Bettelverbot: Was bitte schön heißt „gewerbsmäßig“, Frau Gemeinderätin Nurten Yilmaz?

Interview: Joseph Gepp

Viel Protest und große Aufregung verursachte vergangene Woche das im SPÖ-dominierten Gemeinderat beschlossene Verbot für gewerbsmäßiges Betteln. Denn: Welches Betteln ist eigentlich nicht gewerbsmäßig?

Nurten Yilmaz, 52, SPÖ-Gemeinderätin aus Ottakring, verteidigte vergangene Woche das Gesetz in einer hitzigen Gemeinderatsdebatte.

Falter: Frau Yilmaz, welches Betteln ist eigentlich nicht gewerbsmäßig?

Nurten Yilmaz: „Gewerbsmäßig“ bedeutet in diesem Fall organisiert. Das heißt, dass wir mit dieser Gesetzesnovelle die Hintermänner treffen wollen, die Betteltouren organisieren und Leute nach Wien schleppen.

Wer sollen diese Hintermänner sein?

Yilmaz: Schauen Sie, vor zwei Jahren haben wir das Betteln mit Kindern verboten. Damals waren ebenfalls von diversen NGOs bis zu den Grünen viele dagegen. Aber es war notwendig, denn viele Leute standen bei minus zwei Grad mit ihren Kindern auf der Straße und bettelten mit deren Hilfe. Mit dem Gesetz konnten wir das Problem eindämmen. Jetzt allerdings sehen wir das Gleiche mit der Zuschaustellung von Behinderungen. Das heißt, dass behinderte Menschen gezielt hergebracht werden, etwa aus Rumänien oder Moldawien. Und in Wien betteln sie auf der Straße. Ich als Person bin – wie meine Partei – gegen ein allgemeines Bettelverbot. Doch das organisierte Betteln mit Behinderten gilt es zu unterbinden.

Aber was bringt es, die Leute zu kriminalisieren?

Yilmaz: Wir wissen, dass wir mit dieser Maßnahme nicht die Armut lindern können. Aber wir können den Organisatoren von Betteltouren einen Riegel vorschieben, die in vieler Hinsicht wie Menschenhändler agieren. Und all jene, die so heftig gegen das Gesetz protestieren, haben auch keine besseren Vorschläge, wie man das Problem lösen könnte.

Trotzdem irritiert das Wörtchen „gewerbsmäßig“. Wenn wir zum Beispiel einen Alkoholiker betrachten, der vor einem Supermarkt Leute um Geld für Bier anschnorrt – bettelt der etwa nicht gewerbsmäßig? Gibt es denn jemanden, der freiwillig bettelt?

Yilmaz: Natürlich nicht. Betteln ist selbstverständlich keine selbstbestimmte Berufswahl. Aber ich weiß, dass etwa Alkoholiker vor Supermärkten keine Hintermänner haben, die sie gezielt einschleusen. Das ist beweisbar, das weiß auch die Polizei. Gegen die Hintermänner gilt es vorzugehen.

Erschienen im Falter 13/2010

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