STADTRAND – Ich trage ein versifftes Armband, also bin ich

Wir geben zu: Sommerliche Musikfestivals sind ein aalglattes Rezept zur jugendlichen Frustbewältigung. Es gibt Musik (Rhythmus), Alkohol (Rausch) und im Idealfall auch Gatsch, um sich darin zu wälzen. Und weil das alle machen, ist auch nichts peinlich. Zumindest solange das Festival andauert. Später jedoch trägt der Besucher gern auch weiterhin sein Eintrittsbändchen am Arm. Wie als Nachweis seines zweiten, wilden Ichs, das nur zu Festivalzeiten rausdarf, verschimmelt es dort langsam. Oder es beginnt nach Malz zu riechen, weil beim Geburtstag vor einem halben Jahr einmal Bier auf die Hand spritzte. Oder es löst sich in einzelne Fäden auf, die sich dann ihrerseits verfärben, zum Beispiel spaghettisaucenrot vom Abendessen von vor drei Monaten. Und dass schließlich nach Ablauf eines Jahres ein duftend neues Bändchen hinzukommt, hindert den wahren Festivalfan nicht daran, den alten Fetzen obenzulassen. Im Gegenteil, seine Versifftheit kommt jetzt erst richtig zur Geltung. Und stolz lässt er uns wissen, was für ein wilder Hund er nicht sein kann.

Erschienen im Falter 25/2010

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Eingeordnet unter Stadtleben, Stadtrand

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