern: In Wien, siebter Bezirk.

Wie kommen Sie in Ihr Büro am Wienerberg in Favoriten?

Kern: Oft mit dem Auto. In der Stadt gehe ich viel zu Fuß. Sonst bin ich Heavy User der Bahn.

Sie haben Glück. Denn die Pendlerzüge um Wien sind bummvoll, seit die Stadtregierung Anfang Oktober die Parkpickerlzone ausgedehnt hat. Haben sich die ÖBB nicht gut genug auf die Maßnahme vorbereitet?

Kern: Das kann man nicht behaupten. Wir haben in Österreich das sogenannte Bestellersystem. Das heißt, wenn eine öffentliche Instanz eine Zugverbindung will, verhandelt sie mit uns über die Kosten und beauftragt uns. Mit der Stadt Wien haben wir Verträge, die wir zuverlässig und mit einer exzellenten Pünktlichkeitsquote erfüllen.

Wiens Grüne werfen Ihnen vor, Pendlerzüge zurückzuhalten. Damit nicht die ÖBB für Züge zahlen müssen, sondern das Rathaus.

Kern: Das ist völliger Holler, für mich eine persönliche Enttäuschung. Alles, was bei uns Räder hat, ist im Einsatz. Das kann man auch nachlesen – unsere Verträge definieren genau, wann, wo und wie die 1340 Züge im Großraum Wien täglich fahren.

Wie viele zusätzliche Pendler nehmen seit Ausweitung des Parkpickerls die Bahn?

Christian Kern im neuen Westbahnhof (Foto: Heribert Corn)

Kern: Es sind sieben Prozent Zuwachs im Großraum Wien, da spielt das Parkpickerl sicher eine Rolle.

Also ist das Rathaus selbst schuld an schwachen ÖBB-Verbindungen rund um Wien?

Kern: 1340 Züge nennen Sie schwach? Seit Jahren weisen wir auf die Möglichkeit neuer Bahnverbindungen hin. Dem wurde nur partiell entsprochen. Wir selbst müssen vor allem Züge kostendeckend führen. Maßnahmen wie das Parkpickerl unterstützen wir grundsätzlich. Aber der grüne Verkehrssprecher muss auch überlegen, was man flankierend mit veränderten Verkehrsströmen tun muss. Derzeitige Schwierigkeiten wie knappe Parkplätze oder volle Züge können niemanden überraschen.

Warum gibt es in Pendlerzügen keine Laptop-Steckdosen, geschweige denn WLAN?

Kern: Wir bieten an, was Kunden und Verkehrsverbünde bereit sind zu finanzieren. In Tirol, Vorarlberg, Kärnten und der Steiermark haben wir beispielhaftes Wagenmaterial – und demnächst auch in Wien, Ober- und Niederösterreich.

Die Länder bestellen Verbindungen, der Bund ordert große Tunnel, die ÖBB müssen wirtschaftlich agieren – ist das Projekt Bahn nicht eines, in das zu viele Hände hineingreifen?

Kern: Unsere wichtigste Ansprechpartnerin in allen Fragen – und im Übrigen auch größte Bestellerin – ist mit Abstand die Verkehrsministerin. Dort erleben wir viel Einverständnis und Gemeinsamkeit. Die vielen Zurufe von überall sonst her können wir natürlich nicht alle bedienen.

Tausende Angestellte von SCS oder Flughafen – oft nicht gerade Spitzenverdiener – müssen jedes Jahr für wenige Stationen hunderte Euro extra zahlen, weil sie knapp hinter der Wiener Kernzone arbeiten. Ist das gerecht?

Kern: Wir haben signifikant niedrigere Ticketpreise als in Deutschland und der Schweiz. Bahnfahren ist hierzulande leistbar. Wenn ein Wien-Pendler zum Beispiel aus Gmünd vom Auto auf den Zug umsteigt, spart er sich jährlich 4000 Euro.

Gmünd liegt im Waldviertel, Vösendorf und Schwechat sind gleich bei Wien.

Kern: Auch hier ist der Ticketpreis im internationalen Vergleich günstig. Wir können da und dort über Zonengrenzen nachdenken, aber das müsste jemand bezahlen.

Die Bundesregierung plant eine Reform der Pendlerpauschale. Was sagen Sie dazu?

Kern: Das ist grundsätzlich eine willkommene Initiative. Uns ist aber auch wichtig, dass neben der sozialen Staffelung auch die Wettbewerbsnachteile für die Bahn verschwinden. Das kommt in den aktuellen Vorschlägen etwas zu kurz. Es ist völlig unverständlich, dass Bahnfahrer weniger Pendlerpauschale bekommen als Autofahrer. Da erwarten wir uns eine Gleichstellung – genauso wie bei Kilometergeld oder Steuervorteilen bei Dienstwägen. Ich zahle etwa für mein Dienstauto de facto nur 68 Prozent des tatsächlichen Wertes an Steuern. Das macht sozial- und verkehrspolitisch keinen Sinn. Wir fordern, dass das ökologische Argument eine größere Rolle spielt.

Wenn Sie sich ein Land aussuchen könnten, dessen Bahnsystem Sie für Österreich übernehmen könnten, welches wäre es?

Kern: Im Personenverkehr immer noch die Schweiz. Mit allen anderen Ländern können wir inzwischen bestens mithalten: Die ÖBB ist nach Umfragen hinter Finnland die zweitbeliebteste Bahn der EU, und hinter den Schweizern sind wir die Pünktlichsten.

ÖVP-Chef Michael Spindelegger schlug im Sommer vor, man solle die ÖBB doch an Frank Stronach verkaufen. Was halten Sie von einer Privatisierung?

Kern: Das ist die falsche Debatte. Spindelegger und Stronach gehen davon aus, dass nur private Unternehmen ordentlich wirtschaften können. Wir beweisen das Gegenteil. Im Übrigens haben wir auch eine gesellschaftliche Verpflichtung wahrzunehmen. Das geht nirgendwo ohne öffentliche Finanzierung. Beispielsweise geben wir in den nächsten Jahren 500 Millionen Euro für behindertengerechte Ausstattung unserer Bahnhöfe aus. Niemand, weder der Herr Stronach noch sonst wer, wird jemals mit so etwas Geschäft machen.

Werden Sie in ein paar Jahren noch Bahnchef sein oder SPÖ-Kanzler?

Kern: Ich will noch lange an der Spitze der ÖBB stehen. Die Funktion ist keine einfache, aber es gibt in Österreich keine schönere. Die Bahn ist ein faszinierendes Unternehmen zwischen Personenverkehr, Gütertransport, Infrastruktur und Immobilienentwicklung.

Das Parkpickerl wurde Anfang Oktober in Wien außerhalb des Gürtels eingeführt. Bezirke wie Währing, die sich der Maßnahme nicht anschlossen, kämpfen seither mit massiven Verdrängungseffekten, ebenso wie niederösterreichische Städte

Die Pendlerpauschale ist ein Steuerbonus, den über eine Million Menschen beziehen. Wer mit Öffis zu seinem Arbeitsplatz gelangt, bekommt weniger als jene, die das Auto nehmen müssen. Bisher stieg die Pendlerpauschale mit der Höhe des Einkommens – das wollen SPÖ und ÖVP nun ändern

Zur Person

Christian Kern ist seit 2010 CEO der ÖBB Holding AG. Davor war er im Vorstand der Verbund AG. Der SPÖ-Mann begann in den 1990er-Jahren als Pressesprecher von Klubobmann Peter Kostelka. Er wird immer wieder als künftiger SPÖ-Kanzler gehandelt

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Ärger um Akten: der Rathausstreit in der Causa Wilhelminenberg

Aus dem FALTER 46/12

Schreckliche Verbrechen seien in den 1970ern im städtischen Kinderheim Wilhelminenberg geschehen, hieß es vor einem Jahr. Ehemalige Zöglinge berichteten über Zwangsprostitution und Massenvergewaltigungen. Zur Prüfung der Vorwürfe betraute SPÖ-Stadtrat Christian Oxonitsch die ehemalige Jugendrichterin Barbara Helige mit einer Untersuchungskommission. Diese sei unabhängig und werde von der Gemeinde bestmöglich unterstützt, hieß es.

Vergangene Woche legte Helige einen Zwischenbericht vor – und der klingt gar nicht nach Unterstützung. Die Aktenrecherche gestalte sich schwierig, weil die MA 2 für Personalfragen darauf bestehe, Personalakten vor der Übergabe durchzusehen. „Die Kommission akzeptiert diese Vorgangsweise nicht“, meint Helige. Dem „wissenschaftlichen Auftrag“ könne so „nicht entsprochen werden“.

Wie reagiert die kritisierte Behörde? Ihr seien die Hände gebunden, sagt Rudolf Gerlich, Sprecher der Magistratsamtsdirektion. Laut einem Rechtsbescheid der Datenschutzkommission des Bundes sei die Weitergabe der Akten nur erlaubt, wenn ein Zusammenhang mit dem Kinderheim Wilhelminenberg besteht. „Den müssen wir prüfen“, sagt Gerlich. „Sonst stehen unsere Beamten womöglich in einigen Jahren wegen Datenschutzverletzung vor dem Richter.“

Ein, wie es scheint, starkes Argument. Allerdings: Der Rechtsbescheid, entgegnet Barbara Helige, schreibe nur vor, dass der Zusammenhang von der Stadt Wien geprüft wird. „Und formal gehört die Untersuchungskommission ja auch dazu. Wir könnten den Zusammenhang also auch selbst prüfen.“

Ihr sei wichtig, dass „Betroffene der Untersuchung nicht selbst über Untersuchte entscheiden“, sagt Helige. „Juristisch übernehmen wir dafür die volle Verantwortung.“ Übrigens funktioniere bei der MA 11 für Jugendwohlfahrt völlig klaglos, was bei der MA 2 für Personalwesen so viel Ärger bereite. Ende Mai 2013 will Helige ihre Untersuchung abschließen.

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