13. März 2008 · 13:15
ENERGIE Wie ein Dörfchen im Marchfeld, ein folgenschwerer
Opernbesuch und Russlands mächtiger Gazprom-Konzern zusammenhängen.
Und warum das Energiegeschäft kein leichtes ist. Die Geschichte der
Gaspipeline Nabucco. JOSEPH GEPP
Wenn alle Orte im Marchfeld gleich aussehen, dann ist Baumgarten
an der March der gleicheste. 192 Einwohner und kein einziger auf der
Straße. Zwei Häuserzeilen, eine kleine Kirche, eine freiwillige
Feuerwehr. Wer es nicht weiß, würde nicht ahnen, dass der Name
Baumgarten regelmäßig auf den Konferenzagenden der
EU-Kommissionssitzungen in Brüssel steht. Oder in den
Strategiepapieren des Gazprom-Konzerns in Moskau. Er würde nicht
glauben, dass Baumgarten in den Fachpublikationen der Berliner
Stiftung Wissenschaft und Politik eine Rolle spielt. Oder in den
Notfallplänen des Wiener Innenministeriums.
Die Ursache für das Interesse liegt einen knappen Kilometer
außerhalb des Ortes – und macht optisch nicht viel her. Es sind
einige Industrieanlagen auf einem umzäunten Gelände, mitten in den
gefrorenen Feldern. Ein paar silbrige Tanks, einige weiße Rohre, die
aus der Erde kommen und wieder in ihr verschwinden. Ein dezentes
Hinweisschild am Straßenrand mit dem Logo der OMV. „Understatement“
nennt das ein Mitarbeiter des Konzerns und lächelt.
„Understatement“ trifft es: In Baumgarten steht eine der größten
Erdgasverteilungsanlagen Europas. In Sibirien wird das Gas aus der
Erde gepumpt und bewegt sich dann mit der
Durchschnittsgeschwindigkeit eines Radfahrers mehr als 4000 Kilometer
gen Westen. In Baumgarten, das nur zwei Kilometer von der
slowakischen Grenze entfernt liegt, erreicht es, wenn man so will,
die westliche Hemisphäre. Hier wird es in Empfang genommen, gemessen,
über halb Europa weiterverteilt. Was hier durchkommt, dient der
Energieversorgung großer Teile Österreichs, Italiens, Frankreichs,
Sloweniens und Kroatiens. Ohne Baumgarten blieben ihre
Wasserleitungen und Gaskraftwerke kalt. 42 Milliarden Kubikmeter
Erdgas treffen jährlich ein. Zum Vergleich: Alle Österreicher
gemeinsam brauchen etwa acht Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Ein
Familienhaushalt benötigt im Schnitt 3000 Kubikmeter jährlich. Das
Baumgartner Gas reicht demnach für etwa 14 Millionen Haushalte.

Baumgarten, Mittelpunkt der Welt
Foto von Heribert Corn
Dementsprechend streng sind die Sicherheitsvorkehrungen. Walter
Scholda, 40, Betriebsleiter, führt durch die Anlage. Ein
rotmarkierter Besucherweg, vom dem nicht abgewichen werden darf,
windet sich an Tanks und Rohren vorbei. Scholdas Finger wandert den
Weg entlang: Dort werde das Gas entnommen, dort gezählt, dort
komprimiert, dort gekühlt, dort weitergeleitet, erklärt er. Dann ein
Moment des feierlichen Innehaltens. „Das ist die erste Leitung aus
Russland“, sagt er und deutet auf ein weißes Rohr von eineinhalb
Metern Durchmesser am Rand des Geländes. Im Jahr 1968 war die OMV die
erste westeuropäische Firma, die Gaslieferverträge mit der
Sowjetunion abschloss. Damals hätte man die Firma noch dafür
belächelt, sagt Scholda. Doch die Rechnung ging auf. Das Gas traf
ein. Mehr und mehr Leitungen wurden nach Baumgarten verlegt. Heute
deckt Russland mehr als zwei Drittel des österreichischen und etwa
ein Drittel des Erdgasverbrauchs der gesamten EU ab. Eine Tatsache,
mit der nicht alle im Gasgeschäft und in der Energiepolitik glücklich
sind.
Dass Rohstoffe Macht bedeuten, hatte man in den Neunzigerjahren,
als sie billig zur Verfügung standen, fast vergessen. Doch jetzt, vor
dem Hintergrund von Klimawandel und weltpolitischer Instabilität,
steigt ihr Wert. Das zeigt sich beispielsweise in Russland, wo der
staatlich dirigierte Energiekonzern Gazprom dem Land zu neuem
Wohlstand und neuer Geltung verholfen hat. Oder in Zentralasien, wo
sich Autokraten mit Gaseinnahmen goldene Statuen und funkelnde
Hauptstädte errichten lassen. Das zeigt sich auch in der EU, wo man
angesichts dieser Herausforderungen um einen gemeinsamen
energiepolitischen Weg ringt. Und in Österreich, dessen
Energiekonzern OMV im internationalen Gasgeschäft eine weit größere
Rolle spielt, als man es von einem Achtmillionenland annehmen würde.
Wer diese Rolle kennen lernen will, muss nach Wien-Floridsdorf, in
das 21. Stockwerk des Florido-Towers am Donauufer. Dort, weit
entfernt von den Niederungen des Gasgeschäfts, sitzt Reinhard
Mitschek in einem stillen, kostspielig eingerichteten
Konferenzzimmer. Der Blick schweift über die Dächer Transdanubiens.
Mitschek, 49, Niederösterreicher, ist Geschäftsführer eines Projekts,
das sich zum Ziel gesetzt hat, die Abhängigkeit von russischem Gas zu
reduzieren. Dazu sollen mehrere europäische Staaten eine neue
Großpipeline errichten. Nabucco, so der Name des Rohres, wird 3000
Kilometer lang und 1,42 Meter breit werden, gebaut aus zwei Millionen
Tonnen Stahl für fünf Milliarden Euro von einem
österreichisch-ungarisch-rumänisch-bulgarisch-türkischen und seit
Dienstagabend auch deutschen Energiekonsortium unter Schirmherrschaft
der OMV. Der Name der Pipeline sei ihm und der internationalen
Kollegenschaft eines Abends nach einem Opernbesuch gekommen, erzählt
Mitschek. Damit nicht alles mit Erdgas immer so trocken klinge. Doch
wenn Mitschek die Notwendigkeit von Nabucco erklärt, verfällt er in
den Geschäftsjargon: Jetzt gehe es darum, die „Versorgungssicherheit“
zu erhöhen, sagt er. Der europäische Erdgasverbrauch werde innerhalb
der nächsten zwanzig Jahre um etwa ein Drittel steigen. Das mache
eine „Diversifizierung“ der Gaslieferländer notwendig: „Europa
braucht neue Quellen, neue Leitungen, neue Gasfelder, um diesem
Bedarf zu begegnen“, meint Reinhard Mitschek. Und: „Nabucco ist ein
großer Schritt in diese Richtung.“
Wenn er das Problem illustrieren will, dann deutet er auf eine
große Europakarte mit etlichen schwarzen Linien, die hinter ihm an
der Wand lehnt. Die Linien bezeichnen Pipelines. Sie kommen durchwegs
aus Russland, führen dann über Weißrussland und die Ukraine in den
Westen, treffen in Ostdeutschland oder Baumgarten ein. Weiter
südlich, im Mittelmeerraum, verläuft bisher nur eine einzige
unauffällige Linie in Richtung Europa. Sie reicht von der Küste des
Kaspischen Meeres über die Türkei und den Balkan bis nach Baumgarten.
Das soll Nabucco werden. Doch noch ist die Linie strichliert. Der
definitive Entschluss wird Mitte dieses Jahres fallen, 2009 soll der
Baubeginn erfolgen, 2012 voraussichtlich wird die Pipeline in Betrieb
gehen.
Nabucco, das südostmitteleuropäische Gemeinschaftsprojekt, hat aus
diesen Gründen zwei Komponenten: eine geschäftliche und eine
politische. Die OMV ist vor allem an der Entstehung einer rentablen
Pipeline mit ausreichend Gas interessiert. „Die politische und
geostrategische Komponente spielt zwar eine Rolle, aber man sollte
sie nicht überbewerten“, sagt Mitschek. Für die EU-Kommission in
Brüssel hingegen ist Nabucco eher ein strategisches Projekt, das die
Abhängigkeit von russischen Rohstoffen verringern soll. Ein eigener
EU-Nabucco-Koordinator, der ehemalige niederländische Außenminister
Jozias van Aartsen, soll dieses Ziel vorantreiben. Die
Machbarkeitsstudie für Nabucco wurde von der Europäischen Kommission
mitfinanziert. „Für die EU ist Nabucco eine außerordentlich wichtige
Pipeline. Das Gas kommt dadurch aus anderen Regionen und über andere
Routen, als das sonst in Europa üblich ist. Auf diese Art schafft die
Pipeline Versorgungssicherheit und Wettbewerb in der Branche“,
erklärt der Energiekommissar Andris Piebalgs dem Falter. Als Lette
weiß er, was es bedeutet, von Moskau abhängig zu sein.
Dass die Versorgung mit russischem Erdgas keine
Selbstverständlichkeit sein muss, hatten Piebalgs und seine Beamten
im Jänner 2006 erfahren. Damals konnten sich Russland und die Ukraine
nicht auf den Preis des russischen Erdgases einigen. Die orange
Revolution, die dem Gasstreit vorangegangen war, war der russischen
Kompromissbereitschaft nicht eben förderlich. In Moskau beschloss
man, dem zahlungsunwilligen Kunden das Gas kurzerhand abzudrehen. Da
die Leitungen in den Westen allerdings über die Ukraine verlaufen,
wurde der Rohstoff weiterhin in die Pipelines eingespeist – nur eben
jener Teil, der für Westeuropa bestimmt war. Die Ukraine hingegen
sollte durch ausbleibende Lieferungen in die Knie gezwungen werden.
Mit der Reaktion des Landes auf den Boykott hatten die
Gazprom-Strategen allerdings nicht gerechnet: Die Ukraine begann, das
Gas in den Transitpipelines einfach anzuzapfen und abzuzweigen. In
Baumgarten sank der Druck. Es folgten hektische Verhandlungen, und
nach einigen Tagen konnte ein Kompromiss ausgehandelt werden, ohne
dass im Westen der Rohstoff knapp geworden war. Das Gas floss wieder.
Seitdem ist „Diversifizierung“ das neue Modewort der europäischen
Energiebranche. Die Abhängigkeit von instabilen und unzuverlässigen
Liefer- und Transitländern war den Europäern erstmals vor Augen
getreten.
Seit diesem Zeitpunkt suchen Brüsseler Politik und nationale
Energiekonzerne nach Alternativen. Aber woher, wenn nicht aus
Russland, soll das Erdgas für Nabucco kommen? Reinhard Mitschek ist
diese Frage schon oft gestellt worden. Zuallererst, beginnt er, würde
man Aserbaidschan ins Visier nehmen, natürlich, dort werde Nabucco ja
enden. Dann hebt er nacheinander die Finger und zählt auf: erst
Zentralasien, mittels einer Verlängerung der Pipeline über das
Kaspische Meer. Dann Ägypten, mittels einer weiteren durch den Nahen
Osten. Und schließlich nennt er den Irak und den Iran. Die Pipelines
dorthin existieren zwar bereits, politisch sind die beiden Länder,
vor allem der Iran, dafür umso fragwürdiger. „Das sind derzeit
geopolitisch sensible Staaten, in denen auch der Erdgassektor noch
ausgebaut werden muss. Aber langfristig kann man auch diese
Perspektive nicht ausschließen.“
Mit dieser Option steht die OMV momentan ziemlich alleine da. „Die
Gasreserven im Iran zu erschließen, wäre zwar energiewirtschaftlich
sinnvoll, ist aber aus politischen Gründen derzeit kaum möglich“,
sagt Gerhard Mangott, Russlandexperte und Professor an der
Universität Innsbruck. „Das iranische Regime tötet und verfolgt seine
Bürger. Es droht Israel mit der Vernichtung. Österreich und die OMV
sollten sich wirklich fragen, ob sie mit so einem Land Geschäfte
machen wollen“, sagt Simone Dinah-Hartmann, die mit ihrer
Protestinitiative „Stop the Bomb“ Unterschriften gegen die
OMV-Geschäfte im Iran sammelt. Das denken auch die Amerikaner: Medien
spekulierten gar über eine Intervention des US-amerikanischen State
Departement im Wiener Außenministerium (eine offizielle Protestnote
blieb laut Außenministerium allerdings aus), nachdem der Konzern im
April 2007 angekündigt hatte, in die Erschließung eines iranischen
Erdgasfelds investieren zu wollen. Angela Merkel nannte den Handel in
der israelischen Zeitung Ha’aretz einen „gefährlichen Präzedenzfall“
eines Geschäfts zwischen einem westlichen Konzern und dem Iran.
OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer dagegen rechtfertigte das Engagement
im Falter-Interview vor etwa einem Jahr mit dem Verweis auf andere
rohstofffördernde Staaten: „Faktum ist, Öl und Gas finden sich in
großen Mengen eben hauptsächlich in Ländern, an denen man auch die
eine oder andere politische Kritik anbringen kann.“ Diese Aussage,
obwohl harmlos formuliert, trifft einen wunden Punkt des
Energiegeschäfts: Rohstoffreichtum wirkt nicht unbedingt
demokratiebefördernd. Was man dem Iran vorwirft, kann man in
abgeschwächter Form ebenso Russland, Venezuela, Saudi-Arabien oder
den Staaten Zentralasiens vorhalten.
Und die anderen potentiellen Lieferländer? Das aserbaidschanische
Gas, erklärt Mangott, reiche „für den finanziell rentablen
Vollbetrieb der Pipeline nicht aus“. Vollbetrieb, das sind in diesem
Fall bis zu dreißig Milliarden Kubikmeter Erdgas, die pro Jahr
mittels Nabucco vom Nahen Osten nach Österreich gepumpt werden sollen
– zwei Drittel der jährlichen Frequenz von Baumgarten. Die
Gasvorkommen am kaspischen Meeresgrund vor der aserbaidschanischen
Hauptstadt Baku füllen dieses Volumen nicht. Dasselbe gelte auch für
die ägyptischen Gasreserven, meint Mangott. Und Zentralasien? Unter
dem Boden der Steppen Kasachstans und Turkmenistans lagern riesige
Erdgasvorkommen. Die abgelegenen Diktaturen machte der Rohstoff reich
– kann Europa nicht daran partizipieren? „Alte Verträge aus
Sowjetzeiten definieren das Kaspische Meer als See und nicht als
Meer“, antwortet Mangott. Das bedeutet: Um nach Zentralasien zu
gelangen, müsste Nabucco das Kaspische Meer durchqueren. Da jenes
allerdings hoheitsrechtlich als See und nicht als Meer definiert ist,
haben alle Anrainerstaaten ein Mitspracherecht – auch der angrenzende
Iran. Und jener wird, so Mangott, nicht zustimmen. „Teheran wird
vorher darauf bestehen, die eigenen Gasvorkommen zu entwickeln und zu
exportieren.“ Und selbst wenn dieses Problem gelöst würde: Die
zentralasiatischen Staaten hätten erst im vergangenen Mai umfassende
Lieferverträge abgeschlossen – mit Russland. So sehr man die
Möglichkeiten also auslotet: Am Ende kommt wieder Russland ins Spiel.
Nabucco-Geschäftsführer Reinhard Mitschek kennt diese Probleme –
und hat eine Lösung parat, die zwar auf der Hand liegt, aber der
politischen Idee der Pipeline zu widersprechen scheint: Russland soll
Gas in Nabucco einspeisen. „Das Projekt würde auch Gas aus russischen
Quellen begrüßen“, sagt er. Nahe der türkischen Hauptstadt Ankara
soll es ins mitteleuropäische Rohr hineingeleitet werden.
Ein Anruf in Moskau bestätigt diese Aussage. Begreift sich der
Gazprom-Konzern als Gegner von Nabucco? Der Konzernsprecher
beantwortet die Frage mit einem Lächeln: „Warum? Wir könnten sogar
Teil des Projekts sein.“ Nabucco, sagte auch Gazprom-Finanzchef
Alexander Medwedew, ein Namensvetter des Präsidentschaftskandidaten,
im Dezember der Presse, stelle für Gazprom keine Konkurrenz dar. Ohne
russische Hilfe ist das Projekt aussichtslos – das weiß Medwedew
ebenso gut wie Mangott und sogar Reinhard Mitschek. Aber was bleibt
dann vom Ziel der Diversifizierung? „Nabucco verläuft über eine
andere Route und durchquert andere Transitländer als die bisherigen
Pipelines. Damit schaffen wir eine Diversifizierung der Quellen und
Routen und die Versorgungssicherheit wird erhöht“, sagt Mitschek.
Trotz Russland also. Gerhard Mangott spricht „immerhin von einer
partiellen Diversifizierung“: „Die Gefahr eines Lieferengpasses durch
einen neuen Gasstreit mit der Ukraine oder Weißrussland
beispielsweise könnte man durch Nabucco auffangen.“
Freilich: Dass Russland im mitteleuropäischen Gemeinschaftsprojekt
plötzlich unentbehrlich geworden ist, ist nicht ganz von alleine
passiert. Gazprom hat mit vielen Mitteln darauf hingearbeitet.
„Russland will die europäische Strategie der Diversifikation
untergraben. Und dieser Plan lässt sich am besten verfolgen, indem es
sich möglichst überall beteiligt“, sagt Claudia Kemfert,
Energieexpertin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in
Berlin. Und so kauft sich Gazprom besonders gerne dort ein, wo
Nabucco bereits ist oder gerne wäre – beispielsweise in Zentralasien.
Nach einem ausgedehnten Staatsbesuch unterschrieben Wladimir Putin
und die Staatschefs Kasachstans und Turkmenistans im Mai 2007 ein
Abkommen über den Bau einer Pipeline von Turkmenistan nach Russland.
Der Plan Europas, zentralasiatisches Gas ohne russische Beteiligung
in den Westen zu befördern, war damit durchkreuzt. Ähnliches war im
Monat davor auch in Ungarn geschehen: Im März scherte das Land
plötzlich aus dem Nabucco-Konsortium aus. Premierminister Ferenc
Gyurcsány sagte in der International Herald Tribune, dass der
dringende Energiebedarf Ungarns eine Zusammenarbeit mit Russland
erfordere. Ungarn bezieht mehr als achtzig Prozent seines Erdgases
aus Russland. Die Tatsache, dass Gazprom bald über Umwege Teile der
ungarischen MOL übernehmen wird, war der Entscheidung Gyurcsánys wohl
nicht abträglich. „Gazprom versucht ganz offensichtlich, das
Nabucco-Projekt zu stören“, urteilte Roland Götz von der Berliner
Stiftung Wissenschaft und Politik in diesen Tagen. Der Druck der EU
konnte Ungarn jedoch ins Konsortium zurückholen. „Jetzt steht die
MOL-Zusage. Das ist das Einzige, was für mich als Geschäftsführer
gilt“, sagt Reinhard Mitschek heute.
Der bisher letzte Schritt dieser russischen Taktik ist der Plan,
in den nächsten Jahren eine neue Pipeline nach Europa zu verlegen –
parallel zu Nabucco. Statt in Aserbaidschan soll South Stream, so der
Name des geplanten Rohres, in Russland beginnen. Die Pipeline soll
durch das Schwarze Meer verlaufen, Endpunkt wäre Italien oder gar
Österreich. „Der Bau von South Stream würde Nabucco unrentabel
machen“, beschrieb der Economist lapidar einen Konkurrenzkampf,
dessen Ausgang den Todesstoß für Nabucco bedeuten könnte. Aber:
„Eigentlich ist South Stream finanziell unrentabel. Ich vermute, das
Projekt dient Gazprom nur dazu, die Beteiligung an Nabucco zu
erzwingen“, sagt Mangott.
Sollte das tatsächlich der Plan gewesen sein, dann kann Gazprom
einen Erfolg für sich verbuchen: Am Abend des 23. Mai 2007 –
Präsident Putin, auf Besuch in Wien, weilte gerade im Redoutensaal
der Wiener Hofburg beim Festbankett – verkündeten OMV und Gazprom
einen Schritt zur intensiveren Zusammenarbeit: Gazprom, Russlands
mächtiges Energieunternehmen, soll sich künftig am Gasknotenpunkt
Baumgarten beteiligen.
Erschienen im Falter 6/08
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