Falscher Alarm?

TERROR Der Anschlag auf die US-Botschaft war gar keiner. Sagt das FBI. Die Rolle der Wiener Wahhabiten ist damit jedoch nicht geklärt. Stefan Apfl und Joseph Gepp

Haben sich die Vorwürfe rund um den mutmaßlichen Anschlag auf die US-Botschaft in Luft aufgelöst? Es scheint so. Vergangene Woche schloss FBI-Spezialagent Paul Caldwell, der an den Ermittlungen beteiligt ist, einen terroristischen Hintergrund aus: „Wir sind der Meinung, dass es kein Anschlag war.“ Die Staatsanwaltschaft will dies nicht bestätigen. Sie verlautbarte unterdessen, dass die beiden Handgranaten und der Sprengstoff im Rucksack von Asim Ç. nicht sprengfähig waren. Mehmed D., sein angeblicher Auftraggeber, wurde bereits aus der U-Haft entlassen.

Die Hintergründe der Tat stellen sich laut Akt so dar: Ende September ruft Ç. mehrmals bei der US-Botschaft an, um den Sicherheitsleuten „wichtige Informationen“ mitzuteilen. Es wird ein Treffen für den 3. Oktober am Wiener Franz-Josefs-Bahnhof vereinbart. Ç. allerdings irrt sich um zwei Tage und wird in der Folge per Handy zur Botschaft gelotst – von der er in Panik flieht, als der Detektor Alarm schlägt.

Ç. will den Rucksack von einem „radikalen Islamisten“ erhalten haben. Ebenso wie das halbe Kilogramm Sprengstoff, das die Polizei bei ihm zuhause fand, und das Buch „Namaz u Islamu“ („Das Gebet im Islam“), das er in seinem Rucksack trug. In dem Werk wird dem „Märtyrertod“ als Vollendung des Islam gehuldigt – die Staatsanwaltschaft bezeichnete derartige Inhalte bloß als „sehr konservativ“.

War es falscher Alarm? Und was bedeuten die Kontakte, die Ç. zur wahhabitischen Szene in Wien hatte (der Falter 41/07 berichtete)? Angeblich besuchte er mehrmals die bosnische Moschee in der Murlingengasse 61, Wien-Meidling. Der dahinter stehende Verein, der auch „Namaz u Islamu“ herausgegeben hat, gilt als eine Basis radikaler Muslime in Österreich und wird angeblich vom Verfassungsschutz observiert. Der Imam, Muhammed Porca, steht unter dem Verdacht, wahhabitische Aktivitäten zwischen Wien und Sarajevo zu koordinieren.

Roland Friis, Ç.s Anwalt, weiß nichts von den Kontakten. Und auch die Staatsanwaltschaft gibt an, nicht in Richtung Wahhabiten zu ermitteln. Neue Indizien aus Bosnien-Herzegowina, wo der Fall Asim Ç. aufmerksam verfolgt wird, deuten jedoch sehr wohl auf eine Verbindung hin: „Ç. war in Barcici, um sich von wahhabitischen Klerikern durch den Koran von seiner psychischen Krankheit kurieren zu lassen“, behauptet Anes Alic, Direktor von ISA, einem Think-Tank mit Sitz in Sarajevo und Tel Aviv. Das Dorf Barcici nahe Tuzla, das als wahhabitische Hochburg gilt, ist Geburtsort des verstorbenen Wahhabitenführers Jusuf Barcic.

Ich verstehe nicht, warum die österreichischen Behörden den Fall so herunterspielen“, sagt Alic. Und erzählt Überraschendes: „Mindestens einer der drei Jugendlichen, die im September in Wien festgenommen worden waren, war regelmäßiger Gast bei den Predigten Porcas. Das habe ich von bosnischen Ermittlern erfahren.“ Die drei mutmaßlichen El-Kaida-Anhänger hatten im März ein Video online gestellt, in dem sie mit Anschlägen gedroht hatten, sollte Österreich nicht seine Soldaten aus Afghanistan abziehen.

In Österreich bezieht niemand zu diesen Informationen Stellung. Anrufe in der Murlingengasse bleiben unbeantwortet. Die Staatsanwaltschaft will nichts davon gehört haben. Rechtsanwalt Friis, der auch Mohammed M., den Anführer der terrorverdächtigen Jugendlichen, vertritt, kann die Verbindung M.s zu Porca nicht bestätigen und bezeichnet Ç. außerdem als „nicht strenggläubig“. Lediglich ein Anhänger Porcas nahm vor wenigen Tagen in der bosnisch-serbischen Tageszeitung Nezavisne Stellung: „Die österreichischen Behörden haben ihre Arbeit professionell gemacht. Wir hatten keine Unannehmlichkeiten. Wir sind ihnen sehr dankbar dafür.“

Erschienen im Falter 43/07

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Eingeordnet unter Balkan, Die vielschichtigen Verbindungen zwischen Osteuropa und Wien, Religion

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