Eine saubere, sichere und pünktliche U-Bahn darf viel Geld kosten. Politische Pfründe sollten es nicht
Analyse: Joseph Gepp
Man kann den Wiener Öffi-Plan als Mittel nutzen, um rasch von A nach B zu kommen. Man kann ihn aber auch politisch lesen, als Spiegelbild von Macht und Machtteilung in diesem Land.
Da gibt es zum Beispiel die rote U1 (Stadt), die den wichtigen Südbahnhof (Bund) ignorant links liegen lässt. In Floridsdorf ziehen dafür braune U6 (Stadt) und blaue S45 (Bund) in einträchtiger Parallelität nebeneinander her. Da gibt es am Alsergrund mit dem Franz-Josefs-Bahnhof (Bund) den wohl verwaistesten Kopfbahnhof Österreichs, weil die Fahrgäste einige hundert Meter weiter an der U6-Station Spittelau (Stadt) umsteigen. Da gibt es weiters die strichliert violette U2-Südverlängerung (Stadt). Wie die U1 soll auch sie am Südbahnhof vorbeifahren. Dafür ist nun, als Ausgleich für täglich tausende Pendler, eine kleine Standseilbahn zwischen U- und S-Bahn geplant. Wie ein schmales Bindeglied zwischen überbordendem Föderalismus und gesundem Menschenverstand.
Womit wir beim Thema wären: Vergangene Woche warf der Rechnungshof den Wiener Linien in einem Bericht „internes Kontrollversagen“ bei den Verlängerungen von U1 und U2 vor. Neben rund neun Millionen Euro unnötiger Mehrkosten kritisierten die Prüfer, dass der mitfinanzierenden öffentlichen Hand rund sechs Millionen Euro zu viel verrechnet wurden. Konkret seien etwa Kosten für den Bau von Geschäftslokalen, die die Verkehrsbetriebe selbst hätten tragen müssen, zu Stadt und Bund geschoben worden. Die Linien weisen die Vorwürfe zurück.
Hinter dem Missstand steckt ein grundsätzliches Problem: Ja, die U-Bahn in Wien läuft hervorragend, ist sicher, sauber und pünktlich. Ja, ein solches Service kostet Geld. Aber ab wann zahlt der Steuerpflichtige extra für Intransparenz? Ab wann fließt das Geld in die Absicherung (stadt-)politischer Pfründe? Um wie viel weniger Geld ließe sich ein Öffi-Netz realisieren, das ebenso sicher, sauber und pünktlich laufen würde?
Seit 1999 unterstehen die Wiener Linien nicht mehr direkt dem Rathaus, sondern der Wien-Holding, die jedoch ihrerseits eine Gemeindetochter ist. Die Verkehrsbetriebe wurden, wie man das nennt, „ausgegliedert“. Seitdem scheint es, als nehme sich die Stadtverwaltung von der öffentlichen und privaten Organisationsform das jeweils Angenehme: Wenn – wie momentan – Landtagswahlen näherrücken, dann häufen sich in U-Bahn-Werbekampagnen die (sozialdemokratischen) Erzählungen vom sicheren, sauberen und pünktlichen Wien; kürzlich wurde laut Medienberichten auf Betreiben der Stadt sogar der Pressesprecher ausgewechselt.
Wenn es aber – wie nach dem Rechnungshofbericht – Kritik gibt, dann putzen sich Politiker am angeblich unabhängigen Unternehmen ab, über dessen Geschäftsgebaren für sie ja keine Rechenschaftspflicht bestehe.
Die Ausgliederung verdeckt die Tatsache, dass die Wiener Linien nach wie vor als Erbgut der Wiener SPÖ betrachtet werden. Und damit als städtisches Prestigeprojekt dienen, als werbewirksames Symbol einer wohlorganisierten und lebenswerten Stadt. Dementsprechend wenig Wert legen sie auf Zusammenarbeit mit den bundesweiten ÖBB.
So trennt die beiden Unternehmen eine jahrzehntelange Geschichte des Aneinandervorbeiplanens. Ihr liegt ein Konflikt zwischen Parteien und zwischen staatlichen Ebenen zugrunde, dem Effizienz und Synergien oft zum Opfer fallen.
Die Lösung wäre, wie oft in Österreich, theoretisch einfach. Aber ein Verzicht auf politische Pfründe hinter vorgeblicher wirtschaftlicher Unabhängigkeit erfordert auch die Preisgabe von Einfluss. Dann könnte das rote Rathaus über seine U-Bahn nicht mehr verfügen, wie es das derzeit tut. Und die mitunter schwarze Republik müsste in Wien mit einem politischen Gegner zusammenarbeiten. Vor diese Wahl gestellt, scheint Geldverbrennen allemal die bevorzugte Möglichkeit zu sein.
Erschienen im Falter 46/09