U2 Aspernstraße: Wien liegt am Meer

Testfahrt: Joseph Gepp

Ach wie schön. Wien hat jetzt eine U-Bahn-Station, die Donaumarina heißt.

Namensgeber ist ein kleines Jachthäfelchen, das in einer postindustriell-asphaltkargen Ufergegend nicht weiter auffällt. Insofern ist der Name Donaumarina eigentlich nicht gerechtfertigt. Die Station müsste vielmehr nach den umliegenden Gassen Wehlistraße oder Grünlandgasse benannt sein. Aber Donaumarina klingt so hübsch. Als würde den Wienern dieser gottverlassene Jachthafen schon irgendwann aufgefallen sein. Als wüssten sie irgendetwas mit ihren Gewässern anzufangen. Als gäbe es hier Leben, Treiben, eine Promenade. Zwar verirren sich in Wahrheit nur ein paar Jogger mit Hauptalleekoller und Radfahrer mit Donaueschingen-Delta-Ambition an diesen Flecken – aber was soll’s: Ab kommenden Samstag kann man hier die Augen schließen und sich vorstellen, Wien wäre am Meer.

Dann eröffnet die zweite Ausbaustufe der U2 innerhalb von zwei Jahren. Nachdem 2008 schon EM-bedingt vom Schottenring zum Praterstadion gebaut wurde, überquert die violette Linie nun auch die Donau und führt dann 5,2 Kilometer weit in die Tiefen des 22. Bezirks.

Die Stationen heißen neben Donaumarina Donaustadtbrücke, Stadlau, Hardeggasse, Donauspital und Aspernstraße. Mit 490 Millionen Euro Baukosten schlug die Verlängerung vergleichsweise günstig zu Buche – weil die Teilstrecke zur Gänze auf einer oberirdischen Trasse verläuft. 2013 soll das letzte Stück zum Flugfeld Aspern führen, wo mit der „Seestadt“ derzeit eins der größten Neubauviertel Europas entsteht.

Damit ist es endgültig vorbei mit der einst beschaulich-studentischen Tuk-Tuk-Strecke zwischen Karlsplatz und Schottenring, wo man mit freiem Auge von einer künstlerisch ausgestalteten Station zur nächsten schauen konnte. 30 Jahre nach der Eröffnung ihres ersten Teils beginnt die U2 tatsächlich eine Art stadtinfrastrukturellen Zweck zu erfüllen. Sie ist zur Vorstadterschließungsmaschine geworden: Die Donaustadt ist mit derzeit 150.000 Einwohnern der am schnellsten wachsende Bezirk Wiens. Kräne und Neubauten stehen hier allerorten – nur hält die Erschließung durch öffentliche Verkehrsmittel bisher nicht Schritt mit dem Trend.

Neben der neuen U2 strecken noch zwei weitere U-Bahn-Linien ihre Fühler nach Transdanubien aus, U6 und U1. Wenn auch auf diese Weise die Anbindung ans zentrale Südufer gegeben ist, so fehlt es doch an binnentransdanubischen Strecken. Neben diversen Bussen gibt es in der Donaustadt nur eine einzige Straßenbahnlinie: den chronisch überlasteten 26er zwischen Strebersdorf und Aspern.

Hier könnte die U2 immerhin eine Verbesserung bringen, weil zahlreiche Busstrecken von den U-Bahn-Stationen aus den flächenmäßig größten Bezirk der Stadt durchkreuzen werden. Damit soll die Gegend laut Wiener Linien „optimal erschlossen“ werden.

Dem Cisdanubier vom anderen Flussufer hingegen nützt die neue U2 wohl vor allem wegen des Sozialmedizinischen Zentrums Ost, dass nun vom ersten Bezirk in nur einer Viertelstunde zu erreichen ist. Die dazugehörige Station heißt übrigens nicht SMZ-Ost, sondern Donauspital.

Erschienen im Falter 39/2010

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Eingeordnet unter Stadtplanung, Verkehr

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