Ungarn hat ihn einst vertrieben und ächtet ihn heute wieder. Der Journalist Paul Lendvai führt durch die Stadt seiner Jugend
Porträt: Joseph Gepp, Budapest
Wie wird wohl die Wohnung von Professor Paul Lendvai aussehen, dieses großen alten Erklärers von Osteuropa?
Man denkt vielleicht an einen massiven Holzschreibtisch mit schwerer Messinglampe mitten im Zimmer. Teure Teppiche werden wahrscheinlich an den Wänden hängen, und natürlich laufmeterweise Bücher.
Doch in Lendvais Wohnung im 13. Budapester Bezirk, der Neuleopoldstadt, fehlen diese Insignien von Altersweisheit. Sie ist gediegen, ja. Parkettböden, zwei moderne Gemälde in antiken Rahmen, Fensterblick durch einen tiefverschneiten Park direkt auf die Donau. Aber es fehlt die Überfülle an Erinnerungen, wie sie sonst die Wohnorte alter Menschen ausmacht. Es fehlt der Status, das Gesetzte, das Erreichte. Erst vor drei Monaten sei er hier eingezogen, erzählt der 81-jährige Lendvai. Die Wohnung habe ihm gefallen. Jetzt verteilen sich seine Sachen auf Wien und Budapest, und was er gerade suche, sei immer in der anderen Stadt, scherzt er. Seine Frau Zsóka reicht inzwischen Schwarztee und entschuldigt sich dafür, dass kein Zuckerstreuer da sei und man sich daher aus einer Schüssel bedienen müsse.
Es ist heute noch ein Leben der Umbrüche, das Paul Lendvai führt. Dreimal hat er bereits den Wohnort gewechselt, seit er sich nach der Wende wieder phasenweise in der ungarischen Hauptstadt niederließ. Fünf- oder sechsmal im Jahr kommt das Ehepaar nach Budapest, die meiste Zeit lebt es nach wie vor in Wien.
Lendvai am Schreibtisch seiner Wohnung
Foto: Heribert Corn
Budapest ist Wiens Zwilling, das gründerzeitliche Pendant, der Konkurrenzentwurf, in derselben Epoche gebaut und doch einen Tick imposanter. Von der Straßenbahnoberleitung bis zum Kanaldeckel strotzt alles in dieser Stadt vor Zierrat und Schnörkel, mehr noch als in Wien. Das liegt daran, dass in Budapest immer nur geflickt und ausgebessert wurde – kein Wirtschaftswunder wie im Westen zog Autobahnarme über historische Plätze und opferte Palais dem Verkehrsfluss. Der ungarische Kommunismus hat, konträr zu anderen Ostblockstaaten, die großbürgerlich-elegante Anmutung der Stadt eher konserviert als zerstört. Ab dem 1. Jänner wird sie Kulisse für die große Politik und die europäischen Staatschefs sein. Dann übernimmt Ungarn von Belgien für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union.
Eine stabile EU-Präsidentschaft
Das regierende Parteienbündnis Fidesz-KDNP (Ungarischer Bürgerbund/Christlich-Demokratische Volkspartei) unter Ministerpräsident Viktor Orbán rühmt sich, dass nach dem fragilen Belgien nunmehr eine stabile Regierung der EU vorstehe. Das stimmt unbestreitbar, verfügt doch die rechtskonservativ-populistische Fidesz seit den letzten Wahlen im April über eine Zweidrittelmehrheit.
Doch Ungarns Problem ist nicht die Stabilität seiner Regierung. Sondern, wie sie diese Stabilität nützt. So änderte sie seit April mit ihrer Mehrheit umstandslos die Verfassung, beschnitt die Kompetenzen des Verfassungsgerichtshofs, die Medienfreiheit, das Pensionssystem. „Halbautoritär“ nennt Paul Lendvai die Stoßrichtung. Ungarn sei „vom Schrittmacher zum Krisenherd“ geworden, liest man in dicken Lettern auf dem Umschlag seines nunmehr 15. Buchs, „Mein verspieltes Land“. Darin setzt er sich auch mit der Fidesz-Regierung auseinander. Die aber sieht Kritik nicht gern. Nicht lange nach Erscheinen des Buchs will eine staatsnahe Zeitung aufgedeckt haben, dass Lendvai in den 80er-Jahren als freiwilliger Informant den Kommunisten gedient habe. „Absurde und lächerliche Vorwürfe“, nennt das der langjährige ORF-Moderator und Korrespondent der Financial Times. Er bemüht sich, die Angelegenheit locker zu nehmen: „Es ist gut für die Verkaufszahlen meines Buchs und schlecht für meinen Blutdruck.“
Foto: Heribert Corn
Näher, als die Österreicher meinen
Wer die Vorwürfe verstehen will, wer dieses Land begreifen will, dass an Österreich grenzt und doch so weit entfernt scheint, der sollte die Geschichte dieses Mannes kennen. Denn Paul Lendvai ist Symbol für die jahrhundertealte Verbindung der beiden Staaten, die der Eiserne Vorhang durchtrennte. Er ist der Letzte, der publikumswirksam darauf aufmerksam macht, dass Europas Osten geografisch viel näher an Wien liegt, als die Österreicher meinen. Und dass die Bewohner des heutigen Österreichs immer Teil jenes speziell mitteleuropäischen Völkergemischs waren, das so viele Potenziale und Gefahren hervorbrachte – was heute wie aus dem heimischen Gedächtnis getilgt scheint.
Fast alle kennen Lendvais Gesicht und seinen markanten Akzent aus dem Fernsehen. Viele lesen seine Texte, die er für verschiedene Zeitungen schreibt. Aber nur wenige wissen, dass Lendvai in seinem langen Leben nahezu alle Erschütterungen im unruhigen Mitteleuropa des 20. Jahrhunderts am eigenen Leib erfahren musste.
Hier in Budapest entwischte er, gerade dem Kindesalter entwachsen, mit knapper Not den ungarischen Nationalsozialisten, die ihn verfolgten, weil er Jude ist. Hier sperrte ihn das neu errichtete kommunistische Regime ins Gefängnis, kaum dass der Krieg vorbei war. Hier floh er, als sich sowjetische Panzer 1956 durch die Straße vor dem Elternhaus einen Weg in die Innenstadt freischossen, durch Kellergewölbe.
Den Keller kann er heute nicht mehr betreten. Vor dem Stiegenabgang hat jemand ein versperrtes Gitter angebracht, das Hausfremde abhält. Paul Lendvai – er wirkt kleiner als im Fernsehen, sein Gang ist etwas schleppend, aber zielstrebig – blickt kurz durch die Stäbe auf die Wendeltreppe, die Postkästen, den Hinterhof. Er dreht sich gleich wieder um. „Es schaut alles ganz anders aus als früher“, sagt er.
Foto: Heribert Corn
Hier, in dem grauen Altbau in der Üllöi utca 53a, im neunten Bezirk, der Franzstadt, wurde Paul Lendvai am 24. August 1929 als Einzelkind geboren. Aber das Haus gehört zu einer Zeit, die in seinem Leben schon lange keine Rolle mehr spielt. Bereits Mitte der 60er-Jahre holte sich die kommunistische Regierung die Elternwohnung zurück, weil die verwitwete Mutter dem Sohn nach Österreich gefolgt war. Neonfarbene Buchstaben auf der Fassade werben heute für ein Solarium mit Fitnessstudio.
Foto: Heribert Corn
Binnenzuwanderer aus Großungarn
Im zweiten Stock lebte die Familie Lendvai, der Vater ein Anwalt aus der Ostslowakei, die Mutter aus Siebenbürgen, beide Binnenzuwanderer aus Großungarn. Dicke Schneeflocken wirbeln auf Lendvais schwarze Kappe, als er wieder auf die Straße tritt. Während des Ungarnaufstands von 1956 habe die Familie ganze Tage im Keller verbracht, erzählt er, die Hände in der Winterjacke vergraben. In der Üllöi utca tobten die härtesten Kämpfe der Stadt. Oben seien die Sowjetpanzer gerattert, unten krochen der damals 26-jährige Paul und seine Eltern durch miteinander verbundene Kellergänge aus der lebensgefährlichen Zone.
Einige Ecken weiter steht die Synagoge, die Lendvai als Kind mit seiner religiösen Mutter besuchte – der agnostische Vater sei derweil im Kaffeehaus gesessen, erzählt Lendvai. Als Kind spielte er auf dem Vorplatz des Gotteshauses. Jetzt darf man nur noch durch einen Metalldetektor hinein. Die Synagoge in der Páva Utca beherbergt heute das Budapester Holocaust-Museum. Monolithische graue Trakte, die Museumsräume einfassen, umgeben das alte Bethaus wie Festungsmauern.
Bis in die 40er-Jahre war jeder fünfte Budapester jüdischen Glaubens. Die Hälfte davon, etwa 100.000 Menschen, wurde ermordet – in kürzester Zeit und mit unbarmherziger Planmäßigkeit. Ungarns Judenverfolgungen begannen erst im Spätherbst 1944, als die Pfeilkreuzler, die vom Deutschen Reich unterstützten ungarischen Nationalsozialisten, die Macht ergriffen. Paul Lendvai überlebte die folgenden Monate in einem schlichten grauen Wohnblock unweit seines heutigen Appartements in der Neuleopoldstadt.
Foto: Heribert Corn
Es war eines von 125 sogenannten Schutzhäusern, wie sie in Budapest von neutralen Staaten, etwa der Schweiz, Schweden und dem Vatikan, errichtet worden waren. 50 Leute vegetierten in einer Zweizimmerwohnung dahin. Lendvais Vater Andor hatte einen Schweizer „Schutzpass“ und damit eine Wohnerlaubnis ergattert. Ob der Pass überhaupt echt war, weiß der Sohn bis heute nicht. Der Zufall – ein im richtigen Moment vorgewiesener Zettel, ein Biegen um die Straßenecke im richtigen Augenblick – entschied jedenfalls über Tod oder Leben der Familie. „Karneval des Todes und der Hölle“ nennt Lendvai in einem seiner Bücher den Winter 1944.
Neue Pfeilkreuzler marschieren
Heute scheint es bisweilen, als würden die bösen Geister dieses Höllenkarnevals wiederauferstehen. Vor drei Jahren gründeten hunderte Rechtsextreme unter dem Amtssitz des Staatspräsidenten auf der Budaer Burg die Ungarische Garde. Sie marschierten in Springerstiefeln, trugen Uniformen und schwenkten Fahnen der alten Pfeilkreuzler. Es sei, als würden „2000 Neonazis einen Eid vor dem Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten in Berlin ablegen“, meinte der ungarische Regisseur László Kornitzer. „Weit und breit wäre kein Polizist zu sehen. Die Zeremonie würde zwei Stunden dauern, dann würden die Nazis abmarschieren, unbehelligt, mit unbekanntem Ziel.“
Die Garde steht der rechtsextremen Jobbik-Partei nahe, die im April drittstärkste Kraft im Parlament wurde. Immer heftiger dringt ihr radikales, oft verschwörerisches Gedankengut in den Diskurs der ungarischen Mitte. Schuld daran ist auch die Politik der großen Parteien: Die Sozialisten etwa, Regierungspartei bis zu Orbáns Machtantritt, gelten als zerstritten und korrupt. Ihre Misswirtschaft führte fast zum Staatsbankrott. 2008 konnte dieser nur mit einem internationalen Notkredit von 20 Milliarden Euro abgewendet werden. Mittlerweile war Ungarn in Sachen Budget, Wachstum und Arbeitsmarkt längst hinter Staaten wie Polen, Tschechien oder die Slowakei zurückgefallen – jener reformfreudigen Riege ehemaliger Ostblockländer, der die einst „fröhlichste Baracke im Ostblock“ stets als Vorbild gedient hatte.
Jetzt zeigt sich das wirtschaftliche Versagen immer stärker auch in der politischen Sphäre. Dammbrüche in der Wortwahl lösen einander ab, immer niedriger sind die Hemmschwellen, was demokratische Standards betrifft. Treibende Kraft in den Augen vieler ist die mächtige Zweidrittelpartei Fidesz, die im April die immens geschrumpften Sozialisten als Regierungspartei ablöste.
„Es sei Friede, Freiheit, Eintracht“
Als „Revolution“ bezeichnen die Rechtspopulisten ihren Wahlsieg. Die vorherige Regierung boykottieren sie, nennen sie „illegitim“. Ein „System der nationalen Einheit“ setzt neuerdings Staats- und Parteiinteressen gleich. Und ein gerahmtes Spruchband mit dem Satz „Es sei Friede, Freiheit und Eintracht“ ist seit kurzem in allen Ämtern Vorschrift.
Dazu kommen fragwürdige Wirtschaftsreformen, etwa bei privaten Pensionskassen oder der Besteuerung bestimmter Handelsbranchen. Kurzfristig sollen sie das enorme Budgetdefizit kaschieren, langfristig fürchten Ökonomen um die Stabilität des Landes. Deshalb stellte die US-Ratingagentur Moody’s Anfang Dezember Ungarns Kreditwürdigkeit auf dieselbe Stufe wie die eines Landes, das wegen seiner Zahlungsschwierigkeiten deutlich öfter mediale Aufmerksamkeit erregt: Irland.
Wer gegen Fidesz ist, ist gegen das ganze Land – so hört man es in Ungarn derzeit oft. Fidesz will die wahre Erbin jener Freiheitskämpfer sein, die 1956 gegen die russisch-kommunistische Fremdherrschaft aufbegehrten und grausam geschlagen wurden. Die echte Wende, so die große Erzählung der Parteiideologen, habe es auch 1989 nicht gegeben – sie sei von den Sozialisten gekapert und erst im April 2010 tatsächlich durchgezogen worden. In dieses Gedankengebäude passt natürlich gut, dass einer wie Paul Lendvai in Wahrheit ein Spion des kommunistischen Regimes sein soll.
Dabei war Lendvai selbst Opfer der stalinistischen Säuberungen. Es war eine Winternacht 1952, als ihn zwei Polizisten in einen Wagen russischer Bauart steckten und mit ihm davonfuhren. Es folgten drei Jahre an Gefängnisaufenthalten, Verhören und Berufsverbot.
Zuvor war Paul Lendvai Journalist geworden – und überzeugter Kommunist. Er schrieb Propagandaartikel, für die er sich heute schämt, wie er in seiner Autobiografie schreibt. In eine „journalistische Scheinwelt“ habe er sich begeben, meint er, in eine „dialektisch verbogene Wirklichkeit“. Lendvai schimpfte im Namen der Staatsideologie auf den internationalen Zionismus oder Titos Jugoslawien, das sich von Stalin abgewandt hatte. Schließlich holten die ungarischen Schergen des roten Zaren dann auch ihn ab.
Das Gefängnis, in das sie ihn brachten, existiert noch heute. Es steht auf der anderen Donauseite, in der Fö Utca in Buda. Es ist ein wuchtiger, klischeehaft abweisender Bau.
Foto: Heribert Corn
Das eisenbeschlagene Einfahrtstor sei heute dasselbe wie damals, sagt Lendvai. Durch den Fensterschlitz seiner Zelle in der politischen Abteilung habe er die Kinder im Park gehört.
Foto: Heribert Corn
Das Essen sei praktisch ungenießbar gewesen, gekochte Wurzeln und trockenes Brot. Drei Jahre nach Paul Lendvais Entlassung aus der Haft wurde im selben Gebäude der Führer des ungarischen Volksaufstands von 1956, Imre Nagy, zum Tod verurteilt und hingerichtet.
Aus einem „Amalgam“, einer diffusen Mischung aus Gerüchten und Halbwahrheiten, habe ihm das Regime damals einen Strick gedreht, sagt Paul Lendvai. Ein Amalgam, wie es auch die heutige Regierung gegen ihn verwende. So zum Beispiel bezieht sich die Fidesz-nahe Zeitung Heti Válasz in ihrer Lendvai-Kampagne darauf, wie dieser in den 80er-Jahren für den ORF mit Ungarns Behörden um Drehgenehmigungen feilschte. „Ein Unsinn, daraus abzuleiten, dass ich Informant war“, sagt Lendvai. „Wer jemals als Journalist in einer Diktatur gearbeitet hat, der weiß, wie hier jede Kleinigkeit zur Verhandlungssache wird. Wie man die Behörden ständig beschwichtigen und beruhigen muss.“
Für andere Ungarn-Experten – zum Beispiel den Politologen Anton Pelinka oder den Ökonomen Sándor Richter vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche – passt die Causa zu weiteren Fällen, in denen Ungarns Regierung mit Kritikern ähnlich verfuhr. Im Fall Lendvai, so Richter, trete es nur für Ausländer offen zutage, weil Lendvai eben im Ausland tätig sei. Fidesz-Politiker selbst wiegeln ab, wenn man sie auf die Causa anspricht: Die Geschichte entstamme einem „freien Medium“ und habe mit Parteiinteressen nichts zu tun.
„Die politische Kultur Ungarns ist eine Hasskultur“, sagte der Schriftsteller György Dalos. Paul Lendvai nennt den Zustand der Nation in seinem neuen Buch den „kalten Bürgerkrieg“. Seit den großen Demonstrationen gegen die Regierung von 2006 und dem Fastbankrott 2008 scheint die ungarische Gesellschaft aus dem Gleichgewicht geraten. Die Bereitschaft zum Fanatismus ist größer. Das kann etwa Journalisten treffen, die das Land „nicht ständig in ein schlechtes Licht rücken sollen“, wie ein Fidesz-Politiker bei einem Hintergrundgespräch ausführt. Das betrifft Plattformen im Internet, die mit rechtsradikalen Hasstiraden sehr viele Ungarn erreichen. Es kann sich aber auch auf oppositionelle Politiker und Andersdenkende beziehen.
Besonders nach dem Ende der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft Mitte 2011 empfehle es sich, auf die Entwicklungen im Land zu achten, sagt Paul Lendvai. Denn dann schaue sonst niemand mehr hin. Zu diesem Zeitpunkt sei der Weg frei für noch umstrittenere Maßnahmen. Zum Beispiel für Strafverfahren gegen Oppositionspolitiker.
Warschau, Prag, Wien, Budapest
Es war der 12. Jänner 1957, im Jahr nach dem Aufstand. Für Paul Lendvai, damals 27 Jahre und Redakteur beim kommunistischen Abendblatt, steht die erste Auslandsreise seines Lebens an. Sie führt ihn nach Warschau, danach soll er mit Zwischenaufenthalten in Prag und Wien nach Budapest zurückkehren. Das vergilbte Ticket der ungarischen Fluglinie Malev besitzt er bis heute. Lendvai reist wie vorgesehen nach Warschau, fliegt dann weiter nach Prag und Wien.
Am 4. Februar 1957 tritt er dort aus dem Flughafengebäude in Schwechat und fängt ein neues Leben an.
Montagabend vor Redaktionsschluss beschloss die Fidesz-Mehrheit im Parlament ein umstrittenes neues Mediengesetz. Es sieht unter die Auflösung autonomer Redaktionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor. Eine mächtige Medienkontrollbehörde für Zeitungen wird außerdem von einer Fidesz-Vertrauten auf neun Jahre geleitet, also für zwei Legislaturperioden. Was den EU-Vorsitz im ersten Halbjahr 2011 betrifft, plant Ungarn einen Fokus auf Energieunabhängigkeit von Russland, eine koordinierte Entwicklung des Donauraums und neue Ansätze in der Roma-Frage, etwa im Zensuswesen
Zur Person
Paul Lendvai, 81, Journalist, gilt als profunder Kenner Osteuropas. 1944 wurde er von den Nazis verschleppt, 1953 von den Kommunisten inhaftiert, 1957 Flucht nach Österreich. Hier wurde er 1982 ORF-Osteuropa-Chef und Korrespondent der „Financial Times“. Heute schreibt er für den „Standard“, moderiert das „Europastudio“ und gibt die „Europäische Rundschau“ heraus. Autor zahlreicher Bücher, etwa zu den Themen Ungarn, Österreich, Jugoslawien, Antisemitsmus
Paul Lendvai:
Mein verspieltes Land. Ungarn im Umbruch. Ecowin Verlag.
272 S. € 23,60
Erschienen im Falter 51/2010