Zwischen 13. Dezember 2009 und dem fernen Jahr 2013 – während also der Südbahnhof neu errichtet wird – heißt der größte Bahnhof Österreichs „Wien-Meidling“. Den leicht anachronistischen Charme des Zugreisens wird dort zwar so schnell keiner zu spüren bekommen, dazu fehlt schon einmal die großzügige Halle. Aber in praktischer Hinsicht scheinen Wiener Linien und ÖBB gut auf die täglich etwa 55.000 Reisenden vorbereitet, die nunmehr ihre Ankünfte und Abfahrten im etwas peripher gelegenen Arbeitergrätzel zu bewältigen haben:
So wurde etwa die U6, die nach Meidling führt, aufgerüstet. Zwei zusätzliche Züge auf der Strecke reduzieren die Intervalle von drei auf zweieinhalb Minuten. Dazu wurde die Linie rechtzeitig vor der Südbahnhof-Sperre gänzlich auf Niederflurwagen umgestellt. Das erhöht die Fahrgastkapazität laut Wiener Linien auf ein Viertel. Aufgestockt wurde auch die Straßenbahnlinie 62, die von Meidling ins Zentrum fährt. Trotzdem warnen die Wiener Linien vor einer hohen Auslastung, man möge auch die „Nutzung von Schnellbahnen und Regionalzügen vorübergehend in Betracht ziehen“.
Das betrifft nicht nur Reisende der Südbahn (etwa Klagenfurt, Graz oder Ljubljana). Auch wer in die Tschechische Republik oder nach Polen fährt, wird nunmehr in Meidling seine Reise beginnen – wobei der täglich jeweils erste und letzte Zug am Praterstern abfährt und ankommt. Wer sonst wohin in den Osten will, beispielsweise nach Budapest, Belgrad oder Rumänien, startet nach wie vor – kurioserweise – am Westbahnhof. Von dort fahren auch unverändert jene Züge, die tatsächlich gen Westen gehen, nach Deutschland oder in die Schweiz.
Was vom alten Südbahnhof in Betrieb bleibt, sind ein paar Bahnsteige und der komplette unterirdische Teil – die Ostbahn-Regionalzüge und die Haltestelle für Schnellbahnen. Wer also zum Beispiel vom Südbahnhof die S-Bahn nach Wien-Mitte oder Praterstern nehmen will, kann das nach wie vor tun. Der improvisierte Eingang zur Station liegt nunmehr an der Arsenalstraße beim Schweizergarten. Unmittelbar davor halten der Bus 69A und die Straßenbahnlinien O und 18.
Und in Meidling selbst? Hier informieren ÖBB-Mitarbeiter mit Flugblättern über Veränderungen, zusätzlich wurden 70 Info-Bildschirme installiert. Parkplätze könnten knapp werden, es empfiehlt sich daher die Anreise per öffentliche Verkehrsmittel. Da die Bahnhofsgröße und Bahnsteiganzahl trotz aller Umstellungen und Umbauarbeiten nicht auf den Fernverkehr ausgelegt sind, stehen die Züge nicht mehr wie gewohnt eine halbe Stunde vor Abfahrt am Gleis, sondern nur wenige Minuten. Gemächliches Koffereinladen wird also ebenso baustellenbedingt eingeschränkt wie der letzte Liebesschwur zwischen Zugfenster und Bahnsteig. Wer das tun will, sollte in den kommenden Jahren möglichst nicht in den Süden reisen – oder erst 2013 wieder schwören.
Erschienen im Falter 50/09