„Einen total perplexen, verfolgten Eindruck“

Vergangene Woche berichtete der Falter über den verschwundenen Amerikaner Aeryn Gillern. Jetzt meldet sich ein Zeuge zu Wort

Bericht: Joseph Gepp

Der Falter berichtete: Aeryn Gillern, 34, US-Amerikaner und Uno-Mitarbeiter, rannte am Abend des 29. Oktober 2007 nackt aus der Wiener Schwulensauna Kaiserbründl im ersten Bezirk und verschwand danach spurlos. Die Polizei sagt, er habe durch einen Sprung in den Donaukanal Selbstmord begangen. Seine Mutter, Kathy Gilleran, will daran nicht glauben. Selbst eine pensionierte Polizistin, warf sie der Wiener Polizei im Falter-Gespräch Homophobie und schwere Schlampereien bei der Suche nach ihrem Sohn vor.

Niemand will den nackten Mann gesehen haben, der am frühen Abend durch die stark frequentierte Innenstadt in Richtung Donaukanal gelaufen sein soll. Die Polizei sagt, es gebe lediglich Zeugen, die ihn beim Verlassen der Sauna beobachtet hätten. Das Saunapersonal verlor an jenem Abend Gillern schon nach wenigen Metern aus den Augen. Nachdem er aus der Saunatür gekommen war, verschwand er sofort in den Gassen rund um den Franziskanerplatz.

Jetzt meldet sich ein Zeuge zu Wort. Wolf Deucker, 26, Student aus der Leopoldstadt, war an jenem Abend mit seiner Freundin in den Cafés der Innenstadt unterwegs. Zwischen 19 und 20 Uhr durchquerten sie die Unterführung zwischen Stubentor und Bäckerstraße. „Wir sahen einen nackten Mann“, erzählt Deucker. „Er kam von der Stubenbastei und lief über die Dominikanerbastei davon, in Richtung Donaukanal.“ Der Mann hatte eine Glatze und war muskulös – Deucker erkannte ihn auf dem Foto in der Zeitung als Aeryn Gillern wieder. „Wir dachten an einen seltsamen Scherz oder eine verlorene Wette. Wir konnten uns nicht erklären, warum jemand nackt bei leichtem Schneerieseln über den Platz lief. Meine Freundin pfiff ihm nach, daraufhin dreht er sich kurz im Laufen um, wie erschreckt, rannte aber gleich weiter. Er war nassgeschwitzt. Er machte einen total perplexen, verfolgten Eindruck. Wir sahen aber keine Verfolger auf der Straße.“ Und: „Es waren sonst keine Passanten in dieser zentralen Gegend unterwegs.“

Tage später meldete sich Deucker bei der Polizei, nachdem das Gratisblatt Heute über den Fall berichtet hatte. Zwei Polizisten nahmen seine Aussage auf. Jetzt behauptet die Polizei, es habe keine Zeugen gegeben – außer jenen unmittelbar am Saunaeingang. Deucker wusste nicht, dass seine Beobachtung offensichtlich nicht in die Ermittlungen einfloss. „Das muss vor allem für die Angehörigen schlimm sein“, sagt er. „Die erfahren seit über einem Jahr nichts und müssen in unerträglicher Ungewissheit abwarten.“

Erschienen im Falter 48/08

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5 Kommentare

Eingeordnet unter Aeryn Gillern

5 Antworten zu “„Einen total perplexen, verfolgten Eindruck“

  1. phii

    … aber es ist noch kein blog, wenn man seine geschichten aus dem print einfach online stellt

  2. Pingback: Vier Jahre ohne jede Spur | Geppbloggt

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