Vollzeit am Berg

Die Kleingartensiedlung Hackenberg in Döbling soll umgewidmet werden. Bei vielen Bewohnern stößt das auf erbitterten Widerstand

Bericht: Joseph Gepp

Gartenzwerge, sorgsam gestutzte Hecken und die sanft geschwungenen Weinberge der Wienerwaldhügel im Hintergrund. So sieht der derzeit größte Umwidmungskonflikt in Österreich aus.

Sievering, Krottenbachstraße. Der Hackenberg umfasst 66 Hektar, das entspricht zwei Dritteln der Josefstadt. 474 Menschen pflegen hier ihre Schrebergartenhäuschen. Zumindest bisher.

Denn nun soll ein ganz normales Wohngebiet aus dem Hackenberg werden. Statt „Kleingarten“ soll die Widmung auf „ganzjährig wohnen“ lauten. Das befürworten schwarze Bezirks- wie rote Stadtregierung. Und auch rund die Hälfte der Bewohner stimmt zu. Für sie bedeutet die Umwidmung eine enorme Wertsteigerung.

Umso vehementer bekämpfen sie Anrainer und die zweite Hälfte der Hackenberger. Denn „ganzjährig wohnen“ ginge mit einem Verbau der Schrebergartenparzellen und veränderter Infrastruktur einher: Parkmöglichkeiten, breite Straßen, Schulklassen und Kindergartenplätze – bei einer Kleingartensiedlung muss das nicht sein, bei regulärem Wohngebiet schon.

Der Streit schwelt seit Jahren. Nun haben ÖVP-Bezirkschef Adolf Tiller und die Stadtplaner der MA 21 beschlossen, den Plan durchzuziehen. Kommende Woche soll die Umwidmung im Gemeinderat beschlossen werden. Die Bewohner stimmten vorher ab: Eine dünne Mehrheit von 245 zu 201 Stimmen befürwortete die Widmung.

Kritiker toben und sprechen von einem „getürkten Ergebnis“. Nur ein Teil der Grundbesitzer habe überhaupt einen Fragebogen bekommen, behaupten sie. Die öffentliche Einsehfrist des Plans sei zudem „zur Unzeit der herannahenden Weihnachtsfeiertage“ aufgelegen. Von Korruption ist die Rede, von Spekulantentum, von städtischen Politikern, die auf diese Art den Wert eigener Liegenschaften am Hackenberg in die Höhe treiben wollen.

Dass die Folgen für den Naturraum Döblings zum Problem werden könnte, scheint auch die Gemeinde zu wissen. Zumindest deuten einige – vom Rathaus in Auftrag gegebene – Gutachten darauf hin, die dem Falter vorliegen. So warnt ein Raumplanungsbericht von 2005, dass „aufgrund des steigenden Grundstückswerts mit einer (…) Verdichtung der Parzellenstrukturen“ zu rechnen sei. Das maximale Verdichtungspotenzial am Berg sei 16-mal so hoch wie jetzige Bauflächen und Parzellendichte. Das heißt: Man fürchtet, dass auf Kosten der Grünflächen Wohnhäuser errichtet werden könnten.

Ähnlich argumentiert der Fachbeirat für Stadtgestaltung: Die Umwidmung sei „im Hinblick auf Topografie, Erschließung, Stellplatzangebot und Angebot der Infrastruktur als problematisch anzusehen“. Eine andere Expertise von 2006 hebt in Fettschrift das „hohe Potenzial als Erholungsraum“ und die „Eigenart dieser Kulturlandschaft“ hervor. Und selbst die MA 21 für Stadtentwicklung schreibt in ihrem Antragsentwurf für die Umwidmung von der „Bedeutung des Hackenbergs für Naturraum“, deretwegen man die „Widmung eingehend prüfen“ müsse.

Zeitungen wie Krone oder Kurier berichten schon lange über den Streit, Gutachter warnen vor Umweltgefahren – warum also bestehen Bezirk und Gemeinde, sonst sorgsam auf gute Stimmung bedacht, auf die Umwidmung? „Die Mehrheit ist dafür“, sagt ÖVP-Bezirkschef Adolf Tiller. „Und Gegner muss man in einer Demokratie halt aushalten.“ Auf die Umwelt werde geachtet, verspricht er, die Zahl der Parkplätze sei beschränkt und von kleinen Parzellen dürften nur 20 Prozent verbaut werden.

Der Opposition dagegen nutzt die schlechte Stimmung. „Eine Kleingartensiedlung wird per Federstrich in eine Wohnhausanlage verwandelt“, sagt Ute Meyer von der Döblinger FPÖ. „Bei aller Wertsteigerung – dieses Naherholungsgebiet sollte erhalten bleiben.“ Und auch die grüne Planungssprecherin Sabine Gretner beklagt die „Zerstörung eines schützenswerten Gebiets“. In Wien gebe es viele Kleingartensiedlungen. „Der Hackenberg wird zum bedenklichen Präzedenzfall.“

Erschienen im Falter 17/09

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Eingeordnet unter Bürgerbeteiligung, Behörden, Das Rote Wien, Stadtplanung, Wien

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