Bir Kipferl istiyorum*

Bericht: Joseph Gepp
Aus dem FALTER 46/2011

Bäckereiangestellte dürfen mit Kunden nicht Türkisch und Serbisch sprechen

Eigentlich spricht Ayse Kurtaran** fließend Deutsch. Aber manchmal sei es für Kunden leichter, in der Muttersprache zu reden, sagt sie. Zum Beispiel, wenn ein alter Mann, im Deutschen unsicher, auf Türkisch frage, was er denn bei Diabetes oder Nussallergie essen könne. Antwortet ihm Kurtaran auf Türkisch, räuspert sich ihr Filialleiter jedoch mit Missfallen. „Er sagt zu mir: ‚Du kennst doch die Regel: Türkisch mit Kunden zu sprechen, ist nicht erlaubt‘“.

* Ein Kipferl, bitte! Türkisch und Serbokroatisch ist beim Kundengespräch in Wiens Bäckereien verboten

Kurtaran, die ihren Namen aus Angst um den Job nicht in der Zeitung lesen will, arbeitet in einer Filiale der Bäckerei Mann in einem Bezirk mit vielen Migranten. Was sie sagt, bestätigen auch Kolleginnen: Eine Sprachregelung verbiete es Mann-Mitarbeiterinnen, Türkisch und Serbokroatisch mit Kunden zu reden.

Spricht jemand die Verkäuferinnen in Zuwanderersprachen an, müssen sie auf Deutsch antworten. „Das wird uns bereits bei der Einstellung und später in Schulungen gesagt“, sagt Kurtaran. „Sonst beschweren sich alteingesessene Österreicher, heißt es.“ Diese Regel scheint es nicht nur bei Mann zu geben. Türkische Ströck- und serbische Anker-Mitarbeiterinnen bestätigen sie gegenüber dem Falter ebenfalls für ihre Handelsketten. Ganz im Gegensatz zu Englisch oder Französisch, wo das fremdsprachige Parlieren sogar erwünscht sei.

Dabei setzen sich Mann, Ströck und Anker sonst gegen Diskriminierung und für ein Zusammenleben der Volksgruppen ein. In Anker-Filialen liegt das Migrantenmagazin Biber auf. Mann engagiert sich im Verein „Wirtschaft für Integration“, der wirtschaftstreibenden Migranten zu Selbstbewusstsein verhelfen will. Ströck wirbt mit dem Slogan „Grenzenloses Brotvergnügen“ und propagiert gern das „gelebte Miteinander“ in seinen Filialen, wo Menschen aus 38 Nationen arbeiten.

Experten bezweifeln jedoch, dass das Muttersprachenverbot dem Miteinander dienlich ist. „Es raubt den Menschen ihr Selbstbewusstsein und signalisiert, dass ihre Sprache nichts wert ist“, sagt der kurdischstämmige Sozialarbeiter Ali Gedik, der mit türkischen Jugendlichen arbeitet. Auch Sprachwissenschaftler Rudolf de Cillia von der Uni Wien nennt die Regel „respektlos und sprachlich diskriminierend“. Sie reagiere auf eine „Ablehnung von Andersprachigkeit“, die sich seit den 90ern breitmache. Besonders zum Ausdruck gekommen sei dies etwa 1999 im Café des Hernalser Krankenhauses des göttlichen Heilands. Dort wurden neben dem Sprachverbot gar Mitarbeiterinnennamen eingedeutscht. „Frau Zorica = Fr. Rosi, Frau Dubravka = Fr. Anni, Frau Mara = Fr. Maria“, hieß es in einem Rundschreiben.

Was sagen die Bäckereien Anker, Ströck und Mann selbst dazu? Ströck streitet sie ebenso wie Mann schlicht ab. „Ein Missverständnis“, sagt der Sprecher von Ströck: „Selbstverständlich darf man mit Kunden Türkisch sprechen, genauso wie etwa Italienisch.“ Erwünscht sei lediglich als „Gebot der Höflichkeit“, dass Ströck-Mitarbeiter untereinander keine Fremdsprache sprechen, wenn Kunden danebenstehen. Auch der Sprecher von Mann bestreitet in knappen Worten die Existenz der Regelung. Näheres würde er dem Falter aber nur unter der Bedingung erläutern, dass er die wahre Identität von Mitarbeiterin Ayse Kurtaran erfahre, um „dieses Missverständnis aufzuklären“.

Einzig die Sprecherin von Anker räumt ein, dass Mitarbeiter im Kundengespräch zur deutschen Sprache „angehalten“ würden. „Anders kann Integration nicht funktionieren“, meint sie. Die Direktive sei jedoch „eher Empfehlung als Regelung“, es drohen auch keine Sanktionen, wenn man jemandem etwa auf Türkisch antwortet.

Ayse Kurtaran von der Bäckerei Mann hat gelernt, auf ihre Weise mit der Regelung zu leben. Die meisten Kolleginnen würden sich fügen, sagt sie. „Aber ich rede Türkisch, wenn es passend ist.“ Einen Rüffel des Filialchefs nehme sie dann eben in Kauf. „Es ist doch gut, wenn man eine Fremdsprache spricht, oder?“

** Name von der Redaktion geändert

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4 Kommentare

Eingeordnet unter Die vielschichtigen Verbindungen zwischen Osteuropa und Wien, Konsum, Migranten, Minderheiten

4 Antworten zu “Bir Kipferl istiyorum*

  1. Alexandra Wojnesitz

    Hier die Kontaktadressen der oben genannten Bäckereien, falls Sie diese darin bestärken wollen, die Menschen- und Sprachenrechte zu respektieren:

    presse@stroeck.at
    http://www.dermann.at/kontakt/
    http://www.ankerbrot.at/index.php?option=com_facileforms&Itemid=40

  2. Johanna Böhm

    Ich bin Österreicherin und solange ich auf deutsch angesprochen werde, stört es mich nicht, wenn türkische KundInnen auf türkisch bedient werden. Sehe es als zusätzliche Kompetenz an, wenn mehrere Sprachen grsprochen werden wie zum Beispiel auch englisch wegen der Touristinnen. Sprache zu verbieten fordert Widerstand heraus und wirkt sich nicht positiv auf das Miteinander in unserer Mulitkultikultur in der wir leben aus. Daher bitte ich die Bäckereien nicht nur um Toleranz auf dem Papier, sondern im gelebten Miteinander. LG Johanna Böhm

  3. Diese Anschuldigungen sind etwas abstrus, wir schulen genau das Gegenteil… Der Falter hat in der Ausgabe nach der, in dieser Artikel erschien, dankenswerter Weise folgenden Leserbrief von mir veröffentlicht, der meine Meinung dazu zusammenfasst:

    „Bei uns arbeiten Menschen aus über 50 Nationen – und das seit Jahrzehnten problemlos. Unser Zugang ist recht einfach: als Familie ist es uns ehrlich gesagt komplett egal, wo jemand herkommt. Wenn die Stelle nicht unbedingt gute Deutschkenntnisse erfordert, sind wir sogar gewillt uns dem sprachlichen Integrationswillen jeden einzelnen Mitarbeiters anzupassen. Mitarbeiter im Verkauf müssen natürlich gut deutsch sprechen. Es ist aber kompletter Schwachsinn, dass türkisch oder andere Sprachen in Kundengesprächen unerwünscht sein sollen – das genaue Gegenteil ist der Fall! Richtig ist aber auch, dass wir nicht tolerieren, wenn sich Mitarbeiter während der Dienstzeit untereinander oder mit Bekannten länger in einer Fremdsprache unterhalten. Das ist erfahrungsgemäß Gift für das Arbeitsklima und davon abgesehen einfach unhöflich.“

  4. Pingback: Links 17 « High on Clichés

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