Es war einmal ein Texaner, der nach Österreich kam und eines Abends eine unglaubliche Geschichte hörte: Ein Mann namens Jack Unterweger lebte hier vor fast 20 Jahren. Tagsüber unterhielt er als gefeierter Schriftsteller die Wiener Gesellschaft, nachts ermordete er im Wienerwald Prostituierte. John Leake begann sich zu interessieren und schrieb die Geschichte schließlich nieder. Nun liegt sie in deutscher Übersetzung vor – 455 Seiten stark, amerikanischer Doku-Journalismus im besten Sinn: detailreich bis ins Kleinste, ohne jemals den Überblick zu verlieren. Wer die bizarre Geschichte Unterwegers liest, lernt ganz nebenbei die Grundzüge von Forensik und Kriminalpsychologie kennen. Und gewinnt nicht zuletzt tiefen Einblick in eine Gesellschaft, die Unterweger mit einer Kritiklosigkeit protegierte, die an Fahrlässigkeit grenzte. Sehr empfehlenswert.
Joseph Gepp
John Leake: Der Mann aus dem Fegefeuer. Residenz, 455 S., € 24,90
Erschienen im Falter 40/08